061 Blick »Besiegte ein Bakterium Napoleon?«

Die Schlacht fand am 18. Juni 1815 in der Nähe des damals niederländischen Dorfes Waterloo statt. Der britische General Wellington besiegte gemeinsam mit dem preussischen Generalfeldmarschall Blücher Napoleons Armee und schickte den Korsen in die Verbannung.

Auf der Atlantikinsel St. Helena erlebte Napoleon sein endgültiges Waterloo: Er starb, fiel womöglich dem Bakterium Helicobacter pylori zum Opfer. Zwei Haare stützten zwar Verschwörungstheorien, wonach er mit Arsen vergiftet worden sei, doch erwiesen ist lediglich, dass sein Hut heute im Deutschen Historischen Museum ausgestellt ist.

Der Name Waterloo, mittlerweile ein Synonym für eine vernichtende Niederlage, überlebte in vielfältiger Art und Weise. Er inspirierte Songwriter (Abba 1974) und war weltweit Namensgeber für über zwei Dutzend Städte. In London tragen ein Bahnhof und eine U-Bahn-Station den Namen, sehr zum Ärger der französischen Regierung. Sie verlangte eine Umbenennung, vergebens. Kapitulieren ist nicht britisch. Weniger standhaft waren die Belgier. Auf Druck von Paris schmolzen sie 180’000 neue Euro-Münzen ein, die an Waterloo erinnerten.

Erhalten blieb uns auch das legendäre Filet Wellington, das sich der Freimaurer Wellington angeblich nach der Schlacht servieren liess. Nebst dem Filet im Teig bescherte Waterloo der Nachwelt auch den edlen Margaux Château Palmer, der es 1961 auf 99 Parker-Punkte brachte. Wellington hatte das französische Weingut seinem treuen General Charles Palmer geschenkt. Trotz enormer Anstrengungen erlebte dieser in den Rebbergen von Bordeaux ein finanzielles Waterloo. Gebodigt hatten ihn weder die Reblaus noch desertierte französische Soldaten, sondern die Bank, die ihm die Verlängerung der Hypothek verweigerte.

Nathan Mayer Rothschild war der Warren Buffett seiner Zeit und der grösste Financier des britischen Imperiums. Einige Autoren warfen ihm vor, dass er dank besseren Nachrichtenverbindungen früher von Napoleons Niederlage erfuhr und diesen Informationsvorteil an der Londoner Börse ausnutzte. Einer seiner Bankkunden, der Dichter und Journalist Heinrich Heine, notierte in seinem Buch «Lutetia» voller Bewunderung: «Geld ist der Gott unserer Zeit und Rothschild sein Prophet.»

 


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060 Blick »Faule Knochen«

© Blick 2020 / Folge 60 /   17.4.2020                                                                                                              

Faule Knochen

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchte man zur Normalität überzugehen. Es wurde wieder Fussball gespielt, und das Fernsehen entwickelte sich allmählich zum Massenmedium, es gab plötzlich mehr Fernsehzuschauer als Rundfunkhörer. Die Krönung von Elizabeth II. am 2. Juni 1953 brach alle Rekorde, obwohl der Gründer der Filmproduktionsgesellschaft 20th Century Fox behauptet hatte, dass sich das Fernsehen niemals durchsetzen würde: «Die Menschen werden sehr bald müde sein, jeden Abend auf eine Sperrholzkiste zu starren.»

Ermüdet haben die TV-Zuschauer aber nicht die flimmernden Holzkisten, sondern die Bedienung des Fernsehgeräts, weil man zum Umschalten aufstehen musste. Einer dieser Couch-Potatoes entwickelte deshalb für die Firma Zenith eine Fernbedienung mit Kabel. Er nannte sie treffend «Lazy Bones» (Faule Knochen). Nachdem er zu Hause ein paar Mal über das Kabel gestolpert war, erkannte er ein gewisses Verbesserungspotenzial.

«Lazy Bones» wurde begraben, und sechs Jahre später eroberte der kabellose «Space Commander» die Wohnstuben. Dank der inflatorischen Zunahme an neuen TV-Kanälen wurde das schmale Gerät zur Standardausrüstung, und Kinder wurden nie mehr als menschliche Fernbedienung missbraucht.

Die Zapping-Kultur brachte eine ganze Generation ungeduldiger Zappelphilipps mit verminderter Aufmerksamkeit hervor. In den Printmedien wurden die Texte kürzer, die Bilder grösser, und Filme starteten gleich mit einer dramatischen Szene und integriertem Vorspann.

Die Kurzvideo-Plattform Tiktok erlaubte gerade mal eine Länge von 15 Sekunden. Textnachrichten schrumpften, Emojis wurden die Hieroglyphen der Neuzeit, und die Nutzer fühlten sich wie allzeit vernetzte Space Commander. Je mehr Zeit sie einsparten, desto weniger hatten sie übrig.

Die Nachfahren der «Lazy Bones» gehen nun in Rente. Geräte werden mit der Sprache gesteuert. Geblieben ist die Zapping-Kultur. Jeder ist sein eigenes Medienhaus, sein eigener Zensor. Was nicht sofort überzeugt, wird weggezappt. Auch Jobs, Beziehungen und Kleingedrucktes. Im Wilden Westen bedeutete «zapped» abgeknallt.

059 Blick »Das Viagra der Antike«

«Mir wäre es lieber gewesen, du hättest nach Knoblauch gestunken», soll Kaiser Vespasian einem parfümierten Offizier gesagt haben. Die Gewürzpflanze war das Pesto der römischen Antike und gehörte zur Tagesverpflegung der Legionäre. Sie schleppten auf ihren Gewaltsmärschen dreissig Kilo Gepäck und verbrauchten 10 000 Kalorien am Tag (das Wort Burnout wurde erst 1974 erfunden). Die Soldaten waren anfällig für blutige Füsse und Verletzungen der gröberen Art. Die Pflanze galt als entzündungshemmend und wurde zum Synonym für das Soldatenwesen.

Im Mittelalter wurde Knoblauch in Klöstern angebaut und bei Lungenentzündungen empfohlen. Während der Pest glaubte man gar, man könne mit Knoblauch die Seuche bekämpfen. Die Pest ging vorbei wie alle Pandemien, der Aberglauben ist geblieben.

1733 schrieb Johann Christoph Harenberg seine «Christlichen Gedanken über die Vampire» nieder und legte damit den Grundstein für die Fledermaus, die sich als neurotische Blutsaugerin mit Knoblauch-Phobie in Literatur und Film einnistete.

Einige Studien behaupten, Knoblauch sei wirksam bei Lungeninfekten, weil er die in der Knolle enthaltenen Öle über die Lunge ausscheidet. Für einen nachweisbaren Effekt müsste man allerdings täglich ein Kilo Knoblauch essen, dann hätte es sogar einen positiven Einfluss auf die Blutfette. Aber eher einen negativen auf das Eheleben.

Gerüchteweise hört man, das BAG prüfe die kostenlose Abgabe von Knoblauch zur Durchsetzung von Social Distancing. China könnte liefern. Mit jährlich 21 Tonnen decken sie 80 Prozent des weltweiten Konsums. Für den US-Markt wird der Knoblauch in Haftanstalten vorgeschält. Dabei gelangt der Saft unter die Nägel und verbrennt die Haut. Deshalb nehmen viele Zwangsarbeiter die Knollen in den Mund, schälen sie mit den Zähnen und spucken sie wieder aus.

Heute gilt die Gewürz- und Heilpflanze als Viagra des armen Mannes. Es ist empfehlenswert, dass man vorgängig einen gemeinsamen Apéro mit Moretum einnimmt. Das Knoblauch-Rezept hat uns Apicius hinterlassen, der Paul Bocuse der römischen Antike. Leider ohne Angaben der benötigten Menge an Fetakäse, Selleriegrün und Koriander. Vielleicht nutzen Sie die Pausen im Homeoffice, um es herauszutüfteln.

058 Blick »Drei Experten, drei Meinungen«

 

Falls Screenshot für Sie schlecht lesbar, bitte nach unten scrollen.

Gemäss einer Umfrage in den USA rauchten in den 1960er-Jahren die meisten Ärzte Camel, Zahnärzte empfahlen die Marke Viceroy, und Schlanke griffen zu Lucky Strike. Es gab für jeden Zigarettenhersteller den passenden Experten. Sechzig Jahre später gilt Rauchen als gesundheitsschädigend und wird mit Mundgeruch assoziiert. Meistens weiss man erst Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte später, ob der damalige Zeitgeist irrte oder nicht.

Schwieriger ist es bei aktuellen Themen. Zerstört ultraviolettes Licht das Virus Covid-19? Herden-Immunität oder Social Distancing? Ausgangssperre ja oder nein? Beweist Taiwan, das «lediglich» 100 Infizierte hat und viermal grösser ist als die Schweiz, dass man nur mit einem sofortigen Lockdown die Pandemie eindämmen kann? Löst hingegen eine zögernde und führungsschwache Regierung italienische Verhältnisse aus? Für jede Massnahme gibt es einen Experten, der politische Entscheide wissenschaftlich absegnet.

Oft hört man: «Ich bin kein Experte, ich sage nur: Hört auf die Wissenschaft.» Aber wer wählt diese Experten aus? Jene, die laut eigenen Angaben wenig von der Sache verstehen?

Liest man täglich die Beiträge von Cash-Guru Fredi Herbert (83), stellt man fest, dass es für viele Aktien am selben Tag unterschiedliche Empfehlungen der Banken und Vermögensverwalter gibt: kaufen, halten, verkaufen. Am Ende wählt der Laie den Experten aus. Und somit auch die Aktie.

Es gibt zahlreiche Experimente, die das Expertenwesen auf die Schippe nehmen: Schimpansen, die bei der Auswahl von Aktien erfolgreicher sind als angestellte Bankenprofis; renommierte Verlage, die Manuskripte von längst publizierten Bestsellern ablehnen.

Heute wird deshalb vermehrt Software mit künstlicher Intelligenz eingesetzt. Aber es sind wiederum Menschen, die den Computer mit Daten füttern und diese gewichten. Und jeder Entwickler von Computerspielen weiss: Man kann so lange an den Algorithmen schrauben, bis das gewünschte Ergebnis vorliegt.

Am Ende des Tages ist man nicht nur auf eine möglichst grosse Anzahl unterschiedlicher Informationsquellen angewiesen, sondern auch auf den gesunden Menschenverstand. Soweit vorhanden.


Claude Cueni (64) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK, gestern veröffentlichten wir überdies seinen persönlichen Erfahrungsbericht aus der Quarantäne. Am 20. Juli erscheint im Verlag Nagel & Kimche sein neuer Roman «Genesis – Pandemie aus dem Eis».


 

57 Blick »Göttliche Dienstleistungen«

In jungen Jahren schlenderte der «lose gegurtete» Dandy Julius Caesar ähnlich provozierend über das Forum wie heutige Träger herunterhängender Baggy Pants. Bis zum Start seiner politischen Karriere hatte er bereits 6,25 Millionen Denare Schulden angehäuft, das hätte damals ausgereicht für 12,5 Millionen Bordellbesuche.

Bereits im alten Rom waren Stimmen käuflich. Caesar finanzierte seine Wahl zum Konsul im Jahre 59 v.Chr. mit Darlehen und musste darauf einen Weg finden, seinen Schuldenberg abzutragen. Der Weg führte nach Gallien. Händler hatten immer wieder über das sagenhafte Gold der Kelten berichtet, das die «Barbaren» als Opfergaben in heilige Teiche und Flüsse warfen. Aus Respekt vor den Wassergöttern, Geistern und Dämonen war es deshalb verboten, in Gewässer zu pinkeln.

Sind heute geopolitische Strategien oder Bodenschätze oft ein Kriegsgrund, waren es in der Antike Gold, Sklaven und die Erweiterung des Reiches. Da es verboten war, ohne Einwilligung des Senats ausserhalb der Staatsgrenzen Krieg zu führen, konstruierte Caesar eine Bedrohung durch die von germanischen Stämmen bedrängten helvetischen Auswanderer und fischte mit seinen Legionen so erfolgreich in keltischen Gewässern und Tempeln, dass der Goldpreis in Rom um 25 Prozent fiel.

Dass man Gold in Flüsse, Weiher und Brunnen warf, sozusagen als Anzahlung für bestellte göttliche Dienstleistungen, war in der Antike weitverbreitet.

Die Tradition wird heute mit den beliebten Wunschbrunnen am Leben erhalten. Obwohl die meisten diesen Aberglauben belächeln, können sie dennoch nicht widerstehen, bei einem Rom-Besuch Münzen in den Trevi-Brunnen zu werfen und sich heimlich etwas zu wünschen.

Auch der Weiher vor dem weltberühmten Löwendenkmal in Luzern ist als Wunschbrunnen bei Touristen beliebt. Täglich werfen vor dem «traurigsten und bewegendsten Stück Stein der Welt» (Mark Twain) Ferienreisende Münzen ins Wasser.

Drei praktisch veranlagte Luzernerinnen wollten vor einem Jahr zukünftiges Glück nicht den Launen der Götter überlassen und fischten die Münzen heimlich aus dem Weiher. Sie durften das Geld behalten. Denn wer Geld wegwirft, gibt seinen Eigentumsanspruch auf.

Claude Cueni (64) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Seine ersten 50 BLICK-Kolumnen sind unter dem Titel «Die Sonne hat keinen Penis» erschienen.

56 Blick »Sind Sie eine Pizza?«

Der Entscheid fiel um drei Uhr nachts. Noch ahnten die Zyprioten nicht, dass ihr Sparvermögen in Gefahr war. Im entfernten Brüssel einigten sich im März 2013 die Finanzminister der Euro-Zone und der IWF auf eine «einmalige Rettungssteuer», um zypriotische Banken vor dem Kollaps zu bewahren. Alle Bankkunden sollten über Nacht einen Teil ihres Ersparten verlieren. Als die Menschen auf der Insel aufwachten, spuckten die Geldautomaten kaum noch Geld aus, Banken blieben geschlossen. Die «garantierte» Einlagensicherung: gestrichen.

Die Enteignung löste europaweit Entsetzen aus. Nach den Negativzinsen tarnt sich der nächste Angriff auf die Sparvermögen als Vorstoss für die Abschaffung des Bargeldes zwecks Bekämpfung der Kriminalität. Jean-Claude Juncker, Ex-Präsident der EU-Kommission, erläuterte einmal die Standard-Strategie: Wir beschliessen etwas und warten ab, was passiert. Wenn es kein grosses Geschrei gibt, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, machen wir weiter.

Da bereits heute jeder Laden und jeder Kunde bestimmen kann, ob ein Kauf cash oder digital abgewickelt wird, braucht es keine Bevormundung. Die Abschaffung des Bargeldes erleichtert zukünftige Enteignungen per Mausklick. Man wird diese staatlichen Raubzüge als «einmaligen Klimarappen» deklarieren und laufend umbenennen.

1915 erhob der Bund wegen des Ersten Weltkriegs eine «direkte Bundessteuer», die er «Kriegssteuer» nannte, ab 1934 «Krisenabgabe», und nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hiess sie «Wehrsteuer». Der Krieg ist vorbei, die direkte Bundessteuer ist geblieben.

Die bargeldlose Gesellschaft wäre auch die Voraussetzung für ein Punktesystem nach chinesischem Muster (Social Scoring), bei dem der gläserne Bürger wie eine Pizza bewertet und mit Punkten belohnt oder bestraft wird. Das digital bezahlte Rindsfilet wird nicht verboten, aber mit einer automatisch eingezogenen Klimaabgabe bestraft.

Man wird die Aufhebung des Datenschutzes damit begründen, dass dies zur Klimarettung notwendig ist, weil trotz aller Kampagnen nicht nur die Zahl der Flugpassagiere weiter steigt. Sinken wird das Vertrauen in den Staat, denn «Bargeld ist geprägte Freiheit» (frei nach Dostojewski).

© Blick 2020

55 Blick »Elvis lebt!«

Eine Hausfrau aus Michigan begegnete 1988 einem aufgedunsenen Mann, der in einer Filiale von Burger King in Kalamazoo einen Hamburger verdrückte. Das Magazin «Weekly World News» brachte die sensationelle Story auf die Titelseite und erzielte damit die höchste Auflage ihrer Geschichte. Der Mann war angeblich der offiziell 1977 verstorbene King of Rock ’n‘ Roll.

Beim Beatle Paul McCartney war es umgekehrt. 1969 erschien in einer Studentenzeitung der University of Michigan ein Beitrag mit der Schlagzeile «Ist Paul McCartney tot?». Angeblich sollte er drei Jahre zuvor verstorben und seitdem auf Drängen des Managements durch einen Doppelgänger ersetzt worden sein. Dass der Linkshänder auf dem Cover von «Abbey Road» (1969) die Zigarette in der rechten Hand hält und barfuss über die Strasse geht, war ein klares Indiz dafür, dass McCartney im Reich der Toten spazieren geht.

Der Wissenschaftler David Grimes analysierte die populärsten Verschwörungstheorien – wie die geheimnisumwitterte Ufo-Raststätte Area 51 im militärischen Sperrgebiet nordwestlich von Las Vegas. Dort soll sich die Regierung der USA mit Ausserirdischen zum Lunch getroffen haben.

Grimes rechnete aus, dass die Nasa in den 1960er-Jahren beinahe eine halbe Million Mitarbeiter beschäftigte. Also auch Sekretärinnen, die geheime Dokumente kopierten, und unzufriedene Köche und Chauffeure. Je mehr Menschen an einem Geheimnis beteiligt sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass es gelüftet wird. Spätestens auf dem Sterbebett würde ein Eingeweihter beichten, dass er mit einem Ausserirdischen einen Joint geraucht hat. Grimes errechnete eine Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent und ein Verfalldatum für die Geheimhaltung von maximal drei Jahren und acht Monaten.

Neurologen halten Verschwörungstheorien für eine kreative Leistung des zentralen Nervensystems. Ist der Sauerstoffgehalt in einer bestimmten Hirnregion besonders hoch, erscheint diese auf dem Gehirnscan in gelben und roten Farben. Bei Verschwörungstheoretikern ist dieser Bereich, der für «magisches Denken» und Aberglauben verantwortlich ist, besonders stark durchblutet.

Falls Sie also morgen am Taxistand Michael Jackson begegnen, behalten Sie es gescheiter für sich.


© Blick 2020


 

54 Blick »Schwein gehabt«

Wer im Mittelalter kein Schwein hatte, musste sich mit fleischlosem Essen begnügen. Denn wo kein Schwein war, fehlte das Glück, und der Betreffende war «ein armes Schwein».

Aber auch wer Schwein hatte, war nicht immer glücklich darüber, denn bei Pferderennen und Armbrustwettbewerben erhielt der Viertplazierte als Trostpreis ein Schwein. Er musste damit zur allgemeinen Belustigung durchs Dorf laufen und den Spott ertragen. Er hatte somit Glück im Unglück, also nochmals: «Schwein gehabt».

Einige Historiker behaupten, das glückbringende Schwein sei einem Kartenspiel geschuldet, bei dem das Ass «Sau» genannt wurde. Zog man ein Ass, hatte man Schwein. Wahrscheinlich ist die Herkunft der Redewendung je nach Region unterschiedlich.

Ein niedliches rosa Schwein gilt heute als Symbol für Glück, Reichtum und Zufriedenheit. Auch im chinesischen Horoskop. Im Jahr des Schweins, das heute zu Ende geht, hat man wie üblich einen Anstieg der Geburtenraten verzeichnet. Für Juden und Muslime schwer verständlich, denn bei ihnen gilt das Schwein als unrein.

Im Mittelalter waren die meisten Menschen Analphabeten, und jene, die schreiben konnten, hatten oft eine Sauschrift, die «kein Schwein lesen konnte». Die Formulierung bezog sich jedoch nicht auf das Tier, sondern auf eine angesehene Gelehrtenfamilie namens Swien (Schwein), die manchmal Handschriften nicht entziffern konnte, worauf der enttäuschte Bittsteller klagte, dass «kein Schwein» (kein Swien) das Gesudel habe lesen können.

Während ein «Schwein» sowohl männlich als auch weiblich sein kann und als Beschimpfung gilt, ist die vulgäre Steigerungsform Sau weiblich, und das ist aus feministischer Sicht doch «unter aller Sau». Doch das Schimpfwort hat mittlerweile eine sprachliche Zellteilung mit vielfältigen Mutationen erfahren. Es gibt das saugute Fondue bei saukaltem Wetter zu sauteuren Preisen.

In den sozialen Medien verwechseln manchmal Leute mit reduziertem Wortschatz die Kommentarspalten mit Kotztüten und «lassen die Sau raus». Beliebt ist das Upgrade von Nazi auf «Nazisau», populär seit kurzem die «Klimasau».

Es wäre schön, wenn sich der Veganismus auch in der deutschen Sprache durchsetzen würde.


© Blick 2020 – 24. Januar


 

053 Blick »Kult der Habgier«


 

In den 1950er-Jahren war L. Ron Hubbard mit seinen Science-Fiction-Romanen Dauergast in den US-Bestsellerlisten. Für den Lebemann waren die Honorare nicht genug, und er kam zum Schluss, dass man nur mit einer Religion wirklich reich werden könne. Aus den Episoden seiner SF-Serie «Battlefield Earth» schmiedete er eine Scientology-Bibel, die nicht weniger als die «Säuberung des Planeten» durch «die Übernahme und Kontrolle aller Aktivitäten in der Welt» propagierte.

Hubbard versprach «völlige spirituelle Freiheit und Wahrheit». Doch die Wahrheit überliess er den Fantasielosen. 1974 wurde er in Frankreich wegen Betrugs zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Sohn gestand 1982 vor dem Distriktgericht von Massachusetts: «Mein Vater ist ein Betrüger und war immer ein Betrüger», der religiöse Aspekt der Firma sei nur erfunden worden, um Steuervorteile zu erlangen.

Das «Time Magazine» publizierte 1991 die Titelgeschichte «Kult der Habgier» und bezeichnete Scientology als «riesige, gewinnbringende globale Gaunerei, die durch Einschüchterung ihrer Mitglieder und Kritiker in Mafia-Manier überlebt». Die Organisation verklagte das Magazin. Und verlor. In Frankreich wurde sie 2009 wegen «bandenmässigen Betrugs» zu einer Busse von 600 000 Euro verurteilt.

Absolviert man alle Kurse, bezahlt man über 500 000 Franken und gelangt zur Einsicht, dass man pleite ist. Der bayrische Verfassungsschutz warnt: «Der Staat darf nicht zusehen, wenn eine Organisation Menschen wirtschaftlich ruiniert und geistig abhängig macht.» Die Schweiz schaut zu und stuft die «totalitäre» und «verfassungsfeindliche» Firma als Kirche ein…

Mittlerweile akquiriert die Organisation ihre Opfer mit Kampagnen wie «Sag Nein zu Drogen» und «Jugend für Menschenrechte». Der Niedergang ist trotzdem nicht aufzuhalten, denn die Konkurrenz auf dem pseudoreligiösen Markt wächst parallel zum Mitgliederverlust der Landeskirchen. Mittlerweile gibt es auch die Religion der «Fliegenden Spaghettimonster», eine Gründung des Physikers und Parodisten Bobby Henderson. Seine atheistischen Anhänger huldigen dem Spaghetti-Gott. Das Abendmahl gibts in jeder Pizzeria. Kostenpunkt circa 24 Franken, zur Erleuchtung einen Grappa.


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Die ersten 50 BLICK Kolumnen sind als eBook (colour), Paperback (s/w) und Hardcover (colour) erhältlich.

052 Blick »Wenn die Glocken rufen«

Der französische Schriftsteller Aurélien Scholl (1833–1902) schrieb, selbst Gott brauche Werbung, er habe deshalb Glocken. In der Tat waren die ersten Glocken und Schellen bereits vor viertausend Jahren Bestandteil von kultischen und religiösen Zeremonien.

In der Antike boten Glocken Schutz vor bösen Geistern. Auch die ersten christlichen Kirchenglocken sollten den Teufel fernhalten. Später riefen sie die Gläubigen zum Gottesdienst und kündigten während der Messe die Ankunft des Heiligen Geistes an. Da er nie erschien und die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, hören wir seit 2000 Jahren das Geläut. Kirchenglocken hatten früher auch einen praktischen Nutzen: Sie schlugen die Zeit an. Das war hilfreich, denn noch im 18. Jahrhundert hatten die wenigsten Menschen tragbare Uhren.

Die Glocke emanzipierte sich und warnte als Feuerglocke bei Brandgefahr und Stürmen, markierte den Beginn von Veranstaltungen wie Märkten, Unterricht, Sport oder später der Börse. Einige Glocken dienten den Bauern als akustischer GPS-Tracker. Sie konnten in unübersichtlichem Gelände ihre Tiere aufspüren und erst noch Wölfe abschrecken.

Mittlerweile empfinden viele Städter, die (freiwillig) aufs Land ziehen, das Kuhgebimmel als Ärgernis und fordern Kühe ohne Glocken, doch die Bauern fürchten, dass eine entglockte Leitkuh den Respekt der Herde verliert und in Depressionen verfällt – wie ein Macho, dem man den getunten Mazda wegnimmt.

Ein Dorn im Auge beziehungsweise eine Glocke im Ohr sind vor allem die Kirchenglocken, die angesichts der leeren Kirchenbänke eher wie Alarmglocken klingen. Die Landeskirchen verteidigen ihre Glockenuhren heute mit dem Hinweis, sie seien ein Dienst an der Öffentlichkeit, als hätte mittlerweile nicht jeder eine Armbanduhr. Wieso aber eine lärmempfindliche Person freiwillig in die Nachbarschaft einer jahrhundertalten Turmuhr zieht, wird wohl Gegenstand einer neuen ETH-Studie sein.

Mich stören weder Kuh- noch Kirchenglocken. Mein Nachbar Leo sagt, er hätte auch nichts gegen das Gebimmel, wenn auch er zu jeder vollen Stunde auf dem Balkon in sein Alphorn blasen darf.