#chronos (1933)

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News-Week_Feb_17_1933,_vol1_issue1«You will have the tallest, darkest leading man in Hollywood», versprach Regisseur Merian C. Cooper der Schauspielerin Fay Wray, falls sie die weibliche Rolle in «King Kong und die weisse Frau» ­annehmen würde. Der Film wurde ein Erfolg und war mit seiner revolutionären Stop-Motion-Tricktechnik wegweisend. Bei diesem Verfahren ­werden Standbilder in rascher Abfolge aneinandergereiht, um Bewegung zu simulieren. Revolutionär war auch die erstmalige Unterlegung von Dialogen mit Musik und der Einbau von realen Schauspielern in Miniaturmodellen.

Ausserhalb der Kinos betrat ein anderes ­Monster die Weltbühne: Im Januar 1933 wurde Adolf Hitler durch Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Hitlers Machtübernahme beendete die Weimarer Republik und legte den Grundstein für das «Dritte Reich». In seiner ersten Ansprache forderte Hitler die rücksichtslose Germanisierung. Bereits im März wurde in Dachau das erste von über hundert Arbeits- und Vernichtungslagern eingerichtet. Damit begann die systematische Ausrottung von Millionen Juden, Sinti, Roma, Homosexuellen und ­Behinderten. Im Oktober erliess Hitler das «Schriftleitergesetz», das die Gleichschaltung der Presse einleitete und 1300 Journalisten vor die Tür setzte. Nachdem Deutschland auch noch aus dem Völkerbund ausgetreten war, unterzeichneten 88 deutsche Schriftsteller das «Gelöbnis treuester Gefolgschaft» zu Adolf Hitler …

In den USA löste der Demokrat Franklin D. Roosevelt den Republikaner Herbert Hoover ab, er versuchte mit einem «New Deal» die Folgen der Weltwirtschaftskrise zu lindern. Der «New Deal» ­leitete weitgreifende ­Wirtschafts- und Sozial­reformen ein, unter ­anderem ein Programm für unterernährte ­Schulkinder und ­für Sozialversicherungen.

«Sind Sie Seemann?»

«Seh ich vielleicht aus wie ein Cowboy?»

Das war der erste Dialog, den der Zeichner Elzie Crisler Segar seiner Comic-Figur Popeye in den Mund legte. 1933, vier Jahre später, ­produzierten die Fleischer Studios für Paramount Pictures die erste Folge von «Popeye the Sailor». Erst in diesen siebenminütigen Zeichentrick­filmen, die auch im Vorprogramm der meisten Kinos liefen, wurde der Spinat als Zaubertrank ­eingeführt. Schuld daran war der Basler Universitätsprofessor Gustav von Bunge, der 1890 den Eisengehalt von 100 Gramm Spinat mit 35 Milligramm angegeben hatte. 2007 enthüllte das British Medical Journal, dass sich der ­Professor um eine Dezimalstelle verhauen hatte. Somit hatten ganze Generationen von ­Heranwachsenden die vegetarische Variante des Waterboardings über sich ergehen zu lassen, ohne dass sich jemals Eisenwerte und Schulnoten ­verbessert hätten. Segar starb 1938, erst 44-jährig, an Leukämie. Mit seinem Tod verlor auch der pfeifenrauchende Matrose mit dem losen ­Mundwerk den subtilen Humor und verrohte zunehmend.

1933 erwarb Farny Wurlitzer das Patent für einen Musikbox-Mechanismus und brachte bald darauf die erste chromverzierte Jukebox im Art- déco-Stil auf den Markt. Für die Wirte war die Jukebox ein billiger Ersatz für die Livebands und eine zusätzliche Einnahmequelle. Als die US-­Regierung 1933 das Alkoholverbot aufhob, ­schossen Bars mit Musikboxen wie Pilze aus dem Boden. In den 50er-Jahren brachte der Rock ’n’ Roll den weltweiten Durchbruch und ­Kulturpäpste warnten wieder einmal vor der ­Versklavung des Menschen durch den Automaten. Erst mit dem Aufkommen der Diskotheken in den 70er-Jahren verlor die Jukebox an Attraktivität. 1974 musste der Marktführer, die Chicagoer ­Wurlitzer Company, die Produktion einstellen.

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. www.cueni.ch

© Basler Zeitung, 11.9.2015

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