Textprobe 01 »Script Avenue«

Facebooktwitterredditpinteresttumblrmail

Auch Tante Puce arbeitete in dieser »Fabrik«. Da Onkel Maurice ihr verbat, sich tagsüber um mich zu kümmern, legten sie mich in eine Holzkiste, die auf einer Werkbank neben dem Plumpsklo lag. So verbrachte ich meine ersten Lebensjahre in einer Schraubenkiste. Das klingt hart, aber die Kiste war mit einer grauen Militärdecke ausgepolstert und angenehm weich. Ich war auch nie allein. Ich meine jetzt nicht in der Kiste, sondern allgemein.

Wenn einer aufs Klo musste, kam er unweigerlich an mir vorbei und strich mir mit ölverschmierten Fingern übers Gesicht. Hatte er sich erleichtert, passierte er erneut meine Kiste und strich mir einige Kolibakterien über die andere Wange. Diese Leute hatten noch nie etwas von Robert Koch oder Louis Pasteur gelesen. Auf jeden Fall war dies der Grundstein für eine solide Immunabwehr.

Mein einziger Lichtblick war ein verschmutztes Fenster, das teilweise die Sicht auf eine kleine Schafweide freigab, eigentlich ein idealer Ort, um günstig einen Film über das finsterste Mittelalter zu drehen. Aber wie sollte die Crew jemals Vilaincourt finden?

Die Schafe haben mich geprägt. Selbst ein halbes Jahrhundert später, als ich im Koma lag, erinnerte ich mich an sie. Wenn ich heute Schafe sehe, fühle ich einen Kloß im Hals und versuche, ein Mann zu sein.

Mein Onkel Maurice hatte es auch mit den Schafen. Wenn alle Arbeiter den Stall, oder von mir aus die Fabrik, verlassen hatten, ging Onkel Maurice zu seinen Schafen. Die Tiere mochten ihn nicht, Schafe spüren, wenn sich ein Dreckskerl nähert. Onkel Maurice stellte sich hinter ein Schaf und hielt es an den Lenden fest. Wenn das Schaf ruhig war, ließ er zu meiner großen Verblüffung seine Hose fallen und ich sah seinen nackten, affenmäßig behaarten Hintern. Er vollführte dann rhythmische Bewegungen, ich dachte, dass er das Schaf molk, denn abends, wenn er in die Küche kam, brachte er stets Milch mit. So entsteht Intelligenz. Man beobachtet etwas, bringt es in Zusammenhang mit einer anderen Beobachtung und lernt. Heureka! Das ist der Grundstein der Evolution.

Aber richtig verwirrend war, wenn mein Onkel Maurice abends meine zerbrechliche Tante Puce molk. Er packte sie am Nacken wie seine Schafe und drückte sie über den Küchentisch. Dann ließ er seine Hose runter und führte wieder seine rhythmischen Bewegungen aus. Er war zu dumm, um auch nur zu ahnen, dass ich es nicht vergessen würde. Irgendwie hielt er mich immer noch für einen seelenlosen Embryo. Aber ich vergaß nichts. Ich hatte von klein auf ein Gedächtnis wie ein Elefant. Beneiden Sie mich nicht darum, und lesen Sie weiter.

Facebooktwitterredditpinteresttumblrmail