Es schlug die Stunde des Eisenmagiers
Im 16. Jahrhundert träumte der spanische Entdecker Vasco Núñez de Balboa von einer Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik. Doch die Technologie war noch nicht so weit. Es dauerte über 300 Jahre, bis der erste Versuch gestartet wurde. «Alles, was ein Mensch sich vorstellen kann, werden andere Menschen verwirklichen», prophezeite der Schriftsteller Jules Verne. In Panama wagten die Franzosen den ersten Schritt, angeführt von Ferdinand de Lesseps, dem gefeierten Erbauer des Suez-Kanals.
Doch Panama war nicht Suez. Über 100 000 Arbeiter wurden eingestellt, um in den Sümpfen eine 82 Kilometer lange Wasserstrasse zu graben. Um die Männer vor Malaria zu schützen, empfahlen Ärzte, die Bettpfosten in Wassereimer zu stellen – die ideale Brutstätte für die Malariamücke. Das Baugelände verwandelte sich in einen riesigen Friedhof. Damit schlug die Stunde des «Eisenmagiers» Gustave Eiffel. Er hatte mit dem Eiffelturm und dem Gerüst für Auguste Bartholdis Freiheitsstatue Weltruhm erlangt und sollte jetzt den Bau und die Entwicklung der Schleusen- und Hebesysteme übernehmen. 1887 unterzeichnete er einen Vertrag mit der Panama-Gesellschaft, der ihn zur Lieferung und Montage von dreissig Schleusen verpflichtete.
Misswirtschaft und die Malariamücke bescherten dem Unternehmen tiefrote Zahlen. Um den Bankrott abzuwenden, lancierte die Panama-Gesellschaft eine Lotterie. Die Lizenz war teuer, denn Minister und Parlamentarier verlangten hohe Bestechungsgelder. Als Gegenleistung animierten sie mit staatlichen Werbekampagnen Kleinanleger, ihr Erspartes in Panama-Aktien zu investieren, obwohl die Insider wussten, dass das Projekt gescheitert war. Journalisten verdienten sich mit Fake News eine goldene Nase. Die Bestechungsgelder waren derart hoch, dass es rentabel wurde, allein zu Propagandazwecken neue Zeitungen zu lancieren. Die erste Ausgabe diente als Beleg für den Erhalt der Provision, weitere Ausgaben folgten nicht. Die Panama-Gesellschaft ging trotzdem pleite.
Drei Jahre später liess die Zeitung La Libre Parole die Bombe platzen: Der Panama-Skandal wurde zur grössten Bestechungsaffäre des 19. Jahrhunderts. Rund 85 000 Kleinanleger verloren über eine Milliarde Francs Erspartes, 512 Politiker wurden angeklagt, darunter Gustave Eiffel, und bestätigen die Erkenntnis des Philosophen Spinoza: «Der Nutzen ist das Mark und der Nerv aller menschlichen Handlungen.»
1904 traten die USA auf den Plan. Mit einer Mischung aus Diplomatie, militärischer Präsenz und wirtschaftlichem Druck sicherten sie sich die Kontrolle über die Region. Nach einer Bauzeit von zehn Jahren wurde der Panamakanal 1914 eröffnet: ein System aus künstlichen Seen und gigantischen Schleusen, das sich perfekt an die topografischen Gegebenheiten anpasste. Der Seeweg zwischen New York und San Francisco verkürzte sich dadurch um 13 000 Kilometer. Der Erfolg war nicht nur der technologischen Überlegenheit geschuldet, sondern auch der erfolgreichen Bekämpfung der Malariamücke.
Mit dem Erfolg wuchs auch der Wunsch Panamas, die Kontrolle über den Kanal zurückzuerlangen. Das führte zu Spannungen zwischen den beiden Ländern. Nach jahrelangem politischem Druck und diplomatischen Verhandlungen unterzeichneten die USA und Panama 1977 die Torrijos-Carter-Verträge. Sie sahen vor, dass die Kontrolle des Kanals am 31. Dezember 1999 vollständig an Panama übergehen würde. Die USA verfolgten seitdem mit zunehmender Sorge Chinas wachsende Rolle bei der Verwaltung und Finanzierung des Kanals. Die wirtschaftliche Präsenz Chinas gefährdete zunehmend die Vormachtstellung der USA.
Wer den Kanal kontrolliert, kontrolliert den globalen Schiffsverkehr. Der in Hongkong domizilierte Weltmarktführer Hutchison Ports betreibt einige der wichtigsten Häfen an beiden Enden des Kanals. Etwa 5 Prozent des Welthandels passieren die künstliche Wasserstrasse, darunter viele amerikanische Exporte und Importe. Sollte die Region instabil werden, hätte das gravierende Folgen für die amerikanische Wirtschaft.
Turbopräsident Donald Trump behauptete wenige Tage nach Amtsantritt, dass Panama die Kontrolle über den Kanal an Peking abgegeben habe. Er entsandte Aussenminister Marco Rubio, der Panamas Präsidenten José Raúl Mulino mit «notwendigen Massnahmen» drohte, «um Vertragsrechte zu schützen», falls nicht umgehend Änderungen beim Betrieb des Kanals vorgenommen würden. Was China mit Krediten gelang, erreichte Donald Trump mit maximalem Pressing. Mulino gab nach und kündigte an, das 2017 mit China unterzeichnete Memorandum of Understanding nicht zu verlängern. Panama verlässt Chinas globale Entwicklungsinitiative «Belt and Road» und will in Zukunft enger mit den USA zusammenarbeiten.
Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. In seiner Romanbiografie über Gustave Eiffel und Auguste Bartholdi («Giganten», Verlag Wörterseh) schildert er den Bau des Panamakanals.