11-2025 Cueni “Wie militärisches Hightech Archäologie revolutioniert.“

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Blatten, Pompeji, Atlantis

Wie militärisches Hightech Archäologie revolutioniert

5807 Claude Cueni / 27.6.25

 

Wie kann es sein, dass wir im 21. Jahrhundert noch immer jahrtausendalte Siedlungen entdecken? Eine Antwort gibt die brutale Naturkatastrophe im Schweizer Bergdorf Blatten. Beim Gletscherabbruch am 28. Mai stürzten rund neun Millionen Kubikmeter Fels, Eis und Geröll ins Tal und begruben das Dorf unter einem bis zu 100 Meter hohen Schuttkegel. Ein Wiederaufbau an der bisherigen Stelle ist aufgrund der massiven Schuttmengen und der anhaltenden Gefahrenlage unrealistisch.

 

Auch Pompeji wurde nicht wieder aufgebaut nachdem am 24. August 79 n. Chr. der Vesuv einen Drittel der Bevölkerung mitsamt ihren Häusern unter Asche, Bimsstein und Lavamassen begraben hatte. Die frühzeitig Geflüchteten zogen in die Nachbarstädte Neapolis, Cumae und Puteoli.

 

Für jeden einzelnen Betroffenen bedeuten solche Ereignisse einen unglaublichen Schicksalsschlag. Er verschüttet für immer, was einmal war. Für die Archäologie ist es meistens ein “Glücksfall“, weil bei Ausgrabungen eine unverfälschte Momentaufnahme aus vergangenen Zeiten sichtbar wird.

 

Solche “Glücksfälle“ werden häufiger dank Innovationen aus den Forschungslabors der Rüstungsindustrie. Manch eine Erfindung sorgte später im zivilen Bereich für Furore. LiDAR (Light Detection and Ranging) wird im Militär für die topographische Kartierung durch Flugzeuge und Drohnen eingesetzt. Da es auch dichte Dschungelvegetation durchdringen kann, nutzen es moderne Archäologen um bisher verborgene Strukturen sichtbar zu machen. Auch unter der Erde. So wurden neue Entdeckungen im kambodschanischen Angkor, in den Maya-Städten in Guatemala und im Amazonas-Gebiet möglich. Auch Magnetfeldmessungen, Bodenradar (GPR) und Sonartechnologie wurden ursprünglich für die Lokalisation feindlicher U-Boote und Minensuche entwickelt. Archäologen spüren damit ohne Grabungen Mauern, Gräber und andere Strukturen auf. Die ursprünglich für militärische Aufklärung entwickelte Drohnentechnologie hat längst die privaten Haushalte erreicht. In der Archäologie hilft sie, in schwer zugänglichen oder gefährlichen Gebieten Informationen zu sammeln. Eine weitere militärische Erfindung ist die Radiokarbon- und Isotopenanalyse. Sie ermöglicht die Datierung von organischem Material wie Knochen, Holz und Textilien. Ohne die von der Marine entwickelte Sonartechnologie wären auch etliche versunkene Städte und Schiffswracks nie gefunden worden.

 

Nicht nur die Archäologie ist heute stark von militärischer Technologie geprägt. Auch in unseren Haushalten dominiert militärisches Know-how. Das Internet basiert auf “Arpanet“, das einst vom US-Verteidigungsministeriums für die militärische Kommunikation entwickelt wurde. In jedem Neuwagen ermöglicht GPS (Global Positioning System) eine präzise Navigation. Der Mikrowellenherd, die Digitalkameraund die Teflonbeschichtung unserer Bratpfannen sind allesamt kriegsrelevante Technologien, die heute unser Zivilleben erleichtern.

 

Die Archäologie steht im Jahre 2025 vor einem goldenen Zeitalter der Entdeckungen. Künstliche Intelligenz und Quantensensorik verpassen den Indiana Jones und Lara Crafts einen Megabooster. Dank KI können heute Milliarden von Datenpunkten innert Minuten ausgewertet und Muster erkannt werden, die menschliche Forscher übersehen würden – trotz jahrelanger Forschung. Mit Datenintegrationsplattformen wie «Palantir Foundry», einer entfernten Verwandten der militärisch ausgerichteten Software “Palantir Gotham“, die auch von Israel genutzt wird, können Daten aus ganz verschiedenen Quellen intelligent und aussagekräftig verknüpft werden, was für die Sichtbarkeit von antiken Handelsnetzwerken unerlässlich ist. Falls das angeblich hochentwickelte Atlantis real ist, war Handel die treibende Kraft für den Wohlstand. Es gibt verschiedene Vorgehensweisen um Artefakte von Zivilisationen ausfindig zu machen, die seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden unter Schlamm begraben auf dem Meeresboden liegen. Die autonomen Unterwasserfahrzeuge (AUVs) von morgen werden sie finden.

 

Versunkene Städte wurden bisher auf allen Kontinenten entdeckt – die meisten infolge von Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder dem Anstieg des Meeresspiegels. Einige wurden zufällig entdeckt, andere gezielt gesucht und gefunden. Zu den besonders gut erhaltenen Altertümern zählt Shi Cheng, “Chinas Atlantis“ in 30 Meter Tiefe. Die Altstadt aus der Ming- und Qing-Zeit bietet wie die meisten Fundorte faszinierende Einblicke in vergangene Kulturen und schreiben nicht selten Geschichte neu.

 

Werden wir eines Tages auch Atlantis finden? Sofern es nicht nur eine Parabel von Platon war, sollte es dank neusten Tiefsee-Sonar-Technologien und KI zur Mustererkennung noch in diesem Jahrhundert gefunden werden. Und falls es nicht gefunden wird, können wir davon ausgehen, dass es bloss eine gute Story war.

 

Leider wird es auch in Zukunft apokalyptisch anmutende Naturkatastrophen geben, die Siedlungen zuschütten – und andere freilegen, die bisher unbekannt waren.

 

In der 4,5 Milliarden Jahre alten Geschichte der Erde sind Naturkatastrophen genauso Normalität wie sich abwechselnde Kalt- und Warmzeiten und damit verbundene extreme Kälte- und Wärmeperioden. Das Klima kann man nicht retten, es tut was es will. Schützen kann man hingegen die Menschen vor den Nebenwirkungen indem man rechtzeitig warnt und in allen Bereichen notwendige Anpassungen vornimmt. Nicht nur in der Städtearchitektur. In Blatten wird zurzeit diskutiert, ob man für die gesamte Alpenregion ein satellitengestütztes, KI basiertes, engmaschiges Monitoring einrichten soll, das kleinste Erschütterungen und langsame Verschiebungen im Zentimeterbereich erfassen kann. Schwierig bleiben die blinden Flecken bei steilen Felsflanken. Aber auch dieses Problem wird eines Tages gelöst. Von der Rüstungsindustrie – falls die Forschung einen militärischen Nutzen hat.

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