16 – 2025 Cueni “Liebe statt Kitkat“

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Liebe statt Kitkat

3582 Claude Cueni

 

Bis vor kurzem wurde noch über Nestlés Perrier-Skandal in Frankreich geschrieben. Der Konzern hatte bei seinem Mineralwasser nicht erlaubte Filtersysteme eingesetzt, um Verunreinigungen zu eliminieren und das Tafelwasser dennoch als “natürlich“ deklariert. Der Umsatz von Perrier sank darauf um 23 % (Mai 2024–Mai 2025).

Doch jetzt macht eine Liebesbeziehung zwischen CEO Laurant Freixe, 63, und einer ihm direkt unterstellten Marketing-Fachfrau Schlagzeilen. Darf man sich am Arbeitsplatz nicht mehr verlieben? Ausgerechnet dort, wo sich die meisten Menschen kennenlernen? Man darf, auch bei Nestlé, aber man muss dem Verwaltungsrat die private Beziehung melden. Das hat Freixe, der erst vor einem Jahr sein Amt antrat, unterlassen. Das sei ein Verstoss gegen den Code of Conduct begründet der Konzern den Rauswurf.

Den ethisch motivierten Saubermann nimmt man dem Weltkonzern nicht ganz ab, denn lang ist die Liste der Skandale, die international für Furore sorgten:

In den 1970er-Jahren machte die Parole “Nestlé kills babies“ die Runde. Nestlé hatte in Entwicklungsländern teilweise mit als Aerzte verkleideten Verkäuferinnen aggressiv für ihr Säuglingspulver geworben. Mütter, die auf Pulver umstiegen, hatten oft kein sauberes Wasser. Das führte zu Mangelernährung und Krankheiten. WHO und UNICEF entwickelten darauf den „International Code of Marketing of Breast-milk Substitutes“, den Nestlé zunächst nur halbherzig umsetzte.

Besonders hohe Wellen warf das Abpumpen von Grundwasser, das in den betroffenen Regionen zu Wasserknappheit führten. In Kalifornien, Pakistan und Kanada warf man dem Konzern vor, Gewinne durch Flaschenwasser zu generieren, während die Anwohner unter Wasserknappheit litten. Der nächste Skandal betraf die Kinderarbeit auf den westafrikanischen Kakaoplantagen. Und dann kam noch der damalige CEO Peter Brabeck, der später als WEF-Mitglied Klaus Schwab stürzte und darauf selber gestürzt wurde. Er sagte in die Kamera, Wasser sei kein Menschenrecht. Damit nicht genug. Es folgten der Palmöl-Skandal und die Greenpeace-Kampagne „KitKat – Give the Orang-Utan a break“. Die damit verbundenen Kurzstürze nutzen erfahrene Anleger als Kaufgelegenheit.

2015 musste Nestlé in Indien vorübergehend seine Nudeln aus den Regalen nehmen, weil sie überhöhte Mengen von Blei und Glutamat enthielten.

Auch Nestlés Zulieferer stehen wegen Massentierhaltung, Käfighaltung und Fangmethoden in der Kritik. Die Preisabsprachen und Kartellverfahren bei Schokolade oder Kaffee sind fast schon Peanuts. Dramatischer waren Kinderarbeit in der thailändischen Fischzucht.

2023 musste Nestlé seinen Betrieb im nordfranzösischen Caudry schliessen, weil die dort produzierten Tiefkühlpizzen der Marke Buitoni mit E.-coli-Bakterien kontaminiert waren.

Angesicht all dieser Skandale drängt sich die Frage auf, ob CEO Laurant Freixe und seine Geliebte ausschliesslich wegen Nichtmeldung einer Liebesbeziehung den Hut nehmen mussten. Nach der ersten Konzernmeldung sank der Aktienkurs lediglich um 3 Prozent. Vorübergehend. Perrier ist für Anleger von grösserem Interesse und auch alarmierender, weil die Konkurrenz mit Tafelwasser im gleichen Zeitraum ihre Umsätze massiv steigerten.

 

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