01-2025 Magazin Schweizer Monat: Eine Insel für Carlos?

Eine tropische Insel für «Carlos»?

Die Verbannung von Straftätern ins Ausland, um Kosten zu senken und Probleme auszulagern, hat eine lange Geschichte. Heute ist das kaum noch möglich. Dabei müsste man nur etwas kreativ werden.


«Über eines müsst ihr euch im Klaren sein: Ihr existiert nicht mehr für unser Land. Frankreich hat euch abgeschrieben, euch alle, ohne Ausnahme.» So begrüsst der Gefängnisdirektor im US-amerikanischen Gefangenendrama «Papillon» (1973) Henri Charrière, gespielt von Steve McQueen, Louis Dega (Dustin Hoffman) und die anderen Deportierten auf der Teufelsinsel in Französisch-Guayana. 2017 folgte ein Remake mit Charlie Hunnam und Rami Malek (dieser Film war besser als das Original, die Begrüssung dieselbe).

Während der Kolonialzeit war das Outsourcing von Straftätern in weit entfernte Kolonien nicht unüblich. Nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775‒1783) konnte Grossbritannien allerdings keine Häftlinge mehr in seine nordamerikanischen Kolonien abschieben. Als Alternative bot sich das 1770 vom britischen Kommandanten James Cook entdeckte Australien an. Allein zwischen 1788 und 1868 wurden über 162000 Straftäter nach Down Under ausgelagert. Die Gefangenen von Botany Bay und Port Arthur wurden auf Feldern, in Minen und im Strassenbau eingesetzt.

Frankreich deportierte von 1852 bis 1953 rund 70 000 politische Gegner und Schwerverbrecher in seine südamerikanische Strafkolonie im Dschungel von Französisch-Guayana. Viele Verurteilte starben an Hunger, Erschöpfung oder Krankheiten. Auch das Königreich Spanien lagerte seine Badboys in entfernte Kolonien aus, darunter auch auf die Philippinen. Im heutigen Jakarta befand sich das Straflager der niederländischen Kolonialherren, auf den Kapverden betrieben die Portugiesen Outdoorgefängnisse, in der libyschen Wüste hatten die Italiener ihre Strafkolonien.

Private Gefängnisse

Die Gründe waren im 18. und 19. Jahrhundert stets dieselben. Europäische Gefängnisse waren überfüllt, deren Unterhalt teuer und die Kolonien benötigten Arbeitskräfte für den Ausbau der kolonialen Infrastruktur. Die Deportierten waren Zwangsarbeiter, die man ohne Entgelt schuften und sterben lassen konnte. Und politische Gegner, die schickte man eh am liebsten ganz weit weg – das war schon in der römischen Antike so.

Aufgrund der hohen Kosten, die inhaftierte Straftäter in Hochpreisländern verursachen, wird seit Jahren über Einsparungen nachgedacht. Das Betreiben einer Strafanstalt ist ein 24-Stunden-Betrieb, das sind täglich drei Schichten zu jeweils acht Stunden. Und wenn nicht mehr die Bestrafung im Vordergrund steht, gelten westliche Standards, die um ein Vielfaches teurer sind als in der Dritten Welt.

Die USA haben sich deshalb in den 1980er-Jahren für etliche Privatisierungen von Gefängnissen entschieden. Gewinnorientierte Privatfirmen arbeiten in der Regel günstiger als aufgeblähte staatliche Verwaltungen. 1984 bekam die Corrections Corporation of America (CCA), heute CoreCivic, als erstes Unternehmen die Erlaubnis für die Übernahme einer Strafanstalt im südlichen Tennessee. Seitdem hat das Unternehmen expandiert und ist heute mit über 60 Anstalten einer der grössten Gefängnisbetreiber der USA. 17 000 Mitarbeiter betreuen 80 000 Straftäter. Die US-Bundesbehörden vergüten den Privaten die Übernahme von Häftlingen je nach Haftart, Standort und Sicherheitsstufe im Schnitt mit etwa 100 US-Dollar pro Tag. Das sind rund 3000 im Monat bzw. 36 000 im Jahr ‒ bei 80 000 Insassen über 2,8 Milliarden US-Dollar. Eine staatliche Verwaltung würde ein Vielfaches kosten. Nicht erstaunlich, dass in den USA die privatisierte Gefängnisindustrie boomt.

Seit längerem wird in den USA und in Europa über die Deportierung von Langzeitinsassen in kostengünstige Länder nachgedacht. Im Schnitt verlangen aufnahmewillige Haftanstalten in der Dritten Welt etwa 7200 US-Dollar pro Häftling im Jahr. In den meisten dieser Länder gilt ein Jahressalär von durchschnittlich rund 3600 US-Dollar als guter Lohn. Die Lebenshaltungskosten sind tief; bescheiden sind jedoch auch Unterbringung, Verpflegung, Hygiene und Sicherheitsmassnahmen.

Abschreckung statt Gefängnishotel

Die Kosten in der Schweiz variieren je nach Kanton, Art der Einrichtung und spezifischen Haftbedingungen. Bei uns haben wir zurzeit etwa 7000 Gefängnisplätze, der Ausländeranteil beträgt rund 70 Prozent, ihr Anteil an der ständigen Wohnbevölkerung liegt bei rund 27 Prozent. Gemäss Andreas Naegeli, Direktor der Anstalt Pöschwies – mit 400 Plätzen das grösste Gefängnis der Schweiz – kostet ein Inhaftierter im Normalvollzug 327 Franken pro Tag, das sind 9810 im Monat bzw. 117 720 im Jahr. Kommen noch erzieherische Massnahmen nach Jugendstrafrecht wie das Sondersetting bei Brian Keller («Carlos») hinzu, summieren sich die Gesamtkosten auf jährlich 350 400 (2013 bis 2015). Die damalige «Platzierungsmassnahme mit intensivpädagogischer Betreuung» beinhaltete die Unterbringung in einer 4-Zimmer-Wohnung mit Betreuung, Boxtraining als «sportpädagogischem Element» und intensiver Einzelbetreuung, um einen strukturierten Tagesablauf zu gewährleisten.

Zwischen 2018 und 2022 war Brian Keller, dem ein aussergewöhnliches Gewaltpotenzial attestiert wurde, für drei Jahre in Einzel- oder Sicherheitshaft. Der eigens für ihn umgebaute Hof kostete die Steuerzahler 1,85 Millionen Franken. Was hat es gebracht? Vor einem halben Jahr unterstützte die Stadt Zürich einen Box-Workshop des Kollektivs #BigDreams mit Brian Keller mit 25 000 Franken. Sie stufte den Event als künstlerisches Projekt ein. Schreibt «Carlos» demnächst Gedichte? Im Juni 2025 wurde Keller erneut verurteilt, diesmal zu 45 Monaten Haft.

Es gehört zum rot-grünen Narrativ, wonach jeder Mensch im Grunde genommen gut und wenn doch nicht so gut, so wenigstens resozialisierbar ist. Anwälte und Richter, die seit Jahrzehnten dieselbe Kundschaft haben, würden hier widersprechen. Es ist keine Frage von links oder rechts, sondern eine Frage der Erfahrung. Nicht alle Menschen haben einen friedlichen Kern, nicht alles lässt sich mit Geld lösen. Auch nicht, wenn es das Geld der andern ist.

Verstoss gegen EMRK

Was wären die Alternativen? Outsourcing, zum Beispiel auf die Philippinen? Das Land besteht aus 7641 Inseln, etwa 2000 davon sind bewohnt. Private verkaufen über Plattformen wie Island-Seeker ihre Inseln. Dao Island (47,9 Hektaren) bei Busuanga / Palawan ist als Freehold verfügbar, die Preise liegen zwischen 250 000 und 1,8 Millionen US Dollar, also unter den Kosten für den umgebauten «Privathof» von Brian Keller. Seit 1987 verbietet die philippinische Verfassung jedoch den Erwerb von Land durch ausländische Privatpersonen oder ausländische Staaten. Im tropischen Paradies wäre der Erwerb nur durch eine philippinische Kapitalgesellschaft mit mehrheitlich philippinischem Besitz denkbar (60 Prozent). Das ist auch in Thailand und anderen asiatischen Ländern so. Doch wie üblich hat fast jedes Gesetz ein Schlupfloch: Ausländische Botschaften, Konsulate oder Kulturzentren können für 25 oder 50 Jahre Land oder Inseln pachten. Die USA schliessen für ihre Militärstützpunkte und Forschungseinrichtungen im Wilden Westen Asiens solche Verträge ab. Gemäss bilateralen Militärabkommen haben sie Zugang zu ihren Basen, aber kein Eigentum am genutzten Land.

Doch auch was auf den Philippinen juristisch möglich ist, wäre bei uns kaum durchsetzbar. Die Schweiz darf ihre Bürger nicht ausser Land bringen, wenn sie unter schlechteren Bedingungen ihre Strafe absitzen müssten. Der Schweizer Hotelstandard müsste auch in der tropischen Inselwelt der Taifune gelten. Es wäre auch ein Verstoss gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und widerspräche dem Resozialisierungsgebot im Schweizer Strafvollzugsrecht. Der Puddingparagraf der Verhältnismässigkeit würde etlichen Anwälten Vollbeschäftigung garantieren. Doch auch hier gibt es Schlupflöcher. Mit der Zustimmung des philippinischen Kongresses und Präsidenten wäre ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Schweiz und den Philippinen möglich. Die Insel bliebe philippinisches Hoheitsgebiet, Schweizer Beamte dürften nur Gaststatus haben.

Kein «Swiss Guantánamo»

Auch in Kanada, den USA, Panama, Fidschi, Griechenland, Tansania und Indonesien sind Inseln nach demselben Prinzip zu haben. Eine Insel für «Carlos» wäre also nur möglich, wenn er eine Haftverbüssung unter freiem Himmel einer Hochsicherheitszelle vorzieht. Es wäre dann keine Gefängnisinsel, kein «Swiss Guantánamo», wie einige Medien aufschreien würden, sondern ein freiwilliges therapeutisches Wohnprojekt für Straftäter mit hohem Rückfallrisiko – betrieben von einer von der Schweiz finanzierten NGO.

Einfacher zu realisieren wäre das Outsourcing auf die philippinische Gefängnisfarm «Iwahig Prison and Penal Farm». Sie liegt auf der Insel Palawan, in der Nähe der Hauptstadt Puerto Princesa. Auf dieser riesigen Farm ohne Mauern leben rund 5000 verurteilte Straftäter. Die Hälfte hat sich dank guter Führung einen Sonderstatus verdient. Sie arbeiten als Selbstversorger in der Landwirtschaft und verbringen die Nächte in frei zugänglichen Schlafsälen. Einzelne leben hier mit Familienangehörigen zusammen. Auf dem Gelände gibt es deshalb eine Schule, Läden und Freizeitangebote. Es gibt kaum Fluchtversuche, die Rückfallquote ist gering, einige bleiben nach Verbüssung ihrer Strafe mit ihren Angehörigen auf der Farm.

Würde «Carlos» das Farmerleben einer grauen Zelle vorziehen? In der Heimat der Box-Ikone Manny Pacquiao kann man übrigens auch ohne Lizenz an Boxkämpfen teilnehmen. Und wenn man ihm einen Internetzugang garantieren würde, könnte er die Zahl seiner Followers massiv erhöhen und so Geld verdienen.

Ungewöhnliche Situationen verlangen manchmal ungewöhnliche Ideen.


11-2025 Cueni “Wie militärisches Hightech Archäologie revolutioniert.“

Blatten, Pompeji, Atlantis

Wie militärisches Hightech Archäologie revolutioniert

5807 Claude Cueni / 27.6.25

 

Wie kann es sein, dass wir im 21. Jahrhundert noch immer jahrtausendalte Siedlungen entdecken? Eine Antwort gibt die brutale Naturkatastrophe im Schweizer Bergdorf Blatten. Beim Gletscherabbruch am 28. Mai stürzten rund neun Millionen Kubikmeter Fels, Eis und Geröll ins Tal und begruben das Dorf unter einem bis zu 100 Meter hohen Schuttkegel. Ein Wiederaufbau an der bisherigen Stelle ist aufgrund der massiven Schuttmengen und der anhaltenden Gefahrenlage unrealistisch.

 

Auch Pompeji wurde nicht wieder aufgebaut nachdem am 24. August 79 n. Chr. der Vesuv einen Drittel der Bevölkerung mitsamt ihren Häusern unter Asche, Bimsstein und Lavamassen begraben hatte. Die frühzeitig Geflüchteten zogen in die Nachbarstädte Neapolis, Cumae und Puteoli.

 

Für jeden einzelnen Betroffenen bedeuten solche Ereignisse einen unglaublichen Schicksalsschlag. Er verschüttet für immer, was einmal war. Für die Archäologie ist es meistens ein “Glücksfall“, weil bei Ausgrabungen eine unverfälschte Momentaufnahme aus vergangenen Zeiten sichtbar wird.

 

Solche “Glücksfälle“ werden häufiger dank Innovationen aus den Forschungslabors der Rüstungsindustrie. Manch eine Erfindung sorgte später im zivilen Bereich für Furore. LiDAR (Light Detection and Ranging) wird im Militär für die topographische Kartierung durch Flugzeuge und Drohnen eingesetzt. Da es auch dichte Dschungelvegetation durchdringen kann, nutzen es moderne Archäologen um bisher verborgene Strukturen sichtbar zu machen. Auch unter der Erde. So wurden neue Entdeckungen im kambodschanischen Angkor, in den Maya-Städten in Guatemala und im Amazonas-Gebiet möglich. Auch Magnetfeldmessungen, Bodenradar (GPR) und Sonartechnologie wurden ursprünglich für die Lokalisation feindlicher U-Boote und Minensuche entwickelt. Archäologen spüren damit ohne Grabungen Mauern, Gräber und andere Strukturen auf. Die ursprünglich für militärische Aufklärung entwickelte Drohnentechnologie hat längst die privaten Haushalte erreicht. In der Archäologie hilft sie, in schwer zugänglichen oder gefährlichen Gebieten Informationen zu sammeln. Eine weitere militärische Erfindung ist die Radiokarbon- und Isotopenanalyse. Sie ermöglicht die Datierung von organischem Material wie Knochen, Holz und Textilien. Ohne die von der Marine entwickelte Sonartechnologie wären auch etliche versunkene Städte und Schiffswracks nie gefunden worden.

 

Nicht nur die Archäologie ist heute stark von militärischer Technologie geprägt. Auch in unseren Haushalten dominiert militärisches Know-how. Das Internet basiert auf “Arpanet“, das einst vom US-Verteidigungsministeriums für die militärische Kommunikation entwickelt wurde. In jedem Neuwagen ermöglicht GPS (Global Positioning System) eine präzise Navigation. Der Mikrowellenherd, die Digitalkameraund die Teflonbeschichtung unserer Bratpfannen sind allesamt kriegsrelevante Technologien, die heute unser Zivilleben erleichtern.

 

Die Archäologie steht im Jahre 2025 vor einem goldenen Zeitalter der Entdeckungen. Künstliche Intelligenz und Quantensensorik verpassen den Indiana Jones und Lara Crafts einen Megabooster. Dank KI können heute Milliarden von Datenpunkten innert Minuten ausgewertet und Muster erkannt werden, die menschliche Forscher übersehen würden – trotz jahrelanger Forschung. Mit Datenintegrationsplattformen wie «Palantir Foundry», einer entfernten Verwandten der militärisch ausgerichteten Software “Palantir Gotham“, die auch von Israel genutzt wird, können Daten aus ganz verschiedenen Quellen intelligent und aussagekräftig verknüpft werden, was für die Sichtbarkeit von antiken Handelsnetzwerken unerlässlich ist. Falls das angeblich hochentwickelte Atlantis real ist, war Handel die treibende Kraft für den Wohlstand. Es gibt verschiedene Vorgehensweisen um Artefakte von Zivilisationen ausfindig zu machen, die seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden unter Schlamm begraben auf dem Meeresboden liegen. Die autonomen Unterwasserfahrzeuge (AUVs) von morgen werden sie finden.

 

Versunkene Städte wurden bisher auf allen Kontinenten entdeckt – die meisten infolge von Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder dem Anstieg des Meeresspiegels. Einige wurden zufällig entdeckt, andere gezielt gesucht und gefunden. Zu den besonders gut erhaltenen Altertümern zählt Shi Cheng, “Chinas Atlantis“ in 30 Meter Tiefe. Die Altstadt aus der Ming- und Qing-Zeit bietet wie die meisten Fundorte faszinierende Einblicke in vergangene Kulturen und schreiben nicht selten Geschichte neu.

 

Werden wir eines Tages auch Atlantis finden? Sofern es nicht nur eine Parabel von Platon war, sollte es dank neusten Tiefsee-Sonar-Technologien und KI zur Mustererkennung noch in diesem Jahrhundert gefunden werden. Und falls es nicht gefunden wird, können wir davon ausgehen, dass es bloss eine gute Story war.

 

Leider wird es auch in Zukunft apokalyptisch anmutende Naturkatastrophen geben, die Siedlungen zuschütten – und andere freilegen, die bisher unbekannt waren.

 

In der 4,5 Milliarden Jahre alten Geschichte der Erde sind Naturkatastrophen genauso Normalität wie sich abwechselnde Kalt- und Warmzeiten und damit verbundene extreme Kälte- und Wärmeperioden. Das Klima kann man nicht retten, es tut was es will. Schützen kann man hingegen die Menschen vor den Nebenwirkungen indem man rechtzeitig warnt und in allen Bereichen notwendige Anpassungen vornimmt. Nicht nur in der Städtearchitektur. In Blatten wird zurzeit diskutiert, ob man für die gesamte Alpenregion ein satellitengestütztes, KI basiertes, engmaschiges Monitoring einrichten soll, das kleinste Erschütterungen und langsame Verschiebungen im Zentimeterbereich erfassen kann. Schwierig bleiben die blinden Flecken bei steilen Felsflanken. Aber auch dieses Problem wird eines Tages gelöst. Von der Rüstungsindustrie – falls die Forschung einen militärischen Nutzen hat.

10-2025 Cueni: Netflix. Wendepunkt Vietnamkrieg

Wendepunkt Vietnam, Netflix Serie 2025

Kriegspropaganda Vietnam, Irak, Ukraine

 

5545 Anschläge inkl. LZ

 

Die 6teilige Netflix Serie „Turning Point: The Vietnam War (2025)“ zeigt eindrücklich, wie stark der Vietnamkrieg von Propaganda und gezielter Desinformation begleitet wurde. Parallelen zum Krieg in der Ukraine sind

unübersehbar und bestätigen einmal mehr, dass im Krieg zuerst die Wahrheit stirbt. Und zwar auf beiden Seiten.

 

In den 1960er-Jahren bemühte sich die amerikanische Regierung unter Richard Nixon (1913-1994) jede Kritik am Vietnamkrieg zu delegitimieren: Kriegsgegner wurden als kommunistische Handlanger Moskaus oder Pekings diffamiert, ähnlich wie heute im Ukrainekrieg. Wer damals gegen den Krieg protestierte, galt schnell als „kommunistisch unterwandert“, als Sprachrohr Moskaus oder Pekings. Die Frage nach diplomatischen Lösungen oder die Kritik an der Brutalität des Krieges wurden nicht als legitime Meinungen anerkannt, sondern als Bedrohung der nationalen Sicherheit – ein Muster, das sich heute im Ukrainekonflikt wiederholt. Auch heute werden kritische Stimmen, die zu Verhandlungen aufrufen oder westliche Waffenlieferungen infrage stellen, reflexartig als „putingesteuert“ oder gar als “gesichert rechtsextrem“ diffamiert. Der Vorwurf der illoyalen Gesinnung ersetzt das Argument.

 

In beiden Fällen diente und dient diese Rhetorik dazu, einen differenzierten Diskurs zu unterdrücken und Regierungslinien gegen abweichende Meinungen abzusichern.

 

Mit der Netflix-Dokumentation “Turning Point: The Vietnam War (2025)“ erscheint eine sehenswerte Analyse des Vietnamkriegs. Hochkarätig sind die zahlreichen Zeitzeugen die ihre Sicht der Dinge darlegen. In fünf Episoden zeichnet Regisseur Brian Knappenberger die politische Eskalation, die medialen Verzerrungen und die tiefgreifenden gesellschaftlichen Spaltungen nach, die der Vietnamkrieg in den USA auslöste.

 

Ein zentrales Thema der Serie ist die Diskrepanz zwischen den Aussagen der US-Regierung und den tatsächlichen Geschehnissen in Vietnam. Sehr eindrücklich ist die Gegenüberstellung von Presseerklärungen und mittlerweile freigegebenen Tonbandmitschnitten. Da offenbart sich ein menschenverachtender Zynismus der selbst Hartgesottene schockiert. Während Nixon im Fernsehen das Ende des Krieges verspricht, sagt er am gleichen Tag im vertrauten Gespräch mit Kissinger, dass sie aus innenpolitischen Gründen den Krieg weiterführen müssen. Die jungen Männer, die im Dschungel sterben, sind ihm völlig egal. Bei Kriegsende sind es rund 58.000, das sind 58.000 Tragödien, Albträume, stille Geburtstage, leere Stühle und ein Echo, das nie verklingt. Selbst ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende sind die Emotionen der Angehörigen nicht verklungen. Wut und Verbitterung kehren zurück. Nixon schickte meist junge, unerfahrene Männer aus der Unterschicht in den Dschungel. Die grösste Gruppierung waren Afroamerikaner. Sie mussten für ein Land kämpfen, töten und sterben, obwohl dieses Land ihnen weiterhin das Stimm- und Wahlrecht vorenthielt. Muhammad Ali verweigerte am 28. April 1967 den Militärdienst mit den Worten: „Ich habe keinen Streit mit denen, kein Vietcong hat mich je ‚Nigger‘ genannt.“ („I ain’t got no quarrel with them. No Viet Cong ever called me nigger.“). Noch am selben Tag wurde er verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 10.000 US-Dollar verurteilt. Er verlor seine Boxlizenz.

 

Schon frühzeitig präsentierte die CIA eine umfangreiche Analyse in der sie unmissverständlich darlegte, dass die USA den Vietnamkrieg nicht gewinnen können, nicht gewinnen werden. Nixon und Kissinger wussten es, aber sie brauchten den Krieg zum persönlichen Machterhalt und täuschten und belogen jahrelang Öffentlichkeit und Kongress. Die Dreistheit erinnert an den irakischen Informationsminister „Comic Ali“, der 2003 den Sieg Saddam Husseins verkündete, während US-Panzer an seinem Fenster vorbeifuhren. 

 

Die Vietnam-Dokumentation ist mehr als ein bloßer Rückblick. Sie zeigt, wie wenig sich Grundmuster politischer Kommunikation geändert haben. Wer sich die fünf Stunden aufmerksam anschaut, erkennt nicht nur die Fehler der Vergangenheit, sondern auch die Fallstricke der Gegenwart: Kriegsbegeisterung ohne Perspektive, mediale Homogenität ohne kritischen Diskurs, moralischer Absolutismus ohne Raum für Diplomatie.

 

In Vietnam waren Journalisten wie Peter Arnett oder Neil Sheehan massgeblich daran beteiligt, dass die öffentliche Meinung wechselte und landesweite Demonstrationen gegen den Krieg die Regierung das Fürchten lernten. Sie schrieben, was ist. Fakten statt Meinungen. Heute sitzen in den Redaktionsbüros mehrheitlich Aktivisten und Diener der Regierungen. Oeffentlich-rechtliche Fernsehsender sind heute “service gouvernement“ statt “service public“. Das oberste Gebot scheint zu sein: Egal, was passiert, bloss nicht Wasser auf die Mühlen des politischen Gegners.

 

In diesem Sinne ist „Turning Point: The Vietnam War (2025)“ lehrreich und erinnert woran uns die Medien nicht erinnern wollen und werfen (ohne es zu wollen) die Frage auf, was sonst noch alles gelogen ist? Die Frage müsste eher lauten: Was ist nicht gelogen? Obwohl die fortschreitende Demenz von Joe Biden immer offensichtlicher wurde, verschwiegen die Medien konsequent seine Krankheit und stellten nie die Frage wer, während in seiner Amtszeit die Regierungsgeschäfte führte. Der Deep State? Wer denn sonst? Ich war es nicht. Dass das Klima wärmer wird ist offensichtlich. Menschengemacht oder Naturkonstante? Erst in einigen Jahren werden wir erfahren, ob Global Warning bloss ein weiterer Scam war, um Sondersteuern zu erheben und den Great Reset durchzusetzen.

 

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Soeben erschien in der Edition Königstuhl sein Bildband “Small Worlds – Volume II“.

 

09-2025 Cueni “We are all born atheist“

We are all born atheists (Greek “a-theos” = “without god”).

Until someone administers religion to us like an oral vaccine.

The mother of all religions is the sun.

It is neither female nor male.

It is the sun.

It is about 4.6 billion years old.

It is the center of the solar system.

It gives light and life.

It can warm, but also burn.

Sun worship is one of the oldest forms of religious practice.

It was practiced in almost all cultures.

The earliest sun cults date back to the Neolithic period.

The pharaohs were considered sons of the gods; Akhenaten saw himself as the mediator between the sun god and mankind.

The Inca rulers were also regarded as „sons of the sun“ and worshipped the sun god Inti.

The Indian king Rama was said to be a descendant of the sun god Surya.

Japanese emperors are considered descendants of the sun goddess Amaterasu.

Today, more than 3,000 gods are worshipped.

All of them are copy-and-paste constructs, patchwork plagiarisms designed to domesticate people through threats and promises of salvation.

And one more thing:

The sun doesn’t give a damn about our fate.

 

 

08-2025 Cueni “Wir werden alle als Atheisten geboren“

Wir werden alle als Atheisten geboren (griech. „a-theos“ = „ohne Gott“).

Bis uns jemand Religion verabreicht wie eine Schluckimpfung.

 

Die Mutter aller Religionen ist die Sonne.

Sie ist weder weiblich noch männlich.

Sie ist die Sonne.

Sie ist in etwa 4,6 Milliarden Jahre alt.

Sie ist das Zentrum des Sonnensystems.

Sie spendet Licht und Leben.

Sie kann wärmen, aber auch verbrennen.

Sonnenverehrung ist eine der ältesten Formen religiöser Praxis.

Sie wurde in fast allen Kulturen praktiziert.

Die frühesten Sonnenkulte stammen aus der

Jungsteinzeit (Neolithikum).

Echnaton hielt sich für den Vermittler zwischen dem Sonnengott und den Menschen. Auch die Inka-Herrscher galten als „Söhne der Sonne“ und verehrten den Sonnengott Inti.  Der indische König Rama galt als Nachkomme des Sonnengottes Surya. Die japanischen Kaiser gelten als Nachfahren der Sonnengöttin Amaterasu.

Heute werden über 3000 Götter verehrt. Sie sind allesamt Copy & Paste Konstrukte, Patchwork Plagiate und haben zum Ziel die Menschen mit Drohungen und Heilsversprechen zu domestizieren.

Unser Schicksal ist der Sonne scheissegal.

 

 

https://www.cueni.ch/buecher/godless-sun/bibel-der-atheisten/

 

06 – 2025 Weltwoche: Als nicht alle Menschen sitzen durften

weltwoche.de

13.06.2025 19:45

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Als nicht alle Menschen sitzen durften

 

Claude Cueni

In der griechischen Agora und auf dem Forum Romanum gab es steinerne Sitzmöglichkeiten, oft in Form von Mauervorsprüngen oder niedrigen Sockeln. Sitzen war kein neutraler Akt. Wo man sitzen durfte, war klar geregelt. Und wer sitzen durfte, das entschied die soziale Stellung. Die Arena, der Tempel, das Bad – für all diese Orte war stillschweigend geregelt, wer wie und wo -sitzen durfte.

 

Im Mittelalter gab es noch keine Bänke im heutigen Sinn. Sitzen war immer noch ein Privileg. Selbst in der Kirche -musste das Volk stehen (oder demütig knien), nur der Adel durfte sitzen.

 

Auch im 17. Jahrhundert kannten die Städte kaum Sitzbänke; der öffentliche Raum war noch auf Verkehr und Markt ausgelegt. Doch mit dem Aufstieg und der Sichtbarkeit des Bürgertums hielten einfache Bänke Einzug in den öffent-lichen Raum. Marktplätze, Stadttore, Kirchenvorhöfe wurden erstmals Treffpunkte oder Orte des Verweilens.

 

Schwarze hinten, Weisse vorne

Erst mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ermöglichten neue Materialien wie Eisen, Stahl und industriell verarbeitetes Holz die massenhafte Herstellung von Bänken. Doch noch durfte nicht jeder überall sitzen. Die Architektur der Bänke spiegelte anfangs noch die viktorianische Moral und trennte Geschlechter und Klassen. Bald entstanden in Städten wie Paris, London oder Berlin erste -öffentliche Parkanlagen, und Bänke wurden «demokratisiert»: Jeder konnte sitzen, wo es ihm beliebte – aber nicht in allen Ländern. Nicht nur in Südafrika, im heutigen Simbabwe und in den franzö-sischen, britischen und portugiesischen Kolonien blieb das Apartheidsystem erhalten.

 

In den USA wurden Sitzbänke in den 1960er Jahren politisch. In der Zeit der sogenannten Jim-Crow-Gesetze war Rassentrennung Alltag. Auf Wartebänken in Bahnhöfen, Parks oder vor öffentlichen Gebäuden gab es Beschilderungen wie «For Whites Only» oder «Colored Waiting Room». Nicht selten waren die Sitzbänke für Schwarze in deutlich schlechterem Zustand – oder gar nicht vorhanden.

 

Auch in öffentlichen Bussen galt eine klare Rassentrennung. Schwarze mussten hinten einsteigen, Weisse vorne. Die Sitzgrenze konnte nach hinten verschoben werden, wenn mehr Weisse zusteigen wollten. Schwarze mussten für Weisse den Sitz freigeben, auch wenn sie früher in den Bus gestiegen waren. Es war schliesslich die Afroamerikanerin Rosa Parks (1913–2005), die sich gegen dieses Unrecht erhob. Am 1. Dezember 1955 blieb sie demonstrativ im Bus sitzen und weigerte sich, für eine weisse Person aufzustehen. Es war ein historischer Moment der Bürgerrechtsbewegung.

 

Im Zuge der Sozialreformen entstanden nach dem Ersten Weltkrieg vermehrt Grünanlagen, Spielplätze – und damit auch Sitzgelegenheiten. Bänke wurden nüchtern und zweckmässig gestaltet.

 

Dem Zeitgeist folgend

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden mit dem Wiederaufbau neue Typen von Bänken: ergonomisch, vandalensicher und funktional. Der Nachkriegsboom im Westen führte zum Entstehen einer Freizeitgesellschaft, die mehr öffentlichen Raum einforderte. Später, im Zeitalter von Design und Popkultur, wandelten sich die Bänke erneut und folgten dem Zeitgeist. Die Postmoderne spielte mit Formen und Farben – einige Bänke wurden zu Kunst im öffentlichen Raum.

 

Dank Innovationen und neuen Bedürfnissen entstehen heute Sitzbänke der nächsten Generation. Doch die Musik spielt nicht im alternden Europa, das sich am liebsten mit seinen Wohlstandsproblemen beschäftigt, sondern in Asien. In südkoreanischen Metropolen wie Seoul sind Bänke («smart benches») mehr als Sitzgelegenheiten. Sie sind wetterbeständige Dockingstationen und bieten WLAN, USB-Ports, Solarzellen, Displays, News, Hitzeschutz und LED-Leuchten für die Nacht. Ausgestattet mit Fotovoltaikmodulen, nutzen diese Bänke Sonnenenergie, um verschiedene Funktionen zu betreiben, wodurch sie unabhängig vom Stromnetz funktionieren. In kalten Winternächten bieten sie beheizte Sitzgelegenheiten. Weil man auf diesen Bänken sitzen, aber nicht liegen kann, werden sie von Aktivisten als «Anti-Obdachlosen-Bänke» bezeichnet.

 

Aber Sitzbänke sind – wie der Name schon vermuten lässt – zum Sitzen da.

07-2025 Cueni: An alle Wunderheiler

 

Wenn ein Erwachsener an #Leukämie erkrankt, kriechen die Schamanen aus allen Erdlöchern und erklären, wieso man an #Blutkrebs erkrankt ist: Es lag entweder am Mobbing in der Firma, am stressigen Eheleben oder daran, dass man #religionslos ist.

Nun ist es so, dass leider auch 3-jährige einmal oder gleich zweimal an Blutkrebs erkranken und diese Kleinkinder waren weder berufstätig noch verheiratet und sie wurden wie alle Babys auf diesem Planeten als #Atheisten geboren (bis ihnen jemand #Religion verabreichte wie eine #Schluckimpfung).

Bietet mir also in Zukunft keine Zaubercocktails mehr an, keine #Pillen, keine heilenden Steine, kein Dinosauriersperma, kein gesegnetes Leitungswasser oder Discountfahrten nach #Lourdes. Ich komme damit klar. Auch ohne euch. Leider fallen einige auf eure Hilfsangebote rein und verlieren nach der Gesundheit auch noch ihr Erspartes. Shame On You!

06 – 2025 Cueni Papers: Warum die Zeit rast, wenn wir älter werden.

Warum vergeht die Zeit „gefühlt“ schneller, je älter wir werden?


 Why does time seem to pass faster as we get older?


Unser Gehirn misst Zeit nicht wie eine Uhr, sondern anhand von Erinnerungen und Eindrücken. Kindheit und Jugend sind voll von „erstes Malen“: erste Reisen, erste Liebe, erster Sex, erste Niederlage. Diese “erstes Mal“ erzeugen intensive Erinnerungsspuren. Später wird das Leben oft routiniert: Arbeit, Alltag, Gewohnheiten. Weniger neue Eindrücke = weniger erinnerungswürdige „erstes Mal“.

Ein Jahr ist für ein 5-jähriges Kind ein Fünftel seines bisherigen Lebens. Für einen 50-Jährigen ist es nur ein Fünfzigstel – also „gefühlt“ viel kürzer. Auch wenn objektiv dieselbe Zeit vergeht, erscheint sie im Verhältnis zur bisherigen Lebenszeit immer kleiner.

Deshalb wirken Urlaube oft „länger“ – nicht weil sie länger sind, sondern weil sie reicher an Eindrücken sind.

„Die wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin, neue Landschaften zu suchen, sondern neue Augen zu haben.“ (Marcel Proust)


Why does time seem to pass faster as we get older?


Our brain doesn’t measure time like a clock – it measures it through memories and impressions. Childhood and youth are filled with “first times”: first trips, first love, first sex, first failure. These “first times“ stimulate the brain and leave deep memory traces – in hindsight, they stretch time. Later in life, daily life often becomes more routine: work, errands, habits. Fewer new impressions = fewer remembered “first times”.

One year to a 5-year-old is one fifth of their life so far. To a 50-year-old, it’s just one fiftieth – so it feels much shorter. Even though the duration is the same, it seems to shrink relative to your total life experience.


“The real voyage of discovery consists not in seeking new landscapes, but in having new eyes.” (Marcel Proust)


 

05 – 2025 Weltwoche: Der Antisemitismus ist die neue Wokeness

Das Beispiel von Nemo und Co. zeigt: Der Antisemitismus ist die neue Wokeness.


Claude Cueni


In den 1960er-Jahren fragte ich meine Mutter, was sie eigentlich gegen Juden habe. Wir kannten ja keine. Sie sagte, die Juden hätten Jesus ans Kreuz geschlagen. Schon eine Weile her, dachte ich. Mein Vater riet mir, Juden zu meiden, denn sie seien geldgierig und geizig. Als Teenager verliess ich später nicht nur dieses Elternhaus, sondern auch all die Vorurteile, die man mir wie eine Schluckimpfung verabreicht hatte.

In den 1970er-Jahren war es chic, mit dem Schal des damaligen PLO-Terrorchefs Jassir Arafat in die Schule zu gehen, man zitierte aus der roten Mao-Bibel und huldigte Che Guevara, dem Stalin-Verehrer und «Marlboro Man» der Linken. Man schwärmte für die DDR, die selbst nach dem Olympia-Massaker (1972) auf der Seite der Palästinenser blieb und ihnen weiter schwere Waffen lieferte. Die klammheimliche Liebe zum Totalitären war genauso verbreitet wie die Judenfeindlichkeit. Das war der damalige Zeitgeist, die «Wokeness» der Siebziger.

Die Jungs wurden zwar älter und entsorgten ihre karierten Halstücher, aber nicht ihre Abneigung gegen Juden. Vor Jahren unterhielt ich mich mit einem linken Verleger über eine Autorin. Er mochte sie nicht und sagte, sie sei halt Jüdin. Irritiert hat mich, dass er automatisch annahm, dass ich als Schriftsteller seine Meinung teile.

Der 1967 von Rudi Dutschke geforderte «Marsch durch die Institutionen» war auch der Marsch des Antisemitismus in den rot-grünen Mainstream. Ihre Redakteure fühlten sich mehrheitlich mehr dem Aktivismus und der Propaganda verpflichtet als dem faktenbasierten Journalismus.

Judenfeindlichkeit ist seitdem integraler Bestandteil der rot-grünen Agenda. Während man bei Putin keine Sekunde zögerte, Boykotte zu verhängen, zögert man, die Zahlungen an Palästinenser einzufrieren. In den letzten 50 Jahren erhielten diese vom Westen zig Milliarden Steuergelder und sind dennoch nicht in der Lage, selber für Wasser und Elektrizität zu sorgen. Aber sehr wohl für Waffen. Das Elend wird kein Ende finden, denn damit generieren die Hamasführer Spenden. Spenden für wen?

Die Hamasführer leben überwiegend im Exil, insbesondere in Katar, der Hauptstadt von Doha. Dort residieren sie in pompösen Anwesen und führen ein Leben im Luxus.

Ismail Haniyeh, der ehemalige Chef des Politbüros der Hamas, lebte mit seiner Familie in einer Strandvilla in Doha. Der Vielflieger pendelte – bis zu seinem Tod – im Privatjet zwischen Teheran, Istanbul, Doha und Kairo. Seine Söhne verwalten das Familienvermögen im sicheren Istanbul. Das Magazin Capital schätzt das Vermögen auf 4 Milliarden US-Dollar. Bei Khaled Mashal, einem ehemaligen politischen Führer der Hamas, liegt die Schätzung bei 4 bis 5 Milliarden US-Dollar, Mousa Abu Marzouk, der Stellvertretende Vorsitzender des Hamas-Politbüros, soll drei Milliarden US-Dollar besitzen.

Die Diskrepanz zwischen dem Lebensstil der Hamas-Führung und der Armut der Bevölkerung im Gazastreifen wird zwar international kritisiert, aber es hat kaum Einfluss auf die Steuermilliarden, die westliche Staaten bedenkenlos überweisen. Israel-Hass und Antisemitismus sind wohl zu stark ausgeprägt, selbst einige Mitarbeiter von NGO’s waren den Terroristen beim Verstecken der entführten Geiseln behilflich.

Der grösste Feind der palästinensischen Bevölkerung ist nicht Israel, das sind die Hamas und die mit ihnen kooperierenden Organisationen und Länder. Besser ergeht es jenen Palästinensern, die in Israel (!) arbeiten können. Bis zum 7. Oktober 2023 arbeiteten etwa 150.000 Palästinenser aus dem Westjordanland und rund 18.500 aus dem Gazastreifen legal in Israel. Das waren 13 Prozent aller Palästinenser. Ihr Einkommen machte 2022 allein im Gazastreifen 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Das sind etwa 4 Milliarden US-Dollar.

Die Hamas hat somit mit ihrem Terrorakt vom 7. Oktober erneut das Leben der Palästinenser nicht nur nachhaltig geschädigt, sondern hat in Kauf genommen, dass sie bombardiert und getötet werden.

Dass in Europa zugewanderte Palästinenser auf offener Strasse ihren Hass ausleben und wie kürzlich in Berlin Polizeibeamte attackieren und krankenhausreif schlagen, zeigt einmal mehr, dass man bei uns nicht jede Kultur integrieren kann. Und schon gar nicht junge Fanatiker, an denen die zivilisatorische Entwicklung der letzten 2000 Jahre scheinbar spurlos vorbeigegangen ist.

Es ist wohl einem Mix aus Mediengeilheit, narzisstischem Overacting und Ignoranz geschuldet, wenn Nemo & Co. sich ungeniert als Israel-Hasser zu erkennen geben. Von den Mainstreammedien droht kein Bashing, vom Schweizer Fernsehen schon gar nicht. Sie mögen kuschelige Jungs mit dem Verstand eines Kleinkindes, die aussprechen, was sie selbst nicht zu sagen wagen.

Vielleicht sollte Nemo den nächsten Urlaub zur Horizonterweiterung im Gazastreifen verbringen. Die Hamas verfolgt dort LGBTQ-Menschen systematisch, etliche werden dabei ermordet. In Israel müsste Nemo hingegen nicht um sein Leben fürchten. Da gilt das, was Nemo so wahnsinnig wichtig ist: Inklusion.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Soeben erschien in der Edition Königstuhl sein Fotoband «Small Worlds Volume II».


 

 

NZZ Zitate Interview John Mearsheimer / Ukraine

© NZZ – 06.05.2025- Benedict Neff


Da es sich um einen kostenpflichtigen Artikel handelt, kann ich leider nur die Kernsätze wiedergeben. Sehr lesenswert:


John Joseph Mearsheimer, 77, ist ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler an der University of Chicago. Im Vorfeld der amerikanischen Wahlen von 2016 und 2020 erklärte Mearsheimer, den linken Kandidaten Bernie Sanders zu unterstützen.


Mearsheimer im Interview:

(…)

Es steht ausser Frage, dass Russland in die Ukraine eingefallen ist, aber die entscheidende Frage ist, warum Putin so handelte. Der Grund war, dass er eine Nato-Erweiterung in die Ukraine als existenzielle Bedrohung ansah. Dies ist ein klassischer Präventivkrieg. Er wollte verhindern, dass die Nato Militärstützpunkte auf ukrainischem Boden errichtet. Das war für die Russen inakzeptabel. Genauso wie es für die Vereinigten Staaten inakzeptabel war, dass die Sowjetunion Raketen auf Kuba stationierte. John F. Kennedy machte den Sowjets während des Kalten Krieges klar, dass die Vereinigten Staaten militärische Gewalt anwenden würden, wenn sie die Raketen nicht entfernen würden. Und Putin machte klar, dass er militärische Gewalt anwenden würde, wenn wir die Nato-Erweiterung in die Ukraine nicht stoppen würden. Die beiden Situationen sind bemerkenswert ähnlich.

(…)

Das Problem ist, dass die meisten Menschen im Westen die Nato-Erweiterung in die Ukraine nicht als existenzielle Bedrohung ansehen, aber das ist leicht gesagt, wenn man in der Schweiz sitzt. Wenn man jedoch Russland ist und eine Geschichte von Invasionen aus dem Westen hat, wird man nervös, man bekommt Angst. Und genau das ist passiert.

(…)Wir haben Putin provoziert, und er ist einmarschiert. (…) Im Februar 2022 war die Ukraine de facto Mitglied der Nato, und deshalb ist er zu diesem Zeitpunkt einmarschiert.

(…)

Im Februar 2014, als die Krise ausbrach, war die Ukraine noch nicht nennenswert in die Nato integriert. Aber bis zum Februar 2022 hatte sich die Lage erheblich verändert. Die Vereinigten Staaten und die Europäer haben nach dem Februar 2014 die Ukrainer bewaffnet und ausgebildet. Der Grund, warum sich die Ukrainer nach Ausbruch des Krieges so gut geschlagen haben, ist, dass sie gut bewaffnet und gut ausgebildet waren. Und genau das hat Putin provoziert. Er hat verstanden, was vor sich ging. Die Russen haben im Vorfeld des Krieges versucht zu verhandeln, aber wir haben Verhandlungen abgelehnt.

(…)

Die Europäer wollen sich nicht der Tatsache stellen, dass sie – zusammen mit den USA – für diese Katastrophe verantwortlich sind. Also haben sie diese Geschichte erfunden, dass er ein Imperialist sei und dass er darauf aus sei, die gesamte Ukraine zu erobern, um dann Gebiete in Osteuropa zu erobern und schliesslich Westeuropa zu bedrohen. So ist er in den Köpfen der grossen Mehrheit der Menschen in Europa und den Vereinigten Staaten der Bösewicht. Aber wenn man meiner Argumentation folgt, dann ist der Westen der Bösewicht. Und das wollen die Vereinigten Staaten und die Europäer natürlich nicht hören.

(…)

Hätte es im April 2008 oder danach keine Bestrebungen gegeben, die Ukraine in die Nato aufzunehmen, wäre die Ukraine heute innerhalb ihrer Grenzen von vor 2014 intakt. Die Krim wäre heute Teil der Ukraine.

(…)

Nehmen wir an, die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten geben der Ukraine Sicherheitsgarantien, dann geben sie der Ukraine im Grunde genommen eine Garantie nach Artikel 5.

(…)

Ich hoffe, dass ich mich irre, aber ich halte es für fast unmöglich, dass wir ein sinnvolles Friedensabkommen erreichen werden. Ich glaube, dass dieser Krieg auf dem Schlachtfeld entschieden wird und dass wir am Ende einen eingefrorenen Konflikt haben werden.

(…)

Tatsache ist, dass Trump kein Interesse an der Ukraine hat. Ja, dass er aus Europa raus will. Trump verachtet die Europäer. Er möchte, dass die Vereinigten Staaten sich Asien zuwenden. Trumps Wut auf die Europäer wird mit der Zeit noch wachsen. Und die Wut der Europäer auf Trump wird auch wachsen. Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa werden sich während seiner restlichen Amtszeit verschlechtern.

(…)

Sobald die Amerikaner nicht mehr die dominierende Kraft in der europäischen Sicherheitspolitik sind, werden die Europäer erhebliche Probleme haben, eine gemeinsame Handlungsfähigkeit zu entwickeln.