142 Blick »Sture Koryphäe auf Verbrecherjagd«

Der Franzose Alphonse Bertillon (1853– 1914) war ein verschrobener Kauz, der zu cholerischen Anfällen neigte und wegen seiner chronischen Migräne zum Eigenbrötler wurde. Er begann seine Karriere mit 26 in der Pariser Polizeipräfektur. Sein Job bestand darin, Beschreibungen von Kriminellen auf Karteikarten zu übertragen.

Da er seine Kindheit unter Statistikern, Mathematikern und Anthropologen verbracht hatte, war ihm bekannt, dass es keine zwei Menschen mit den exakt gleichen Massen gibt. Er entwickelte ein System zur Identifizierung von Personen und begann Untersuchungshäftlinge zu vermessen, was ihm den Spott seiner Kollegen einbrachte.

Vier Jahre später gelang ihm aufgrund elf körperlicher Merkmale die Identifizierung eines rückfälligen Straftäters. Die Gefahr einer Verwechslung lag bei eins zu circa vier Millionen. Bertillon wurde zum Leiter des polizeilichen Erkennungsdienstes befördert. Sein System der «Bertillonage» wurde nun mit Fotografien erweitert. Bertillon setzte die inhaftierte Person auf einen Drehsessel und entwickelte einen Apparat, der es erlaubte, hintereinander und auf derselben Platte, ein Front- und ein Profilbild («mug shots») herzustellen, ohne dass sich der Verhaftete bewegen musste. Er weigerte sich jedoch, Fingerabdrücke in seine Kartei aufzunehmen, weil er diese für unzuverlässig hielt.

Als 1911 im Louvre die «Mona Lisa» gestohlen wurde, hinterliess der Straftäter Vincenzo Peruggia auf der Türklinke Fingerabdrücke. Diese waren zwar registriert, aber eben nicht in der Kartei. Bertillon hielt stur an seiner Meinung fest und widmete sich zusätzlich der Grafologie. Im Prozess gegen den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus war er Gutachter und behauptete absurderweise, dass das belastende Dokument gerade deshalb von Dreyfus sein müsse, weil nicht zu beweisen sei, dass es von ihm sei. Selbst nach der Rehabilitierung von Dreyfus wollte Bertillon seinen Fehler nicht eingestehen. Es wäre die Bedingung gewesen für die Verleihung eines Verdienstordens. Bertillon blieb erneut stur und verzichtete auf die Ehrung. Es ist nicht gerade selten, dass Menschen, die auf einem Gebiet Grossartiges geleistet haben, charakterlich weniger grossartig waren.

Von Facebook gelöschter Textauszug.

(Redaktionssitzung:)

»Ist ja schon gut Malika, slow down, als meine Mutter in deinem Alter war, galt der Zigeunerlook als Synonym der Freiheit. Nur Spiesser hatten einen festen Wohnsitz. On the road again and fuck around the world and Sex & Drugs and Rock ’n’Roll.«

»Bobby«, unterbrach Malika unwirsch, »Woodstock, das ist schon eine Weile her, heute sind die Menschen sensibler, die meisten jedenfalls.«

»Okay, Malika, wie kann ich das wieder gutmachen?«

»Lass dir was einfallen.«

»Ich könnte mir ein Büssergewand ausleihen und in den Roma-Camps im Elsass den Müll wegräumen, den unsere Mitmenschen ohne festen Wohnsitz hinterlassen haben.«

Mehr über das Buch

Die ersten 14 Seiten


141 Blick »Die vermeintlich letzte Generation«

Fast jeder kennt sie, die zirka 1500 Jahre alten Moai, die kolossalen Steinskulpturen der polynesischen Osterinsel im Pazifischen Ozean, aber nur wenige erkennen in ihrem Niedergang eine Metapher für den ökologischen Suizid einer Gesellschaft, die sich durch hemmungslosen Raubbau die eigene Existenzgrundlage vernichtet hat und schliesslich an einer Klimaveränderung zugrunde ging. Dies geschah lange bevor die ersten europäischen Seefahrer ihren Fuss auf die isolierteste Insel der Welt setzten, isoliert wie unser Planet zwischen Merkur und Venus.

Die monumentalen Moai-Statuen gehören seit 1995 zum Weltkulturerbe. 683 Figuren wurden einst katalogisiert, Experten zählten später über 1000 Skulpturen, einige sind noch am Zählen.

Erich von Däniken spekulierte, Aliens könnten die Statuen aus dem Vulkangestein geschnitten und die roboterhaften Gesichtszüge der «Astronauten» erschaffen haben. Die Insulaner selbst halten die Statuen für einen religiösen Totenkult, Denkmäler für berühmte Häuptlinge und Angehörige. Zwölf Sippen, die «Grossmächte» jener Zeit, lieferten sich über Jahrhunderte ein «Wettrüsten». Sie zerstörten einander die Moai gegenseitig und errichteten neue, grössere. Dafür brauchte es noch mehr Holz und Seile.

Die bis zu drei Meter hohen Palmen, die um 900 n. Chr. noch die ganze Insel bedeckt hatten, fielen in den folgenden Jahrhunderten den Rodungen zum Opfer. Eine starke Bodenerosion durch Regen und Wind war die Folge. Die Erträge aus der Landwirtschaft gingen zurück, die Nahrung wurde knapp. Nach 1650 fehlte sogar das Brennholz, um die kalten, regnerischen und stürmischen Wintermonate zu überstehen. Die Zivilisation brach zusammen, es herrschte Anarchie und Kannibalismus, man verkroch sich in Höhlen, Warlords verdrängten die Priesterkaste.

Als Jakob Roggeveen (1659–1729), ein niederländischer Seefahrer und Forschungsreisender, 1722 an einem Ostersonntag (deshalb der spätere Name der Insel) das Eiland betrat, war die Gegend bereits kahl geschoren. Captain Cook notierte 50 Jahre später, die Inselbewohner seien «klein, mager, ängstlich und elend».

Doch die vermeintlich letzte Generation war nicht die letzte. Heute leben rund 8000 Menschen auf der kleinen Insel. Und rund 3000 ausgewilderte Pferde.

Einige meiner Dioramen finden Sie jeweils hier

140 Blick »Wasser predigen und Wein trinken

Die Kolumne erschien gestern in Blick. Dass gleichzeitig über die private Flugreise des Klimaklebers Max Voegtli nach Mexiko berichtet wurde, ist Zufall. Das Mitglied von »Renovate Switzerland« nennt sich privilegiert und ist ein weiterer Klimaheuchler aus gutem Hause. Er reist zwei Monate durch Südamerika und kommt dann (mit vielen schönen Selfies) in die Schweiz zurück, um gegen private Flugreisen zu demonstrieren.


»Ich weiß, sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser.« Die oft benutzte Redewendung stammt aus Heinrich Heines (1797-1856) satirischem Versepos »Deutschland. Ein Wintermärchen«.

Bereits in der schwarzhumorigen Kultserie «Californication» (2007–2014) spottete der trinkfeste Womanizer Hank Moody (David Duchovny) über all die Hollywoodstars, die auch in Dürreperioden ihren Rasen sprenkeln und seit 1979 in ihren Privatjets zu Klimakonferenzen fliegen, um ihren Fans zu predigen, dass sie aufs Fliegen verzichten sollten.

Diese Medienevents sind längst zu Dating-Plattformen für Netzwerker aus Politik, Wirtschaft und Kultur verkommen. Hilde Schwab, Fachfrau für Eventmarketing am WEF, schätzt die Begegnungen mit Künstlern am meisten. Was hat jedoch die Anwesenheit von Leonardo DiCaprio, Brad Pitt oder Angelina Jolie dem Klima gebracht?

Für viele sind die Klimapredigten so faszinierend wie Werbeunterbrechungen auf Youtube. Den alarmistischen Ruf: «Es gibt keinen Planeten B», haben sie bereits gefühlte zwei Millionen Mal gehört. Nicht Sprechblasen helfen dem gehäuteten Planeten, sondern Forschung und Arbeit. Bei uns trifft man an Klimademos immer wieder mal Promis mit kindlich gemalten Plakaten, auf denen etwa geschrieben steht: «You can’t breathe money» («Du kannst Geld nicht atmen»). Die frische Luft atmen die Gutsituierten anschliessend an weissen Sandstränden auf Bali oder in Dubai. Sie demonstrieren eher gegen das Vergessenwerden. Selbst in Kreisen der Asphalt-Potatoes ist es heute kein Widerspruch mehr, in ferne Länder zu jetten. Der Ablasshandel erlaubt, die «Sünde» via Myclimate mit Geld zu kompensieren. Weniger Betuchte müssen am Wochenende auf ihre Grillwurst verzichten.

Wer dreimal durch die Fahrprüfung fällt, fährt neu dem Klima zuliebe nicht Auto. Wer nie Kinder wollte, «verzichtet» jetzt dem Klima zuliebe auf Nachwuchs. Wer bisher erfolglos abspeckte, fastet nun öffentlich für das Klima. Man läuft Marathon, radelt und schwimmt für das Klima. Der Nutzen für das Klima: null.

Der enorme Druck, sich andauernd erklären und rechtfertigen zu müssen, macht uns zu einer Gesellschaft von Heuchlern, Duckmäusern und Feiglingen. Mittlerweile gibts den Button «Klima Rebell» als Anstecknadel. Für 3.50 Franken retten Sie den Planeten.

Wie ist es, mit Schmerzen zu leben?

Der heutige Beitrag im »Blick« war auf maximal 3000 Anschläge beschränkt. Hier lesen Sie die Rohfassung mit 4679 Anschlägen. Ich habe diese für die Printausgabe gekürzt. Mehr erfahren Sie in meinem autobiographischen Roman »Script Avenue«, 640 Seiten.


Ich kann mich nicht erinnern, wann ich in den letzten 13 Jahren vierundzwanzig schmerzfreie Stunden erlebt habe. Ich bin hauptberuflich krank und Dauerpatient im Zellersatzambulatorium der Hämatologie, in der Pneumologie, in der Neurologie, in der Urologie, in der Dermatologie, in der Kardiologie und im Augenspital. Meine tägliche Medikamentenliste umfasst 14 Positionen. Einige Pillen lösen plötzliche Muskelkrämpfe aus, tagsüber, in der Nacht, manchmal bricht dabei ein Stück Zahn ab. Die Kieferkrämpfe beim Essen und Zähneputzen nehmen meine Frau Dina und ich mit Humor. Sieht zu komisch aus. Das ist mein Leben, ein anderes gibt es nicht.

Selbstmitleid ist Zeitverschwendung und verstärkt lediglich die Schmerzen. Ich kann meine Krankheiten nicht heilen, aber ich kann meine Einstellung dazu ändern. Ich hatte stets eine sehr sportliche Einstellung zum Leben und habe längst akzeptiert, dass ich in der Nachspielzeit lebe. Ich fokussiere auf das, was mir Freude macht: Familie, Arbeit, Natur.

Wenn die Schmerzen stark sind, singe ich oft aus Trotz die Hits der 1970er-Jahre. Man kann nicht singen und sich gleichzeitig sorgen. Die Hits aus Teenager-Tagen bringen die Zeit zurück, als das Leben noch unbeschwert war. Singen ist auch gut für die Psyche und hilfreich für meine Lunge, die nach der leukämiebedingten Knochenmarktransplantation bis auf 37% abgestossen wurde. Man sagte mir damals, das sei irreversibel. Nichts hat mich in meinem Leben mehr motiviert, als wenn man mir sagte, etwas sei unmöglich. Nach jahrelangem Training zu Hause und optimaler Betreuung durch das Basler Universitätsspital, erreichte ich im April erstmals wieder 50%.

Ich fragte letztes Jahr meinen Arzt, wieso ich noch am Leben sei. Gemäss Statistik müsste ich längst tot sein. Er antwortete, mein Verlauf sei in der Tat ungewöhnlich und zeigte auf meine Frau Dina, die mich stets begleitet. Für ein Martyrium unter dem Damoklesschwert braucht es die richtige Lebenspartnerin. Dina hat nach dem Krebstod meiner ersten Ehefrau die philippinische Sonne in mein Leben gebracht. Sie leidet mit, bemitleidet mich aber nicht. In der philippinischen Kultur zählt nur der Augenblick. Sie spürt, wenn ich Schmerzen habe. Wir sprechen nicht darüber. Manchmal zwinkert sie mir zu und sagt: Spartacus. Die Larmoyanz in unseren Breitengraden ist ihr fremd. Auf den Philippinen fühlen sich die Leute nicht permanent traurig, deprimiert, überfordert und wegen jeder Lapalie unwohl.

Ich schlafe sehr selten vier Stunden ohne Unterbruch. Oft reissen mich ab zwei Uhr morgens Krämpfe aus dem Schlaf. Dina hilft mir auf die Beine, ich hake ihr unter, wir spazieren durch die Wohnung, wir sind Bonnie & Clyde, aber gewaltlos.  Wenn ich nachts online bin, melden sich manchmal Leserinnen: »Können Sie auch nicht schlafen? Haben Sie auch solche Schmerzen?« Viele Menschen tragen einen wesentlich schwereren Rucksack. Jeder Mensch hat einen Rucksack, aber nicht jeder Rucksack ist gleich schwer.

Ich habe mich als Autor historischer Romane ein Leben lang mit dem Alltag in anderen Epochen beschäftigt. Leid und Schmerzen gehören zum Leben. Der Mensch ist stärker als er glaubt, sonst hätte unsere Spezies gar nicht überlebt. Man kann Schmerzen medikamentös unterdrücken, aber bei der Dosis, die ich bräuchte, würde ich nur noch vor dem PC dösen. Für einen Roman würde es nicht mehr reichen, höchstens für einen Einkaufszettel.

Ernährung und Bewegung können im Einzelfall Schmerzen lindern, aber den Schmerzen kann man nicht davonlaufen.

Man sagt oft, hinter einem erfolgreichen Mann steht eine kaputte Frau. Bei uns ist es umgekehrt: Neben einem kaputten Mann steht eine starke Frau.

Mittlerweile bin ich an einem weiteren Krebs erkrankt und die fortschreitende Polyneuropathie hat die Nerven in Füssen und Händen geschädigt. Das ist ein ganz neuer Schmerzlevel, eine Spätfolge der erfolgreichen Chemos und Bestrahlungen, das ist der »Nachteil«, wenn man so lange überlebt

In meinem autobiographischen Roman »Script Avenue« schrieb ich: Solange ich schreibe, werde ich nicht sterben und ich schrieb seitdem jedes Jahr ein neues Buch, als könne ich damit den Tod überlisten. Zurzeit arbeite ich an einem neuen historischen Roman, der Verlag hat für Frühling 2024 bereits den Publikationstermin reserviert, aber das Buch wird weder 2024 noch 2025 beendet sein. Vielleicht später, vielleicht auch nicht.

Jeder hat seine rote Linie. Es ist ausgerechnet die oft kritisierte Sterbehilfe, die einem die Kraft gibt, Schmerzen zu ertragen. Weil man es jederzeit beenden könnte. Weil das Leben trotz allem grossartig ist, verschiebt man die rote Linie immer wieder. Sei es auch nur für Dinas Pancit, ein philippinisches Nudelgericht.


Im Verlag »Nagel & Kimche« erschien 2021 der Lebensratgeber »Hotel California« für meine Enkelin.


 

 

 

 

139 Blick »Der Neid der Langschläfer«

Disclaimer: Es geht um »Langschläfer« im erwerbsfähigen Alter und NICHT um Pensionierte, die den verdienten Ruhestand angetreten haben.


 

«Die Jagd nach dem Sündenbock ist die einfachste», soll US-Präsident Dwight D. Eisenhower (1890–1969) einmal gesagt haben. Auch im Jahr 1540 suchte man die Schuldigen für die Wetterkapriolen. Elf Monate lang gab es praktisch keinen Regen – Elf Monate lang lagen die Temperaturen nie unter 40 Grad. In über 300 Chroniken wurde Europas grösste Naturkatastrophe detailliert geschildert. Ohne Zweifel hatte jemand die Natur verhext. Die 50-jährige Magierin Prista Frühbottin wurde beschuldigt und am 29. Juni 1540 «geschmäucht und abgedörrt».

Wenn etwas schiefgeht, schlägt die Stunde der Neider. Digitale Treibjagden hetzten vermeintliche Sündenböcke. Vor Kurzem war es noch der alte, weisse Mann, der das Klima versaut. Da die vorwiegend weiblichen Megaphons der Klimareligion auch liebe Papis und Opis haben, wurde modifiziert und neu der «reiche» alte weisse Mann als Übeltäter identifiziert. Nachdem es sich aber herumgesprochen hat, dass Greta & Co. in Millionärshaushalten aufgewachsen sind und eines Tages Millionen erben werden, wurde die Hetze erneut anpasst und der «superreiche» alte weisse Mann zum Abschuss freigegeben. Es spielt dabei keine Rolle, ob jemand durch Geburt, Heirat, Erbe oder Leistung superreich geworden ist. Diese populistische Unschärfe unterscheidet sich kaum von der Hysterie der Hexenverbrenner.

Neider sehen stets die Blumenbeete, aber nie den Spaten. Mir ist es völlig egal, ob andere Menschen Millionäre oder Milliardäre sind, ob sie Privatjets bunkern wie andere Bierkisten, ob sie in Villen mit 18 Badezimmern leben. Aus einem einfachen Grund: Es hat weder Einfluss auf mein Wohlbefinden noch Einfluss auf meine Darmtätigkeit. Und zum Pinkeln genügt mir ein einziges Klo.

Für Leute (wie z.B. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth), die um neun Uhr morgens erstmals aufrecht im Bett sitzen, sind erfolgreiche Grossverdiener nicht wie in Asien motivierend, sondern Auslöser für Neid und Missgunst. Sie möchten den Frühaufsteher am liebsten verbieten, vor neun Uhr aufzustehen. Damit alle gleich wenig haben. Wohin das führt, sehen wir in den Schulen: Man senkt die Anforderungen, bis alle gleich schlecht sind.

Wer nicht gerne Steuern bezahlt, sollte um jeden Superreichen froh sein. Wer bloss neidet, schafft keinen Mehrwert und schadet sich selbst am meisten.

138 Blick »Als Schuhe weder links noch rechts waren

Manchmal steckt eine Idee noch in den Kinderschuhen oder ist schlicht «eine Nummer zu gross». Probiert man es dennoch, «steht man schon bald neben den Schuhen». Mit zunehmendem Alter «drückt der Schuh überall», und man ist nicht mehr «fit wie ein Turnschuh», sondern bewegt sich so langsam, dass «man einem im Gehen die Schuhe besohlen» könnte, bis man schliesslich «aus den Schuhen kippt».

 

Die ältesten Hinweise auf Schuhe sind über 40 000 Jahre alt. Unsere Vorfahren wickelten sich Felle um Füsse und Waden – ein Vorläufer des Stiefels –, aber dort, wo die Hitze den Boden zum Glühen brachte, band man sich Sohlen aus Palmblättern unter die Füsse, ein Vorläufer der Sandale. In der Schweiz entdeckte man den ersten Fetzen Lederschuh am Schnidejoch in den Berner Alpen. Er wird auf ca. 4300 v. Chr. datiert. Ötzi, die Gletschermumie mit Schuhgrösse 38, war etwas älter und hatte seine Bärenfellsohlen mit «Schnürsenkeln» festgezurrt.

 

Obwohl man bereits in der Antike wusste, dass der linke und der rechte Fuss unterschiedliche Schuhformen brauchen, ging dieses Wissen, wie vieles andere auch, im Mittelalter verloren. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschienen Streitschriften von Ärzten und Anatomen, die bei der Herstellung von Schuhen eine Unterscheidung zwischen links und rechts forderten, um Skelettschäden zu verhindern.

 

Dass dies Sinn macht, bewiesen die Soldaten der Nordstaatenarmee. Während des amerikanischen Bürgerkriegs marschierten sie mit anatomisch angepasstem Schuhwerk weiter als die Südstaatler mit ihren konventionellen Schuhen.

 

Mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begann die Fliessbandproduktion von Schuhen. Die Preise sanken und machten gutes Schuhwerk für die breite Masse erschwinglich. Die abstumpfende Fliessbandarbeit in schlecht durchlüfteten Hallen war jedoch gesundheitsschädigend.

 

War der Markt gesättigt, folgte eine Vielfalt von Modellen mit unverwechselbarem Design, mit denen sich die Käuferschaft abgrenzen und Individualität und Gesinnung zum Ausdruck bringen konnte.

 

Der CEO eines Dax-Unternehmens sagte mir einst: «Wenn jemand mein Büro betritt, achte ich auf die Zähne und dann auf die Schuhe.» Ist beides ungepflegt, gibt er ihm den Schuh.

137 Blick »Claude Cueni ist tot. Quelle: ChatGPT«

ChatGPT wiederholte, ich sei definitiv am 7. August 2010 gestorben

Gemäss ChatGPT bin ich 2016 gestorben. Da ich wider Erwarten noch am Leben bin, bat ich den Chatbot seine Antwort zu überprüfen (regenerate response). Drei Sekunden später kam die Entschuldigung, ich sei erst 2018 gestorben. Ich klickte erneut auf regenerate response, insgesamt zwölf Mal. ChatGPT sagte zwölf Mal Sorry und schrieb dann, ich sei im Jahre 2010 gestorben. Aber immer noch tot. Ich antwortete, dass es nicht möglich sei, dass Claude Cueni verstorben sei, ich hätte ihn kürzlich am Flughafen gesehen. ChatGPT wiederholte, ich sei definitiv am 7. August 2010 gestorben. Der Chatbot mutmasste, ich hätte am Flughafen eine Person gesehen, die Claude Cueni ähnelt.

 

Ich bat um Quellenangaben. Prompt kam eine Liste mit den Links zu einigen Medien, die über meinen Tod berichtet haben sollen, darunter «Tages-Anzeiger», Diogenes Verlag, Swissinfo («Author Cueni dies aged, 58»), «NZZ» («Der Schweizer Autor Claude Cueni ist tot»). Ich klickte alle Links an und erhielt nur leere Error-Seiten. Fakes über Fakes.

 

Der Chatbot verblüffte aber auch im positiven Sinne: Er konnte längere Texte schreiben, die inhaltlich und sprachlich nicht als KI-Produkt erkennbar waren. Ich bat um ein Liebesgedicht für meine Frau Dina und postete es auf Facebook. Einige fanden es «mitfühlend» und «wunderschön», andere beängstigend gut.

 

Werden wir in Zukunft noch Wahres von Unwahrem unterscheiden können? Wohl kaum. Egal, ob wir das gut oder schlecht finden: Die Weiterentwicklung ist nicht zu stoppen.

 

Stephen Hawking befürchtete bereits 2014, KI werde eines Tages fähig sein, sich selbst zu verbessern. Eine superintelligente künstliche Intelligenz würde den Menschen verdrängen, weil sie keine Ethik kennt.

 

Ist ChatGPT lernfähig? Und wie! Ich tippte nach einer Woche nochmals meinen Namen ein. Die Antwort: «Da mein Wissen im September 2021 endet, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob Claude Cueni noch lebt. Bis zu diesem Zeitpunkt war er am Leben. Es wäre am besten, aktuelle Informationen aus einer verlässlichen Quelle, wie einer Nachrichtenagentur oder einer offiziellen Biografie, zu überprüfen.»

 

Gestern bin ich gemäss ChatGPT wieder 2010 gestorben. Offenbar lernt der Chatbot auch die Verbreitung von Fakes.

136 Blick »Sitzungsgelder für Asphaltkleber«

Kurz bevor meine Frau 2008 starb, musste ich sie mehrmals notfallmässig ins Spital bringen. Wäre ich in einen von Asphaltklebern verursachten Stau geraten, wäre mir mindestens der Kragen geplatzt.

Gut, dass die Klimakleber nun «Fachkräfte» suchen, insbesondere Psychologen, wobei fraglich ist, ob diese Fachkräfte Ewigpubertierende von ihren Angstpsychosen heilen können, zumal Gläubige in Scientology-ähnlichen Sektenblasen kaum ansprechbar sind. Hilfreich wäre auch Nachhilfe in Geografie, denn Asien besteht nicht nur aus weissen Sandstränden, wo vom Sitzen Erschöpfte Erholung finden, sondern auch aus Ländern, die die Luft verpesten, um den Lebensstandard zu erreichen, den auch die Asphalt-Potatoes genossen haben.

Klimaproteste wären in China eigentlich angebrachter, aber leider ist dort keine Medienpartnerschaft möglich und örtliche Polizeikräfte benehmen sich nicht wie deutsche Polizeibeamte, die ausrücken, um Demonstranten vor aufgebrachte Autofahrer zu schützen.

Eine Fachkraft sollte auch den Unterschied zwischen Moral und Gesetz erläutern. Während Gesetze scharfe Konturen haben und für alle gelten, ist Moral dehnbar und kann wie auch das Geschlecht täglich gewechselt werden. Übrigens: Stammt die Idee des Gesellschaftsrates eigentlich von Ravensburger?

Die Welt wird auch in 100 Jahren nicht untergehen. Europa mag seinen Niedergang fortsetzen, aber Europa ist nicht die Welt. Untergehen werden jene, die für einen Monatslohn von 1280 Schweizer Franken ihre Zeit in Märtyrerpose auf dem Asphalt vertrödeln und zu spät erkennen, dass sie nichts, aber auch gar nichts für das Klima getan haben. Ganz im Gegensatz zu all den Hochmotivierten, die mit Freude und Leidenschaft erfolgreich in Labors geforscht haben.

Aber wie Stuart Basden, einer der Gründer von Extinction Rebellion, bereits am 10. Januar 2019 schrieb: Es geht gar nicht um das Klima, es geht um einen Systemwechsel, eine Gesellschaft ohne Demokratie. So wie es auch Multimillionärin Greta Thunberg in ihrem neuen Buch fordert: Öko-Diktatur statt Kapitalismus. Sie wollen ausgerechnet Multimilliardäre wie Aileen Getty bodigen, die Erbin des Öl-Tycoons J. Paul Getty, die ihre Religion mitfinanziert.

135 Blick »Bonnie & Clyde«

Kaum hatte die Texanerin Bonnie Parker (1910–1934) ihren Schulfreund geheiratet, sass der wegen Mordes für fünf Jahre im Gefängnis. Bonnie war 19 und glaubte, sie hätte Besseres verdient: zum Beispiel Clyde Barrow. Es war erneut Liebe auf den ersten Blick. Doch auch Clyde landete hinter Gittern. Es war die Zeit der grossen Depression, ausgelöst durch den Börsencrash von 1929. Die Leute verloren ihre Jobs, verarmten, die Inflation stieg und so auch die Kriminalität. Bonnie verhalf ihrem Lover mit einer ins Gefängnis geschmuggelten Waffe zur Flucht.

Fortan flohen sie in gestohlenen Autos durch den Mittleren Westen der USA, überfielen Lebensmittelgeschäfte, Tankstellen und raubten die verhassten Banken aus, die viele für die Wirtschaftskrise verantwortlich machten.

Da das Paar in verschiedenen US-Bundesstaaten Straftaten beging, wurden sie ein Fall für das FBI, aber auch ein Fall für die Medien. Wie so oft, wenn Kriminelle die Polizei narren und dies mit ironischen Kommentaren den Medien stecken, entsteht so was wie eine «Medienpartnerschaft», die den Narzissmus der einen und den Wunsch der anderen nach mehr Auflage befriedigt.

Als Bonnie und Clyde auf einer ihrer überhasteten Fluchten ihren Fotoapparat vergassen, gingen die Bilder durch die Presse und machten die mit Waffen posierenden Outlaws über Nacht zu Celebritys. Sie fanden Gefallen an ihrem plötzlichen Ruhm als «Robin Hood». Bonnie schickte Gedichte an die Presse («Wir müssen stehlen, um zu essen»), Clyde bedankte sich bei Henry Ford für den gestohlenen Achtzylinder Fordor, weil er damit jedes Polizeiauto abhängte. Am 23. Mai 1934 geriet das Paar in einen Hinterhalt und wurde von 167 Kugeln durchsiebt. Über 20’000 nahmen an der Beerdigung teil. Den grössten Kranz spendeten die Zeitungsverkäufer.

Obwohl Bonnie und Clyde 14 Menschen ermordet hatten, erhielt ihre Popularität erst einen Dämpfer, als eine Zeitung eine trauernde Polizistenwitwe am Grab ihres erschossenen Mannes zeigte. Vielen wurde erst jetzt klar, dass ein Robin Hood der 1930er-Jahre keinem Tankwart in den Kopf geschossen hätte wegen einer Tankfüllung von vier Dollar.

Überlebt haben «Bonnie & Clyde» als Synonym für ein verschworenes Liebespaar.