#chronos (1927)

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MexicoCity16Dec1927«Wer zur Hölle will Schauspieler reden hören?», fragte H. M. Warner von den Warner Brothers, als man ihm 1927 die Vorteile des Tonfilmes erklärte. Im Januar startete Fritz Langs Stummfilm ­«Metropolis» und floppte trotz Starbesetzung. Das in Schwarz-Weiss gedrehte Science-Fiction-Movie gilt heute als Klassiker der Filmgeschichte. Neun Monate später läutete der kommerziell äusserst erfolgreiche Film «The Jazz Singer» das Zeitalter des Tonfilms ein. Sam Warner hatte die ­Produktion gegen den erbitterten Widerstand ­seines Bruders durchgesetzt. Bereits drei Jahre später hatte der Tonfilm den mit den typischen Zwischentiteln angereicherten Stummfilm ­abgelöst.

Abgelöst wurde auch die ungarische Währung Korona, die als Folge des Ersten Weltkrieges ­inflationsbedingt massiv an Wert verloren hatte. Die Neue Währung Pengo hielt gerade mal neunzehn Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die durch eine erneute Hyperinflation zerstörte Währung durch den Forint ersetzt. Für vierhundert Quadrilliarden Pengo, also 400.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Pengo, erhielt man einen einzigen Forint.

In Berlin crashte die Börse, als die Deutsche Reichsbank gegen die überhöhten Aktienkurse vorging. Der Aktienindex brach innerhalb von Stunden um 31,9 Prozent ein. Bereits zwei Jahre nach diesem schwarzen Börsenfreitag krachte auch die New Yorker Börse und löste die Weltwirtschaftskrise aus. Der amerikanische «Black Friday» war jedoch infolge der Zeitverschiebung in den USA ein «Black Thursday».

Für mehr Optimismus sorgte Charles Lindbergh, der alleine in seiner eigens für ihn konstruierten «Spirit of St. Louis» in einem Nonstopflug von New York nach Paris flog. Damit holte er sich den vom Hotelbesitzer Raymond ­Orteig ausgesetzten Preis von 25 000 Dollar für den ersten Alleinflug über den Atlantik. Seine ­einmotorige Maschine hatte der unbekannte ­Flugzeughersteller «Ryan Airlines» in nur gerade zwei Monaten entwickelt und zusammengebaut. Überschattet wurde Lindberghs Pioniertat durch die Entführung seines zweijährigen Sohnes Charles III., der trotz Bezahlung des Lösegeldes von 50 000 Dollar zweieinhalb Monate später ermordet aufgefunden wurde. Der Täter, ein ­vorbestrafter illegaler Immigrant, der bereits zweimal des Landes verwiesen worden war, wurde gefasst und neun Jahre später hingerichtet. Schuldig oder nicht schuldig, war das Thema diverser späteren Verfilmungen.

Grosses Aufsehen erregte auch die Hinrichtung zweier aus Italien eingewanderter Arbeiter, die sich in den USA der Anarchistischen Arbeiterbewegung angeschlossen hatten und wegen einem doppelten Raubmord angeklagt worden waren. Auch dieses Gerichtsverfahren war umstritten und fand eine dramaturgische ­Aufarbeitung in Giuliano Montaldos Film «Sacco und Vanzetti». Im Jahr 1977 wurden die beiden Italiener durch den Gouverneur von Massachusetts rehabilitiert.

Mehr Glück hatte der Immigrant und Elektro­ingenieur Edward Lasker, der als ­Schachmeister und Verfasser von Klassikern der Schachliteratur Berühmtheit erlangte. Weniger bekannt ist, dass der Tüftler 1927 die erste elektrische Muttermilchpumpe zum Patent anmeldete.

Wie alle gesellschaftlichen Entwicklungen fand auch die zunehmende Emanzipierung der Frau ihren Niederschlag in der Mode. Die ­unpraktischen grossen Hüte waren durch eng am «Bubikopf» anliegende Topf-Hüte ersetzt worden. Kleider, die den Körper einschnürten, waren nun verpönt, sportliche Lockerheit war angesagt, geradlinige Silhouetten, die nicht ­verhüllten, was man insgeheim zeigen wollte.

© Basler Zeitung; 08.07.2016

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