Rezension: Hotel California

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Literatur & Kunst / Weltwoche vom 10. Juni 2021

Vermächtnis für die Enkelin

Von Rolf Hürzeler

Claude Cueni: Hotel California. Nagel&Kimche. 160 S., Fr. 27.90

Wer im Hotel «California» eincheckt, kommt nie mehr heraus. Denn das Haus steht für das Ende des menschlichen Daseins. Der Schriftsteller Claude Cueni hat die Metapher gewählt, weil er vor mehr als zehn Jahren an den Folgen einer Leukämie schwer erkrankt ist und ohne Aussicht auf Genesung lebt. Mit seinem neuen Buch «Hotel California» hat er nun einen feinfühligen Text für seine ungeborene Grosstochter geschrieben. Das Buch trägt den erklärenden Untertitel «One more thing: Meine Botschaft an Elodie». Die Enkelin begegnet der Leserschaft als wachsender Fötus, den Cueni auf das Leben vorbereitet. Eine eigentliche Handlung hat die Novelle nicht, aber die Irrungen und Wirrungen rund um das Hotel zieht der Autor als roten Faden durch eine widersprüchliche, zum Teil schwerverständliche Welt.

Kraft und Kreativität

Denn zu dieser gehört Cuenis Unterbewusstsein. Immer wieder erlebt der Erzähler albtraumartige Begegnungen, etwa mit einer Pythonschlange: «Ich sass plötzlich auf einem schuppenartigen Ding …» Was witzig beginnt, endet apokalyptisch: «Es wurde dunkel um mich herum, als sie meinen Kopf verschlang und mühsam durch ihren engen Körper nach hinten presste …» Neben diesen absurden Halluzinationen gibt Cueni seiner Enkelin Elodie praktische Ratschläge für das Leben, die nur jemand mit viel eigener Lebenserfahrung erteilen kann; so, wenn er vom Wert des Geldes berichtet. Er relativiert die Bedeutung des Besitztums und rät dagegen, menschlichen Beziehungen umso mehr Sorge zu tragen. Am wichtigsten ist ihm jedoch die Bereitschaft, den Überlebenskampf nicht zu scheuen: «Als ich Hals über Kopf aus meinem Elternhaus floh und keine Schulen mehr besuchte, trug ich Flip-Flops und fünf Franken im Sack.» Später verdiente Cueni ein Vermögen mit Computergames und seinen Romanen. Immer wieder arbeitet der Autor mit Versatzstücken aus seinen früheren, weitgehend autobiografischen Büchern. Cueni wählte den Titel des Buches «Hotel California» nach dem Ohrwurm der Band Eagles aus dem Jahr 1976, deren Musik ihm in der Jugend offenbar wichtig war. Noch heute findet er in Erinnerungen wie diesen Halt und Zuversicht. Was dieses Buch auszeichnet, sind die Kraft und die Kreativität, die Cueni aus seinem Schicksal schöpft; damit macht er seiner Leserschaft Mut.

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