049 Blick »Die Scheisskolumne«

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Bild © Cristina Guggeri, ganze Kollektion auf: https://www.areashoot.net/the-daily-duty-collection/


 

 «Hatten Sie heute Stuhlgang?» Mit dieser Frage will der Arzt erfahren, ob man auf der Toilette gewesen ist. Die Bezeichnung stammt aus dem Mittelalter. Damals sägte man die Sitzfläche von Stühlen aus und hängte einen Topf darunter. Den Inhalt entsorgte man in nahen Sickergruppen oder kippte ihn, wenn es draussen zu kalt war (oder finster genug), aus dem Fenster. Deshalb war es für Nachtschwärmer empfehlenswert, eine Kopfbedeckung zu tragen. Wer kein Glück hatte, glitt unter dem Fenster aus; und wenn noch Pech dazukam, klatschte die nächste Ladung auf den Hinterkopf.

Das Mittelalter war nicht nur aus hygienischer Sicht ein zivilisatorischer Rückschritt. Bereits in der Antike gab es Grosslatrinen mit Wasserspülung und achtzig Sitzplätzen. Trennwände waren nicht erwünscht, denn Toilettenanlagen waren so beliebt wie heute die sozialen Medien. Man entlud nicht nur den Darm, sondern auch den Ärger über Götter und die Welt. Erst ab dem 17. Jahrhundert änderte das Schamgefühl, und die Leute zogen es vor, inkognito auf dem Thron zu sitzen.

Ein beliebtes Toiletten-Graffito war damals: «Drum drücket und dränget mit aller Kraft – für die notleidende Landwirtschaft.» Scheisse war wertvoller als Bitcoins. Der französische Philosoph Pierre Leroux schlug deshalb im 19. Jahrhundert vor, die Steuer mit den eigenen Exkrementen zu bezahlen. In einer direkten Demokratie hätte eine solche Initiative durchaus Chancen. Die Umsetzung könnte allerdings anspruchsvoll sein.

Im modernen Japan verrichten die Leute ihr Geschäft auf topmodernen Washlets, die mit internetfähigen Bedienungspanels ausgerüstet sind. Urinwerte und Blutzuckerspiegel können direkt an den Hausarzt gemailt werden.

Japan ist nicht überall. Weltweit haben über vier Milliarden Menschen keinen Zugang zu sicheren sanitären Anlagen. Jährlich sterben 432 Millionen an verseuchtem Trinkwasser (Unicef 2019). Indiens Premier Modi versprach bei seinem Amtsantritt, hundert Millionen WC-Kabinen zu bauen. Fünf Jahre später hatte er es geschafft. Doch leider nutzen viele die Häuschen als Geräteschuppen. Für eine Verhaltensänderung wird die Ausrufung des Welttoilettentages am 19. November wohl nicht ausreichen.

 

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