Nennen Sie mich „Chito“.
Papabile Kardinal Luis Antonio Tagle, 67
5354 / Claude Cueni / 25.4.2025

Könnte die katholische Jugend wählen, würde wahrscheinlich der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle, 67, die Papstwahl gewinnen. Auf Facebook hat er über 600’000 Follower. Die Zahl muss man relativieren, zumal die Philippinen eine Bevölkerung von rund 110 Millionen haben und ihre Bewohner viel Begeisterung für ihre Landsleute auf dem internationalen Parkett aufbringen. Die anderen 136 wahlberechtigten Kardinäle sind in den sozialen Medien weitgehend unsichtbar. Sie suchen nicht die Nähe der Gläubigen. Zur Papstwahl antreten wird aber nicht die Jugend, sondern Kardinäle, die das 80. Lebensjahr noch nicht erreicht haben.
Papst Franziskus hat während seiner Amtszeit (2013–2025) insgesamt 163 neue Kardinäle ernannt, einige sind mittlerweile verstorben oder haben das Alterslimit überschritten. 149 sind noch am Leben, aber lediglich 107 sind wahlberechtigt für das Konklave 2025. Damit hat Franziskus die Weichen für einen Nachfolger gestellt, der in seinem Sinn weiterregiert. Sein Wunschkandidat ist sein Protegé Luis Antonio Tagle, 67. Der ehemalige Erzbischof von Manila gehört seit Jahren zum innersten Kreis des Papstes und gilt als „Franziskus Asiens“, weil er die gleichen Standpunkte vertritt: Offenheit beim Thema Homosexualität, aber kompromisslos gegen staatliche Familienplanung und private Empfängnisverhütung.
Tagle ist ein erfahrener Mann. Als Leiter der Kongregation für die Evangelisierung der Völker scheint er der ideale Kandidat zu sein, denn in Europa ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich wurden bereits über 1000 Kirchen verkauft oder zur Umnutzung freigegeben. Die Religionslosen sind weiter im Vormarsch, in der Schweiz sind sie bereits die grösste Gruppierung. Tagle meint, christliche Migranten würden diese Schieflage wieder beheben, aber die Statistik widerlegt ihn: Kirchenaustritte steigen trotz enormer Migrationszahlen, da viele Migranten aus muslimisch geprägten Ländern wie der Türkei, Marokko, Algerien, Pakistan, Somalia oder Syrien stammen. Die grösste Gefahr der Katholischen Kirche ist nicht die nächste Generation von Religionslosen, sondern die fortschreitende Islamisierung des Westens.
Luis Tagle ist Optimist. Das gehört zur philippinischen DNA. Wo er auftritt, scheint die philippinische Sonne, er verbreitet Empathie, zeigt Emotionen und bricht auch mal öffentlich in Tränen aus. Er begegnet den Menschen stets mit einem gewinnenden Lächeln. Höflichkeit, Harmonie und Familie sind den Filipinos wichtig. Tagle ist das pure Gegenteil des vergeistigten Benedikt XVI., einem elitären Klaus Schwab der Katholischen Kirche, der Sätze sagte wie: „Der christliche Gläubige ist eine einfache Person. Aufgabe der Bischöfe ist es deshalb, den Glauben dieser kleinen Leute vor dem Einfluss der Intellektuellen zu bewahren.“ (31.12.1979 / zitiert nach John L. Allen, »Joseph Ratzinger«, Düsseldorf 2002). So etwas käme Tagle nie über die Lippen; er steht an der Seite der Armen – und nicht über ihnen. Er legt keinen Wert auf Titel: „Nennen Sie mich Chito.“
Ich stiess 2017 im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Rodrigo Duterte auf das legendäre BBC-Interview „Hard Talk“ mit Stephen Sackur. Auf die Frage, ob Tagle wisse, dass er in Rom bereits als Papabile (papstfähig) gehandelt werde, brach der damalige Erzbischof von Manila in schallendes Gelächter aus und scherzte: „Ich beichte hier öffentlich: Ich kann nicht mal mein eigenes Leben managen, wie sollte ich also eine weltweite Gemeinde managen?“ Seine Diözese gilt als eine der reichsten der Welt. Darauf angesprochen, gab er sich ratlos; das Milliardenvermögen habe sich im Laufe der Jahrhunderte einfach so ergeben. Einfach so?
Den Grundstein legten 1565 die spanischen Kolonialherren und nannten das Land zu Ehren von König Philipp „Philippinen“. Mit den „Männern aus Eisen“ begann die systematische Missionierung des Inselreiches. Da sich nur Missionare in die unbekannte Wildnis wagten und die Dialekte erlernten, wurden sie zu den idealen Steuereintreibern der spanischen Krone.
Die Kirche in den Philippinen gilt seitdem als einer der grössten Landeigner. Sie besitzt ein riesiges Medienimperium mit enormer Reichweite, Banken und bedeutende Beteiligungen an Firmen. Sie ist der einflussreichste nichtstaatliche Vermittler von Bildung und einer der grössten Akteure im Sozialwesen.
2019 holte Papst Franziskus Luis Tagle nach Rom und ernannte ihn zum Kardinalpräfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Bereits vier Jahre später ernannte Franziskus seinen „Bruder im Geiste“ zum Mitglied der Sektion für die grundlegenden Fragen der Evangelisierung in der Welt. So wurde Tagle der engste Vertraute des Papstes und sein ständiger Reisebegleiter.
Wird Luis Antonio Tagle der nächste Papst? Franziskus II? Kann er Finanzen? Verfügt er über ausreichend Managementqualitäten?
„Wer als Papabile ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus“, lautet eine ironische Floskel. Doch in den letzten 100 Jahren kam es durchaus vor, dass ein Favorit gewählt wurde: Pius XII. (1939), Paul VI. (1963) und Benedikt XVI. (2005) – und andere. Vielleicht auch Luis Antonio Tagle.
Sein einziger Nachteil ist sein „jugendliches Alter“ von 67 Jahren. Denn falls Luis Antonio Tagle im Laufe seiner Herrschaft dem Deep State des Vatikans entwischt, muss ihn die Kurie ein Vierteljahrhundert ertragen.
Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Ab 1. Mai 2025 stellt die Basler Galerie Sarasin Art seine neuen Dioramen aus. Gleichzeitig erscheint der Bildband „Small Worlds Volume II“ in der Edition Königstuhl.
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