05 – 2025 Cueni “Nennen Sie mich Chito“

Nennen Sie mich „Chito“.

Papabile Kardinal Luis Antonio Tagle, 67

5354 / Claude Cueni / 25.4.2025

Könnte die katholische Jugend wählen, würde wahrscheinlich der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle, 67, die Papstwahl gewinnen. Auf Facebook hat er über 600’000 Follower. Die Zahl muss man relativieren, zumal die Philippinen eine Bevölkerung von rund 110 Millionen haben und ihre Bewohner viel Begeisterung für ihre Landsleute auf dem internationalen Parkett aufbringen. Die anderen 136 wahlberechtigten Kardinäle sind in den sozialen Medien weitgehend unsichtbar. Sie suchen nicht die Nähe der Gläubigen. Zur Papstwahl antreten wird aber nicht die Jugend, sondern Kardinäle, die das 80. Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

Papst Franziskus hat während seiner Amtszeit (2013–2025) insgesamt 163 neue Kardinäle ernannt, einige sind mittlerweile verstorben oder haben das Alterslimit überschritten. 149 sind noch am Leben, aber lediglich 107 sind wahlberechtigt für das Konklave 2025. Damit hat Franziskus die Weichen für einen Nachfolger gestellt, der in seinem Sinn weiterregiert. Sein Wunschkandidat ist sein Protegé Luis Antonio Tagle, 67. Der ehemalige Erzbischof von Manila gehört seit Jahren zum innersten Kreis des Papstes und gilt als „Franziskus Asiens“, weil er die gleichen Standpunkte vertritt: Offenheit beim Thema Homosexualität, aber kompromisslos gegen staatliche Familienplanung und private Empfängnisverhütung.

Tagle ist ein erfahrener Mann. Als Leiter der Kongregation für die Evangelisierung der Völker scheint er der ideale Kandidat zu sein, denn in Europa ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich wurden bereits über 1000 Kirchen verkauft oder zur Umnutzung freigegeben. Die Religionslosen sind weiter im Vormarsch, in der Schweiz sind sie bereits die grösste Gruppierung. Tagle meint, christliche Migranten würden diese Schieflage wieder beheben, aber die Statistik widerlegt ihn: Kirchenaustritte steigen trotz enormer Migrationszahlen, da viele Migranten aus muslimisch geprägten Ländern wie der Türkei, Marokko, Algerien, Pakistan, Somalia oder Syrien stammen. Die grösste Gefahr der Katholischen Kirche ist nicht die nächste Generation von Religionslosen, sondern die fortschreitende Islamisierung des Westens.

Luis Tagle ist Optimist. Das gehört zur philippinischen DNA. Wo er auftritt, scheint die philippinische Sonne, er verbreitet Empathie, zeigt Emotionen und bricht auch mal öffentlich in Tränen aus. Er begegnet den Menschen stets mit einem gewinnenden Lächeln. Höflichkeit, Harmonie und Familie sind den Filipinos wichtig. Tagle ist das pure Gegenteil des vergeistigten Benedikt XVI., einem elitären Klaus Schwab der Katholischen Kirche, der Sätze sagte wie: „Der christliche Gläubige ist eine einfache Person. Aufgabe der Bischöfe ist es deshalb, den Glauben dieser kleinen Leute vor dem Einfluss der Intellektuellen zu bewahren.“ (31.12.1979 / zitiert nach John L. Allen, »Joseph Ratzinger«, Düsseldorf 2002). So etwas käme Tagle nie über die Lippen; er steht an der Seite der Armen – und nicht über ihnen. Er legt keinen Wert auf Titel: „Nennen Sie mich Chito.“

Ich stiess 2017 im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Rodrigo Duterte auf das legendäre BBC-Interview „Hard Talk“ mit Stephen Sackur. Auf die Frage, ob Tagle wisse, dass er in Rom bereits als Papabile (papstfähig) gehandelt werde, brach der damalige Erzbischof von Manila in schallendes Gelächter aus und scherzte: „Ich beichte hier öffentlich: Ich kann nicht mal mein eigenes Leben managen, wie sollte ich also eine weltweite Gemeinde managen?“ Seine Diözese gilt als eine der reichsten der Welt. Darauf angesprochen, gab er sich ratlos; das Milliardenvermögen habe sich im Laufe der Jahrhunderte einfach so ergeben. Einfach so?

Den Grundstein legten 1565 die spanischen Kolonialherren und nannten das Land zu Ehren von König Philipp „Philippinen“. Mit den „Männern aus Eisen“ begann die systematische Missionierung des Inselreiches. Da sich nur Missionare in die unbekannte Wildnis wagten und die Dialekte erlernten, wurden sie zu den idealen Steuereintreibern der spanischen Krone.

Die Kirche in den Philippinen gilt seitdem als einer der grössten Landeigner. Sie besitzt ein riesiges Medienimperium mit enormer Reichweite, Banken und bedeutende Beteiligungen an Firmen. Sie ist der einflussreichste nichtstaatliche Vermittler von Bildung und einer der grössten Akteure im Sozialwesen.

2019 holte Papst Franziskus Luis Tagle nach Rom und ernannte ihn zum Kardinalpräfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Bereits vier Jahre später ernannte Franziskus seinen „Bruder im Geiste“ zum Mitglied der Sektion für die grundlegenden Fragen der Evangelisierung in der Welt. So wurde Tagle der engste Vertraute des Papstes und sein ständiger Reisebegleiter.

Wird Luis Antonio Tagle der nächste Papst? Franziskus II? Kann er Finanzen? Verfügt er über ausreichend Managementqualitäten?

„Wer als Papabile ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus“, lautet eine ironische Floskel. Doch in den letzten 100 Jahren kam es durchaus vor, dass ein Favorit gewählt wurde: Pius XII. (1939), Paul VI. (1963) und Benedikt XVI. (2005) – und andere. Vielleicht auch Luis Antonio Tagle.

Sein einziger Nachteil ist sein „jugendliches Alter“ von 67 Jahren. Denn falls Luis Antonio Tagle im Laufe seiner Herrschaft dem Deep State des Vatikans entwischt, muss ihn die Kurie ein Vierteljahrhundert ertragen.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Ab 1. Mai 2025 stellt die Basler Galerie Sarasin Art seine neuen Dioramen aus. Gleichzeitig erscheint der Bildband „Small Worlds Volume II“ in der Edition Königstuhl.


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04 – 2025 Cueni “Call me chito“, english version

Call Me „Chito“

Papabile Cardinal Luis Antonio Tagle, 67

5354 / Claude Cueni / April 25, 2025

If Catholic youth had the right to vote, Filipino Cardinal Luis Antonio Tagle, 67, would probably win the papal election. On Facebook, he boasts more than 600,000 followers. Still, that number needs to be put in perspective, considering the Philippines has a population of about 110 million, and Filipinos show great enthusiasm for their compatriots on the global stage. The other 136 cardinals eligible to vote remain largely invisible on social media. They don’t seek closeness to the faithful. But the next pope won’t be chosen by the youth — only by cardinals under the age of 80.

During his tenure (2013–2025), Pope Francis appointed a total of 163 new cardinals; some have since passed away or aged out. Today, 149 are still alive, but only 107 can cast a vote in the 2025 conclave. Francis has clearly set the stage for a successor who will continue his vision. His preferred candidate is his protégé, Luis Antonio Tagle. The former Archbishop of Manila has been part of the pope’s inner circle for years and is often called the „Francis of Asia“ because he shares many of the same views: openness toward homosexuality but a firm stance against government-sponsored family planning and private contraception.

Tagle is a seasoned figure. As head of the Congregation for the Evangelization of Peoples, he seems like the perfect candidate — especially since there’s not much left to win in Europe. Both Germany and France have already sold or repurposed over 1,000 churches. The rise of religiously unaffiliated people continues, and in Switzerland, they are now the largest group. Tagle believes Christian migrants will reverse this trend, but the numbers tell a different story: church departures are increasing despite high levels of migration, largely because many immigrants come from predominantly Muslim countries like Turkey, Morocco, Algeria, Pakistan, Somalia, and Syria. The Catholic Church’s biggest threat isn’t the next generation of non-believers — it’s the steady Islamization of the West.

Luis Tagle is an optimist. It’s in the Filipino DNA. Wherever he appears, the Filipino sun seems to shine; he radiates empathy, shows emotion, and sometimes even breaks into tears in public. He always greets people with a warm smile. Politeness, harmony, and family are core values for Filipinos. Tagle is the complete opposite of the cerebral Benedict XVI — a kind of Catholic Klaus Schwab — who once said, „The Christian believer is a simple person. Therefore, it is the bishops’ task to protect the faith of these little people from the influence of intellectuals.“ (December 31, 1979 / quoted in John L. Allen’s Joseph Ratzinger, Düsseldorf 2002). You’d never hear something like that from Tagle. He stands alongside the poor — not above them. He doesn’t care much for titles, either: „Call me Chito.“

I first came across him in 2017 while covering Rodrigo Duterte and stumbled upon the legendary BBC interview Hard Talk with Stephen Sackur. When asked if he knew he was already considered papabile (papal material) in Rome, the then-Archbishop of Manila burst into hearty laughter and joked, „I publicly confess: I can’t even manage my own life — how could I manage a global community?“ His diocese is considered one of the wealthiest in the world. When asked about it, he appeared baffled, saying the billions in assets had „simply accumulated“ over the centuries. Simply?

The foundation was laid in 1565 when Spanish colonizers named the islands „the Philippines“ in honor of King Philip. With the arrival of the „men of iron,“ the systematic missionizing of the archipelago began. Since only missionaries dared venture into the unknown wilderness and learn the local dialects, they became the ideal tax collectors for the Spanish crown.

Since then, the Church in the Philippines has become one of the country’s largest landowners. It owns a massive media empire with incredible reach, banks, major stakes in corporations, and remains the most influential non-governmental provider of education and one of the biggest players in social services.

In 2019, Pope Francis brought Luis Tagle to Rome and appointed him Cardinal Prefect of the Congregation for the Evangelization of Peoples. Just four years later, Francis made him a member of the Section for Fundamental Questions regarding Evangelization around the world. Tagle quickly became the pope’s closest confidant — and his frequent travel companion.

Will Luis Antonio Tagle become the next pope — Francis II? Can he handle finances? Does he have the management skills required?

„There’s a saying: Whoever goes into the conclave as papabile comes out a cardinal,“ goes the old joke. But in the last hundred years, favorites have often been elected: Pius XII (1939), Paul VI (1963), Benedict XVI (2005) — and others. Maybe Luis Antonio Tagle will join their ranks.

His only real „disadvantage“ is his relatively youthful age of 67. If Tagle manages to sidestep the Vatican’s deep-state machinery during his reign, the Curia could be stuck with him for another quarter-century.


Claude Cueni is a novelist living in Basel. Starting May 1, the Basel gallery Sarasin Art will exhibit his new dioramas. At the same time, the illustrated book Small Worlds Volume II will be published by Edition Königstuhl.


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04 – 2025 Weltwoche: Rumble in the Jungle

WELTWOCHE Cueni 17.3.25

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Rumble in the Jungle

Gott wird weinen: Vizepräsidentin droht Präsident mit Auftragskiller, Ex-Präsident in Haager Haft – ein Familienkrieg auf den Philippinen wird zum internationalen Justizthriller


Bei der Verhaftung des ehemaligen philippinischen Präsidenten Rodrigo “Rody“ Duterte (“Dirty Harry“) geht es weniger um Gerechtigkeit für die zahlreichen Opfer seines brutalen Drogenkriegs, sondern um den epischen Machtkampf den sich die Familiendynastien der Marcoses und Dutertes seit über einem halben Jahrhundert liefern. Zahlreich sind ihre On-Of-Allianzen. Bereits in den 1960er Jahren diente Dutertes Vater als Kabinettsmitglied unter dem Diktator Ferdinand Marcos Sr., der über 30.000 Oppositionelle in Militärlagern internierte und einige davon zu Tode foltern liess. In den 1980ern unterstützte Dutertes Mutter den Aufstand gegen die blutige Diktatur. Der Clan musste ins Ausland fliehen, aber er kamen zurück.

2016 wurde der damals 70-jährige Rodrigo Duterte zum Präsidenten gewählt. Er war mit dem Versprechen angetreten, die ausufernde Kriminalität mit äusserster Härte zu bekämpfen. “Gott wird weinen, wenn ich gewählt werde“ hatte er prophezeiht. Weinen taten später die Angehörigen und Freunde von mindestens 8663 Menschen (UNO), die von Dutertes rekrutierten Todesschwadronen getötet wurden. Die Kriminalitätsraten sanken, aber die aussergerichtlichen Exekutionen sorgten weltweit für Entsetzen. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) leitete erste Ermittlungen ein, Duterte kündigte postwendend die Mitgliedschaft und glaubte, sich so vor Strafverfolgung ausreichend geschützt zu haben.

2022 löste Ferdinand Marcos Jr., Duterte ab, der bei seinem Ausscheiden historische Zustimmungswerte von über 70% verzeichnete. In den Philippinen ist nur eine einzige 6-jährige Amtszeit möglich. Ursprünglich wollte sich auch Dutertes Tochter Sara um das Amt bewerben. Sie war beliebter als Marcos. Damit sich die beiden nicht gegenseitig Stimmen wegnehmen und ein lachender Dritter Präsident wird, spannten sie zusammen und stiegen als Duo in den Wahlkampf. Als Gegenleistung sollte Vater Duterte juristisch nicht belangt werden. Die Allianz funktionierte. Sie tut es nicht mehr. Aus den einstigen Verbündeten wurden Rivalen, heute sind sie erbitterte Feinde.

Präsident Marcos Jr. brach alle grossen Versprechen, die er vor den Wahlen gemacht hatte und verweigerte Sara Duterte später das versprochene Amt der Verteidigungsministerin. Ein Vize kann gleichzeitig Minister sein. Beide beschuldigten sich der Korruption. Sara Duterte drohte darauf ihrem Präsidenten auf Facebook mit dem Tod, falls sie einem Attentat zum Opfer fiele. Sie habe bereits einen Auftragskiller kontaktiert.

Darauf stimmte am 5. Februar 2025 das Repräsentantenhaus mit deutlicher Mehrheit für ihre Amtsenthebung. Ausstehend ist der Entscheid des Senats. Für ein erfolgreiches Impeachment sind die Stimmen von 16 der 24 Senatoren notwendig, im Mai werden 12 von ihnen neu gewählt. Sie entscheiden ob Sara Duterte lebenslänglich von allen politischen Ämtern ausgeschlossen wird. Vater Rodrigo Duterte eilte seiner Tochter zu Hilfe und empfahl öffentlich Senatoren in die Luft zu sprengen, damit die freien Sitze von Parteigängern besetzt werden können. Er ahnte, wie Marcos Jr. reagieren würde und sagte: “Falls ich verhaftet werde, wird meine Tochter Sara 2028 Präsidentin der Philippinen.“

Nun wurde er, wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, gesundheitlich angeschlagen und am Stock gehend, letzte Woche nach seiner Rückkehr aus Hongkong auf dem internationalen Flughafen von Manila von philippinischen Polizeibeamten verhaftet. Grundlage war ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen mutmasslicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Philippinen sind zwar seit 2018 nicht mehr Mitglied, aber der IStGH betont seine Zuständigkeit auch für Verbrechen, die während der Mitgliedschaft eines Landes begangen worden sind. Marcos Jr., der die blutige Diktatur seines Vaters stets gutgeheissen hat, beteuerte, er hätte nicht mit dem IStGH koopieriert, sondern mit Interpol.

Die öffentliche Meinung ist gespalten. Massen von Duterte Anhängern versammelten sich in zahlreichen Städten zum öffentlichen Gebet für den Atheisten und bekennenden Sozialisten, während Angehörige der Opfer in Den Haag für Gerechtigkeit demonstrierten. Und selbst im Marcos-Clan wird gestritten: Imee Marcos, 69, die Schwester des Präsidenten, blies aus Protest ihre Wahlkampfveranstaltungen ab, sie will keine fremden Richter. Marcos hat vorsorglich die Unterhaltszahlungen für Armeeangehörige rückwirkend auf den 1. Januar mehr als verdoppelt.

Mao Ning, die Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums warnte an einer Pressekonferenz den IStGH vor einer Politisierung und vor Doppelstandards.

Sara Duterte hält die Verhaftung für “politisch motiviert“, die Überführung nach Den Haag bezeichnet sie als “Entführung“. Ihr Vater sagt, er übernehme die volle Verantwortung für seine Taten, er habe es aus Liebe zu seinem Land getan. Die letzten Worte auf philippinischem Boden waren: “So be it“ (so sei es).


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er ist seit 15 Jahren mit einer Filipina verheiratet. In seinem historischen Roman “Pacific Avenue“ schildert er die Entdeckung der Philippinen.


 

03 – 2025 Cueni: Pariser EU-Abgeordneter will Freiheitsstatue zurück

Der französische Journalist und Europaabgeordnete Raphaël #Glucksmann von der Links-Partei “Place publique“ fordert die Rückgabe der Freiheitsstatue, weil sich die #USA seiner Meinung nach “entschieden hat, auf die Seite der Tyrannen zu wechseln“.
White House Pressesprecherin KarolineLeavitt reagiert umgehend und sagt, es sei nur den Vereinigten Staaten zu verdanken, dass die Franzosen heute nicht deutsch sprechen. Einige kontern in den Sozialen Medien mit der Bemerkung, dass es den Amerikanern nur dank den Franzosen möglich war, den Unabhängigkeitskrieg für sich zu entscheiden. Wie kindisch ist denn das?
 
Darf man Geschenke – aus welchen Gründen auch – überhaupt zurückfordern? Grundsätzlich gilt: Geschenkt ist geschenkt (wiederholen ist gestohlen).
 
Frankreich schenkte den USA die 46 Meter hohe Kupferstatue “Statue of Liberty“ aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der amerikanischen Unabhängigkeit (1776–1876). Die Idee stammte von dem französischen Juristen und Politiker Édouard René de Laboulaye, der ein Symbol der Verbundenheit zwischen beiden Ländern schaffen wollte.
 
Der französische Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi wurde mit dem Entwurf beauftragt, während der “Eisenmagier“ GustaveEiffel das Innenskelett der Statue konstruierte. Finanziert wurden Bau und Transport der Liberty mit Erlösen aus Lotterien und Wohltätigkeitsveranstaltungen, mit Spenden und Zuschüssen der frz. Regierung bzw. der Steuerzahler.
Der Sockel sollte jedoch von den USA selbst finanziert werden. Das war die Bedingung. Aber den Amerikanern war dieses “Geschenk“ zu teuer. Der Zeitungsverlegers JosephPulitzer startete deshalb eine Spendenkampagne damit die Statue schliesslich in 350 Einzelteilen zerlegt und in 214 Kisten verpackt, verschifft werden konnte.
 
Am 28. Oktober 1886 wurde der Koloss, der vom griechischen Sonnengott Helios inspiriert war, eingeweiht. Die ersten Skizzen von Bartholdi zeigten eine Araberin, die eine Fackel hochhält und für einen Leuchtturm am nördlichen Ende des Suezkanals geplant war. Bartholdi scheiterte, aber er gab nicht auf. Als die Anfrage aus Paris kam, holte er seine Muslima aus der Schublade und setzte ihr einen Strahlenkranz auf. Nach viermonatiger Bauzeit stand die etwas kleinere Statue auf einem Sockel in LibertyIsland (damals Bedloe’s Island).
 
Die jährlichen Kosten für Reinigung, Korrosionsschutz, Reparaturen und Sicherheitspersonal belaufen sich heute auf 6 bis 8 Millionen US-Dollar. Sie gehört mittlerweile dem National Park Service und wird durch Eintrittsgelder, Steuergelder und Spenden finanziert.
 
Und jetzt soll sie, wenn es nach dem Willen des Journalisten Glucksmann geht, nach 139 Jahren zurück nach Paris? Oder gleich ins Bartholdi Museum nach Colmar? Die Liberty hat bisher nicht nur der salzigen Seeluft NewYorks getrotzt, sondern auch allen spleenigen Ideen, die für ein bisschen Medienaufmerksamkeit geboren wurden.
 

Auch wenn für den Medienprofi Glucksmann Donald Trump der Türöffner für diesen PR- Gag ist, vergisst er, dass die Freiheitsstatue kein Geschenk für eine Regierung, sondern für ein Ideal war und ist: Freiheit. Und liest man die je nach Bedarf interpretierbaren Paragraphen des Europäischen “DigitalServiceAct“, kommt man zum Schluss, dass die Freiheitsstatue im EU-Raum definitiv fehl am Platz wäre.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. In seinem historischen Roman “Giganten“ erzählt er wie die Rivalen Frédéric-Auguste Bartholdi und Gustave Eifel beim Bau der Freiheitsstatue zu Feinden wurden.

02 – 2025 Cueni: “Elon Musk auf Goldsuche“

Elon Musk auf Goldsuche

 

von Claude Cueni, 19.2.2025

 

Trumps Turbo-Regierung lässt kaum einen Stein auf dem andern. Alle Geheimnisse sollen gelüftet werden. Wer hat John F. #Kennedy, Robert F. Kennedy und Martin #LutherKing Jr. ermordet. Was weiss die Regierung über unidentifizierte Flugobjekte (#UFOs) und unidentifizierte Unterwasserphänomene. Wer steht auf der Jeffrey #Epstein-Liste? Was wurde im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 noch nicht gesagt? Ist die #COVID-19-Pandemie menschengemacht und die #Klimaerwärmung eine Naturkonstante?

 

Im Februar 2025 kündigte der Vorsitzende des House Oversight Committee, James Comer, zusammen mit der Abgeordneten Anna Paulina Luna die Einrichtung einer Task Force zur “Deklassifizierung von Bundesgeheimnissen” an. Auf Anordnung von Präsident Donald Trump sollen bisher unter Verschluss gehaltene Dokumente offengelegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Aber ein Geheimnis steht aktuell nicht auf der Traktandenliste: Das Gold, das #Gold der andern. #RonPaul fordert von #ElonMusk und seinem DOGE-Team ein Audit von #FortKnox. Er will wissen, ob die 4,580 Tonnen Gold noch an Lager sind.

 

In den 1930er- und 1940er-Jahren haben viele Länder ihr physisches Gold aus Sicherheitsgründen in US-Tresoren gebunkert. Die #USA (und #England) galten auch noch während des Kalten Krieges als sicherer Aufbewahrungsort. 

 

An der Konferenz vom 1. Juli 1944 in #BrettonWoods war festgelegt worden, dass der US-Dollar an Gold gekoppelt wird und andere Währungen fest am #US-Dollar. Der französische Präsident Charles de Gaulle misstraute jedoch dem neuen Bretton-Woods-System und schickte in den 1960er-Jahren ein U-Boot über den #Atlantik um das in den USA aufbewahrte Gold zurückzuholen. Er befürchtete aufgrund der zunehmenden Verschuldung der USA, dass der US-Dollar eines Tages nicht mehr ausreichend mit Gold gedeckt sein könnte. Und so war es dann auch. 1971 beendete US-Präsident #RichardNixon den #Goldstandard von #BrettonWoods um den #Vietnamkrieg und nicht erfüllbare Wahlversprechen zu finanzieren.  Der Preis für eine #Feinunze Gold lag bei 35 Dollar.

 

Seit dem “Nixon-Schock“ basiert der Wert des Dollars nicht mehr auf Gold, sondern auf Vertrauen und viele teilen #Voltaires Ansicht, wonach Geld aus Papier früher oder später zu seinem inneren Wert zurückkehrt – nämlich Null! Gold behält hingegen den Wert des Metalls, das in Goldmünzen und -barren steckt.

 

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Dass sich die US-Regierung bis heute weigert, eine vollständige und unabhängige Prüfung der fremden Goldbestände in den #Tresoren von Fort Knox zu ermöglichen, befeuert Spekulationen, die heute noch als “#Verschwörungstheorien“ abgetan werden. Doch hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass die USA den Grossteil des gelagerten Fremdgoldes durch sogenannte #Gold-Swaps oder #Leasing-Geschäfte weiterverliehen hat.

 

Wenn dem tatsächlich so ist, müssten die USA das fehlende Gold zum aktuellen Marktpreis zurückkaufen, um es zurückzugeben. Das hätte einen massiven Anstieg des Goldpreises zur Folge und die USA müssten Milliarden ausgeben, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Das Vertrauen in die USA als sicheren Aufbewahrungsort wäre stark beschädigt. Einige Länder würden ebenfalls ihr Gold zurückfordern, was eine Kettenreaktion auslösen könnte – ähnlich einem #Bank-Run. Wahrscheinlich würden die USA unter Donald Trump eher politisch oder wirtschaftlich Druck ausüben, um eine Rückholung zu verhindern. Von diplomatischen Hürden über Verzögerungstaktiken bis hin zu Sanktionen wäre alles möglich. Letzteres Szenario gab es bereits mit Venezuela, dessen Goldreserven darauf in Großbritannien eingefroren wurden.

 

Etliche Zentralbanken scheinen zu antizipieren, was morgen geschehen wird. Das angeblich “barbarische Relikt“ wird seltener und begehrter. Kostete eine #Feinunze Gold in Dollar 1971 noch rund 35 US-Dollar, so liegt der Preis zurzeit bei rund 2’900 US-Dollar. Aber auf eine Unze physischem Gold kommen je nach Experte rund 200 Unzen #Papiergold in Form von ETF’s und Zertifikaten. Wer glaubt noch, dass er im worst case für sein Papiergold echtes Gold kriegt?

 

Der Vertrauensschwund in Politik, #Medien, Institutionen und #Banken hat viele Gesichter. Sie hat längst auch die privaten Anleger erreicht. In England wollen plötzlich immer mehr Kunden ihr Papiergold gegen physisches Gold eintauschen. Die Auslieferung verzögert sich. Die Bank of England sieht sich deshalb mit wachsender Kritik konfrontiert. In Zeiten, in denen westliche Regierungen zunehmend auf digitale Währungen setzen und die Bargeldabschaffung gegen den Volkswillen vorantreiben, erinnert der Wunsch der Privatanleger, Papier gegen Metall einzutauschen, an historische Vorläufer von Währungskrisen. Don’t panic, but panic first.

Am 20. Februar gab Donald Trump grünes Licht. Elon Musk und sein #DOGE-Team dürfen die Goldbestände in Fort Knox überprüfen. Falls nicht mehr da ist, wonach sie suchen, wird das die USA etliche Milliarden kosten und für wirtschaftliche und politische Turbulenzen sorgen. Und den Goldpreis nochmals in die Höhe treiben.


Nachtrag vom 23.2.2025:

Die #USA listen das #Gold in #FortKnox in ihren Bilanzen auf der Basis von 42,22 US-Dollar pro #Feinunze. Dieser Preis stammt aus den frühen 1970er-Jahren und wurde seither offiziell nicht angepasst. Der Gesamtwert liegt deshalb bei etwa 11 Milliarden US-Dollar.
Bei einer Wertberichtigung, basierend auf dem aktuellen Goldunzenpreis von US-Dollar 2’936.— liegt der Gesamtwert nicht mehr bei 11 Milliarden US-Dollar, sondern bei über einer halben Billion.
Per Mausklick. #Trump hat Erfahrung mit #Wertberichtigungen. Nicht nur im Immobiliensektor.

03 – 2025 Weltwoche: Zeitgeist als Satire

Zeitgeist als Satire: Londoner Wissenschaftsmuseum warnt vor Anti-LGBT-Legos

 

Claude Cueni

 

Breaking News aus dem Londoner Science Museum. Die Wissenschaftler publizieren auf ihrer Homepage ihre neusten Forschungsergebnisse: Legosteine sind anti-LGBT, weil «die Verbindungsstücke und Befestigungsmittel in geschlechtsspezifischer Weise beschrieben werden».

Der Beweis: «Die Oberseite des Steins mit den herausstehenden Noppen wird als männlich beschrieben, die Unterseite mit den Löchern zum Aufnehmen der Noppen als weiblich, und der Vorgang des Zusammenfügens wird als Paarung bezeichnet.»

Unter dem Titel «Seeing Things Queerly» (Dinge queer betrachten) erkennen die Wissenschaftler «ein Beispiel dafür, wie heteronormative Sprache auf Themen angewendet wird, die nichts mit Geschlecht, Sexualität oder Fortpflanzung» zu tun haben. Es zeige, dass Heterosexualität und die binäre Geschlechterordnung männlich/weiblich die Norm sind und alles andere ungewöhnlich sei.

Elon Musk hat dies bereits mit einem Clown-Emoji kommentiert. Dass der Zeitgeist sein Verfalldatum erreicht hat, merkt man daran, dass er mittlerweile zur Satire geworden ist.

Byebye wokeness, hello reality.

01 – 2025 Cueni. Panama. Roman Giganten.

GIGANTEN

Historischer Roman, 450 Seiten

Texttauszug: ab Seite 367 (Panama)


 

Frédéric Bartholdi und Allan Pinkerton ritten die pazifische

Küste entlang. Die tropische Hitze war drückend, die Vegeta-

tion üppig und feindlich. Kaum öffnete man die Lippen, hatte

man eine Handvoll Insekten im ausgetrockneten Mund. In der

Ferne ragte der Kegel des Vulkans Barú in den Himmel.

»Die Kuna-Yala-Indianer halten den Vulkan für einen Gott,

den es zu besänftigen gilt.« Pinkerton zündete sich eine Zigarre

an: »Wissen Sie, Mister Bartholdi, in meinem Beruf zählen nur

überprüfbare Fakten, und je länger ich dieses Business betreibe,

umso mehr wundere ich mich über den infantilen Aberglauben

der Menschen. Eigentlich bin ich enttäuscht, dass die Menschen

geistig auf dem Niveau der Bronzezeit stehen geblieben sind. Ja,

ich bin enttäuscht. Was ist denn Ihre größte Enttäuschung?«

»Dass das Leben nicht gerecht ist, Mister Pinkerton.«

»Wieso sollte es das?«, brummte Pinkerton und zog an sei-

ner Zigarre.

Schweigend ritten sie weiter. Zahlreiche Gräber säumten den

Weg. In der Ferne sahen sie die Silhouetten von Zelten und Bar-

racken.

»Sehen Sie irgendwo Arbeiter, Mister?«, fragte Frédéric.

Pinkerton beobachtete die Umgebung aufmerksam. »Ich sehe

nur einen Haufen Kreuze, die in kleinen Grabhügeln stecken.«

»Aber jemand muss die Leute doch begraben haben.«

Endlich erreichten sie das Lager der Panama-Gesellschaft.

Vereinzelt tauchten nun Arbeiter auf, aber sie arbeiteten nicht

und ignorierten die beiden Reiter. Hier schien die Zeit stehen

geblieben zu sein.

Ein ausgemergelter Mann mit fiebrigem Gesicht kam ihnen

entgegen. »Sind Sie Ärzte?«, rief er ihnen verzweifelt zu. »Ich

bin Docteur Rougemont aus Paris. Meine Kollegen sterben, wir

brauchen Ärzte. Wir sind machtlos gegen diese Mücken. Die

Menschen sterben zu Hunderten, ja Tausenden.« Er zeigte ins

Innere eines Zeltes. Zahlreiche Betten waren aneinandergereiht,

alle überbelegt. Die Pfosten der Betten standen in Wasserei-

mern.

»Was ist das?«, fragte Pinkerton und wies auf die Pfosten.

»In Paris haben sie uns gesagt, wir sollten überall Wasserei-

mer aufstellen. Das würde die Epidemie beenden.«

Hinter dem Zelt fuhren mit Fässern beladene Karren vorbei.

»Wir stecken die Leichen in Essigfässer, damit wir nicht noch

mehr Kreuze aufstellen müssen. In Paris bezahlt die Universi-

tät für jede einzelne Leiche.«

Pinkerton hielt sein Pferd zurück und herrschte ihn an: »Ent-

fernen Sie sofort die Eimer unter den Bettpfosten. Diese Was-

ser sind die Brutstätten der Malariamücke! Was seid ihr bloß

für Idioten!«

»Wie viele Tote habt ihr schon?«, fragte Frédéric.

»Wir zählen nur die Weißen«, gab der Arzt zurück. »Chine-

sen, Inder, Neger und die Wilden aus den Antillen zählen wir

nicht. Kontraktarbeiter kosten weniger als ein Stück Maisbrot.«

»Wie viele?«, insistierte Frédéric.

Ȇber 20 000, von meinen 25 Krankenschwestern sind be-

reits 21 tot, Eiffel hat drei seiner vier Chefingenieure verloren.

Malaria, Gelbfieber, es ist die Hölle.«

Frédéric warf Pinkerton einen Blick zu. »Das könnte eine

Schlagzeile sein, murmelte er. »Wo ist Gustave Eiffel?«, fragte

er den Arzt.

»Geflohen, gestorben, was weiß ich«, fluchte der Arzt, »ich

werde morgen mit dem Leichenexpress verschwinden. Die

Eisenbahnlinie führt durch den Dschungel. Der Zug ist mit

Essigfässern gefüllt. Nur der Lokführer und ich werden noch

lebendig sein. Meine Herren, das ist eine jüdische Verschwö-

rung!«

»Dann sollten Sie jetzt ein paar Aufnahmen machen, Mon-

sieur Bartholdi, Paris braucht Beweise. Docteur, wo finden wir

Jacques de Reinach?«

Der Finanzagent und Buchprüfer der Panama-Gesellschaft hing

unter dem Torbogen im Hof eines kleinen Hotels, das im spa-

nischen Kolonialstil erbaut war. Im Todeskampf hatte sich sei-

ne Blase entleert und die Hosenbeine dunkel gefärbt. Zwei Mes-

tizen halfen Pinkerton, die Leiche vom Strick zu schneiden. In

der Innentasche von Jacques de Reinachs fleckigem Gilet befand

sich ein ziemlich dickes Bündel handgeschriebener Blätter.

»Es gibt verschiedene Arten, ein Geständnis abzulegen«, be-

merkte Pinkerton trocken und reichte Frédéric die Dokumente.

Gemeinsam überflogen sie die Papiere. Dann ließen sie sich

kühle Drinks servieren und setzten sich in den Schatten eines

Sonnensegels. In den nächsten Stunden studierten sie die Do-

kumente, Blatt für Blatt.

»Was suchst du in Panama?« Gustave Eiffel hatte gegen Abend

den Hof betreten. »Ich hörte, dass du hier rumlungerst.«

»Ich wollte dir einen Koloss von Rhodos vorschlagen«, amü-

sierte sich Frédéric.

»Von dir würde ich nicht mal eine Schraube wollen. Komm

mir bloß nicht in die Quere! Der Zutritt zur Baustelle ist dir

verboten, genauso wie allen Presseleuten.«

»Ich werde dir keine Schrauben verkaufen, Gustave Eiffel,

ich schenke dir die Hölle von Panama.«

Gustave wollte sich auf Frédéric stürzen, doch Pinkerton hob

den Zeigefinger etwas in die Höhe und schüttelte den Kopf.

Seine linke Hand ruhte auf dem Knauf seines Revolvers in der

Innentasche.

»Was wollt ihr? Ich habe ein Werbebudget.« Eiffel schaute

wild um sich.

»Wir haben die Liste mit deinen ›Werbeausgaben‹ gefunden.

Jacques de Reinach war da sehr genau.« Frédéric wedelte mit

den Bankdokumenten. »Schätzungsweise über 500 Überwei-

sungen an Journalisten, den Finanzminister sowie den Minis-

terpräsidenten; das hätte ich nicht erwartet.«

»Alle Menschen sind bestechlich«, stieß Gustave ungeduldig

hervor, »wie viel?«

»Wie viel was?«, fragte Frédéric.

»Wie viele Goldfrancs«, herrschte ihn Gustave an und be-

gann wie ein Pferd zu schnaufen.

»Gustave, ich mache mir nichts aus Geld, das solltest du

mittlerweile wissen. Ich will keinen einzigen Goldfranc, ich will

dich fallen sehen. Und zwar in aller Öffentlichkeit, erniedrigt

und verurteilt, damit dein Turm bis in alle Ewigkeit erinnert an

einen Mann, der ein Herz aus Eisen hatte und als Betrüger im

Gefängnis verstarb!«

02- 2025 Weltwoche: Nadelöhr Panamakanal

Es schlug die Stunde des Eisenmagiers


Donald Trump kappt mit diplomatischem Powerplay den Einfluss Chinas auf den Panamakanal.Die verrückte Geschichte des Jahrhundertbauwerks ist um eine spektakuläre Episode reicher.


Claude Cueni

Im 16. Jahrhundert träumte der spanische Entdecker Vasco Núñez de Balboa von einer Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik. Doch die Technologie war noch nicht so weit. Es dauerte über 300 Jahre, bis der erste Versuch gestartet wurde. «Alles, was ein Mensch sich vorstellen kann, werden andere Menschen verwirklichen», prophezeite der Schriftsteller Jules Verne. In Panama wagten die Franzosen den ersten Schritt, angeführt von Ferdinand de Lesseps, dem gefeierten Erbauer des Suez-Kanals.

Baustelle wird Friedhof

Doch Panama war nicht Suez. Über 100 000 Arbeiter wurden eingestellt, um in den Sümpfen eine 82 Kilometer lange Wasserstrasse zu graben. Um die Männer vor Malaria zu schützen, empfahlen Ärzte, die Bettpfosten in Wassereimer zu stellen – die ideale Brutstätte für die Malariamücke. Das Baugelände verwandelte sich in einen riesigen Friedhof. Damit schlug die Stunde des «Eisenmagiers» Gustave Eiffel. Er hatte mit dem Eiffelturm und dem Gerüst für Auguste Bartholdis Freiheitsstatue Weltruhm erlangt und sollte jetzt den Bau und die Entwicklung der Schleusen- und Hebesysteme übernehmen. 1887 unterzeichnete er einen Vertrag mit der Panama-Gesellschaft, der ihn zur Lieferung und Montage von dreissig Schleusen verpflichtete.

Misswirtschaft und die Malariamücke bescherten dem Unternehmen tiefrote Zahlen. Um den Bankrott abzuwenden, lancierte die Panama-Gesellschaft eine Lotterie. Die Lizenz war teuer, denn Minister und Parlamentarier verlangten hohe Bestechungsgelder. Als Gegenleistung animierten sie mit staatlichen Werbekampagnen Kleinanleger, ihr Erspartes in Panama-Aktien zu investieren, obwohl die Insider wussten, dass das Projekt gescheitert war. Journalisten verdienten sich mit Fake News eine goldene Nase. Die Bestechungsgelder waren derart hoch, dass es rentabel wurde, allein zu Propagandazwecken neue Zeitungen zu lancieren. Die erste Ausgabe diente als Beleg für den Erhalt der Provision, weitere Ausgaben folgten nicht. Die Panama-Gesellschaft ging trotzdem pleite.

Drei Jahre später liess die Zeitung La Libre Parole die Bombe platzen: Der Panama-Skandal wurde zur grössten Bestechungsaffäre des 19. Jahrhunderts. Rund 85 000 Kleinanleger verloren über eine Milliarde Francs Erspartes, 512 Politiker wurden angeklagt, darunter Gustave Eiffel, und bestätigen die Erkenntnis des Philosophen Spinoza: «Der Nutzen ist das Mark und der Nerv aller menschlichen Handlungen.»

1904 traten die USA auf den Plan. Mit einer Mischung aus Diplomatie, militärischer Präsenz und wirtschaftlichem Druck sicherten sie sich die Kontrolle über die Region. Nach einer Bauzeit von zehn Jahren wurde der Panamakanal 1914 eröffnet: ein System aus künstlichen Seen und gigantischen Schleusen, das sich perfekt an die topografischen Gegebenheiten anpasste. Der Seeweg zwischen New York und San Francisco verkürzte sich dadurch um 13 000 Kilometer. Der Erfolg war nicht nur der technologischen Überlegenheit geschuldet, sondern auch der erfolgreichen Bekämpfung der Malariamücke.

Mit dem Erfolg wuchs auch der Wunsch Panamas, die Kontrolle über den Kanal zurückzuerlangen. Das führte zu Spannungen zwischen den beiden Ländern. Nach jahrelangem politischem Druck und diplomatischen Verhandlungen unterzeichneten die USA und Panama 1977 die Torrijos-Carter-Verträge. Sie sahen vor, dass die Kontrolle des Kanals am 31. Dezember 1999 vollständig an Panama übergehen würde. Die USA verfolgten seitdem mit zunehmender Sorge Chinas wachsende Rolle bei der Verwaltung und Finanzierung des Kanals. Die wirtschaftliche Präsenz Chinas gefährdete zunehmend die Vormachtstellung der USA.

Adios, «Belt and Road»

Wer den Kanal kontrolliert, kontrolliert den globalen Schiffsverkehr. Der in Hongkong domizilierte Weltmarktführer Hutchison Ports betreibt einige der wichtigsten Häfen an beiden Enden des Kanals. Etwa 5 Prozent des Welthandels passieren die künstliche Wasserstrasse, darunter viele amerikanische Exporte und Importe. Sollte die Region instabil werden, hätte das gravierende Folgen für die amerikanische Wirtschaft.

Turbopräsident Donald Trump behauptete wenige Tage nach Amtsantritt, dass Panama die Kontrolle über den Kanal an Peking abgegeben habe. Er entsandte Aussenminister Marco Rubio, der Panamas Präsidenten José Raúl Mulino mit «notwendigen Massnahmen» drohte, «um Vertragsrechte zu schützen», falls nicht umgehend Änderungen beim Betrieb des Kanals vorgenommen würden. Was China mit Krediten gelang, erreichte Donald Trump mit maximalem Pressing. Mulino gab nach und kündigte an, das 2017 mit China unterzeichnete Memorandum of Understanding nicht zu verlängern. Panama verlässt Chinas globale Entwicklungsinitiative «Belt and Road» und will in Zukunft enger mit den USA zusammenarbeiten.

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. In seiner Romanbiografie über Gustave Eiffel und Auguste Bartholdi («Giganten», Verlag Wörterseh) schildert er den Bau des Panamakanals.

 

01-2025 Weltwoche: Musk ein Nazi?

Musk ein Nazi? Der Tesla-Gründer schleudert symbolisch sein Herz ins Publikum – und die Medien sehen darin den Hitlergruss. Unsinn!


 

Claude Cueni

 

«Elon Musk irritiert mit Hitlergruss» titeln einige Medien, einige sind vorsichtiger und schreiben «mit vermeintlichem Hitlergruss».

Watson ist sich hingegen ganz sicher: «Hier macht Elon Musk an der Trump-Party den Hitlergruss» und druckt das «Beweisfoto». Ist das noch Journalismus?

Es gibt wohl von den meisten VIPs ein Foto mit gestrecktem, aufwärts gerichteten Arm. Auf dem «Beweisfoto» schleudert Elon Musk symbolisch sein Herz ins Publikum. Wer das ganze Video gesehen hat, kann nur den Kopf schütteln. Die Unterstellung, Elon Musk mache den Hitlergruss, ist das, was solche Journalisten gerne anderen unterstellen: Hetze.

Für Personen, die ausschliesslich solche Medien konsumieren, bleibt jedoch in Erinnerung: Elon Musk ist ein Nazi. Das war wohl auch die Absicht.

Zum Glück gibt es X (vormals: Twitter). Nach den ersten irreführenden Berichten wurden diverse Bilder auf X gepostet, die Prominente mit «vermeintlichem Hitlegruss» zeigen, Obama, Harris und viele andere. X ist das beste Korrektiv, deshalb möchte die EU die Plattform auch verbieten, denn X ist eine ernste Gefahr für selbsternannte Wahrheitsministerien.

Man muss Elon Musk nicht mögen. Aber wer ihn kritisieren will, soll sich anstrengen und Argumente liefern. Man muss schon in einer ideologischen Blase verkehren um nicht zu realisieren, dass Lügen heute noch kürzere Beine haben. Dank X. Dank Elon Musk.

And One More Thing: Bestellen sie im Restaurant nie eine gefüllt Taube. Das war Hitlers Lieblingsspeise.

02-2025 Blick: Bronco Buster reitet wieder

Biden hatte Statue entsorgt, jetzt reitet «Bronco Buster» wieder: Trump holt den Wilden Westen zurück ins Oval Office


Nicht nur Donald Trump ist zurück im Weissen Haus, auch die Bronzeskulptur «Bronco Buster» steht wieder da – ein Cowboy auf einem wilden Pferd. Kunstwerke und sogar Teppiche sind im Oval Office Einrichtungsgegenstände mit Bedeutung.


Claude Cueni

 

Seit Lyndon B. Johnson (1908–1973) steht es im Oval Office, wenn US-Präsidenten für die Fotografen posieren. Und doch nimmt es kaum jemand wahr. Es ist das ungestüme Pferd des amerikanischen Künstlers Frederic Remington (1861–1909), eines der berühmtesten Chronisten des Wilden Westens. Seine Bronzeskulptur «Bronco Buster» zeigt einen Cowboy auf einem wilden Bronco, der sich aufbäumt und vergebens versucht, den Reiter abzuwerfen.

Die kraftvolle Bronzeskulptur wurde zum Symbol für den Geist der ersten Siedler, für die Unterwerfung von Natur und Fleisch. Es zeigt die Widerstandskraft, Stärke, Entschlossenheit und den Mut der Pioniere, die Richtung Westen zogen, um sich vermeintlich unberührtes Land untertan zu machen.

Frederic Remington dokumentierte als Maler, Illustrator und Bildhauer eine exotische Welt, die, kaum entdeckt, bereits wieder am Verschwinden war. Obwohl der Kunststudent Remington aus einer wohlhabenden Familie stammte, oder vielleicht gerade deshalb, widerstrebte ihm ein Leben als «rich kid» in den traditionellen Ateliers.

Die Neugierde lockte ihn in die Weiten der Prärie jenseits der Rocky Mountains. Die Menschen in jener «Wildnis» wurden seine Lehrmeister. Er dokumentierte Härte und Romantik im Alltag der Cowboys, Siedler, Trapper, Soldaten und Ureinwohner. Mit dem «Bronco Buster» erschuf der 130 Kilo schwere Lebemann eine Ikone der amerikanischen Kunst und prägte mit den Illustrationen, die wöchentlich in «Harper’s Weekly» erschienen, massgeblich das Bild des Wilden Westens und der späteren Popkultur.

Ähnlich wie neue Päpste mit der Wahl des Papstnamens Absichten und Prioritäten kundtun, sind auch Gemälde und Skulpturen im Oval Office weit mehr als blosse Einrichtungsgegenstände.

George W. Bush (US-Präsident 2001–2009) stellte eine Churchill-Büste in sein Büro, Barack Obama (2009–2017) entfernte sie, Donald Trump (2017–2021) stellte sie wieder auf, Joe Biden (2021–2025) verbannte sie wieder in den Keller, Donald Trump holte sie im Januar 2025 wieder ins Büro. Und er liess ein Gemälde von Andrew Jackson (1767–1845) an die Wand hängen, das Porträt eines Präsidenten, der einem menschlichen Bulldozer gleich kaum einen Stein auf dem anderen liess, sich mehrfach duellierte, brutale Schlachten gegen amerikanische Ureinwohner führte, ein Attentat überlebte und aussenpolitisch wenig Interesse zeigte, sieht man von seinem Wunsch ab, dass sich das damals souveräne Texas den Vereinigten Staaten anschliesst.

Auch die Teppiche werden jeweils nicht verschont. Obama liess ein Zitat von Martin Luther King Jr. einweben, Bill Clinton eine Sonne, George W. Bush ein Sternenmuster und Donald Trump wählte, wenig überraschend, einen goldfarbenen Teppich.

Das Oval Office war nie bloss das Büro des mächtigsten Mannes der Welt. Es war stets auch eine Bühne, die Wahl der Dekoration eine Inszenierung, eine Botschaft an die Nation und die Welt.

Es kommt somit nicht von ungefähr, dass der «Bronco Buster» die meisten Präsidenten überlebte. Denn Freiheit, Kampf, Stärke, Dominanz und Durchhaltevermögen sind auch die Werte im Land der Tellerwäscherkarrieren. Theodore Roosevelt (1858–1919) brachte seinerzeit die Skulptur erstmals ins Oval Office. Sein Nachfolger entfernte sie wieder. Erst mit Lyndon B. Johnson kehrte sie zurück, und Gerald Ford, Jimmy Carter, Ronald Reagan, Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump, sie alle haben den Pferdezähmer behalten. Bis auf Joe Biden. Vielleicht erinnerte ihn die Skulptur zu sehr an seinen unzähmbaren Sohn Hunter.