06 – 2025 Weltwoche: Als nicht alle Menschen sitzen durften

weltwoche.de

13.06.2025 19:45

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Als nicht alle Menschen sitzen durften

 

Claude Cueni

In der griechischen Agora und auf dem Forum Romanum gab es steinerne Sitzmöglichkeiten, oft in Form von Mauervorsprüngen oder niedrigen Sockeln. Sitzen war kein neutraler Akt. Wo man sitzen durfte, war klar geregelt. Und wer sitzen durfte, das entschied die soziale Stellung. Die Arena, der Tempel, das Bad – für all diese Orte war stillschweigend geregelt, wer wie und wo -sitzen durfte.

 

Im Mittelalter gab es noch keine Bänke im heutigen Sinn. Sitzen war immer noch ein Privileg. Selbst in der Kirche -musste das Volk stehen (oder demütig knien), nur der Adel durfte sitzen.

 

Auch im 17. Jahrhundert kannten die Städte kaum Sitzbänke; der öffentliche Raum war noch auf Verkehr und Markt ausgelegt. Doch mit dem Aufstieg und der Sichtbarkeit des Bürgertums hielten einfache Bänke Einzug in den öffent-lichen Raum. Marktplätze, Stadttore, Kirchenvorhöfe wurden erstmals Treffpunkte oder Orte des Verweilens.

 

Schwarze hinten, Weisse vorne

Erst mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ermöglichten neue Materialien wie Eisen, Stahl und industriell verarbeitetes Holz die massenhafte Herstellung von Bänken. Doch noch durfte nicht jeder überall sitzen. Die Architektur der Bänke spiegelte anfangs noch die viktorianische Moral und trennte Geschlechter und Klassen. Bald entstanden in Städten wie Paris, London oder Berlin erste -öffentliche Parkanlagen, und Bänke wurden «demokratisiert»: Jeder konnte sitzen, wo es ihm beliebte – aber nicht in allen Ländern. Nicht nur in Südafrika, im heutigen Simbabwe und in den franzö-sischen, britischen und portugiesischen Kolonien blieb das Apartheidsystem erhalten.

 

In den USA wurden Sitzbänke in den 1960er Jahren politisch. In der Zeit der sogenannten Jim-Crow-Gesetze war Rassentrennung Alltag. Auf Wartebänken in Bahnhöfen, Parks oder vor öffentlichen Gebäuden gab es Beschilderungen wie «For Whites Only» oder «Colored Waiting Room». Nicht selten waren die Sitzbänke für Schwarze in deutlich schlechterem Zustand – oder gar nicht vorhanden.

 

Auch in öffentlichen Bussen galt eine klare Rassentrennung. Schwarze mussten hinten einsteigen, Weisse vorne. Die Sitzgrenze konnte nach hinten verschoben werden, wenn mehr Weisse zusteigen wollten. Schwarze mussten für Weisse den Sitz freigeben, auch wenn sie früher in den Bus gestiegen waren. Es war schliesslich die Afroamerikanerin Rosa Parks (1913–2005), die sich gegen dieses Unrecht erhob. Am 1. Dezember 1955 blieb sie demonstrativ im Bus sitzen und weigerte sich, für eine weisse Person aufzustehen. Es war ein historischer Moment der Bürgerrechtsbewegung.

 

Im Zuge der Sozialreformen entstanden nach dem Ersten Weltkrieg vermehrt Grünanlagen, Spielplätze – und damit auch Sitzgelegenheiten. Bänke wurden nüchtern und zweckmässig gestaltet.

 

Dem Zeitgeist folgend

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden mit dem Wiederaufbau neue Typen von Bänken: ergonomisch, vandalensicher und funktional. Der Nachkriegsboom im Westen führte zum Entstehen einer Freizeitgesellschaft, die mehr öffentlichen Raum einforderte. Später, im Zeitalter von Design und Popkultur, wandelten sich die Bänke erneut und folgten dem Zeitgeist. Die Postmoderne spielte mit Formen und Farben – einige Bänke wurden zu Kunst im öffentlichen Raum.

 

Dank Innovationen und neuen Bedürfnissen entstehen heute Sitzbänke der nächsten Generation. Doch die Musik spielt nicht im alternden Europa, das sich am liebsten mit seinen Wohlstandsproblemen beschäftigt, sondern in Asien. In südkoreanischen Metropolen wie Seoul sind Bänke («smart benches») mehr als Sitzgelegenheiten. Sie sind wetterbeständige Dockingstationen und bieten WLAN, USB-Ports, Solarzellen, Displays, News, Hitzeschutz und LED-Leuchten für die Nacht. Ausgestattet mit Fotovoltaikmodulen, nutzen diese Bänke Sonnenenergie, um verschiedene Funktionen zu betreiben, wodurch sie unabhängig vom Stromnetz funktionieren. In kalten Winternächten bieten sie beheizte Sitzgelegenheiten. Weil man auf diesen Bänken sitzen, aber nicht liegen kann, werden sie von Aktivisten als «Anti-Obdachlosen-Bänke» bezeichnet.

 

Aber Sitzbänke sind – wie der Name schon vermuten lässt – zum Sitzen da.

Cueni: An alle Wunderheiler

 

Wenn ein Erwachsener an #Leukämie erkrankt, kriechen die Schamanen aus allen Erdlöchern und erklären, wieso man an #Blutkrebs erkrankt ist: Es lag entweder am Mobbing in der Firma, am stressigen Eheleben oder daran, dass man #religionslos ist.

Nun ist es so, dass leider auch 3-jährige einmal oder gleich zweimal an Blutkrebs erkranken und diese Kleinkinder waren weder berufstätig noch verheiratet und sie wurden wie alle Babys auf diesem Planeten als #Atheisten geboren (bis ihnen jemand #Religion verabreichte wie eine #Schluckimpfung).

Bietet mir also in Zukunft keine Zaubercocktails mehr an, keine #Pillen, keine heilenden Steine, kein Dinosauriersperma, kein gesegnetes Leitungswasser oder Discountfahrten nach #Lourdes. Ich komme damit klar. Auch ohne euch. Leider fallen einige auf eure Hilfsangebote rein und verlieren nach der Gesundheit auch noch ihr Erspartes. Shame On You!

06 – 2025 Cueni Papers: Warum die Zeit rast, wenn wir älter werden.

Warum vergeht die Zeit „gefühlt“ schneller, je älter wir werden?


 Why does time seem to pass faster as we get older?


Unser Gehirn misst Zeit nicht wie eine Uhr, sondern anhand von Erinnerungen und Eindrücken. Kindheit und Jugend sind voll von „erstes Malen“: erste Reisen, erste Liebe, erster Sex, erste Niederlage. Diese “erstes Mal“ erzeugen intensive Erinnerungsspuren. Später wird das Leben oft routiniert: Arbeit, Alltag, Gewohnheiten. Weniger neue Eindrücke = weniger erinnerungswürdige „erstes Mal“.

Ein Jahr ist für ein 5-jähriges Kind ein Fünftel seines bisherigen Lebens. Für einen 50-Jährigen ist es nur ein Fünfzigstel – also „gefühlt“ viel kürzer. Auch wenn objektiv dieselbe Zeit vergeht, erscheint sie im Verhältnis zur bisherigen Lebenszeit immer kleiner.

Deshalb wirken Urlaube oft „länger“ – nicht weil sie länger sind, sondern weil sie reicher an Eindrücken sind.

„Die wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin, neue Landschaften zu suchen, sondern neue Augen zu haben.“ (Marcel Proust)


Why does time seem to pass faster as we get older?


Our brain doesn’t measure time like a clock – it measures it through memories and impressions. Childhood and youth are filled with “first times”: first trips, first love, first sex, first failure. These “first times“ stimulate the brain and leave deep memory traces – in hindsight, they stretch time. Later in life, daily life often becomes more routine: work, errands, habits. Fewer new impressions = fewer remembered “first times”.

One year to a 5-year-old is one fifth of their life so far. To a 50-year-old, it’s just one fiftieth – so it feels much shorter. Even though the duration is the same, it seems to shrink relative to your total life experience.


“The real voyage of discovery consists not in seeking new landscapes, but in having new eyes.” (Marcel Proust)


 

05 – 2025 Weltwoche: Der Antisemitismus ist die neue Wokeness

Das Beispiel von Nemo und Co. zeigt: Der Antisemitismus ist die neue Wokeness.


Claude Cueni


In den 1960er-Jahren fragte ich meine Mutter, was sie eigentlich gegen Juden habe. Wir kannten ja keine. Sie sagte, die Juden hätten Jesus ans Kreuz geschlagen. Schon eine Weile her, dachte ich. Mein Vater riet mir, Juden zu meiden, denn sie seien geldgierig und geizig. Als Teenager verliess ich später nicht nur dieses Elternhaus, sondern auch all die Vorurteile, die man mir wie eine Schluckimpfung verabreicht hatte.

In den 1970er-Jahren war es chic, mit dem Schal des damaligen PLO-Terrorchefs Jassir Arafat in die Schule zu gehen, man zitierte aus der roten Mao-Bibel und huldigte Che Guevara, dem Stalin-Verehrer und «Marlboro Man» der Linken. Man schwärmte für die DDR, die selbst nach dem Olympia-Massaker (1972) auf der Seite der Palästinenser blieb und ihnen weiter schwere Waffen lieferte. Die klammheimliche Liebe zum Totalitären war genauso verbreitet wie die Judenfeindlichkeit. Das war der damalige Zeitgeist, die «Wokeness» der Siebziger.

Die Jungs wurden zwar älter und entsorgten ihre karierten Halstücher, aber nicht ihre Abneigung gegen Juden. Vor Jahren unterhielt ich mich mit einem linken Verleger über eine Autorin. Er mochte sie nicht und sagte, sie sei halt Jüdin. Irritiert hat mich, dass er automatisch annahm, dass ich als Schriftsteller seine Meinung teile.

Der 1967 von Rudi Dutschke geforderte «Marsch durch die Institutionen» war auch der Marsch des Antisemitismus in den rot-grünen Mainstream. Ihre Redakteure fühlten sich mehrheitlich mehr dem Aktivismus und der Propaganda verpflichtet als dem faktenbasierten Journalismus.

Judenfeindlichkeit ist seitdem integraler Bestandteil der rot-grünen Agenda. Während man bei Putin keine Sekunde zögerte, Boykotte zu verhängen, zögert man, die Zahlungen an Palästinenser einzufrieren. In den letzten 50 Jahren erhielten diese vom Westen zig Milliarden Steuergelder und sind dennoch nicht in der Lage, selber für Wasser und Elektrizität zu sorgen. Aber sehr wohl für Waffen. Das Elend wird kein Ende finden, denn damit generieren die Hamasführer Spenden. Spenden für wen?

Die Hamasführer leben überwiegend im Exil, insbesondere in Katar, der Hauptstadt von Doha. Dort residieren sie in pompösen Anwesen und führen ein Leben im Luxus.

Ismail Haniyeh, der ehemalige Chef des Politbüros der Hamas, lebte mit seiner Familie in einer Strandvilla in Doha. Der Vielflieger pendelte – bis zu seinem Tod – im Privatjet zwischen Teheran, Istanbul, Doha und Kairo. Seine Söhne verwalten das Familienvermögen im sicheren Istanbul. Das Magazin Capital schätzt das Vermögen auf 4 Milliarden US-Dollar. Bei Khaled Mashal, einem ehemaligen politischen Führer der Hamas, liegt die Schätzung bei 4 bis 5 Milliarden US-Dollar, Mousa Abu Marzouk, der Stellvertretende Vorsitzender des Hamas-Politbüros, soll drei Milliarden US-Dollar besitzen.

Die Diskrepanz zwischen dem Lebensstil der Hamas-Führung und der Armut der Bevölkerung im Gazastreifen wird zwar international kritisiert, aber es hat kaum Einfluss auf die Steuermilliarden, die westliche Staaten bedenkenlos überweisen. Israel-Hass und Antisemitismus sind wohl zu stark ausgeprägt, selbst einige Mitarbeiter von NGO’s waren den Terroristen beim Verstecken der entführten Geiseln behilflich.

Der grösste Feind der palästinensischen Bevölkerung ist nicht Israel, das sind die Hamas und die mit ihnen kooperierenden Organisationen und Länder. Besser ergeht es jenen Palästinensern, die in Israel (!) arbeiten können. Bis zum 7. Oktober 2023 arbeiteten etwa 150.000 Palästinenser aus dem Westjordanland und rund 18.500 aus dem Gazastreifen legal in Israel. Das waren 13 Prozent aller Palästinenser. Ihr Einkommen machte 2022 allein im Gazastreifen 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Das sind etwa 4 Milliarden US-Dollar.

Die Hamas hat somit mit ihrem Terrorakt vom 7. Oktober erneut das Leben der Palästinenser nicht nur nachhaltig geschädigt, sondern hat in Kauf genommen, dass sie bombardiert und getötet werden.

Dass in Europa zugewanderte Palästinenser auf offener Strasse ihren Hass ausleben und wie kürzlich in Berlin Polizeibeamte attackieren und krankenhausreif schlagen, zeigt einmal mehr, dass man bei uns nicht jede Kultur integrieren kann. Und schon gar nicht junge Fanatiker, an denen die zivilisatorische Entwicklung der letzten 2000 Jahre scheinbar spurlos vorbeigegangen ist.

Es ist wohl einem Mix aus Mediengeilheit, narzisstischem Overacting und Ignoranz geschuldet, wenn Nemo & Co. sich ungeniert als Israel-Hasser zu erkennen geben. Von den Mainstreammedien droht kein Bashing, vom Schweizer Fernsehen schon gar nicht. Sie mögen kuschelige Jungs mit dem Verstand eines Kleinkindes, die aussprechen, was sie selbst nicht zu sagen wagen.

Vielleicht sollte Nemo den nächsten Urlaub zur Horizonterweiterung im Gazastreifen verbringen. Die Hamas verfolgt dort LGBTQ-Menschen systematisch, etliche werden dabei ermordet. In Israel müsste Nemo hingegen nicht um sein Leben fürchten. Da gilt das, was Nemo so wahnsinnig wichtig ist: Inklusion.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Soeben erschien in der Edition Königstuhl sein Fotoband «Small Worlds Volume II».


 

 

NZZ Zitate Interview John Mearsheimer / Ukraine

© NZZ – 06.05.2025- Benedict Neff


Da es sich um einen kostenpflichtigen Artikel handelt, kann ich leider nur die Kernsätze wiedergeben. Sehr lesenswert:


John Joseph Mearsheimer, 77, ist ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler an der University of Chicago. Im Vorfeld der amerikanischen Wahlen von 2016 und 2020 erklärte Mearsheimer, den linken Kandidaten Bernie Sanders zu unterstützen.


Mearsheimer im Interview:

(…)

Es steht ausser Frage, dass Russland in die Ukraine eingefallen ist, aber die entscheidende Frage ist, warum Putin so handelte. Der Grund war, dass er eine Nato-Erweiterung in die Ukraine als existenzielle Bedrohung ansah. Dies ist ein klassischer Präventivkrieg. Er wollte verhindern, dass die Nato Militärstützpunkte auf ukrainischem Boden errichtet. Das war für die Russen inakzeptabel. Genauso wie es für die Vereinigten Staaten inakzeptabel war, dass die Sowjetunion Raketen auf Kuba stationierte. John F. Kennedy machte den Sowjets während des Kalten Krieges klar, dass die Vereinigten Staaten militärische Gewalt anwenden würden, wenn sie die Raketen nicht entfernen würden. Und Putin machte klar, dass er militärische Gewalt anwenden würde, wenn wir die Nato-Erweiterung in die Ukraine nicht stoppen würden. Die beiden Situationen sind bemerkenswert ähnlich.

(…)

Das Problem ist, dass die meisten Menschen im Westen die Nato-Erweiterung in die Ukraine nicht als existenzielle Bedrohung ansehen, aber das ist leicht gesagt, wenn man in der Schweiz sitzt. Wenn man jedoch Russland ist und eine Geschichte von Invasionen aus dem Westen hat, wird man nervös, man bekommt Angst. Und genau das ist passiert.

(…)Wir haben Putin provoziert, und er ist einmarschiert. (…) Im Februar 2022 war die Ukraine de facto Mitglied der Nato, und deshalb ist er zu diesem Zeitpunkt einmarschiert.

(…)

Im Februar 2014, als die Krise ausbrach, war die Ukraine noch nicht nennenswert in die Nato integriert. Aber bis zum Februar 2022 hatte sich die Lage erheblich verändert. Die Vereinigten Staaten und die Europäer haben nach dem Februar 2014 die Ukrainer bewaffnet und ausgebildet. Der Grund, warum sich die Ukrainer nach Ausbruch des Krieges so gut geschlagen haben, ist, dass sie gut bewaffnet und gut ausgebildet waren. Und genau das hat Putin provoziert. Er hat verstanden, was vor sich ging. Die Russen haben im Vorfeld des Krieges versucht zu verhandeln, aber wir haben Verhandlungen abgelehnt.

(…)

Die Europäer wollen sich nicht der Tatsache stellen, dass sie – zusammen mit den USA – für diese Katastrophe verantwortlich sind. Also haben sie diese Geschichte erfunden, dass er ein Imperialist sei und dass er darauf aus sei, die gesamte Ukraine zu erobern, um dann Gebiete in Osteuropa zu erobern und schliesslich Westeuropa zu bedrohen. So ist er in den Köpfen der grossen Mehrheit der Menschen in Europa und den Vereinigten Staaten der Bösewicht. Aber wenn man meiner Argumentation folgt, dann ist der Westen der Bösewicht. Und das wollen die Vereinigten Staaten und die Europäer natürlich nicht hören.

(…)

Hätte es im April 2008 oder danach keine Bestrebungen gegeben, die Ukraine in die Nato aufzunehmen, wäre die Ukraine heute innerhalb ihrer Grenzen von vor 2014 intakt. Die Krim wäre heute Teil der Ukraine.

(…)

Nehmen wir an, die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten geben der Ukraine Sicherheitsgarantien, dann geben sie der Ukraine im Grunde genommen eine Garantie nach Artikel 5.

(…)

Ich hoffe, dass ich mich irre, aber ich halte es für fast unmöglich, dass wir ein sinnvolles Friedensabkommen erreichen werden. Ich glaube, dass dieser Krieg auf dem Schlachtfeld entschieden wird und dass wir am Ende einen eingefrorenen Konflikt haben werden.

(…)

Tatsache ist, dass Trump kein Interesse an der Ukraine hat. Ja, dass er aus Europa raus will. Trump verachtet die Europäer. Er möchte, dass die Vereinigten Staaten sich Asien zuwenden. Trumps Wut auf die Europäer wird mit der Zeit noch wachsen. Und die Wut der Europäer auf Trump wird auch wachsen. Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa werden sich während seiner restlichen Amtszeit verschlechtern.

(…)

Sobald die Amerikaner nicht mehr die dominierende Kraft in der europäischen Sicherheitspolitik sind, werden die Europäer erhebliche Probleme haben, eine gemeinsame Handlungsfähigkeit zu entwickeln.


 

05 – 2025 Cueni “Nennen Sie mich Chito“

Nennen Sie mich „Chito“.

Papabile Kardinal Luis Antonio Tagle, 67

5354 / Claude Cueni / 25.4.2025

Könnte die katholische Jugend wählen, würde wahrscheinlich der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle, 67, die Papstwahl gewinnen. Auf Facebook hat er über 600’000 Follower. Die Zahl muss man relativieren, zumal die Philippinen eine Bevölkerung von rund 110 Millionen haben und ihre Bewohner viel Begeisterung für ihre Landsleute auf dem internationalen Parkett aufbringen. Die anderen 136 wahlberechtigten Kardinäle sind in den sozialen Medien weitgehend unsichtbar. Sie suchen nicht die Nähe der Gläubigen. Zur Papstwahl antreten wird aber nicht die Jugend, sondern Kardinäle, die das 80. Lebensjahr noch nicht erreicht haben.

Papst Franziskus hat während seiner Amtszeit (2013–2025) insgesamt 163 neue Kardinäle ernannt, einige sind mittlerweile verstorben oder haben das Alterslimit überschritten. 149 sind noch am Leben, aber lediglich 107 sind wahlberechtigt für das Konklave 2025. Damit hat Franziskus die Weichen für einen Nachfolger gestellt, der in seinem Sinn weiterregiert. Sein Wunschkandidat ist sein Protegé Luis Antonio Tagle, 67. Der ehemalige Erzbischof von Manila gehört seit Jahren zum innersten Kreis des Papstes und gilt als „Franziskus Asiens“, weil er die gleichen Standpunkte vertritt: Offenheit beim Thema Homosexualität, aber kompromisslos gegen staatliche Familienplanung und private Empfängnisverhütung.

Tagle ist ein erfahrener Mann. Als Leiter der Kongregation für die Evangelisierung der Völker scheint er der ideale Kandidat zu sein, denn in Europa ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich wurden bereits über 1000 Kirchen verkauft oder zur Umnutzung freigegeben. Die Religionslosen sind weiter im Vormarsch, in der Schweiz sind sie bereits die grösste Gruppierung. Tagle meint, christliche Migranten würden diese Schieflage wieder beheben, aber die Statistik widerlegt ihn: Kirchenaustritte steigen trotz enormer Migrationszahlen, da viele Migranten aus muslimisch geprägten Ländern wie der Türkei, Marokko, Algerien, Pakistan, Somalia oder Syrien stammen. Die grösste Gefahr der Katholischen Kirche ist nicht die nächste Generation von Religionslosen, sondern die fortschreitende Islamisierung des Westens.

Luis Tagle ist Optimist. Das gehört zur philippinischen DNA. Wo er auftritt, scheint die philippinische Sonne, er verbreitet Empathie, zeigt Emotionen und bricht auch mal öffentlich in Tränen aus. Er begegnet den Menschen stets mit einem gewinnenden Lächeln. Höflichkeit, Harmonie und Familie sind den Filipinos wichtig. Tagle ist das pure Gegenteil des vergeistigten Benedikt XVI., einem elitären Klaus Schwab der Katholischen Kirche, der Sätze sagte wie: „Der christliche Gläubige ist eine einfache Person. Aufgabe der Bischöfe ist es deshalb, den Glauben dieser kleinen Leute vor dem Einfluss der Intellektuellen zu bewahren.“ (31.12.1979 / zitiert nach John L. Allen, »Joseph Ratzinger«, Düsseldorf 2002). So etwas käme Tagle nie über die Lippen; er steht an der Seite der Armen – und nicht über ihnen. Er legt keinen Wert auf Titel: „Nennen Sie mich Chito.“

Ich stiess 2017 im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Rodrigo Duterte auf das legendäre BBC-Interview „Hard Talk“ mit Stephen Sackur. Auf die Frage, ob Tagle wisse, dass er in Rom bereits als Papabile (papstfähig) gehandelt werde, brach der damalige Erzbischof von Manila in schallendes Gelächter aus und scherzte: „Ich beichte hier öffentlich: Ich kann nicht mal mein eigenes Leben managen, wie sollte ich also eine weltweite Gemeinde managen?“ Seine Diözese gilt als eine der reichsten der Welt. Darauf angesprochen, gab er sich ratlos; das Milliardenvermögen habe sich im Laufe der Jahrhunderte einfach so ergeben. Einfach so?

Den Grundstein legten 1565 die spanischen Kolonialherren und nannten das Land zu Ehren von König Philipp „Philippinen“. Mit den „Männern aus Eisen“ begann die systematische Missionierung des Inselreiches. Da sich nur Missionare in die unbekannte Wildnis wagten und die Dialekte erlernten, wurden sie zu den idealen Steuereintreibern der spanischen Krone.

Die Kirche in den Philippinen gilt seitdem als einer der grössten Landeigner. Sie besitzt ein riesiges Medienimperium mit enormer Reichweite, Banken und bedeutende Beteiligungen an Firmen. Sie ist der einflussreichste nichtstaatliche Vermittler von Bildung und einer der grössten Akteure im Sozialwesen.

2019 holte Papst Franziskus Luis Tagle nach Rom und ernannte ihn zum Kardinalpräfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Bereits vier Jahre später ernannte Franziskus seinen „Bruder im Geiste“ zum Mitglied der Sektion für die grundlegenden Fragen der Evangelisierung in der Welt. So wurde Tagle der engste Vertraute des Papstes und sein ständiger Reisebegleiter.

Wird Luis Antonio Tagle der nächste Papst? Franziskus II? Kann er Finanzen? Verfügt er über ausreichend Managementqualitäten?

„Wer als Papabile ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus“, lautet eine ironische Floskel. Doch in den letzten 100 Jahren kam es durchaus vor, dass ein Favorit gewählt wurde: Pius XII. (1939), Paul VI. (1963) und Benedikt XVI. (2005) – und andere. Vielleicht auch Luis Antonio Tagle.

Sein einziger Nachteil ist sein „jugendliches Alter“ von 67 Jahren. Denn falls Luis Antonio Tagle im Laufe seiner Herrschaft dem Deep State des Vatikans entwischt, muss ihn die Kurie ein Vierteljahrhundert ertragen.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Ab 1. Mai 2025 stellt die Basler Galerie Sarasin Art seine neuen Dioramen aus. Gleichzeitig erscheint der Bildband „Small Worlds Volume II“ in der Edition Königstuhl.


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04 – 2025 Cueni “Call me chito“, english version

Call Me „Chito“

Papabile Cardinal Luis Antonio Tagle, 67

5354 / Claude Cueni / April 25, 2025

If Catholic youth had the right to vote, Filipino Cardinal Luis Antonio Tagle, 67, would probably win the papal election. On Facebook, he boasts more than 600,000 followers. Still, that number needs to be put in perspective, considering the Philippines has a population of about 110 million, and Filipinos show great enthusiasm for their compatriots on the global stage. The other 136 cardinals eligible to vote remain largely invisible on social media. They don’t seek closeness to the faithful. But the next pope won’t be chosen by the youth — only by cardinals under the age of 80.

During his tenure (2013–2025), Pope Francis appointed a total of 163 new cardinals; some have since passed away or aged out. Today, 149 are still alive, but only 107 can cast a vote in the 2025 conclave. Francis has clearly set the stage for a successor who will continue his vision. His preferred candidate is his protégé, Luis Antonio Tagle. The former Archbishop of Manila has been part of the pope’s inner circle for years and is often called the „Francis of Asia“ because he shares many of the same views: openness toward homosexuality but a firm stance against government-sponsored family planning and private contraception.

Tagle is a seasoned figure. As head of the Congregation for the Evangelization of Peoples, he seems like the perfect candidate — especially since there’s not much left to win in Europe. Both Germany and France have already sold or repurposed over 1,000 churches. The rise of religiously unaffiliated people continues, and in Switzerland, they are now the largest group. Tagle believes Christian migrants will reverse this trend, but the numbers tell a different story: church departures are increasing despite high levels of migration, largely because many immigrants come from predominantly Muslim countries like Turkey, Morocco, Algeria, Pakistan, Somalia, and Syria. The Catholic Church’s biggest threat isn’t the next generation of non-believers — it’s the steady Islamization of the West.

Luis Tagle is an optimist. It’s in the Filipino DNA. Wherever he appears, the Filipino sun seems to shine; he radiates empathy, shows emotion, and sometimes even breaks into tears in public. He always greets people with a warm smile. Politeness, harmony, and family are core values for Filipinos. Tagle is the complete opposite of the cerebral Benedict XVI — a kind of Catholic Klaus Schwab — who once said, „The Christian believer is a simple person. Therefore, it is the bishops’ task to protect the faith of these little people from the influence of intellectuals.“ (December 31, 1979 / quoted in John L. Allen’s Joseph Ratzinger, Düsseldorf 2002). You’d never hear something like that from Tagle. He stands alongside the poor — not above them. He doesn’t care much for titles, either: „Call me Chito.“

I first came across him in 2017 while covering Rodrigo Duterte and stumbled upon the legendary BBC interview Hard Talk with Stephen Sackur. When asked if he knew he was already considered papabile (papal material) in Rome, the then-Archbishop of Manila burst into hearty laughter and joked, „I publicly confess: I can’t even manage my own life — how could I manage a global community?“ His diocese is considered one of the wealthiest in the world. When asked about it, he appeared baffled, saying the billions in assets had „simply accumulated“ over the centuries. Simply?

The foundation was laid in 1565 when Spanish colonizers named the islands „the Philippines“ in honor of King Philip. With the arrival of the „men of iron,“ the systematic missionizing of the archipelago began. Since only missionaries dared venture into the unknown wilderness and learn the local dialects, they became the ideal tax collectors for the Spanish crown.

Since then, the Church in the Philippines has become one of the country’s largest landowners. It owns a massive media empire with incredible reach, banks, major stakes in corporations, and remains the most influential non-governmental provider of education and one of the biggest players in social services.

In 2019, Pope Francis brought Luis Tagle to Rome and appointed him Cardinal Prefect of the Congregation for the Evangelization of Peoples. Just four years later, Francis made him a member of the Section for Fundamental Questions regarding Evangelization around the world. Tagle quickly became the pope’s closest confidant — and his frequent travel companion.

Will Luis Antonio Tagle become the next pope — Francis II? Can he handle finances? Does he have the management skills required?

„There’s a saying: Whoever goes into the conclave as papabile comes out a cardinal,“ goes the old joke. But in the last hundred years, favorites have often been elected: Pius XII (1939), Paul VI (1963), Benedict XVI (2005) — and others. Maybe Luis Antonio Tagle will join their ranks.

His only real „disadvantage“ is his relatively youthful age of 67. If Tagle manages to sidestep the Vatican’s deep-state machinery during his reign, the Curia could be stuck with him for another quarter-century.


Claude Cueni is a novelist living in Basel. Starting May 1, the Basel gallery Sarasin Art will exhibit his new dioramas. At the same time, the illustrated book Small Worlds Volume II will be published by Edition Königstuhl.


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04 – 2025 Weltwoche: Rumble in the Jungle

WELTWOCHE Cueni 17.3.25

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Rumble in the Jungle

Gott wird weinen: Vizepräsidentin droht Präsident mit Auftragskiller, Ex-Präsident in Haager Haft – ein Familienkrieg auf den Philippinen wird zum internationalen Justizthriller


Bei der Verhaftung des ehemaligen philippinischen Präsidenten Rodrigo “Rody“ Duterte (“Dirty Harry“) geht es weniger um Gerechtigkeit für die zahlreichen Opfer seines brutalen Drogenkriegs, sondern um den epischen Machtkampf den sich die Familiendynastien der Marcoses und Dutertes seit über einem halben Jahrhundert liefern. Zahlreich sind ihre On-Of-Allianzen. Bereits in den 1960er Jahren diente Dutertes Vater als Kabinettsmitglied unter dem Diktator Ferdinand Marcos Sr., der über 30.000 Oppositionelle in Militärlagern internierte und einige davon zu Tode foltern liess. In den 1980ern unterstützte Dutertes Mutter den Aufstand gegen die blutige Diktatur. Der Clan musste ins Ausland fliehen, aber er kamen zurück.

2016 wurde der damals 70-jährige Rodrigo Duterte zum Präsidenten gewählt. Er war mit dem Versprechen angetreten, die ausufernde Kriminalität mit äusserster Härte zu bekämpfen. “Gott wird weinen, wenn ich gewählt werde“ hatte er prophezeiht. Weinen taten später die Angehörigen und Freunde von mindestens 8663 Menschen (UNO), die von Dutertes rekrutierten Todesschwadronen getötet wurden. Die Kriminalitätsraten sanken, aber die aussergerichtlichen Exekutionen sorgten weltweit für Entsetzen. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) leitete erste Ermittlungen ein, Duterte kündigte postwendend die Mitgliedschaft und glaubte, sich so vor Strafverfolgung ausreichend geschützt zu haben.

2022 löste Ferdinand Marcos Jr., Duterte ab, der bei seinem Ausscheiden historische Zustimmungswerte von über 70% verzeichnete. In den Philippinen ist nur eine einzige 6-jährige Amtszeit möglich. Ursprünglich wollte sich auch Dutertes Tochter Sara um das Amt bewerben. Sie war beliebter als Marcos. Damit sich die beiden nicht gegenseitig Stimmen wegnehmen und ein lachender Dritter Präsident wird, spannten sie zusammen und stiegen als Duo in den Wahlkampf. Als Gegenleistung sollte Vater Duterte juristisch nicht belangt werden. Die Allianz funktionierte. Sie tut es nicht mehr. Aus den einstigen Verbündeten wurden Rivalen, heute sind sie erbitterte Feinde.

Präsident Marcos Jr. brach alle grossen Versprechen, die er vor den Wahlen gemacht hatte und verweigerte Sara Duterte später das versprochene Amt der Verteidigungsministerin. Ein Vize kann gleichzeitig Minister sein. Beide beschuldigten sich der Korruption. Sara Duterte drohte darauf ihrem Präsidenten auf Facebook mit dem Tod, falls sie einem Attentat zum Opfer fiele. Sie habe bereits einen Auftragskiller kontaktiert.

Darauf stimmte am 5. Februar 2025 das Repräsentantenhaus mit deutlicher Mehrheit für ihre Amtsenthebung. Ausstehend ist der Entscheid des Senats. Für ein erfolgreiches Impeachment sind die Stimmen von 16 der 24 Senatoren notwendig, im Mai werden 12 von ihnen neu gewählt. Sie entscheiden ob Sara Duterte lebenslänglich von allen politischen Ämtern ausgeschlossen wird. Vater Rodrigo Duterte eilte seiner Tochter zu Hilfe und empfahl öffentlich Senatoren in die Luft zu sprengen, damit die freien Sitze von Parteigängern besetzt werden können. Er ahnte, wie Marcos Jr. reagieren würde und sagte: “Falls ich verhaftet werde, wird meine Tochter Sara 2028 Präsidentin der Philippinen.“

Nun wurde er, wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, gesundheitlich angeschlagen und am Stock gehend, letzte Woche nach seiner Rückkehr aus Hongkong auf dem internationalen Flughafen von Manila von philippinischen Polizeibeamten verhaftet. Grundlage war ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen mutmasslicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Philippinen sind zwar seit 2018 nicht mehr Mitglied, aber der IStGH betont seine Zuständigkeit auch für Verbrechen, die während der Mitgliedschaft eines Landes begangen worden sind. Marcos Jr., der die blutige Diktatur seines Vaters stets gutgeheissen hat, beteuerte, er hätte nicht mit dem IStGH koopieriert, sondern mit Interpol.

Die öffentliche Meinung ist gespalten. Massen von Duterte Anhängern versammelten sich in zahlreichen Städten zum öffentlichen Gebet für den Atheisten und bekennenden Sozialisten, während Angehörige der Opfer in Den Haag für Gerechtigkeit demonstrierten. Und selbst im Marcos-Clan wird gestritten: Imee Marcos, 69, die Schwester des Präsidenten, blies aus Protest ihre Wahlkampfveranstaltungen ab, sie will keine fremden Richter. Marcos hat vorsorglich die Unterhaltszahlungen für Armeeangehörige rückwirkend auf den 1. Januar mehr als verdoppelt.

Mao Ning, die Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums warnte an einer Pressekonferenz den IStGH vor einer Politisierung und vor Doppelstandards.

Sara Duterte hält die Verhaftung für “politisch motiviert“, die Überführung nach Den Haag bezeichnet sie als “Entführung“. Ihr Vater sagt, er übernehme die volle Verantwortung für seine Taten, er habe es aus Liebe zu seinem Land getan. Die letzten Worte auf philippinischem Boden waren: “So be it“ (so sei es).


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er ist seit 15 Jahren mit einer Filipina verheiratet. In seinem historischen Roman “Pacific Avenue“ schildert er die Entdeckung der Philippinen.


 

03 – 2025 Cueni: Pariser EU-Abgeordneter will Freiheitsstatue zurück

Der französische Journalist und Europaabgeordnete Raphaël #Glucksmann von der Links-Partei “Place publique“ fordert die Rückgabe der Freiheitsstatue, weil sich die #USA seiner Meinung nach “entschieden hat, auf die Seite der Tyrannen zu wechseln“.
White House Pressesprecherin KarolineLeavitt reagiert umgehend und sagt, es sei nur den Vereinigten Staaten zu verdanken, dass die Franzosen heute nicht deutsch sprechen. Einige kontern in den Sozialen Medien mit der Bemerkung, dass es den Amerikanern nur dank den Franzosen möglich war, den Unabhängigkeitskrieg für sich zu entscheiden. Wie kindisch ist denn das?
 
Darf man Geschenke – aus welchen Gründen auch – überhaupt zurückfordern? Grundsätzlich gilt: Geschenkt ist geschenkt (wiederholen ist gestohlen).
 
Frankreich schenkte den USA die 46 Meter hohe Kupferstatue “Statue of Liberty“ aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der amerikanischen Unabhängigkeit (1776–1876). Die Idee stammte von dem französischen Juristen und Politiker Édouard René de Laboulaye, der ein Symbol der Verbundenheit zwischen beiden Ländern schaffen wollte.
 
Der französische Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi wurde mit dem Entwurf beauftragt, während der “Eisenmagier“ GustaveEiffel das Innenskelett der Statue konstruierte. Finanziert wurden Bau und Transport der Liberty mit Erlösen aus Lotterien und Wohltätigkeitsveranstaltungen, mit Spenden und Zuschüssen der frz. Regierung bzw. der Steuerzahler.
Der Sockel sollte jedoch von den USA selbst finanziert werden. Das war die Bedingung. Aber den Amerikanern war dieses “Geschenk“ zu teuer. Der Zeitungsverlegers JosephPulitzer startete deshalb eine Spendenkampagne damit die Statue schliesslich in 350 Einzelteilen zerlegt und in 214 Kisten verpackt, verschifft werden konnte.
 
Am 28. Oktober 1886 wurde der Koloss, der vom griechischen Sonnengott Helios inspiriert war, eingeweiht. Die ersten Skizzen von Bartholdi zeigten eine Araberin, die eine Fackel hochhält und für einen Leuchtturm am nördlichen Ende des Suezkanals geplant war. Bartholdi scheiterte, aber er gab nicht auf. Als die Anfrage aus Paris kam, holte er seine Muslima aus der Schublade und setzte ihr einen Strahlenkranz auf. Nach viermonatiger Bauzeit stand die etwas kleinere Statue auf einem Sockel in LibertyIsland (damals Bedloe’s Island).
 
Die jährlichen Kosten für Reinigung, Korrosionsschutz, Reparaturen und Sicherheitspersonal belaufen sich heute auf 6 bis 8 Millionen US-Dollar. Sie gehört mittlerweile dem National Park Service und wird durch Eintrittsgelder, Steuergelder und Spenden finanziert.
 
Und jetzt soll sie, wenn es nach dem Willen des Journalisten Glucksmann geht, nach 139 Jahren zurück nach Paris? Oder gleich ins Bartholdi Museum nach Colmar? Die Liberty hat bisher nicht nur der salzigen Seeluft NewYorks getrotzt, sondern auch allen spleenigen Ideen, die für ein bisschen Medienaufmerksamkeit geboren wurden.
 

Auch wenn für den Medienprofi Glucksmann Donald Trump der Türöffner für diesen PR- Gag ist, vergisst er, dass die Freiheitsstatue kein Geschenk für eine Regierung, sondern für ein Ideal war und ist: Freiheit. Und liest man die je nach Bedarf interpretierbaren Paragraphen des Europäischen “DigitalServiceAct“, kommt man zum Schluss, dass die Freiheitsstatue im EU-Raum definitiv fehl am Platz wäre.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. In seinem historischen Roman “Giganten“ erzählt er wie die Rivalen Frédéric-Auguste Bartholdi und Gustave Eifel beim Bau der Freiheitsstatue zu Feinden wurden.

02 – 2025 Cueni: “Elon Musk auf Goldsuche“

Elon Musk auf Goldsuche

 

von Claude Cueni, 19.2.2025

 

Trumps Turbo-Regierung lässt kaum einen Stein auf dem andern. Alle Geheimnisse sollen gelüftet werden. Wer hat John F. #Kennedy, Robert F. Kennedy und Martin #LutherKing Jr. ermordet. Was weiss die Regierung über unidentifizierte Flugobjekte (#UFOs) und unidentifizierte Unterwasserphänomene. Wer steht auf der Jeffrey #Epstein-Liste? Was wurde im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 noch nicht gesagt? Ist die #COVID-19-Pandemie menschengemacht und die #Klimaerwärmung eine Naturkonstante?

 

Im Februar 2025 kündigte der Vorsitzende des House Oversight Committee, James Comer, zusammen mit der Abgeordneten Anna Paulina Luna die Einrichtung einer Task Force zur “Deklassifizierung von Bundesgeheimnissen” an. Auf Anordnung von Präsident Donald Trump sollen bisher unter Verschluss gehaltene Dokumente offengelegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Aber ein Geheimnis steht aktuell nicht auf der Traktandenliste: Das Gold, das #Gold der andern. #RonPaul fordert von #ElonMusk und seinem DOGE-Team ein Audit von #FortKnox. Er will wissen, ob die 4,580 Tonnen Gold noch an Lager sind.

 

In den 1930er- und 1940er-Jahren haben viele Länder ihr physisches Gold aus Sicherheitsgründen in US-Tresoren gebunkert. Die #USA (und #England) galten auch noch während des Kalten Krieges als sicherer Aufbewahrungsort. 

 

An der Konferenz vom 1. Juli 1944 in #BrettonWoods war festgelegt worden, dass der US-Dollar an Gold gekoppelt wird und andere Währungen fest am #US-Dollar. Der französische Präsident Charles de Gaulle misstraute jedoch dem neuen Bretton-Woods-System und schickte in den 1960er-Jahren ein U-Boot über den #Atlantik um das in den USA aufbewahrte Gold zurückzuholen. Er befürchtete aufgrund der zunehmenden Verschuldung der USA, dass der US-Dollar eines Tages nicht mehr ausreichend mit Gold gedeckt sein könnte. Und so war es dann auch. 1971 beendete US-Präsident #RichardNixon den #Goldstandard von #BrettonWoods um den #Vietnamkrieg und nicht erfüllbare Wahlversprechen zu finanzieren.  Der Preis für eine #Feinunze Gold lag bei 35 Dollar.

 

Seit dem “Nixon-Schock“ basiert der Wert des Dollars nicht mehr auf Gold, sondern auf Vertrauen und viele teilen #Voltaires Ansicht, wonach Geld aus Papier früher oder später zu seinem inneren Wert zurückkehrt – nämlich Null! Gold behält hingegen den Wert des Metalls, das in Goldmünzen und -barren steckt.

 

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Dass sich die US-Regierung bis heute weigert, eine vollständige und unabhängige Prüfung der fremden Goldbestände in den #Tresoren von Fort Knox zu ermöglichen, befeuert Spekulationen, die heute noch als “#Verschwörungstheorien“ abgetan werden. Doch hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass die USA den Grossteil des gelagerten Fremdgoldes durch sogenannte #Gold-Swaps oder #Leasing-Geschäfte weiterverliehen hat.

 

Wenn dem tatsächlich so ist, müssten die USA das fehlende Gold zum aktuellen Marktpreis zurückkaufen, um es zurückzugeben. Das hätte einen massiven Anstieg des Goldpreises zur Folge und die USA müssten Milliarden ausgeben, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Das Vertrauen in die USA als sicheren Aufbewahrungsort wäre stark beschädigt. Einige Länder würden ebenfalls ihr Gold zurückfordern, was eine Kettenreaktion auslösen könnte – ähnlich einem #Bank-Run. Wahrscheinlich würden die USA unter Donald Trump eher politisch oder wirtschaftlich Druck ausüben, um eine Rückholung zu verhindern. Von diplomatischen Hürden über Verzögerungstaktiken bis hin zu Sanktionen wäre alles möglich. Letzteres Szenario gab es bereits mit Venezuela, dessen Goldreserven darauf in Großbritannien eingefroren wurden.

 

Etliche Zentralbanken scheinen zu antizipieren, was morgen geschehen wird. Das angeblich “barbarische Relikt“ wird seltener und begehrter. Kostete eine #Feinunze Gold in Dollar 1971 noch rund 35 US-Dollar, so liegt der Preis zurzeit bei rund 2’900 US-Dollar. Aber auf eine Unze physischem Gold kommen je nach Experte rund 200 Unzen #Papiergold in Form von ETF’s und Zertifikaten. Wer glaubt noch, dass er im worst case für sein Papiergold echtes Gold kriegt?

 

Der Vertrauensschwund in Politik, #Medien, Institutionen und #Banken hat viele Gesichter. Sie hat längst auch die privaten Anleger erreicht. In England wollen plötzlich immer mehr Kunden ihr Papiergold gegen physisches Gold eintauschen. Die Auslieferung verzögert sich. Die Bank of England sieht sich deshalb mit wachsender Kritik konfrontiert. In Zeiten, in denen westliche Regierungen zunehmend auf digitale Währungen setzen und die Bargeldabschaffung gegen den Volkswillen vorantreiben, erinnert der Wunsch der Privatanleger, Papier gegen Metall einzutauschen, an historische Vorläufer von Währungskrisen. Don’t panic, but panic first.

Am 20. Februar gab Donald Trump grünes Licht. Elon Musk und sein #DOGE-Team dürfen die Goldbestände in Fort Knox überprüfen. Falls nicht mehr da ist, wonach sie suchen, wird das die USA etliche Milliarden kosten und für wirtschaftliche und politische Turbulenzen sorgen. Und den Goldpreis nochmals in die Höhe treiben.


Nachtrag vom 23.2.2025:

Die #USA listen das #Gold in #FortKnox in ihren Bilanzen auf der Basis von 42,22 US-Dollar pro #Feinunze. Dieser Preis stammt aus den frühen 1970er-Jahren und wurde seither offiziell nicht angepasst. Der Gesamtwert liegt deshalb bei etwa 11 Milliarden US-Dollar.
Bei einer Wertberichtigung, basierend auf dem aktuellen Goldunzenpreis von US-Dollar 2’936.— liegt der Gesamtwert nicht mehr bei 11 Milliarden US-Dollar, sondern bei über einer halben Billion.
Per Mausklick. #Trump hat Erfahrung mit #Wertberichtigungen. Nicht nur im Immobiliensektor.