094 Blick »Lasst uns gendern«

Das neue Gender-Lexikon ist da. Würde ich die gendergerechten Wortalternativen übernehmen, sähe mein Text so aus: Als «autorierende Person» (bisher Autor) habe ich mich gefragt, wie man eine gendergerechte Version von «Der Spion, der aus der Kälte kam» betiteln könnte – «Die auskundschaftende Person, die aus der Kälte kam». In Erwägung zog ich auch einen Krimi um eine «Bank ausraubende Person» (Bankräuber) und entschied mich dann für einen «Mensch-in-Rüstung-Roman» (Ritterroman), eine Fortsetzungsgeschichte für «medienbeziehende Personen» (Abonnenten).

Ich borgte das «Fahrrad mit tiefem Einstieg» (Damenvelo) meiner «Eheherzperson» (Ehefrau). Leider rammte mich eine «qualifizierte, fahrzeugführende Person» (Berufskraftfahrer). Eine «approbierte pharmazeutische Fachkraft» (Apotheker) aus dem Geschäft gegenüber eilte mir zu Hilfe. «Beobachtende Personen» (Augenzeugen) filmten, wie ich über den Strassenpassierstreifen (Fussgängerstreifen) humpelte und bei einer «Lebensmittel verarbeitenden Person» (Koch), die einen Foodtruck betrieb, Cola mit Shrimps bestellte.

Der Betreiber war ein «Mensch mit internationaler Geschichte» (Einwanderer), spielte als «torhütende Fachkraft» beim FC Venceremos und war nebenbei eine «Produkt erzeugende Person» (Erzeuger), die bereits viermal erfolgreich produziert hatte. Wir unterhielten uns gerade darüber, ob es für das Wort «Bergführer» eine genderkorrekte Alternative gab, als sein Tesla-Reiskocher Feuer fing und wenig später eine «feuerbekämpfende Person» (Feuerwehrmann) seine Crevetten unter Wasser setzte.

Auch das deutsche Gleichstellungsbüro des Auswärtigen Amtes empfiehlt die Gendersprache zur Umerziehung der Männer. Denn diese penisbehangenen Säugetiere sind sexistisch, Unterdrücker, schlechte Väter und noch schlechtere Ehemänner, kurzum: Männer sind Schweine. Und obwohl die Gender-Onanisten angeblich alle Menschen gleich behandeln wollen, führen sie eine Apartheid der Geschlechter ein und erkoren den Rassismus gegen weisse Männer zum Lifestyle.

Wie reagieren «Autorierende» (Autoren)? Sie verhunzen ihre Texte bis zur Unlesbarkeit, denn jetzt zählt auch bei «Werkschaffenden der Sprache» nur noch die richtige Gesinnung.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche »Genesis – Pandemie aus dem Eis« und »Hotel California«.


 

Happy Birthday, Robert Crump (78)!

Happy Birthday Robert Crump (78)!

Zwischen 1965 und 1972 erschien sein Comicstrip FRITZ THE CAT, der 1972 als Animationsfilm in die Kinos kam. Er erzählt die Geschichte des sex- und drogensüchtigen Katers Fritz. Der Kultfilm war damals erst ab 18 zugelassen, heute würde er wohl gar nicht mehr zugelassen. Auch daran erkennt man, wie prüde, intolerant und humorlos die westliche Öffentlichkeit geworden ist.


Die Woke-Bewegung ist der/die/das wieder aufgewachte Bünzli aus grauer Vorzeit.


COMIC, das Magazin für Comic-Kultur schrieb:

 

Ein versoffener, rüdiger Kater

Er säuft, er ist ein Mann ohne Moral und Ethik, er nimmt Drogen, er behandelt Frauen wie Dreck, er ist die Person gewordene Antithese zur Hippie-Bewegung der 1960er Jahre: Robert Crumbs Fritz the Cat ist all das und noch mehr, denn mit dem Establishment kann er auch nicht. Ein wütender junger Mann spricht hier, verklausuliert in den Underground-Comics einer Zeit, in der alles im Aufbruch war – auch das Medium selbst.

Aus heutiger Sicht sind die Eskapaden von Fritz mindestens kurios, manchmal auch abstoßend, durchaus aber immer noch faszinierend. (…)

Crumbs berühmteste Schöpfung war dabei so etwas wie die Speerspitze, was weniger an den Comics selbst, sondern an dem Umstand lag, dass Ralph Bakshi einen Zeichentrickfilm inszenierte, der 1972 weltweit für Furore sorgte und mehr als 100 Millionen Dollar einspielte. Das machte Fritz und seinen Schöpfer bekannter, als es noch so viele Comic-Geschichten jemals hätten tun können.

Damit wurde aber auch der Anfang vom Ende eingeläutet. 1964 ersonnen und 1965 erstmals publiziert, ließ Crumb seinen Antihelden 1972 mit der Geschichte „Fritz the Cat Superstar“ sterben, weil er das Gefühl hatte, dass der Film seiner Schöpfung nicht gerecht geworden war. Darum erlaubt er dem Kater eine letzte Sexkapade, bevor er zulässt, dass dessen Geliebte ihm einen Eispickel in den Hinterkopf rammt.

(…)


 

093 Blick »Es war doch nur eine Frau«

© Blick 20. August 2021


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche «Genesis – Pandemie aus dem Eis» (2020) und «Hotel California» (2021).


«Es war doch nur eine Frau», sagte der junge Afghane Hussein K. bei der Vernehmung. Der bereits in Griechenland verurteilte Sexualtäter hatte 2016 die 19-jährige Studentin Maria L. vergewaltigt und brutal ermordet. August 2021: Zwei Afghanen ermorden ihre 34-jährige Schwester, weil sie die westliche Lebensweise annahm. Dazwischen: immer wieder Vergewaltigungen und Ehrenmorde.

Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (1918–2015) hatte einst gefordert, dass man eine weitere Zuwanderung aus völlig fremden Kulturen unterbindet, das schaffe nur «ein zusätzliches dickes Problem».

Eine Minderheit, die dem Ruf ihrer Landsleute schadet

Es ist gut, wenn man ein grosses Herz hat, aber es sollte noch eine Spalte frei sein für den Verstand. Man kann afghanische Kinder, Frauen und Familien aufnehmen, aber wir sollten nicht leugnen, was seit Herbst 2015 in Europa geschieht, und keine weiteren allein reisende und gewaltgewohnte Jungs aus dem Hindukusch aufnehmen, die Frauen als nuttiges Freiwild, unsere Gesellschaft als Beutegesellschaft und unsere Toleranz als Schwäche betrachten. Sie sind nicht integrierbar und strapazieren mit ihrer niedrigen Frustrationstoleranz und eingebildeten Ehrverletzungen unsere Gastfreundschaft.

Sie sind eine Minderheit, das sei hier ausdrücklich betont, aber sie schaden dem Ruf ihrer integrierten Landsleute, denen teilweise bewundernswerte Karrieren gelingen. 

Privat würde man jeden Gast vor die Tür stellen, der sich an einem Familienmitglied sexuell vergreift. Sind nicht auch Frauen im eigenen Land schützenswert? Fehlt es an Empathie für unbekannte Opfer?

Man sollte aus den Fehlern lernen

Ex-Parteichef Helmut Hubacher (1926–2020) erklärte es so: «Für viele Sozialdemokraten war jeder Ausländer ein armer Siech, den man wie einen Kranken hegen und pflegen musste. Dass auch Ausländer kriminell sein und nicht anständig arbeiten können, wurde ausgeblendet.»

Nach 40 Jahren Mitgliedschaft trat Ursula Sarrazin (Ehefrau von Thilo Sarrazin) aus der Partei aus: «Die SPD ist zu einer Partei geworden, in der man die Wirklichkeit nicht mehr beschreiben darf.»

Die Realität ist nun mal so, wie sie ist. Ob es uns gefällt oder nicht. Man sollte aus den Fehlern lernen. Tun wir das nicht, «retten wir nicht Afghanistan, sondern werden selbst zu Afghanistan» (frei nach Peter-Scholl Latour).

Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche «Genesis – Pandemie aus dem Eis» und «Hotel California».

Weltwoche: Tagebuch

© Die Weltwoche – 12. August 2021


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche «Genesis – Pandemie aus dem Eis» (2020) und «Hotel California» (2021).

Im Mai erhielt ich meine zweite Pfizer/Biontech-Impfung. Jeder hat sein eigenes Risikoprofil und wägt ab. Da ich seit einer leukämiebedingten Knochenmarktransplantation immunsupprimiert bin und sechs der neun gelisteten Vorerkrankungen habe, hielt ich in meinem Fall das Risiko einer Impfung für das kleinere Übel. Hatte ich Nebenwirkungen? Vor dreissig Jahren hätte ich gesagt: O ja, es war schrecklich. Heute sage ich: Nicht der Rede wert. Die chronische Fatigue von Krebskranken nach einer Transplantation ist Long Covid hoch zehn. In einer Studie klagten 40 Prozent der Placebogruppe über Nebenwirkungen . . . «Generation beleidigt» ist auch «Generation wehleidig». Man fragt sich manchmal, wie unsere Vorfahren den Zweiten Weltkrieg durchgestanden haben.

In meinem Bekanntenkreis werden viele gegensätzliche Standpunkte vertreten. Ich habe damit kein Problem. Die einen misstrauen einem Impfstoff, der im «beschleunigten Verfahren» zugelassen wurde, andere vertrauen dem Wohlwollen der Götter, Geschichtslose wähnen sich in einer Nazi-Diktatur und wieder andere lehnen die Eingriffe in unsere Grundrechte ab. Der Ton wird gehässiger. Ich halte es für eine zeitgeistbedingte Unreife, dass manche glauben, sie könnten nur mit Leuten befreundet sein, die zu 100 Prozent ihre Meinung teilen. Niemand ist das Mass aller Dinge. Selbst auf einem Dating-Portal wird man kaum jemanden mit hundert Matching-Punkten finden.

Es gibt jedoch eine Gemeinsamkeit: den enormen Vertrauensverlust in Politik, Medien und Wissenschaft. Alain Berset und seine Task-Force haben zu oft die Unwahrheit gesagt. Wissenschaftler widersprechen sich im Stundentakt. Einige deutsche Kliniken melden falsche Zahlen, weil sie für jedes belegte Intensivbett staatliche Zuschüsse erhalten. Medien richten sich nach der Dramaturgie erfolgreicher TV-Serien: Eine Staffel folgt der nächsten, eine Angstkampagne löst die nächste ab, Horrorvisionen im Konjunktiv, das nächste Virus könnte das Schlimmste sein.

Es ist auch für mich mittlerweile irrelevant, was Alain Berset und seine Task-Force verkünden. Ich halte mich an meine Vertrauensärzte. In meinem Bekanntenkreis arbeiten viele im Gesundheitswesen. Mit einer Ausnahme sind alle geimpft. Zwei Monate nach der zweiten Impfung hatte ich die maximale Anzahl Antikörper. Wie lange noch? Sechs Monate, zwölf Monate, lebenslänglich? Die Angaben wechseln wie die wöchentlichen Lottozahlen. Mittlerweile sind alle Risikogruppen und jene, die sich impfen lassen wollten, geimpft. Was nun?

Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Pandemie dreist missbraucht wird, um, wie es Wolfgang Schäuble in einem Interview formulierte, Dinge durchzusetzen, die ohne Pandemie nicht möglich gewesen wären (Hannoversche Allgemeine, 21. 8. 2020). Die Pandemie kann langfristig einen Vorwand liefern, um den von Klaus Schwab geforderten «Great Reset» durchzusetzen, eine grüne Variante des chinesischen Social-Credit-Systems ohne Bargeld. Ist das denkbar? Obwohl ich gegen die Abschaffung des Bargeldes bin (weil sie den gläsernen Bürger schafft), bezahle ich aus hygienischen Gründen nur noch mit der Karte . . .

Fazit: Slow down. Jeder hat sein eigenes Risikoprofil. Abhängig von Alter und Gesundheitszustand. Wer eine andere Meinung hat, ist kein Feind. Die Pandemie wird vorbeigehen. Kein Grund für Gehässigkeiten gegenüber Andersdenkenden. In einem demokratischen Rechtsstaat kann man an der Urne jene abstrafen, die sich an der plötzlichen Machtfülle berauscht haben.

Dienstag, 3. August:

Jetzt, wo ich geimpft bin und nach beinahe zwei Jahren freiwilliger Quarantäne wieder mit Dina im Freien spazieren kann, kaufen wir uns bei Orell Füssli einen Schweizer Hotelführer. Inmitten von Büchern stapeln sich die wunderbaren amerikanischen Peanut Butter Cups von Reese. Steht es so schlecht um den Buchhandel, dass man diversifizieren muss? Demnächst Zahnbürsten und Kartoffelschäler?

Montag, 9. August:

Auch Greta Thunberg, 18, muss diversifizieren. Ihr Eventmanager Svante Thunberg weiss Rat. Greta posiert als Cover-Girl der skandinavischen Vogue -Ausgabe. Der «alte, weisse Mann» Alexandrov Klum hat sie als esoterische Hohepriesterin im Märchenwald in Szene gesetzt. Das Porträt verfasste Tom Pattinson, ein Mann von «toxischer Männlichkeit». Greta trägt laut eigenen Angaben dem Klima zuliebe nur Secondhand-Klamotten, die irgendwelche «Klimasäue» einst neu gekauft haben. War auch die Hochsee-Rennjacht «Malizia II» vom Trödlermarkt? Pattinson zitiert Greta: «In der einen Sekunde werde ich von meinen Eltern kontrolliert, ich kann nicht selbständig denken; in der nächsten Sekunde bin ich ein böses, manipulatives kleines Kind.»


 

Meine Woche 30/2021

Das traditionelle Balikbayan-Shopping ist für mich heute genauso befriedigend wie früher eine Woche Sardinien. Wie jedes Jahr senden wir im August Balikbayan Boxen auf die Philippinen. Das Containerschiff erreicht im November Manila. Von dort geht es weiter auf die Insel Negros. Die Boxen erreichen den Zielort nach ca. 3 Monaten, also wenige Wochen vor Weihnachten.

Ca. zehn Prozent der philippinischen Gesamtbevölkerung (101’000 Mio.) leben im Ausland. Über 80 Prozent sind Frauen. Sie sind sehr familienorientiert, wobei der Begriff »Familie« wesentlich breiter gefasst ist.

Monatlich senden die Overseas-Filipinas eine halbe Million Balikbayan Boxen und jährlich rund 32 Milliarden Dollar auf die Insel, das sind über 10 Prozent des Bruttosozialproduktes.

In der Schweiz leben ca. 10.000 Filipinas, die meisten arbeiten im Gesundheitswesen und werden sehr geschätzt. 1975 lebten erst 188 Filipinas in der Schweiz.


© Transportbilder http://www.philswissexchange.ch die auch unsere Boxen verschifft.


 

 

092 Blick »Lollipops für Unentschlossene«

© Blick Kolumne 092 vom 6.8.2021


Wie kann man Süsses geniessen, ohne dass die Finger dabei klebrig werden? Schimpansen waren die Lehrmeister unserer Vorfahren. Mit einem dünnen Ast kratzten sie Honig aus den Bienenstöcken, behielten den Ast und leckten ihn sauber. Der erste Lollipop. In der Antike pflegte man Früchte, Mandeln und Sesam in Honig einzulegen und die gehärtete Masse aufzuspiessen.

Das taten auch George Smith und sein Kumpel Andrew Bradley in den 1880er-Jahren. Sie steckten alles Mögliche auf einen Stängel. Bei einem Pferderennen beeindruckte sie ein Pferd namens Lolly Pop. So nannten sie dann auch ihren ersten kommerziellen Lutschstängel, der die Welt der Kinder erobern sollte.

Heute nutzen Eltern gerne einen Lollipop, um ihre Kinder zu belohnen. Oder gefügig zu machen. Esswaren eignen sich vorzüglich für die Dressur. Ratten dressiert man mit Bananenscheiben, Hunde mit Knochen, Katzen mit Fisch.

Könnte man einige Unentschlossene mit Lollipops in die Impfzentren locken? Kommt drauf an. Auf der philippinischen Insel Negros erhält man nach dem Impfen fünf Kilo Reis. In einem Land, in dem ein durchschnittlicher Jahreslohn in etwa einem durchschnittlichen Schweizer Monatslohn entspricht, ist das durchaus ein Anreiz.

Dass solche Lockangebote auch in Deutschland funktionieren, deutet auf einen sinkenden Lebensstandard hin. In Niederbayern gibts ein kleines Geschenk, so eine Art Überraschungs-Ei, in Regensburg gibts Freigetränke, in Kelheim eine Bratwurst mit Semmel, in anderen Städten Kinotickets oder ein Bier. Wäre in der Schweiz eine Zuger Kirschtorte Anreiz genug?

Auf der schweizerischen Hochpreisinsel ist kein Lollipop gross genug, um alle Gruppierungen umzustimmen. Die einen misstrauen einem Impfstoff, der im beschleunigten Verfahren zugelassen wurde, andere vertrauen dem Wohlwollen der Götter, Geschichtslose wähnen sich in einer Nazi-Diktatur. Die Beweggründe sind so vielfältig wie unsere Parteienlandschaft. Vielleicht wäre ein Steuerrabatt für einige Anreiz genug. Unsere tiefe Impfquote verlängert die Pandemie und kostet den Bund wesentlich mehr.

Disclaimer: Ich bin zweifach geimpft und pflege weder wirtschaftliche noch sexuelle Beziehungen zu Impfstoff-Herstellern.


 

Meine Woche 29/2021

Dienstag, 08.00 Augenspital (chronische GvHD), 15.00 Lac Léman. Ich wollte endlich das Château de Chillon besuchen, das ich einst als Inspiration für einen Kinofilm »Sigurd« vorgesehen hatte. Als Kind mochte ich Tintin, als Primarschüler war »Sigurd, der ritterliche Held« von Hansruedi Wäscher, mein beliebtester Comic. Ein etwa gleichaltriger Basler war ebenfalls ein begeisterter Sigurd Fan. Ich traf ihn per Zufall 1982 in einer Basler Videothek, die er als 25-jähriger gegründet hatte. Wir wussten nichts von unserer gemeinschaften Leidenschaft aus Kindstagen, wir kannten uns nicht.

34 Jahre später begegneten wir uns wieder: Er war mittlerweile als Besitzer der Highlight Communication (Constantin Film) ein international erfolgreicher Filmproduzent und Sportvermarkter: Bernhard Burgener (Ex-FCB-Präsident). Er hatte wie ich noch alle Sigurd Abenteuer im Kopf und zu meinem sehr grossen Erstaunen hatte er die Filmrechte erworben und schlug mir vor, einen Entwurf für einen Kinofilm zu schreiben. Ich war sehr euphorisch, begann sofort mit den Recherchen*, doch dann kam das Leben dazwischen und ich musste Sigurd in Labans Kerker zurücklassen.

Obwohl das alles Schnee von gestern ist, war ich nach vielen Jahren immer noch neugierig, das Schloss mit eigenen Augen zu sehen. Bereits im Innenhof endete meine Visite. Ich hatte schlicht vergessen, dass ich aufgrund der fortschreitenden Polyneuropathie keine Schlosstreppen mehr hochkomme. Comedy. Dina und ich haben herzhaft gelacht. Sehr schöne Gegend diese Schweizer Riviera.


*Ich gab Sigurd einen historischen Rahmen: Die Zeit von Friedrich I., genannt Barbarossa, von 1155 bis 1190 Kaiser des römisch-deutschen Reiches.


 

Blick fragt: Wieso sollte man Ihr Buch lesen?

»Blick« hat 8 Autorinnen und Autoren gefragt, wieso man ihre Bücher lesen sollte. Hier also meine schamlose Eigenwerbung:


Darum geht es:

Der Song »Hotel California« ist der Soundtrack dieses surrealistischen Romans. Ein Mann wacht in der kalifornischen Wüste auf. In der Ferne sieht er ein Hotel ohne Nachbarschaft. Man kann es jederzeit betreten, aber nie mehr verlassen. Der Mann ist auf der Suche nach seiner noch ungeborenen Tochter Elodie. Absurd? Ja, ziemlich absurd.


Darum könnte es für Sie interessant sein:

Marc Stucki schrieb auf Facebook: »Wenn ich meiner Tochter nur ein Buch auf ihren Lebensweg mitgeben dürfte – das wäre es.« Den Text schrieb ich ursprünglich für meine ungeborene Enkelin Elodie, da ich sie nicht mehr als Teenager erleben werde. Das Ganze ist mir entglitten, es wurde ein Lebensratgeber in Romanform. Ich sage Elodie, was im Leben wirklich zählt, weil man das erst am Ende des Lebens erfährt. Wenn es vorbei ist. Wenn es zu spät ist. Das ist die Ironie unseres Daseins. Radiolegende Francois Mürner kommentierte auf Amazon »Muss man gelesen haben«. Gehört dieses Buch in Ihren Reisekoffer? Das geringe Gewicht spricht auf jeden Fall nicht dagegen.


Hotel California, Nagel & Kimche


 

089 Blick »Greenpeace: Einst gemeinnützig, heute oft gemeingefährlich«

25. Juni 2021

©Blick-Kolumne von Claude Cueni über die Radikalisierung von Greenpeace.


Statt die Umwelt zu schützen fungiert Greenpeace heute als Selbstverwirklichungsplattform für Risikosportler, die sich ihre Abenteuer mit Spendengeldern finanzieren lassen. Rechtsbruch gehört zum System.


Claude Cueni


1978 hörte erstmals eine breite Öffentlichkeit von der 1971 gegründeten Umweltschutzorganisation Greenpeace (grüner Frieden). Mit einem Fisch-Trawler protestierten sie gegen den isländischen Walfang, gegen die Robbenjagd auf den Orkney-Inseln und gegen die Entsorgung von radioaktivem Müll in den Ozeanen. Ich fand das toll und spendete Geld, obwohl ich damals kaum welches hatte. 

Paul Watson, der Co-Gründer von Greenpeace, nannte sein Baby rückblickend die «grösste Wohlfühlorganisation der Welt», ihr Geschäft bestünde darin, den Menschen ein gutes Gewissen zu verkaufen. Ja, ich fühlte mich gut und hielt es für üble Nachrede, wenn Aussteiger wie Watson behaupteten, Greenpeace sei mehr am Spendensammeln interessiert als an der Rettung der Natur.

Mit dem Abgang der Realos kam die Radikalisierung

Auch Co-Gründer Patrick Moore warf nach 15 Jahren das Handtuch: «Greenpeace hat sich von Logik und Wissenschaft verabschiedet», Ideologen würden dominieren, jeder, der auch nur geringfügig von der Linie abweiche, würde als Öko-Judas diffamiert. Sind alle Realos weg, bleibt ein radikaler Kern übrig, der jede Verhältnismässigkeit verliert, weil ihm das Korrektiv fehlt. 

Einst gemeinnützig, heute oft gemeingefährlich. Straftaten häufen sich: Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, versuchte Nötigung, besonders schwere Fälle von Diebstahl, gefährliche Eingriffe in den Strassenverkehr, gefährliche Körperverletzung. Mit solchen Aktionen erwirtschafteten die «Gewaltfreien» 2019 einen Umsatz von 368 Millionen Dollar (das meiste davon Spenden) und zahlten ihrer Angestellten Jennifer Morgan 168’000 Euro Lohn. 2014 verzockte die grüne Geldmaschine mit hochspekulativen Termingeschäften 3,8 Millionen Dollar an der Börse.

Der Kämpfer gegen VW fährt selber einen VW

Greenpeace ist heute attraktiv für selfiehungrige Risikosportler, die sich ihre Abenteuer mit Spendengeldern finanzieren lassen und «dem Klima zuliebe» um die Welt jetten.

Der 38-jährige Chirurg, der kürzlich mit seinem motorisierten Gleitschirm über das mit 14’000 Zuschauern besetzte Münchner Stadion crashte, nahm für eine altbekannte Message Tote in Kauf. War das gemeinnützig? Diente die Aktion der Umwelt oder eher der Spendenakquisition? Der uneinsichtige Wiederholungstäter protestierte gegen VW. Und fährt selbst einen VW Golf.


Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Im März erschien im Verlag Nagel & Kimche «Hotel California», ein Lebensratgeber in Romanform für seine Enkelin. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.


 

»Wir haben Monopoly gespielt«

© Die Weltwoche – 24. Juni 2021


Der Untergang der Moorhuhn-Schmiede Phenomedia (2001) wäre Stoff für eine Komödie, der Finanzskandal von Wirecard (2021) der Plot für einen internationalen Thriller. Beide Gründer waren Schulabbrecher aus einfachen Verhältnissen. Vieles verlief ähnlich, aber eine Sache war anders.


von Claude Cueni


Was da passiert ist, hatte mit normalen Welten nichts zu tun. Es war völlig verrückt», gestand Markus Scheer, der Gründer der «Moorhuhn»-Schmiede Phenomedia, «wir haben ‹Monopoly› gespielt. Aber mit richtigem Geld.» Fünf Jahre nach dem Börsengang stand er 2004 vor den Richtern der 6. Strafkammer des Bochumer Landgerichts. Sie warfen dem damals 35-Jährigen Bilanzschwindel, Insiderhandel, Steuerhinterziehung und Erpressung vor. Er soll mit fünf Kumpels den Umsatz mit einem «raffinierten System aus Luftbuchungen» frisiert haben, um den Aktienkurs in die Höhe zu treiben. Beim Börsengang im Herbst 1999 war seine Phenomedia-Aktie mit 22,90 Euro am Neuen Markt gestartet. Zwischenzeitlich hatte sie 90 Euro erreicht und war schliesslich auf 86 Cent gecrasht. Erst nach vier Jahren Prozessdauer gestand Scheer, er habe «Fehler gemacht, schlimme Fehler». Nach 120 Prozesstagen landeten er und sein Finanzvorstand für drei Jahre hinter Gittern.

Markus Scheer war wie viele erfolgreiche Firmengründer ein Schulabbrecher, der den Schulstoff für weitgehend unnütz hielt, weil er von Anfang an genau wusste, was er wollte: Scheer wollte Spiele programmieren. Das Handwerk hatte er sich als Kind am legendären Spielecomputer C64 beigebracht.

Durchbruch mit Fake News

Bereits als Teenager wurde er Chefentwickler bei der 1988 gegründeten Firma Starbyte, die mit ihren Wirtschaftssimulationen den entstehenden Computerspielemarkt aufmischte und Kultstatus erreichte. 1992 teilte Starbyte das Schicksal vieler Pioniere, denn nicht selten bestraft das Leben auch jene, die zu früh kommen. Starbyte schlitterte in die Insolvenz. Scheer gründete eine neue Firma und fokussierte auf kleine Werbespiele, die im Auftrag von Firmen produziert wurden. Eines dieser advertising games war ein Shooter für Johnnie Walker. Attraktive Hostessen forderten abends Barbesucher zum Spielen auf dem Notebook auf. Wer genügend virtuelle Moorhühner abschoss, erhielt einen Drink spendiert. Der Erfolg war überschaubar.

Wesentlich interessanter schien Scheer, was sich an der Deutschen Börse abspielte. 1997 wurde nach dem Vorbild der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq ein Aktienindex für neue Technologien ins Leben gerufen: der Nemax. Viele junge Firmen nutzten den Neuen Markt zur Beschaffung von frischem Kapital für eine schnellere Expansion. Nur brauchte es für einen erfolgreichen Börsengang Fleisch am Knochen, Content, ein prall gefülltes Portfolio. Scheer vereinigte kleinere Spieleproduzenten unter dem Namen Phenomedia und wagte 1999 mit einem bescheidenen Jahresumsatz von 4,8 Millionen Euro den Gang an den Neuen Markt. Im Börsenprospekt hatte er interaktives Fernsehen, Handy-Games und all das versprochen, was die Fantasie von Analysten und Anlegern beflügelte. Über Nacht spülte das IPO (Initial Public Offering) 22 Millionen Euro in die Firmenkasse. Scheer löste seine Versprechen ein und kaufte weitere kleine, aber innovative Firmen zusammen, er kaufte Wachstum. Der redegewandte Scheer und seine Jungs gehörten bald zu den Lieblingen der Finanzpresse. Der allgemeine Hype am Neuen Markt befeuerte den Aufstieg enorm. Plötzlich hatte jede Metzgerei eine Internetadresse, und das berühmte Hausmädchen begann erstmals in seinem Leben Aktien zu kaufen. Only the sky is the limit. Es war schliesslich das reanimierte Moorhuhn des Digital Artist Ingo Mesche, das den Aktienkurs durch die Decke brechen liess. Der Pressesprecher der Phenomedia hatte diversen TV-Journalisten gesteckt, dass in einigen Firmen kaum noch gearbeitet würde, weil angeblich auf den Firmencomputern nur noch Moorhühner gejagt würden. Die Fake News verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Wie gut musste ein Spiel sein, wenn moorhuhnsüchtige Angestellte sogar ihre Kündigung in Kauf nahmen?

Vorlage für eine Komödie

Bereits im März 2001 wurde in einer Ad-hoc-Mitteilung bekanntgegeben, dass für das Jahr 2000 ein Rekordergebnis verzeichnet worden sei, eine Umsatzsteigerung von erstaunlichen 236 Prozent auf 31,9 Millionen Euro. Die Aktie stieg um 6,5 Prozent. Noch wussten die begeisterten Anleger nicht, dass Phenomedia in Wirklichkeit einen Verlust von 8,3 Millionen eingefahren hatte. Scheer ahnte, dass auch Moorhühner nicht ewig lebten und dass bei weiteren Verlusten die Aktie das Schicksal der Moorhühner teilen würde.

Auf Scheers Schreibtisch standen stets zwei Computer. Auf dem zweiten lief eine seiner geliebten Wirtschaftssimulationen. Gründete man als virtueller Firmenboss dreissig Tochterfirmen und schickte eine Million im Kreis herum, konnte jede Firma jeweils einen Umsatzzuwachs von einer Million verbuchen, und jeder Rundgang brachte dem virtuellen Mutterhaus zwar nicht mehr Gewinn, aber dreissig Millionen mehr Umsatz. Am Neuen Markt waren tiefrote Zahlen okay. Solange der Umsatz stieg. Amazon war der beste Beweis. Konnte das, was in einem Computerspiel zum Erfolg führte, auch in der Realität funktionieren? Scheer konnte nicht widerstehen. Mit Scheinfirmen, Luftbuchungen und Bilanzschwindel blähte er den Umsatz auf. Die Banken, so Scheer, brachten ihm «schubkarrenweise frisches Geld» und rieten ihm angeblich davon ab, einen erfahrenen Senior Manager beizuziehen. Dass Phenomedia als Anbieter von Handy-Games die Firmenzentrale ausgerechnet in einem Bochumer Funkloch gebaut hatte, sah man den Newcomern nach. Ihr smarter Kundenakquisiteur erklärte den Erfolg wie folgt: »Wir ziehen unsere geilen Anzüge an und quatschen ein bisschen über Phenomedia.» Das Einzige, worüber alle genau Bescheid wussten, war der aktuelle Aktienkurs. Insiderhandel war später ein weiterer Anklagepunkt. «Geile Anzüge», das war einem externen Wirtschaftsprüfer zu wenig. Er deckte auf, was man bei Computerspielen cheat nennt, in der Realität aber Betrug ist. Scheer reagierte umgehend und stellte den Unbequemen als Finanzchef ein. Der Absturz war nur aufgeschoben. Im nächsten Jahr schlug ein neuer Wirtschaftsprüfer Alarm, die Staatsanwaltschaft liess sechs Führungskräfte verhaften, die Aktie verkam zum Pennystock und hinterliess Tausende von geprellten Kleinanlegern, Investoren, Kreditgebern und jungen Arbeitslosen.

Während die Phänomedialen die Bilanzen «lediglich» um fünfzehn Millionen aufgebläht hatten, betrug der mutmassliche Finanzschwindel beim deutschen Zahlungsabwickler und Finanzdienstleister Wirecard 1,9 Milliarden Euro. Auch das untergetauchte Wirecard-Vorstandsmitglied Jan Marsalek wuchs in einfachen Verhältnissen auf und brach frühzeitig die Schule ab. Markus Scheer sagte vor Gericht, er habe mächtig sein wollen, das hatte auch Jan Marsalek gewollt. Er gilt als Hauptverdächtiger im Finanzskandal der Wirecard.

Während der Niedergang der Phenomedia lediglich eine Fussnote in der Geschichte der New Economy bleiben wird, ist Wirecard der «grösste Börsen- und Finanzskandal der deutschen Nachkriegszeit». Phenomedia könnte die Vorlage für eine Komödie sein, Wirecard ist hingegen der Plot für einen internationalen Thriller im Umfeld von Marsaleks dubiosen Aktivitäten in Libyen, geheimdienstlichen Kontakten und gefakten Firmensitzen, die mit Schauspielern besetzt wurden. Doch in einem Punkt unterscheiden sich die beiden Skandale ganz erheblich: Wirecard genoss einen besonderen Schutz. Die Münchner Staatsanwaltschaft, die Finanzaufsicht Bafin, die Wirtschaftsprüfer: Sie alle wollten jahrzehntelang nicht wahrhaben, was immer offensichtlicher wurde. Bereits 2003 stellte der Blogger Jigajig die Ungereimtheiten in der Wirecard-Bilanz online. Seine Beiträge wurden gelöscht. Vergebens. Die Betrugsvorwürfe häuften sich in den folgenden Jahren. 2016 startete Matthew Earl, Managing Partner bei Shadow Fall Capital, seine Serie vernichtender Blog-Beiträge. Er wurde verfolgt und bedroht. Anfang 2019 verbreitete die Financial Times in einer Artikelserie die Vorwürfe des Wirecard-Juristen Pav Gill, der als Senior Legal Counsel für Wirecard Asia Pacific zuständig war. Die Dokumente wurden weltweit verbreitet. Die Münchner Staatsanwaltschaft eröffnete ein Strafverfahren, aber nicht gegen die Chefetage von Wirecard, sondern gegen den Whistleblower Pav Gill. Zuerst wurde ihm Geld angeboten. Pav Gill lehnte ab. Dann folgte ein Psychoterror der üblen Sorte. Gills Mutter erlitt einen Schlaganfall.

Unterstützung von Merkel

Erstaunlich, dass sich Angela Merkel noch im September 2019 in China für Wirecard ins Zeug legte. Auch wenn sie im April vor dem Untersuchungsausschuss wie üblich jedes Fehlverhalten von sich wies, entstand doch der Eindruck, als hätten Deutschland und seine Finanzinstitutionen aus falsch verstandenem Patriotismus ein Unternehmen geschützt, das die Bundesrepublik zum europäischen Silicon Valley hätte upgraden sollen. Wieso auch erfahrene Wirtschaftsprüfer zehn Jahre lang geschwiegen haben, wird wohl Gegenstand der Ermittlungen sein.

Markus Scheer hat seine Strafe abgesessen und wieder als Unternehmer Fuss gefasst, Jan Marsalek und einige seiner Komplizen sind untergetaucht. In Sicherheit sind sie nicht. Gefahr droht ihnen nicht nur von der Justiz, sondern auch von all den geschädigten «Geschäftspartnern», die nun zur Jagd blasen. Es gibt für Kriminelle nichts Verlockenderes, als geraubtes Geld zu stehlen. Jan Marsalek wird gejagt, er ist das neue Moorhuhn. Auf den Philippinen kostet ein Auftragskiller in Polizeiuniform gemäss Cebu Daily News fünfzig Dollar.


 Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Im März erschien von ihm im Verlag Nagel & Kimche «Hotel California», ein Lebensratgeber in Romanform für seine Enkelin.