Basler Zeitung: Alima Diouf

Basler Zeitung
– 01. Juli 2020
 
«Polizisten helfen uns mehr als radikale Linke»

Eine Betroffene über Rassismus Alima Diouf aus Senegal setzt sich seit Jahren gegen Rassismus in Basel ein. Weisse würden die Schwarzen dabei oft bevormunden, sagt sie.

Katrin Hauser

Frau Diouf, Sie haben am vergangenen Samstag eine Veranstaltung durchgeführt, bei der Polizisten mit Dunkelhäutigen zusammensassen. Kommt das nach dem Tod von George Floyd und den Demonstrationen der «Black Lives Matter»-Bewegung nicht fast einer Verbrüderung mit dem Feind nahe?

Was nach dem Tod von George Floyd geschah, war heftig. Meine Chats quollen über von Anekdoten aus der Kolonialzeit und wie wir Schwarze damals gelitten hatten. Die Leute reissen alte Wunden auf. Ich wollte das irgendwann nicht mehr lesen. Wir müssen doch einen Weg finden, wie wir jetzt und heute in Basel gemeinsam leben können.

Viele Dunkelhäutige sehen das anders. 5000 Menschen gingen am 6. Juni in Basel auf die Strasse, um gegen Polizeigewalt und für die Rechte von Schwarzen zu kämpfen.

Ich war zwar nicht dort, aber ich bin mir sicher, die Mehrheit dieser Leute war weiss. So ist es immer. Vor allem die Radikalen unter ihnen haben eine innere Wut, die sie in solchen Momenten ausleben wollen. Sie schüren den Hass gegen die Polizei – auch in unseren Kreisen. Meinen Leuten habe ich gesagt, sie sollen nicht zu dieser Demonstration gehen. Einige von ihnen haben einen illegalen Aufenthaltsstatus. «Während die weissen Aktivisten abends nach der Demonstration zu Hause gemütlich ihren Tee trinken, seid ihr in Ausschaffungshaft», habe ich ihnen gesagt.

Sie organisieren Anlässe mit der Polizei und schützen gleichzeitig Migranten mit illegalem Aufenthaltsstatus. Das ist eine heikle Gratwanderung.

Ich mache nichts Illegales. Ich gehe nicht zu Demonstrationen, bei denen randaliert wird, und verstecke niemanden vor der Polizei. Ausserdem sind wir immer im Gespräch miteinander: Ich habe sogar mit der Basler Polizei vereinbart, dass keine Personen kontrolliert werden in der Gegend, in der wir gerade eine Veranstaltung durchführen.

Wieso diese Einstellung gegenüber Polizisten, wo doch Schwarze tatsächlich häufiger kontrolliert werden als der Durchschnitt? Immerhin war das der Grund für das Treffen.

Was bei dieser Diskussion einfach nie gesagt wird, ist: Die Polizei in unseren Ländern, in Senegal zum Beispiel, geht viel härter vor. Hier gibt es einen Aufstand, wenn Frauen auf der Johanniterbrücke kontrolliert werden. Bei uns in Senegal wurden kürzlich demonstrierende Mütter mit Schlagstöcken in Busse getrieben. In Basel sitzen die Polizisten mit uns zusammen, um über Rassismus zu sprechen. Sie helfen uns damit mehr als radikaleLinksaktivisten. Diese wollen uns sogar davon abhalten, das Gespräch mit der Polizei zu suchen. Einer von ihnen hat mir im Vorfeld der Veranstaltung vom Samstag eine lange Mail geschrieben, dass das nichts nütze. Daraufhin habe ich ihn ausgeladen. Es ist wieder eine Bevormundung: Weisse wollen uns Schwarzen vorschreiben, wie wir unseren Kampf zu führen haben. Dasselbe Problem habe ich auch mit Beauftragten vom Kanton.

Wie meinen Sie das?

Früher habe ich bei der Rassismuswoche des Kantons mitgewirkt. 2018 hiess es, wir müssten uns einer anderen Organisation anhängen. Die Idee war plötzlich, dass weisse, studierte Leute vorne auf einem Podium sitzen und wir Schwarzen im Publikum. Da mache ich nicht mit. Diese Menschen sind mir schlicht zu weiss, um bei einem Rassismuspodium oben zu sitzen.

Diese Aussage ist rassistisch.

Ja, natürlich. Jeder Mensch ist ein Rassist. Sie sind einer, genauso wie ich einer bin. Wir wachsen damit auf, wird uns anerzogen. Es gibt auch Rassismus unter Schwarzen: Wenn ein Senegalese nicht will, dass seine Tochter einen Nigerianer heiratet, etwa.

Sie setzen sich seit Jahren gegen Rassismus ein. Wie stark ist dieser in Basel verbreitet?

In den 26 Jahren, die ich schon in Basel lebe, kann ich mich nicht an einen Monat ohne abwertende Äusserungen erinnern. Sei es im leeren Tram, in dem ich aufgefordert werde, aufzustehen, oder seien es ältere Schweizer, die mir ins Gesicht sagen: «Geh mal nach Hause, du hast hier nichts verloren. Ihr kostet uns nur Geld.» Solche Erlebnisse rauben mir die Energie, manchmal gehen sie mir noch lange nahe.

Womit wäre den Schwarzen aus Ihrer Sicht am besten geholfen?

Die Leute sollen uns unterstützen, etwa indem sie an unseren Veranstaltungen teilnehmen und ihre Meinung sagen. Auch Basler Politiker sind sehr willkommen. Je mehr Menschen dabei sind, desto besser. Die Leitung sollte aber bei denen bleiben, die auch wirklich betroffen sind.

«Weisse wollen uns Schwarzen vorschreiben, wie wir unseren Kampf zu führen haben»: Alima Diouf. Foto: Dominik Pluess

Was die Basler Polizei dazu sagt

Toprak Yerguz bestätigt, dass die Einsatzzentrale über den Anlass im Klybeck vom Samstag informiert war – wie dies immer der Fall sei, wenn Mitarbeiter der Kantonspolizei teilnehmen. In diesem speziellen Fall achte man tatsächlich darauf, dass nicht während der Veranstaltung oder gleich danach auf dem entsprechenden Gelände Personenkontrollen durchgeführt werden. «Das wäre völlig kontraproduktiv. Schliesslich geht es darum, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.»

Der Verein «Migranten helfen Migranten»

Alima Diouf hat 2015 den Verein «Migranten helfen Migranten» gegründet. Seitdem organisiert sie Anlässe und wirkt an verschiedenen Projekten gegen Rassismus mit. Ihre Arbeit wird vom Kanton Basel-Stadt, von Stiftungen und der Bürgergemeinde finanziert. Die 47-Jährige wurde in Senegal geboren, lebt nun schon 26 Jahre in Basel-Stadt und hat die Niederlassungsbewilligung B.

67 Blick »Gold kann man nicht drucken«

© Blick 24.7.2020 / 


Ende des 17. Jahrhunderts war Frankreich bankrott. Der Sonnenkönig Louis XIV. hatte für seine Kriege fast alle Rohstoffe aufgebraucht, es gab kaum noch Metalle, um Münzen zu prägen. Die Wirtschaft brach zusammen und die Bevölkerung hungerte.

Nach seinem Tod übernahm der lasterhafte Duc d’Orléans im Namen des noch unmündigen Ludwig XV. vorübergehend die Regentschaft und begeisterte sich für die Finanztheorien des schottischen Mathematikgenies und Womanizers John Law. Dieser war nach einem tödlich verlaufenen Duell nach Paris geflüchtet und erläuterte nun an den Spieltischen der High Society seine Theorie, wonach nur Geld aus Papier Frankreich retten könne. Das klang irre, denn damals entsprach der Wert einer Münze genau dem Wert des Metalls, das in dieser Münze steckt. Und nun sollte bedrucktes Papier einen Wert haben?

Der Duc erlaubte John Law, seine Theorie in der Praxis zu testen. Das Experiment gelang. Die Wirtschaft wurde mit Unmengen Papiergeld angekurbelt, der Handel florierte, die Börse boomte, aus ganz Europa kamen Menschen, um am Wirtschaftswunder teilzunehmen. Doch als der Duc heimlich die Druckerpresse anwarf, galoppierte die Inflation davon, und wer es sich leisten konnte, rettete sich in Gold. Bis es verboten wurde.

In den USA durften bis 1971 nur Dollarnoten gedruckt werden, deren Gegenwert in Staatsgold hinterlegt war. Um den Vietnamkrieg zu finanzieren, hob Richard Nixon den Goldstandard auf und warf die Druckerpresse an. Der private Goldbesitz blieb bis 1974 verboten.

Ungenügend gedecktes Papiergeld ist mittlerweile Standard. Wenn Politiker vor der Wahl Versprechungen machen, die gar nicht finanzierbar sind, und nach der Wahl die einfache Regel missachten, wonach man weniger ausgeben als einnehmen soll, flüchten die Menschen in Gold. Denn «Gold beschützt Eigentumsrechte». Das schrieb Alan Greenspan 1987. Nachdem er zum Vorsitzenden der US-Notenbank FED gewählt worden war, galt Gold plötzlich als «barbarisches Relikt».

Auch heute drucken Notenbanken Papiergeld wie Konfetti. Viele Menschen fürchten eine Weginflationierung der Schuldenberge und flüchten in Gold. Denn Gold kann man nicht drucken.


 

Sonntagszeitung: Furioser Thriller

Tages-Anzeiger / Sonntagszeitung / Berner Zeitung

– 19. Juli 2020 10:37

Literatur

Neuer Roman von Claude Cueni

Wie die nächste Pandemie aussehen könnte

Claude Cueni hat noch vor Corona ein Szenario für eine globale Viruserkrankung gezeichnet. Und darüber einen furiosen Thriller geschrieben.

Rico Bandle

«Die grösste Gefahr, die der Menschheit droht, sind nicht Kriege, Meteoriteneinschläge, Klimawandel oder Negativzinsen, sondern eine Pandemie.» Wer das sagt, ist Luis C. Mendelez, ein umtriebiger Professor im neuen Roman von Claude Cueni, der in diesen Tagen herauskommt. Das Erstaunliche daran: der Schweizer Schriftsteller hatte das Buch schon vor der aktuellen Corona-Krise fertig geschrieben.

Mendelez will nichts weniger als die Menschheit vor dem Untergang retten. Und zwar, indem er den Leuten das Immunsystem von Ratten einpflanzt, dem resistentesten Säugetier auf unserem Planeten. Die Nager verbreiten zwar das Virus, erkranken aber selber nicht daran. Cueni macht aus diesem Stoff einen filmreifen, apokalyptischen Thriller, dessen Handlung rund um den Erdball führt – und erst noch hervorragend recherchiert ist.

Das Virus kommt per Schiff nach Europa

Erster Schauplatz ist die britische Antarktiskolonie Südgeorgien, wo eingeschleppte Ratten das Ökosystem zerstört haben. Die Rattenplage auf der Insel ist eine historische Tatsache, ebenso deren Bekämpfung durch Tonnen von Giftködern. Es war die bislang grösste Ratten-Ausrottung weltweit. Bloss: Bei Cueni überleben einige Exemplare, die Jahre später per Schiff nach Europa gelangen und im ohnehin schon rattendurchseuchten London eine Pandemie auslösen. Denn diese Nager tragen ein Virus in sich, das vom Tier zum Menschen übertragbar ist.

Cueni verwebt geschickt verschiedene Handlungsstränge. Da begegnen sich zum Beispiel der Besitzer der grössten Rattenbekämpfungsfirma Londons und eine der Zwangsheirat entflohene Inderin, die in ihrer Heimat Ratten darauf trainiert hatte, TNT und Tuberkulose aufzuspüren. Beide kommen mit Professor Mendelez in Kontakt, der besessen ist von der Idee, die DNA des Menschen zu optimieren. «Hier geht es nicht um Ethik, es geht ums Überleben der menschlichen Rasse», verkündet er. Skrupellos arbeitet er seinem angeblich so hehren Ziel entgegen.

Ob es ihm tatsächlich gelingt, mit der sogenannten CRISPR/Cas-Methode – auch sie ist keine Erfindung Cuenis – die Menschen gegen künftige Pandemien immun zu machen, sei hier nicht verraten. Der Weg dorthin jedenfalls ist so spannend, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.


 

 

Blick: Brandaktueller Pandemie-Thriller

blick.ch – 17. Juli 2020 22:55

von Claude Cueni

Im Jahr 1775 erreichte der englische Seefahrer James Cook die kalte, unwirtliche subantarktische Inselgruppe Südgeorgien. An Bord waren Kartografen, Abenteurer, Matrosen – und Ratten. Die Männer nahmen die Inseln im Südatlantik für ihren König Georg III. in Besitz und zogen weiter. Die Ratten blieben.

Damals lebten bis zu 100 Millionen Vögel auf den Inseln. Zweihundert Jahre später waren neunzig Prozent ausgerottet. Ratten hatten Küken, Eier und oft auch erwachsene Vögel gefressen und sich explosionsartig vermehrt. Deshalb beschlossen Artenschützer, das einstige Vogelparadies zu retten. Ab 2011 warfen sie mit Helikoptern 200 Tonnen Giftköder über den Inseln ab. Sieben Jahre später sandte man zu Kontrollzwecken Spürhunde aus: Auf Südgeorgien gab es keine Ratten mehr.

«Zombieviren» im Schmelzwasser

Diese Berichte weckten damals mein Interesse, und ich begann, Material für einen möglichen Roman zu sammeln. Ich las Studien über das klimabedingte Abschmelzen der Permafrostböden. Im Schmelzwasser schwimmen Mikroben, die jahrhundertelang im Eis gefangen waren. Biologen fanden in siebenhundert Jahre altem Karibu-Kot Viren, die sie im Labor wiederbeleben konnten. Selbst in dreissigtausend Jahre alten Bohrkernen wurden sie fündig. Wissenschaftler warnten vor sogenannten «Zombieviren und -bakterien».

Covid-19 war noch kein Thema, aber wir hatten Sars und die Vogel- und Schweinegrippe erlebt und wussten, dass elf Prozent aller Nagetiere Infekte auf den Menschen übertragen können. Allein in Rattenflöhen nisten über hundert verschiedene Krankheitserreger.

Ich überlegte: Was wäre, wenn Nachfahren der Cook-Ratten sich infizierten und auf dem gleichen Weg, auf dem ihre Vorfahren gekommen waren, nach England zurückkehrten?

Ratten überall

In den letzten Jahren häuften sich Berichte über Rattenplagen in Metropolen. Ratten sind Kulturfolger. Dort, wo sich Menschen niederlassen, bauen auch Ratten ihre Nester. Denn Menschen lassen ihren Dreck überall liegen und bieten den kleinen Nagern täglich ein Festmahl. Schon deshalb müsste Littering mit empfindlichen Geldbussen bestraft werden. In fast allen Grossstädten ermöglichen verdichtetes Bauen und Klimaerwärmung auch schwächeren Nagern das Überleben. Ratten sind schlau und gut organisiert. Sie besitzen eines der besten Immunsysteme. Selbst auf dem Reaktorgelände von Tschernobyl haben sie überlebt.

Der Mensch ist weniger robust. Über Rattenflöhe kann er sich mit dem Pestbakterium Yersinia pestis infizieren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registriert pro Jahr etwa dreitausend Pestfälle, meistens in Afrika, neuerdings auch in der Mongolei. Bei einem bakteriellen Infekt hilft Antibiotika. Bisher war das so. Aber allmählich entwickeln wir Resistenzen, weil die Industrie den Nutztieren vorsorglich Antibiotika verabreicht, damit sie sich nicht gegenseitig anstecken, wenn sie auf engstem Raum zusammengepfercht sind. Gelangt ein Bakterium in die menschliche Lunge, kann sich der Erreger via Tröpfcheninfusion verbreiten wie ein Grippevirus.

Pandemien gefährlicher als Klimaerwärmung

Waren all diese Informationen geeignet, um einen Thriller zu schreiben? Vielleicht, aber ich hatte kein Interesse, eine negative Utopie zu entwickeln. Als Teenager mochte ich solche Stoffe, aber heute bin ich eher Optimist, weil ich die enormen Fortschritte in der Medizin am eigenen Leib erfahre. Global betrachtet geht es der Menschheit wesentlich besser als vor fünfzig Jahren. Mein Agent riet mir: Entscheide dich entweder für Science-Fiction oder für eine Fiktion nahe an der Realität.

Ich entschied mich für Letzteres und las Studienberichte, die darlegten, wie man zukünftige Pandemien in den Griff kriegen könnte. Der Molekularbiologie George M. Church inspirierte mich zur Romanfigur Luis Mendelez, die behauptet, dass nicht Meteoriteneinschläge, Erdbeben, Klimaerwärmung oder Negativzinsen das grösste Problem der Menschheit sind, sondern zukünftige Pandemien. Pandemien aus dem Eis?

Allmählich erkannte ich die Umrisse einer möglichen Story. Aber entscheidend sind nicht die Themen, sondern die Hauptfiguren und ihre Widersacher. Nur wenn man die Helden mag, macht man sich Sorgen um sie. Und das ist das A und O jeder Geschichte. Helden müssen nicht perfekt sein, wir sind es auch nicht.

Manuskript fertig, als niemand etwas ahnte

Ich machte eine junge indische Köchin zur Hauptfigur: Nadi. Sie flieht vor einer Zwangsheirat nach London. In ihrer Kammer freundet sie sich mit einer Albino-Ratte an. Sie kann gut mit Ratten. Da sie unter der Einsamkeit leidet, habe ich ihr Hank geschickt. Doch Hank entpuppt sich als Schlitzohr. Nadi verdankt ihm einiges, aber manchmal hat sie allen Grund, ihn zu hassen. Der Roman erzählt die Geschichte von Nadi vor dem Hintergrund einer Pandemie. Sie hat einen beschwerlichen Weg vor sich. Über dreihundert Seiten weit. Der Weg ist die Story. 

Ende 2017 hatte ich mit dem Manuskript begonnen, im Oktober 2019 wurde es während der Frankfurter Buchmesse den Verlagen angeboten. Noch ahnte niemand, dass der Welt mit dem Coronavirus eine Pandemie bevorstand.

Rohbau für die Fantasie

Meistens schreibe ich an zwei oder gar drei Romanen gleichzeitig und entscheide mich erst nach etwa 40 Seiten, welche Story das Casting gewinnt. Es kommt vor, dass Figuren wie Nadi über sich hinauswachsen und sich selbständig machen. Dann fange ich wieder von vorne an. Obwohl ich bereits den nächsten Roman beendet hatte, dachte ich mir immer noch Varianten für das letzte «Genesis»-Kapitel in Sierra Leone aus.

Wahrscheinlich findet jeder Roman seine Vollendung erst in den Händen der Leserinnen und Leser. Denn sie sind es, die mit ihrer Fantasie Landschaften ausmalen, Räume möblieren und den Figuren Gesichter geben. Ich liefere nur den Rohbau.

Claude Cueni, «Genesis – Pandemie aus dem Eis», Nagel & Kimche, 300 Seiten. Ab heute im Handel.

 

066 Blick »Ratte an Chilisauce«

«Ich habe zum Frühstück Rattenfrikassee (Rats en gibelone) genossen, und ich begreife nicht, wieso ich eine so vorzügliche Nahrung nicht gekannt habe», schrieb der Franzose Geoffroy Saint-Hilaire 1870. Der Pariser war Präsident einer zoologischen Gesellschaft, die Grosses im Schilde führte. Paris war von der preussischen Armee umzingelt. Es gab kein Entrinnen aus dem 82 Kilometer langen Belagerungsring. Die Viertelmillion Schafe im Bois de Boulogne waren bereits verspeist, auch Gepökeltes war aufgebraucht.

Deshalb setzte sich die erlesene Gesellschaft im November 1870 zu einer zehntägigen «Grande Bouffe» (grosses Fressen) an den Tisch und liess sich von den besten Pariser Köchen alles servieren, was in den Gassen frei herumlief: Hunde, Katzen und Ratten. Die Not diktierte das Menü.

In vielen Gegenden der Dritten Welt ist das heute noch so. Ratten gehören dort zum Speiseplan wie bei uns das Wiener Schnitzel. Im Süden Nigerias ernähren sich rund 70 Prozent der Bewohner von Rattenfleisch. In Kambodscha werden während der Saison täglich rund zwei Tonnen Ratten nach Vietnam exportiert. Dort ergab eine Umfrage, dass keiner der Arbeiter über die Gesundheitsrisiken Bescheid wusste. Im verarbeiteten Fleisch wurden krank machende Bakterien nachgewiesen.

Vor einigen Tagen warnte die Uno vor zukünftigen Pandemien, ausgelöst durch sogenannte Zoonosen, von Tier zu Mensch übertragbaren Infektionskrankheiten. Die mobile Gesellschaft beschleunigt die Verbreitung.

Doch selbst wenn es gelingen würde, alle Lebendtiermärkte in Asien und Afrika zu schliessen, sind zukünftige Pandemien kaum zu verhindern. Das klimabedingte Schmelzen der Permafrostböden hat bisher unbekannte Viren und Bakterien freigelegt, die teilweise nach Hunderten von Jahren immer noch infektiös waren. Vor vier Tagen meldete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, dass bei einem Patienten in der Inneren Mongolei erneut das Pestbakterium Yersinia pestis nachgewiesen wurde.

Einige Molekularbiologen glauben, dass man mit der Anwendung der Gen-Schere Crispr-Cas9 das menschliche Genom optimieren könnte, damit das Immunsystem so robust wird wie das der überlebenden Ratten in Tschernobyl.

Link zu Amazon: Alle Kolumnen 1 – 65 im Band »Claude Cuenis Geschichtskolumnen«,

erhältlich als eBook und Taschenbuch mit jeweils 60 ganzseitigen Farbbildern.

NZZ Der schöne Glanz des Extremismus

Neue Zürcher Zeitung
– 03. Juli 2020
 
Der schöne Glanz des Extremismus
Antifaschismus ist wieder in Mode, auch unter demokratischen Linken. Dabei wird mit einer totalitären Tradition kokettiert

Von der spanischen Revolutionärin Dolores Ibárruri, genannt La Pasionaria, gibt es Hunderte Bilder: die Pasionaria beim Singen eines Arbeiterliedes, die Pasionaria mit Soldaten an der Front im Spanischen Bürgerkrieg, die Pasionaria mit gereckter Faust vor einer riesigen Menschenmasse. «¡No pasarán!», so scheint sie zu rufen, «sie werden nicht durchkommen!»

Dann gibt es aber auch noch andere Bilder der stets schwarz gekleideten Frau, die eher selten zu sehen, aber ebenso charakteristisch sind. Eines zeigt sie 1972 mit dem kommunistischen Diktator Nicolae Ceausescu, der Rumänien mit einer Mischung aus Grössenwahn und brutalsten Polizeistaatmethoden regierte. Ein anderes zeigt sie lächelnd mit ihrem Landsmann Ramón Mercader, der in den 1960er Jahren in Moskau im Exil lebte, als ordengeschmückter «Held der Sowjetunion».

Kultur des Verdachts

Mercader war ebenfalls spanischer Kommunist, und seinen Orden hatte er sich verdient, indem er 1940 nach Mexiko reiste, um Josef Stalins altem Rivalen Leo Trotzki einen Eispickel in den Schädel zu rammen. Das war ganz im Sinne von Dolores Ibárruri. Schliesslich war die glühende Antifaschistin eine ebenso glühende Anhängerin des sowjetischen Diktators Josef Stalin, den sie als «Licht der Freiheit und der Gerechtigkeit» verehrte. Seine realen und imaginären Feinde dagegen betrachtete sie als faschistische Verräter, die «wie Raubtiere» ausgerottet werden müssten.

Mutige Kämpfer gegen das Böse, so lernen wir daraus, können böse Absichten haben. So banal diese Erkenntnis auch sein mag, so schwer ist sie für manche Leute zu akzeptieren. Dies besonders, wenn der Kampf gegen das Böse unter dem Titel «Antifaschismus» geführt wird, der derzeit wieder in aller Munde ist. So ist es innerhalb der Linken seit einigen Jahren Mode, Maifeiern und Reden mit Kampfparolen wie «Nie wieder Faschismus!» oder «¡No pasarán!» zu schmücken. Antifaschisten werden pauschal zu Helden erklärt, und seit dem mutmasslichen Mord an George Floyd ist es selbst für die brave SPD-Vorsitzende Saskia Esken Pflicht, sich «selbstverständlich» zum Antifaschismus zu bekennen.

Die Frage, wer und was damit alles gemeint ist, bleibt bei allem Pathos oft diffus. Mit echter Sorge hat der Antifa-Sprech denn auch nur zum Teil zu tun. Zwar entzündet er sich immer wieder an gefährlichen Bewegungen und Tendenzen, vom jahrelang verharmlosten rechtsextremen Terror über den völkischen Flügel der AfD bis zum faschistischen Revisionismus in Italien. Da der Kreis der Faschismusverdächtigen meist auffällig weit gefasst wird, geht es aber um viel mehr als um berechtigte Warnungen. Es geht um Koketterie, aber auch Identifikation mit einem alten Kampfmittel, dessen Patentante nicht umsonst Dolores Ibárruri heisst.

So ist es kaum Zufall, wenn SP-Politiker wie Cédric Wermuth ihre Reden wider den Kapitalismus, den Sexismus, den Rassismus, die SVP, Trump, Davos und die «liberale Elite» aus FDP und CVP mit Parolen wie «¡No pasarán!» und «Kein Fussbreit dem Faschismus!» spicken, um gleichzeitig an die Einheit der Linken zu appellieren. Oder wenn sich Jungsozialisten mit antifaschistischem Pathos mit Linksextremisten solidarisieren, die sich an Maos Roten Garden orientieren und Milchshake-Attacken auf SVP-Politiker als Akte heroischer Gegengewalt feiern.

Wichtig ist in dieser Weltsicht einzig, ob jemand gefühlsmässig der faschistischen Seite zugeordnet wird oder der antifaschistischen. Ob jemand Gewalt ablehnt und sich an demokratische Gepflogenheiten hält, spielt dagegen bei Freund wie Feind keine Rolle. Diese Logik passt bestens zur gegenwärtigen Woke-Kultur, die ihre Stärke gerne in Form von Shitstorms, Schnellurteilen und der Verehrung seltsamer Heiliger demonstriert. Sie gehört indes schon lange zum Wesen eines militanten Antifaschismus, der das demokratisch-kapitalistische «System» zu delegitimieren versucht, indem er möglichst viele Leute als Faschisten entlarvt. Ob Trump, die Polizei, die SVP oder sämtliche AfD-Mitglieder nach wissenschaftlichen Kriterien wirklich faschistisch sind (selbst politisch unverdächtige Historiker bezweifeln es), ist dabei egal. Denn wo ein neuer Faschismus droht, ist Gewalt legitim, und die Frage nach den wahren Zielen der Gewalttäter ist geradezu obszön.

Die Ursprünge dieses demokratiefeindlichen Antifaschismus gehen in die 1920er und die 1930er Jahre zurück, als der ehemalige Sozialist Benito Mussolini in Italien eine militaristische und rassistische Parteidiktatur errichtete, die in vielen Ländern Nachahmer und Bewunderer fand – namentlich in Deutschland. Für die extreme Linke, die sich in den kommunistischen Parteien sammelte, waren Hitler und Mussolini nur die aggressivsten Büttel des Finanzkapitals, das ihrer Meinung nach auch die Demokratie beherrschte. Folglich richtete sich ihr Kampf gegen den Faschismus von Anfang an gegen den Kapitalismus und die Demokratie, die wie 1917 in Sowjetrussland durch eine Parteidiktatur ersetzt werden sollte.

Wofür sie kämpfen, ist egal

Der Kreis der potenziellen Faschisten war dabei von Anfang an beliebig erweiterbar. Das mussten zuerst die deutschen Sozialdemokraten erfahren, die von den Kommunisten als «Sozialfaschisten» diffamiert wurden. Die Logik dahinter: Weil die SPD den Kapitalismus de facto duldete, war sie laut Stalin der «objektiv linke Flügel des Faschismus».

Die Folgen dieser Fehldiagnose waren desaströs: Adolf Hitler kam 1933 auch dank der Spaltung der Linken an die Macht, Tausende Kommunisten und Sozialdemokraten wurden verhaftet und ermordet. Aus dieser Niederlage trugen die Kommunisten jedoch einen nachhaltigen moralischen Sieg davon. Da das europäische Bürgertum zum Teil offen mit Faschisten und Nazis sympathisierte, vermarkteten sie sich geschickt als einzige wahre antifaschistische Kraft, die Sozialdemokraten und liberale Nazigegner bestenfalls als Juniorpartner duldete. Mit Hitler, so schreibt der französische Sozialwissenschafter und Ex-Kommunist François Furet in seinem Werk «Das Ende der Illusion», erhielt Stalin endlich einen Feind nach Mass. Aufgrund ihres mit zahlreichen Opfern errungenen Prestiges bestimmten die Stalinisten nun nicht nur darüber, wer Antifaschist sein durfte (im Prinzip jeder, solange er die Kommunisten nicht kritisierte), sondern auch, wer Faschist war (im Prinzip jeder, der lästig war oder als Sündenbock gelegen kam).

Statt an der Frage, wofür und mit welchen Methoden die Kommunisten eigentlich kämpften, wurden sie nun laut Furet einzig an ihrer Gegnerschaft zu Hitler, Mussolini und Konsorten gemessen. Selbst liberale Bürger und Intellektuelle glaubten nach 1933, man habe es hier mit echten Verteidigern der Freiheit und der Demokratie zu tun – denn so verkündete es ja auch die stalinistische Propaganda. Das ist umso bemerkenswerter, als Stalin unter Applaus seiner internationalen KP-Anhängerschaft in den 1930er Jahren die schlimmsten Verbrechen verüben liess, die jene des «Dritten Reiches» zunächst weit übertrafen: durch Folter konstruierte Schauprozesse gegen «faschistische» Verschwörer, Massendeportationen, Mordjustiz in Hunderttausenden Fällen.

Genauso unerbittlich machte die Führungsriege der KP Spaniens um Dolores Ibárruri im Spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) Jagd auf Andersdenkende in den eigenen Reihen, die mithilfe des sowjetischen Geheimdienstes als faschistische Agenten verfolgt wurden. 1939 entlarvte Stalin den linksextremen Antifaschismus endgültig als Lügengebilde, indem er mit Adolf Hitler einen Pakt zur Aufteilung Europas besiegelte. Weil Hitler diesen Pakt 1941 brach und von der Sowjetunion unter enormen Opfern besiegt wurde, lebte der Antifaschismus stalinistischer Prägung nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch wieder auf, mit einem Glanz, der bis heute nachwirkt. Zumal sich Politiker, Journalisten und selbst Wissenschafter gerne blenden lassen: Während der Antikommunismus gemeinhin als böse gilt, weil ihn übereifrige Bürgerliche und rechte Militärregime dazu missbrauchten, um gegen Andersdenkende aller Art vorzugehen, sieht man im Antifaschismus nur das Gute. Dies, obwohl er sich auch nach dem Krieg erneut in seiner vollen Widersprüchlichkeit entfaltete.

Ideologie? Welche Ideologie?

So lobte die Philosophin Susan Neiman kürzlich in der «NZZ am Sonntag» ausgiebig den Nachkriegs-Antifaschismus in Deutschland, der in der DDR «von oben» und in der BRD «von unten» gekommen sei, aber allemal «wünschenswert» gewesen sei. Als ob es hüben wie drüben nur um die Aufdeckung alter und neuer Nazi-Netzwerke gegangen wäre. In Wahrheit liessen Stasi-Chef Erich Mielke und seine Genossen im Namen des Antifaschismus Tausende demokratische Gegner einsperren, Volksaufstände niederknüppeln und einen «antifaschistischen Schutzwall» bauen, der als «Mauer» bekannt ist. Auch westdeutsche Berufsrevolutionäre witterten überall Faschisten, die Gewalt und Terror rechtfertigen sollten – unter anderem gegen Holocaust-Überlebende, die kollektiv für die «faschistische» Politik Israels büssen sollten.

All das waren keine Betriebsunfälle, sondern logische Konsequenzen einer überdrehten Ideologie, die sich jederzeit gegen jeden richten kann. Gleichwohl wird heute kaum jemand misstrauisch, wenn DDR-Nostalgiker, alte Stalinisten, Vermummte und jungsozialistische Eiferer an Demos verkünden, Faschismus sei «keine Meinung, sondern ein Verbrechen». Es klingt ja erst einmal gut, weshalb die Medien lieber von «bunten Protesten» berichten, als sich mit der Ideologie hinter solchen Parolen zu befassen.

Und während Hitler-Bezwinger Churchill und andere Ikonen derzeit postum für ihre Sünden büssen müssen, wird Dolores Ibárruri bis heute als Grande Dame des Antifaschismus verklärt, als Demokratin, deren Verstrickungen in den Stalinismus höchstens anzutönen oder als vorübergehendes Problem zu betrachten sind. Für manche Jungsozialistinnen ist sie gar ein Vorbild, das die Linke «einen» wollte. Auf die Idee, das berühmte Denkmal der Pasionaria in Glasgow mit Warnhinweisen zu versehen, ist die Generation Woke dagegen noch nicht gekommen.

«¡No pasarán!»: Im Spanischen Bürgerkrieg richtete sich dieser Schlachtruf gegen Faschisten und gegen alle möglichen Feinde.

065 Blick »Schwarze Sklaven, weisse Sklaven«

«Der König dieses Gebietes hält eine grosse Zahl von Sklaven und Konkubinen.» So berichtet der Geograf Leo Africanus 1510 über seinen Besuch in der afrikanischen Stadt Gao. Ihren kometenhaften Aufstieg verdankte die Hauptstadt des Songhai-Reichs der geografischen Lage am östlichen Nigerbogen und dem Import von Pferden, Waffen und Salz aus Nordafrika. Bezahlt wurde mit Gold und schwarzen Sklaven, die von schwarzen Jägern eingefangen wurden.

Araber versklavten Europäer

Anmerkungen 01 zu »Genesis«

Der US-amerikanische Molekularbiologe George M. Church hat mich vor zwei Jahren zur Romanfigur »Mendelez« inspiriert. Er gehört zu den Pionieren der Genom-Forschung und entwickelte Techniken zur DNA-Sequenzierung.

Die Hauptfigur des Romans »Genesis« ist jedoch eine junge indische Köchin, die vor einer Zwangsheirat nach London flüchtet.

Gestern publizierte Focus ein Interview mit George M. Church. Hier ein Auszug, am Ende der Link zum vollständigen Interview:

 

FOCUS: Ihr Labor zählt zu den Pionieren bei der Genschere Crispr/Cas9. Könnte jemand in absehbarer Zeiteinen Nobelpreis dafür erhalten?

Church: Den gab es kürzlich für das Genome Editing, das die DNA von Pflanzen, Tieren und Menschen zielgerichtet verändert. Dazu dient auch Crispr/Cas9. Ich glaube nicht, dass in einem so kleinen Abstand ein Nobelpreis für eine Sache aus demselben Bereich verliehen wird.

FOCUS: Sie arbeiten daran mit, das ausgestorbene Mammut in arktischen Regionen wiederauferstehenzu lassen. Worin liegt der Sinn dieses Vorhabens?

Church: Das ist nur ein kleiner Teil von dem, was wir tun. Aber ich selbst habe aus Sibirien Proben von sechs eingefrorenen, 43.000 Jahre alten Mammuts mitgebracht und ausgewertet. Die entscheidenden Gene überführen wir in asiatische Elefanten. Sie sind sehr eng mit Mammuts verwandt. Wenn deren Nachkommen auf dem Tundraboden grasen, verwandelt er sich langsam in jene Graslandschaft zurück, die er früher war. Diese Bodenbedeckung bindet deutlich mehr Kohlendioxid.

FOCUS: Das Ganze ist ein Klimaschutzprojekt?

Church: Zu 99 Prozent, ja. Vielleicht rechnetes sich das eines Tages auch ökonomisch.

https://www.focus.de/gesundheit/coronavirus/kampf-gegen-pandemie-samstag_id_12113697.html

064 Blick »Geliebte Monster«

©Blick 12.6.2020

«Gorilla, eine Negerin entführend» nannte Emmanuel Frémiet (1824–1910) seine Bronzefigur, die er für die Ausstellung im Pariser Salon einreichte. Die Jury war schockiert. Im gleichen Jahr hatte bereits der Naturforscher Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie die Gemüter erhitzt. Die Preisrichter hielten sich an die damalige Political Correctness und verbannten den Gorilla hinter einen Vorhang. Die «erzieherische Massnahme» war erfolgreich. Frémiet erschuf zwar erneut einen Affen, gab ihm aber eine weisse Frau zum Frühstück und nannte das Werk «Gorilla, eine Frau entführend». Er erhielt dafür prompt die Ehrenmedaille.

Frémiets bronzener Affe inspirierte zahlreiche Autoren. Kein Geringerer als Edgar Wallace schrieb ein Drehbuch mit dem Arbeitstitel «Die Bestie». Er verstarb noch vor dem Happy End. Überlebt hat nur die Legende, er habe das erste Film-Monster erschaffen.

Das eigentliche Original entstand 1933, «King Kong und die weisse Frau», damals der bis anhin erfolgreichste Kinostart. Da Produzenten zur Risikominimierung gerne auf Fortsetzungen und Neuverfilmungen setzen, gibt es für Monster kein Verfallsdatum. Aber Konkurrenten. Sie sind etwas kleiner, unsichtbar und nisten sich als blinde Passagiere im Organismus von Millionen Menschen ein. Solche Horrorszenarien sind beliebt, deshalb stürmen heute selbst alte Pandemie-Filme wieder die Top Ten der Streamingdienste.

In «Outbreak»(1995) stammte das Virus von Affen und wurde nicht in Wuhan, sondern in einem US-amerikanischen Labor weiterentwickelt. Auch in Danny Boyles «28 Days Later» (2002) sprang ein Affen-Virus auf den Menschen über und infizierte ihn mit «Wut».

In den letzten Monaten brauchte es keinen Infekt, um Menschen in Wutbürger zu verwandeln. Die einen sorgten sich um Lohneinbussen oder Jobverlust, andere hatten in ihrer Jugend nie gelernt, Einschränkungen zu akzeptieren, und nannten die Quarantäne «Isolationshaft», während sie mit einer Tüte Popcorn «Godzilla II» schauten.

Ende Jahr soll King Kong gegen Godzilla antreten. Falls die beiden keine halbe Milliarde Dollar einspielen, werden sie frühzeitig pensioniert. Als Nachfolger empfehlen sich Dinosaurier und Covid-20.