Textauszug Clemens Traub »Future for Friday“

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Clemens Traub ist Politik-Student an der Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz und SPD-Mitglied. Momentan ist er Werkstudent beim ZDF in der „heute“-Redaktion.

Clemens Traub ist als ehemaliger „Fridays for Future“-Demonstrant weit davon entfernt, den Klimawandel zu leugnen, distanziert sich aber mittlerweile von der Bewegung. Ein Auszug seiner Streitschrift erschien im Magazin CICERO. Daraus habe ich mit Erlaubnis des Autors einzelne Textstellen in diesen Blog kopiert.

© 2020 Clemens Traub

 

 

Das typische Milieu der meisten „Fridays for Future“- Demonstranten kenne ich gut. Es ist in gewisser Weise mein eigenes und das meines jetzigen Freundeskreises: großstädtisch, linksliberal, hip. Arzttöchter treffen darin auf Juristensöhne.

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Akademikerkinder bleiben unter sich. Ein Querschnitt der Gesellschaft also, den die Klimaproteste abbilden? Weit gefehlt! „Fridays for Future“ ist die Rebellion der Privilegierten, und die Bewegung bietet ihnen die perfekte Möglichkeit, ihren eigenen kosmopolitischen Lebensstil und das eigene Talent zur Schau zu stellen.

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Klimaschutz auf Kosten der sozial Schwächeren

Die Bewegung in ihrem Elfenbeinturm merkt dabei gar nicht, dass ihre Kritik den Lebensstil vieler sozial Schwächerer betrifft, die aus finanziellen Gründen nicht immer die freie Wahl haben. Sie werden als Klimasünder gebrandmarkt, weil sie nicht im Bioladen einkaufen, sondern beim Discounter. Dass es Menschen gibt, bei denen die Sorgen angesichts immer höherer Strom- und Mietpreise die Diskussion über den Verzicht auf Flugreisen von vornherein obsolet machen, das kommt den Demonstranten gar nicht in den Sinn.

Wie auch? In ihrer wohlbehüteten Lebenswelt ist das alles ganz weit weg. Gerade das macht die Bewegung aber zu einem Risiko, denn sie setzt den sowieso schon fragilen Zusammenhalt unserer Gesellschaft aufs Spiel. Für einen großen Teil der Bevölkerung überwiegen jedoch andere, dringlichere Alltagssorgen. Wer angesichts der Ankündigungen der Industrie Angst hat, von Jobabbau betroffen zu sein, für den ist im Moment die Brandrodung im tropischen Regenwald zweitrangig.

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Die oftmals alltagsfern geführten Diskussionen grenzen weniger privilegierte Menschen in der öffentlichen Debatte aus.

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Andauernd hoben sie mahnend den Zeigefinger. Blickten aus dem Elfenbeinturm auf alle Menschen, die anderer Meinung waren, herab.

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Bewegung des sozial privilegierten Nachwuchses

Dieser Zeigefinger wurde langsam, aber sicher das Wiedererkennungsmerkmal der Bewegung. Ihre Feindbilder waren glasklar. Ihr Weltbild gefährlich eindimensional. Meine Großstadtfreunde bekämpften plötzlich alle, die in ihren Augen eine Mitschuld am elend der Welt trugen: die Fleischesser, die Plastiktütenträger, die Dieselfahrer, die Kurzstreckenflieger, die Langstreckenflieger, die Kreuzfahrttouristen, die Landwirte und natürlich die bösen SUV-Besitzer. Aber ganz ehrlich: Gehören wir nicht alle immer mal wieder zu einer dieser Gruppen?

Elitäre Selbstüberschätzung, wohin ich blickte. In ihrer moralischen Überheblichkeit war (und ist) ihnen gar nicht bewusst, wie viele „normale“ Menschen sie damit vor den Kopf stießen.

Meine Einschätzung, bei „Fridays for Future“ handle es sich vor allem um eine Bewegung des sozial privilegierten Nachwuchses, ist inzwischen mit entsprechenden Zahlen belegt.

Finanziert wurde die Studie von der Bündnis 90/Die Grünen-nahen „Heinrich Böll Stiftung“.

Die Studie spricht Bände: Demnach gaben über 90 Prozent der Befragten an, mindestens das Abitur (beziehungsweise die Fachhochschulreife) gemacht zu haben oder dies gerade anzustreben. Eine überwältigende Mehrheit von 90 Prozent!

„Fridays for Future“ verkörpert damit nicht einmal ansatzweise den Querschnitt der Gesellschaft, wie so oft behauptet wurde.

Mich wunderte, wie wenig das ernüchternde Ergebnis der Studie dann jedoch diskutiert wurde. Dabei musste die Gesellschaft doch aufgeklärt werden über den privilegierten Background und die daraus folgende Abgehobenheit der jungen Protestler. Verändert dies nicht den gesamten Blickwinkel auf die bestimmende gesellschaftliche Debatte der letzten Monate?

Gerade die Aushängeschilder der Bewegung kommen allesamt aus „bürgerlichsten“ Verhältnissen.

Da haben wir zum Beispiel Luisa Neubauer, die bekannteste deutsche „Fridays for Future“-Aktivistin. Aufgewachsen ist sie im recht gut betuchten Elbvorort Iserbrook in Hamburg. Alle Hamburger wissen: Nicht gerade eine Wohngegend, die bekannt ist für ihren sozialen Wohnungsbau. Ihr Abitur machte sie in Hamburg-Blankenese.

Es ist das Hamburger Villenviertel schlechthin. Sightseeing-Busse bieten inzwischen Rundfahrten durch das Viertel an, um den neugierigen Touristen die Prachtvillen zu präsentieren. Sie ist Stipendiatin der parteinahen Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen und auch Mitglied der Partei. Einer Politikerkarriere steht also nichts im Wege, das sagt sie auch selbst. „Eine Karriere als Politikerin möchte ich nicht ausschließen“, erzählte sie beispielsweise „Zeit Campus“.

Perfekte Selbstvermarktung

Rebellion von unten sieht anders aus. Perfekte Selbstvermarktung trifft es wohl eher. Die Inszenierung als Underdog bekommt jedenfalls Risse. Heute erreicht man Luisa Neubauer nur noch über ihr Management! Demonstranten als Popstars! Und die kann man natürlich auch nicht mehr einfach auf der Straße ansprechen, wenn man zusammen demonstriert. Jedenfalls nicht bei „Fridays for Future“. Also bitte, was für eine naive Vorstellung! Zwar gibt es auch innerhalb der „Fridays for Future“-Bewegung Kritiker der ausufernden Personeninszenierungen, doch eine wirkliche Veränderung ist nicht in Sicht.

Aus der Klimabewegung ist zwischenzeitlich vor allem eines geworden: ein Karrieresprungbrett für den ehrgeizigen Elitennachwuchs. „Fridays for Future“ ist die perfekte Bühne, um von sich Reden zu machen. Vielen der gebildeten Akademikersprösslinge ist das natürlich bewusst. Je mehr mediale Aufmerksamkeit, desto attraktiver ist es, in der ersten Reihe zu stehen. Vermeintlich idealistischer Aktivismus lässt sich inzwischen sehr gut vermarkten.

Einmal einen Auftritt in einer Talkshow ergattern oder zumindest einmal den eigenen Namen in der Zeitung lesen können – all das kann zur Chance des Lebens werden. In vorderster Reihe dabei zu sein fühlt sich nicht nur wahnsinnig gut an, es ist auch eine Art Freifahrtschein für das spätere Berufsleben. Und als wenn das nicht schon ausreichen würde: Eine Flut neuer Instagram-Follower ist natürlich auch noch eine traumhafte Begleiterscheinung. In diesem sinne: Volle fahrt voraus!

Rebell zum eigenen Vorteil

Die Elite von morgen

Die allermeisten „Fridays for Future“-Aktivisten wissen: Ihnen gehört die Zukunft. Viele haben die klassische Biografie eines Kosmopoliten. Ihnen wurde durch ihre soziale Herkunft alles in die Wiege gelegt, um zum Profiteur unseres Systems zu werden. Einfach alles stimmt: das Auftreten, das soziale Umfeld und natürlich die Bildung.

Obwohl sie den Weltuntergang als permanente Drohung vor sich hertragen, bereitet ihnen ihre Zukunft keine Angst. Warum denn auch? Für sie stehen die Türen sehr weit offen. sie beherrschen die komplizierten Regeln unserer individualisierten Wissensgesellschaft ganz genau. Sie werden ihr Praktikum in Brüssel und nicht in Bottrop machen. Lieber EU-Kommission als Einzelhandel. Der wird zukünftig eh keine Chance mehr haben. Und außerdem: Connections regeln! Ihr englischer Wortschatz ist meist größer als der deutsche. Perfekt vorbereitet also auf die Zukunft, komme was wolle. Denn sie sind die Elite von morgen. Das Gefährliche daran: All das ist den Demonstranten meist gar nicht bewusst.

Außenseiter sein, erst das macht das Rebellentum sexy. Was muss ein sozial Abgehängter denken, wenn sich auf einmal wohlhabende Kosmopoliten in der rolle des Außenseiters gefallen! Und sie gefallen sich nicht nur in ihr. Nein, sie inszenieren sie regelrecht.

Statt Gerechtigkeitsfragen bei „Fridays for Future“ mit zu bedenken, reduzierte sich die Bewegung von Anfang an rein auf Fragen des Lebensstils. Auch in meinem Freundeskreis ist Artensterben einfach cooler als Altersarmut. Ist das Thema Gender hipper als Grundrente.

Der neue grün-bürgerliche Habitus regelt das Freund-Feind-Schema der Klimadebatte.

© 2020 Clemens Traub

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