01-24 Weltwoche: Erich von Däniken, »Karl May der Ausserirdischen«

Erich von Däniken ist der Weltstar der Prä-Astronautik. Jetzt folgt sein neuster Streich. Das Timing könnte besser nicht sein.

Der Basler Bestseller-Autor Claude Cueni liefert die längst fällige Würdigung dieses grossen Schweizer Schriftstellers und Forschers.


Er hat mehr Bücher verkauft als alle lebenden Schweizer Autorinnen und Autoren zusammen. Über 67 Millionen Exemplare in 32 Sprachen. Für die einen ist Erich von Däniken (EvD) der «Prophet der Vergangenheit», für andere der Karl May der Ausserirdischen. Er selbst, der am 14. April seinen 89. ​Geburtstag feiern wird, bezeichnet sich als «Autor narrativer Sachbücher». Er sieht sich nicht als Wissenschaftler, sondern als Vertreter der Prä-Astronautik, einer Disziplin, die Altertumswissenschaften mit Astronautik verbindet und nach Spuren ausserirdischer Intelligenz sucht (auch Seti genannt).

Was schreibt einer, der bereits 46 Bücher zum Thema publiziert hat? Sein 47. Werk erscheint unter dem Titel «Und sie waren doch da!», ein «Best of Erich von Däniken», eine Zusammenfassung seines Lebenswerkes, das Bücher, Reisen, TV-Dokus und -Serien umfasst. Auf 240 Seiten präsentiert er «die ultimativen Belege für den Besuch von Ausserirdischen», die er seit seinem Erstlingswerk «Erinnerungen an die Zukunft» (1968) zusammengetragen hat.

Bibel wird zu Science-Fiction

Man fragt sich unwillkürlich: Wozu noch weitere Beweise? Hält er seine bisherigen für nicht stichhaltig genug? In der Tat sind in den letzten 56 Jahren viele seiner eigenwilligen Interpretationen von Archäologen, Historikern und Reenactment-Gruppen widerlegt worden. Doch nicht alles spricht gegen EvD, denn Wissenschaft bedeutet, dass man vermeintliches Wissen ständig hinterfragt und neusten Erkenntnissen anpasst. Dank neuen Technologien, die oft Nebenprodukte der Rüstungsindustrie sind, werden beinahe im Wochentakt neue archäologische Fundstätten aufgespürt, datiert und ausgewertet. Sie schreiben die Geschichte teilweise neu. Auch das Schmelzen der Gletscher legt mittlerweile so viele über tausend Jahre alte Fundstücke frei, dass Glazialarchäologen mit dem Einsammeln kaum nachkommen.

Als 1968 von Dänikens erstes Buch erschien, hielten ihn viele für einen liebenswerten Spinner, doch die Art und Weise, wie er historische Fakten deutete, faszinierte viele und machte seine Bücher und Filme zu Bestsellern. Der historische Teil war stets interessant, weil mit Quellen belegt. Die Kernthese blieb über all die Jahre gleich: Ausserirdische haben vor langer Zeit die Erde besucht und werden eines Tages wiederkommen. In zahlreichen Kulturen sind solche Geschichten überliefert, und wenn man «Engel» und «geflügelte Götterboten» durch «ausserirdische Briefträger» ersetzt, liest sich sogar die Bibel wie spannende Science-Fiction.

Von Aliens zurückgelassen

Etliche Autoren haben sich in den letzten 200 Jahren mit dem Thema beschäftigt, aber die meisten dümpelten zwischen Mystik und Esoterik. EvD hätte in den 1970er Jahren locker eine lukrative New-Age-Religion gründen können. Damals erfand der französische Sportjournalist Claude Vorilhon eine Ufo-Religion und reiste als Raël, Sohn der ausserirdischen Zivilisation Elohim, Uriella-mässig durch Europa, um Spenden für den Bau eines Ufo-Flughafens zu sammeln. Später nannte er sich «Bruder von Jesus».

Im Unterschied zu all diesen religiös angereicherten Ufo-Sekten beschränkte sich EvD auf historisches Material, das er im Stil eines Science-Fiction-Autors spannend verpackte. Er gründete die internationale Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und Seti (A. A. S.), tourte als nimmermüder Tausendsassa durch die Welt, besuchte archäologische Fundstellen, hielt zigtausend Vorträge, moderierte zahlreiche TV-Dokus und -Serien, betrieb erfolgreiches Marketing in eigener Sache und begeisterte mit seiner Leidenschaft Millionen von Lesern, Zuhörern und Zuschauern. Sie nehmen ihm nicht übel, dass er längst widerlegte Thesen, wie zum Beispiel die Interpretation der Moai Figuren auf der Osterinsel, weiterverbreitet. 

Mit bald 89 Jahren ist es Zeit, über einen Nachfolger nachzudenken. In der Person seines langjährigen Sekretärs Ramon Zürcher, 40, hat er ihn gefunden. Dieser betreibt die Plattform «Sagenhafte Zeiten» und kooperiert mit dem Online-Magazin Hangar 18b , das seinen Namen mit der Zeile «Ufos, Mysterien, Paranormales» unterlegt. Ein Fall von Rebranding? Das wird ihn kaum kümmern, denn er ist längst zur Marke geworden.

Stephen Hawkings Warnung

Das Timing für von Dänikens 47. Buch könnte besser nicht sein. Letzten Sommer behauptete David Grusch, ein ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter der Air Force, vor dem Kongress des Repräsentantenhauses: «Es gibt tote Ufo-Piloten.» Zusammen mit David Fravor, einem Ex-Kommandanten der US-Navy, und Ryan Graves, einem ehemaligen Navy-Piloten, beteuerte er unter Eid, dass die US-Regierung und das Pentagon ausserirdische Raumschiffe geborgen hätten und daran forschten. Grusch sagte, er habe diese Informationen von mehr als vierzig Insidern erhalten. Er deutete an, er habe auch Akten gesehen. Kürzlich bestätigte auch Tim Gallaudet, Navy-Konteradmiral a. D. und ehemaliger Direktor der US-Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA, dem TV-Sender News Nation: «Wir werden von nichtmenschlicher Intelligenz besucht, mit Technologien, die wir ebenso wenig verstehen wie deren Absichten.»

Im Gegensatz zu Europa ist das Thema «nichtmenschliche Intelligenz» in den USA omnipräsent. Selbst die New York Times interviewte Piloten der Marines, die behaupten, zwischen 2014 und 2015 fast täglich über der Ostküste der USA unbekannte Flugobjekte gesichtet zu haben. Und auch im Repräsentantenhaus wird heftig darüber debattiert, ob die Regierung ihre Ufo-Akten veröffentlichen soll, und wenn ja, in welchem Umfang. Der Widerstand lässt darauf schliessen, dass hier die Mutter aller Scoops gehütet wird.

Die einen glauben, dass insbesondere religiöse Menschen beim Lüften der Ufo-Akten in Panik geraten würden, andere glauben, dass der Rüstungskonzern Lockheed Martin sichergestellte Ufos nachbaut und dies aus naheliegenden Gründen geheim halten muss. Generell deuten die zunehmenden Meldungen darauf hin, dass man den Menschen schonend beibringen will, dass es da draussen noch etwas anderes gibt und dass diese Weltraumtouristen uns Tausende von Jahren voraus sind. Mittlerweile glauben gemäss einer Online-Umfrage des Magazins Focus bereits über 85 ​Prozent, dass wir von Ausserirdischen besucht werden. Für sie sind von Dänikens Theorien wahrscheinlich nicht mehr so interessant, Hollywoods Blockbuster haben sie längst überzeugt.

Nichtmenschliche Intelligenzen, die bei uns auf Safari sind, wären uns Jahrtausende voraus. Nicht nur Stephen Hawking hatte davor gewarnt, zu früh mit ihnen in Kontakt zu treten. Die einen fürchten, dass sie uns so behandeln werden, wie wir als Konquistadoren technologisch unterlegene Kulturen zerstört haben. Andere glauben an (oder hoffen auf) die in den meisten Kulturen thematisierte Rückkehr der göttlichen Lehrmeister, die uns von allem Übel erlösen.

Ist nun mit dem 47. Buch alles gesagt? Für einen Workaholic gibt es kein «letztes Buch». Wer ein Leben lang geschrieben hat, kann auch im fortgeschrittenen Alter die Tinte nicht halten. Gemäss seinem Sekretär Ramon Zürcher plant Erich von Däniken noch eine Publikation mit dem Arbeitstitel «Notizen», ein autobiografisches Buch über Begegnungen mit Menschen und über das, was ihn das Leben gelehrt hat. Ein weiteres Buch mit «ultimativen Beweisen» macht keinen Sinn mehr, die nächsten Kapitel werden US-Medien schreiben. Hatte EvD trotz einiger  Irrtümer mit seiner Kernthese doch recht? 

«Akademisches Blabla»

Dass ihn die Wissenschaft belächelt, scheint ihn immer noch zu kränken. Im letzten Kapitel seines neuen Buches zieht er über «die da oben» vom Leder, nennt einige ihrer Gegenargumente «akademisches Blabla», hält sie für «Unsinn», sie «stinken zum Himmel», «heiliger Bimbam!!». Er spart nicht mit Ausrufezeichen. Und «basta!».

Auch dafür lieben ihn seine Fans: David gegen Goliath, Autodidakt gegen Wissenschaft. Wer hätte gedacht, dass ein Schweizer Hotelier zum Weltstar der Prä-Astronautik wird?

Heiliger Bimbam, das muss man können.

EvD kann es.


Der Text erschien erstmals am 11. Januar 2024 in der Weltwoche.


 

155 Blick: »Mein Jahresrückblick 2023«

Der Bund plant die grosse Vegi-Offensive. Die Migros meldet «Poulet-Boom» und baut Schlachtkapazitäten aus.

Darkroom katholische Kirche. Ausgerechnet der mitbeschuldigte Basler Bischof Felix Gmür (57) will als Präsident der Schweizer Bischofskonferenz die Missbrauchsfälle aufarbeiten.

Eidgenössische Wahlen. «Die Schweiz zeigt ihr hässliches Gesicht», schreibt das deutsche Magazin «Focus», während in Berlins Strassen religiöse Fanatiker «Allahu Akbar» skandieren, die Einführung der Scharia fordern und jüdische Einrichtungen zerstören.

Schwarzer Tag für die Grünen. Minus 3,42 Prozent. Parteipräsident Balthasar Glättli (51) glaubt, «die Kampagne sei so gut wie nie gewesen». Meint er die Aktionen der Asphaltkleber, die 90 Prozent der Bevölkerung nerven?

Bundesratswahlen. Der Basler Beat Jans (59) steigt in die Top 7 auf und wird als Nichtjurist Justizminister.

Trotz massiver Zuwanderung bleibt der Mangel an Fachkräften bestehen. Ist für einige die Aufnahme ins Sozialsystem bereits die höchste Sprosse der Karriereplanung?

Regimetreue Eritreer prügeln sich mit Gegnern des Diktators Isayas Afewerki (77). Ein Hotelier aus St. Moritz GR empfiehlt: Man ist freundlich zu den Gästen, und wenn sie die Hausordnung missachten, schickt man sie wieder nach Hause.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur im Oktober 2023: «Der Covid-19-Impfstoff wurde nicht zur Verhinderung der Übertragung von einer Person auf eine andere zugelassen.» Man muss zweimal lesen.

Von Oprah Winfrey (69) bis Gil Ofarim (41): Die Inszenierung als Opfer bleibt populär. Wurden Sie heute schon beleidigt?

Jetzt werden auch Krisen «diverser». Vor der Midlife-Crisis kommt die Quarterlife-Crisis. Ist das Leben in der Mimosengesellschaft eine Abfolge von Krisen?

«8-Stunden-Tage sind einfach verrückt», weint eine Gen-Z-Influencerin in ihrem Tiktok-Video, während der Schwiegervater von Briten-Premier Rishi Sunak (43) die 70-Stunden-Woche für Indiens Jugend fordert.

«Langfristig werden wir nicht mehr arbeiten», sagt Ex-OpenAI-Manager Zack Kass, und «es gibt eine gute Chance, dass ich ewig leben werde». Künstliche Intelligenz (KI) wird ein Booster für alle Bereiche, von der Krebsforschung bis zur Kriegsführung. Wird KI den Menschen als Ungeziefer einstufen? Demnächst soll es möglich sein, mit Hunden zu sprechen.

USA. Ein Whistleblower sagt im US-Kongress unter Eid: «Wir haben tote Ufo-Piloten.» Ex-Admiral Timothy Gallaudet (56) doppelt nach: «Wir werden von einer nicht-menschlichen Intelligenz besucht.» Hatte Erich von Däniken (88) mit seiner Kernthese etwa doch recht?

Weltuntergang abgeblasen. Die Klimaszenarien des Atmosphärenphysikers, Klima- und Polarforschers Markus Rex (57) zeigen kein Aussterben der Menschheit. Er rät weiter zu Klimaschutz, aber Klimaschutz ohne Panik.

Greta (20) muss also diversifizieren. Nachdem die von ihr für Sommer 2023 prophezeite Auslöschung der Menschheit ausgeblieben ist, trägt sie jetzt das Banner jener, die Israel auslöschen wollen. How dare you? Folgt demnächst der Aufruf «Kauft nicht bei Juden»?

Die neue Abnehmspritze setzt den Nahrungsmittelriesen zu. Auch ihre Umsätze und Gewinne nehmen ab.

Immer mehr Nahrungsmittel gelten als gesundheitsschädigend. Beruht es auf Unwissenheit, dass wir uns überhaupt noch ernähren?

Nach mir die Sintflut. Die aktuelle Verschuldung der USA hat die Marke von 33,5 Billionen US-Dollar überschritten.

«2025 führen die USA Krieg mit China», prophezeit Air-Force-General Mike Minihan (56). Auslöser sollen die Wahlen 2024 in Taiwan sein. Die mittlerweile hochgerüsteten Philippinen würden als Landebahn dienen.

Die Haut der Zivilisation ist dünn. Der Nahost-Konflikt offenbart eine unglaubliche Barbarei. Glaubt noch jemand, man könne alle Kulturen integrieren?

Nach fast zwei Jahren nennt Wladimir Putin (71) seinen Angriffskrieg nicht mehr «militärische Operation», sondern Krieg und stellt auf Kriegswirtschaft um. Deutschland besorgt, weil militärisch unterversorgt.

«Der Krieg in der Ukraine eröffnet auch Chancen für die französische Industrie. Es tut mir leid, dass ich das so sage, aber man muss dazu stehen.» Sébastian Lecornu (37), französischer Verteidigungsminister in «France Info».

Der neugewählte argentinische Präsident Javier Milei (53) startet eine ultraliberale Revolution. «Alles, was in den Händen des privaten Sektors sein kann, wird in den Händen des privaten Sektors sein.»

Nachdem Uncle Ben’s von allen Reisverpackungen vertrieben worden ist, taucht er nun stark verjüngt in allen möglichen Werbekampagnen auf.

Grossartige Frauen-WM in Australien/Neuseeland verhilft dem Frauenfussball zum medialen und finanziellen Durchbruch.

Ich schliesse meinen Jahresrückblick 2023 mit den Worten von Joe Biden (81) (Pressekonferenz in Vietnam): «Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich werde jetzt ins Bett gehen.»

 

154 Blick: »Merry Christmas, Woke Disney«

 

In diesem Jahr feiert der Walt-Disney-Konzern sein 100-Jahr-Jubiläum. Hat er Grund zum Feiern? Der Aktienkurs fiel in den letzten zwei Jahren um über 39 Prozent. Zu allem Übel entzog Florida dem Freizeitpark Disney World auch noch die Sonderrechte und nächstes Jahr läuft der Patentschutz für den Ur-Mickey-Mouse (ohne Hut und Handschuhe) aus dem Jahre 1928 aus. Die Aktionäre sind not amused.

 

Es war gut gemeint, als der Konzern die süsse Minnie zum Herrenschneider schickte und Schneewittchen ins Solarium. Bei den sieben Zwergen diskutiert man wahrscheinlich noch eine Hormontherapie, auf jeden Fall könnten in Zukunft zwei schwul, einer trans und einer behindert sein. Und alle schön bunt. Das wären dann mindestens 48 Zwerge.

 

Es bleibt das Geheimnis der Marketingabteilung, wieso sie nicht einfach neue Storys mit woken Charakteren kreiert. Das hätte niemanden gestört. War also der missionarische Eifer stärker als die Marktforschung? Praktisch alle Online-Umfragen zeigen, dass sowohl Mickey Mouse als auch das Publikum Indoktrination ablehnen. Man bezahlt für Unterhaltung, nicht für Belehrung.

 

Man muss schon besessen sein, um derart am Markt vorbeizuproduzieren. Eine alte Regel lautet nämlich: Wer die Masse erreichen will, sollte sich nicht politisch äussern. Jeder Facebook-Nutzer kann ein Lied davon singen. Auch Anheuser-Busch, Adidas und viele andere.

 

Nun musste Disney ausgerechnet im Jubiläumsjahr der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC melden, dass sie Fehler in der politischen Ausrichtung gemacht hat: «Wir sind Risiken im Zusammenhang mit einer Fehlanpassung an den Geschmack und die Vorlieben der Öffentlichkeit und der Verbraucher in den Bereichen Unterhaltung, Reisen und Konsumgüter ausgesetzt, die sich auf die Nachfrage nach unseren Unterhaltungsangeboten und -produkten sowie auf die Rentabilität aller unserer Unternehmen auswirken.»

 

Walt Disney diskutiert diese Woche einen Zusammenschluss mit Reliance Industries, dem grössten Privatunternehmen Indiens. Doch mit Blackwashing dürfte Disney dort Probleme haben, denn über 65 Prozent der Asiatinnen benutzen Hautaufheller. Wird dann die Doku über Nelson Mandela mit einem weissen Schauspieler besetzt?

 

Merry Christmas, «Woke Disney».

153 Blick »Selenski allein zu Hause«

Am 24. Februar 2022 begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der damalige Bundesrat Ueli Maurer sprach von einem «Stellvertreterkrieg». Dafür wurde er kritisiert. Im September 2024 sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor einem EU-Ausschuss, dass die Nato-Erweiterung Kriegsgrund war: «Präsident Putin erklärte im Herbst 2021, die Nato solle versprechen, sich nicht mehr zu erweitern. Es war seine Bedingung, um nicht in die Ukraine einzumarschieren. Natürlich haben wir das nicht unterschrieben.» Die fehlende Unterschrift kostete bisher über eine halbe Million Tote und Verletzte und den westlichen Steuerzahler wohl über eine Viertelbillion.

Der israelische Ex-Premier Naftali Bennett versuchte gleich nach Kriegsbeginn zu vermitteln, «der Frieden war zum Greifen nah», aber USA und Nato hätten das verhindert, weil sie zuerst Russland militärisch schwächen wollten.

Der Westen behauptet, Selenski verteidige die freie Welt, ausgerechnet er, der die Meinungsfreiheit mit Füssen tritt, Parteien verbietet und Oppositionelle inhaftiert. Jean-Claude Juncker, ehemaliger EU-Kommissionspräsident, sagt der «Augsburger Allgemeinen»: «Wer mit der Ukraine zu tun gehabt hat, der weiss, dass das ein Land ist, das auf allen Ebenen der Gesellschaft korrupt ist.» Der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari verrät: Korrupte ukrainische Militärs verkaufen Nato- und US-Waffen auf eigene Rechnung an islamistische Terroristen von Boko Haram und IS.

Ein enger Berater von Selenski sagt dem Magazin «Time»: «Er macht sich etwas vor. Wir haben keine Optionen mehr. Wir werden nicht gewinnen. Aber versuchen Sie mal, ihm das zu sagen.» Ins gleiche Horn bläst Saluschni, Oberkommandierender der Streitkräfte. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko wirft Selenski vor, die Öffentlichkeit anzulügen, «aber am Ende dieses Kriegs wird jeder Politiker für seine Erfolge oder Misserfolge zahlen».

Wer Kriege nicht gewinnen kann, sollte sie möglichst schnell beenden und keine Landsleute mehr in den Tod schicken. Olexij Arestowytsch, ehemaliger Berater von Selenski, will verhandeln und fordert Neuwahlen. Vielleicht braucht der ruppige Showbiz-Präsident demnächst doch eine Mitfahrgelegenheit.

152 Blick: »Als Dagobert seine Neffen grüsste«

Die gestern (27.11.23) in Bellinzona verurteilten Basler Bombenleger nannte der Richter «skrupellos und habgierig». Ihr Idol war »Dagobert«, aber sie waren schlicht zu dumm, um »Dagobert« zu sein. Mein Text auf:


Kaufhaus-Erpresser Arno Funke war Idol der Basler Sprengstoff-Täter

Die jungen Basler Sprengstoff-Täter, die vom Bundesstrafgericht in Bellinzona TI zu fünf und sechs Jahren Haft verurteilt wurden, hatten ein Idol: den deutschen Kaufhaus-Erpresser Arno Funke alias Dagobert. Er wurde ein Medienstar.


Er träumte davon, Picasso zu werden, und wurde Dagobert, der Kaufhauserpresser. Zuvor hatte Arno Funke (73) eine Ausbildung als Fotograf begonnen. Auch in den 1970ern träumten viele Jugendliche davon, Künstler zu werden, irgendetwas Kreatives, bloss kein Achtstundenjob, man wollte ein bisschen «Gipsy» sein – das war die Zeit, in der man «Zigeuner» noch mit «Lebenskünstler» assoziierte.

Nach dem Abbruch der Fotografenlehre schaffte Arno Funke einen Lehrabschluss als Schildermaler und versuchte sich weiterhin als Kunstmaler. Ohne Erfolg. Ab 1980 arbeitete er als Kunstlackierer in einer Autowerkstatt. Den Achtstundentag empfand der 68-er als Folter, und so erpresste er 1988 das Berliner Kaufhaus des Westens. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, deponierte er eine Bombe, die zur Nachtzeit detonieren sollte. Sie tat es nicht, die Geldübergabe scheiterte.

Eine halbe Million erpresst – und pleite

Also legte Arno Funke erneut eine Bombe. Diesmal detonierte sie und verursachte nicht nur einen Schaden von einer Viertelmillion Deutschen Mark, sondern ebnete auch den Weg für eine erfolgreiche Übergabe von 500’000 DM Lösegeld. Bereits nach vier Jahren war Funke wieder pleite. Arbeiten kam nach wie vor nicht infrage, also versuchte er es erneut mit einer Kaufhauserpressung. Diesmal forderte er 1,4 Millionen DM. Mit der Polizei kommunizierte er über Zeitungsannoncen mit dem Code «Onkel Dagobert grüsst seine Neffen».

 

Etliche Straftäter versuchen, mit Humor Medien und Öffentlichkeit für sich zu gewinnen: Bonnie (1910–1934) und Clyde (1909–1934) bedankten sich beim Autobauer Henry Ford für den neuen Achtzylinder, der jedes Polizeiauto abhängt; der Schweizer Ausbrecherkönig Walter Stürm (1942–1999) hinterliess die Notiz «Bin Ostereier suchen gegangen». Dagobert war beste Unterhaltung.

So aufwendig war kein anderer Erpressungsfall

Das änderte sich auch nicht, als Funke in einem Warenhaus in Hannover (D) eine weitere Bombe legte und diese während der Öffnungszeit im Lift detonierte. Dass dabei nicht Menschen in Fetzen gerissen wurden, war nicht sein Verdienst, sondern dem Zufall geschuldet. Einige Journalisten stilisierten Dagobert zu Robin Hood, obwohl Arno Funke Tote in Kauf nahm, um sich, und niemand anderes, zu bereichern.

Im Frühjahr 1994 endete der aufwendigste Erpressungsfall der deutschen Kriminalgeschichte. Dagobert wurde wieder das, was er nie sein wollte: ein Verlierer, ein Nobody. Neun Jahre Haft kassierte er vom Berliner Landgericht in zweiter Instanz.

Gast in Talkshows und im «Dschungelcamp»

Als verurteilter Krimineller betrat Arno Funke 1996 seine Zelle in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, als Medienstar Dagobert verliess er sie bereits nach sechs Jahren wieder. Wegen guter Führung. Während der Haft hatte er Karikaturen für die Satirezeitschrift «Eulenspiegel» gezeichnet, darunter auch das antisemitische Cover zur Titelstory über den jüdischen Politiker Michel Friedman. Er entwarf auch Wahlplakate für die Partei «Die Linke».

Funke wurde gefeiert, schrieb seine Autobiografie, nahm an Literaturfestivals teil, trat in Talkshows und Filmen auf – und 2013 im «Dschungelcamp».

 

Heute stellt er seine Karikaturen in Galerien aus und hält Vorträge. Für ihn hat sich Verbrechen gelohnt. Anders als für die beiden jungen Basler Sprengstoff-Täter, die ihn zum Vorbild nahmen und nun vom Bundesstrafgericht in Bellinzona TI zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurden.


Erstmals erschienen im Blick vom 27.11.23


 

151 Blick »Gilt Diversität auch bei Meinungen«?

«Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich würde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es sagen zu dürfen.» Der Satz stammt nicht von Voltaire, sondern von der englischen Schriftstellerin Evelyn Hall (1868–1956), die in ihrem Buch «The Life of Voltaire» (Das Leben von Voltaire) den Satz niederschrieb. Sie hat dabei nicht Voltaire zitiert, sondern seine Denkweise wiedergegeben.

George Orwell (1903–1950) formulierte es später so: «Meinungsfreiheit bedeutet, Dinge zu sagen, die niemand hören will.» Das gilt auch für Unanständiges, das ist der Preis für Meinungsfreiheit, das muss man aushalten. Für Strafbares sind die Gerichte zuständig und nicht der Mob mit der grössten medialen Unterstützung.

Jeder Wimpernaufschlag wird mittlerweile politisch gedeutet, die Welt, ein einziges Fettnäpfchen. Man lebt im permanenten Duell-Modus. Noch bevor der politische Gegner den Mund aufmacht, zieht man blank. Man ist entweder Pro oder Kontra, jeder verharrt in seiner Trutzburg, man verteidigt Liebgewonnenes wie die Konservativen von einst.

Vielen fällt schwer zu akzeptieren, dass Diversität auch bei Meinungen gilt. Die Kita-Abteilung der SP (18 % Wähleranteil) glaubt, dass die SVP (27 %) keine Daseinsberechtigung hat. Sie schliesst ihr Positionspapier vom 24. September 2023 mit den Worten: «Die Schweiz hat keinen Platz für die SVP. Die SVP muss weg.» Und dann sind FDP und Mitte fällig? Das ist die Denkweise von Staaten wie China, Kuba, Nordkorea, Eritrea und anderen Diktaturen. Was für ein unreifes Demokratieverständnis! Sowohl SP als auch SVP sind für eine funktionierende Demokratie wichtig, weil beide einen Grossteil der Stimmberechtigten vertreten.

Eine Studie über die Polarisierung in Europa kommt zum Schluss, dass Menschen, die «links, urban und gebildet» sind, am meisten Mühe haben, andere Meinungen zu akzeptieren. Das ist nicht neu. Neu ist, dass es dazu eine Studie gibt.

Wer Diversität ernst nimmt, ist nach allen Richtungen offen. Unabhängig von Hautfarbe, sexueller Orientierung und politischer Gesinnung. Wer nur mit seinesgleichen verkehrt, hört nur, was er schon weiss. Man wünscht sich mehr Gelassenheit und Humor. Ein Demokrat, der eine andere Meinung hat, ist kein Feind.

NZZ Sehr lesenswert

Die Hamas mordet und schändet wahllos Kinder und Frauen – und das linke Milieu applaudiert. Was läuft hier gerade falsch?
Der Gazakrieg hat eine Orgie des Antisemitismus entfesselt, der die besten Traditionen der Sozialdemokratie verrät: Aufklärung, Liberalität und universelle Werte.


Autor: Josef Joffe. Distinguished Fellow in Stanford, lehrt internationale Politik und Geistesgeschichte. Als Journalist bearbeitete er den Nahen Osten.


 

Menschen demonstrieren Mitte November in Belgrad aus Solidarität mit den Palästinensern in Gaza. Marko Djurica / Reuters
August Bebel, Mitbegründer der SPD, ist berühmt für den Spruch «Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen Kerls», doch gehört das Copyright dem österreichischen Genossen Ferdinand Kronawetter. Bebel ermahnte die Partei 1893, den «widernatürlichen» Antisemitismus zu ächten. Der Feind sei nicht der «jüdische Kapitalist», sondern die «Kapitalistenklasse».

Es gab Ermahnungsbedarf. Judenfeindschaft war wie heute kein völkisches Monopol. Für Karl Marx war das Unheil der Jude, der dem «Eigennutz» und «Schacher» gehorche; sein «weltlicher Gott ist das Geld». Folglich sei die «Emanzipation vom Judentum» das Gebot der Stunde. Bei Stalin eskalierte das Abstraktum zur Praxis. Er liess reihenweise jüdische Mitstreiter wie Trotzki liquidieren. Juden waren im Sowjetsprech «wurzellose Kosmopoliten», Volksverräter. Dennoch wurde Stalin von linken Literaten wie Sartre und G. B. Shaw beklatscht. Heute spricht die Intelligenzia die Hamas heilig. Sie plappert nach, was die Hamas will: Weg mit Israel, doziert das Politbüro-Mitglied Osama Hamdan am 11. Oktober im libanesischen Fernsehen; nur so «können alle anderen Probleme gelöst werden».

Die neue Linke hantiert mit Dekonstruktivismus und Neologismen. Vergessen sind die altlinken Parolen von «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit», weggedrückt wird die blutrünstige Tyrannei der Hamas. Ein zweites Novum: Seinerzeit war die demokratische Linke eine Bewegung von unten. Heute ist «links» alias «woke» ein Projekt der Elite.

Beheimatet ist es nicht in den Slums, sondern in den schicken Stadtteilen von Berlin bis Boston. Der typische Protagonist ist gebildet und gut alimentiert. Er wird vom Staat getragen. Sein Habitat ist die Universität, die Schule, der städtische Kulturbetrieb, der staatsnahe Rundfunk. Die Ironie: Diese neue Linke kämpft gegen Privilegien, doch könnte sie selber nicht privilegierter sein. Ihr Einkommen ist so gesichert wie ihre Kulturhoheit.

Heros der neuen Linken
Die demokratische Linke wurzelte in der Aufklärung (selber denken), im Liberalismus (das Individuum ist König), in «unveräusserlichen Rechten», die niemand antasten durfte. Im Zentrum stand Gleichheit in Freiheit. Ihr herausragender Theoretiker war der Sozialdemokrat Eduard Bernstein (1850–1932). Dessen Vorbild war nicht Marx, sondern Kant, Philosoph des Liberalismus. Revolutionäre Gewalt war ihm ein Greuel, sein Leitstern der Reformismus. Die Demokratie war zugleich «Mittel und Zweck». Was wir ironisch oder abschätzig «woke» nennen, hat mit der klassischen Reform-Linken so viel zu tun wie ein Knüppel mit einem Taktstock.

Der Heros der neuen Linken ist die Hamas, die 2006 in einer freien Wahl die Macht in Gaza eroberte, 2007 die Fatah-Konkurrenz vertrieb und Dutzende abschlachtete. Es war das Ende aller Träume, die 1993 nach dem Arafat-Rabin-Handschlag im Weissen Haus aufblühten. Ein palästinensischer Protostaat sollte Gaza werden, erst recht nach 2005, als die letzten Israeli abzogen. Tatsächlich entstand ein religiös-totalitäres Monstrum, dem die illiberale Linke huldigt. Es folgten Raketenattacken und israelische Gegenschläge. Das probate Gerede von der «Spirale der Gewalt» ignoriert die Crux. Am 7. Oktober trat die Hamas keinen Befreiungskrieg los, sondern eine sadistische Mordorgie. Das Ziel war nicht «Palästina», der Antrieb extremer Zynismus.

Demonstranten fordern am 18. Oktober unter dem Slogan «Nicht in meinem Namen» vor dem deutschen Aussenministerium in Berlin eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts. Maja Hitij / Getty
Erstens sollten die Massaker massive Vergeltung provozieren, um den Westen und die Araber gegen den Judenstaat aufzubringen. Diese Rechnung ging rasch auf.

Zweitens sollte die Mordlust den «katalytischen Krieg» auslösen, der Hizbullah und Iran in ein Mehrfronten-Gemetzel ziehen, zumindest die nahöstlichen Friedensschlüsse zerfetzen. Prinz Turki, einst saudiarabischer Geheimdienstchef, verurteilte deshalb «kategorisch den gezielten Mord an Zivilisten durch die Hamas». Diese wollte Riads Versuch torpedieren, eine friedliche Lösung für das Unglück der Palästinenser zu finden.

Drittens hat die Hamas das eigene Volk als Geisel genommen. Sie hat ihre Befehlszentralen und Waffen unter Hospitälern und Wohnblocks versteckt, was die Genfer Konventionen verbieten. Was soll’s? Im Krieg der Bilder sind die eigenen Leichen noch mehr wert als die des Feindes.

Die Unmoral von der Geschicht? Wir sind ja nicht antisemitisch, beteuern die Hamas-Apologeten, nur antizionistisch. Doch sind die Zielscheiben Synagogen, Schulen und Juden, die als solche zu erkennen sind.

Gefährliche Doppelmoral
Wieso ist die Hamas mit ihrem Todeskult zum Darling der woken Avantgarde geworden? Diese zeigt keine Sympathie für Kurden, Uiguren, Tibeter. Auch nicht für die Polisario, die seit Jahrzehnten in der Westsahara einen Staat gegen Marokko erkämpfen will. 100 000 christliche Armenier flohen im September vor den muslimischen Aserbaidschanern aus Berg-Karabach. Kein Progressiver vergoss eine Träne. Keiner echauffiert sich über die 1,7 Millionen Afghanen, die Pakistan jetzt deportieren will.

Woher die Doppelmoral? Dazu müssen wir tiefer in die absonderliche Ideologie der neuen Linken eindringen. Die alte Linke schwenkte nicht die Regenbogenfahne, sondern die Flagge der Aufklärung. Auf ihr prangten Säkularismus («kein Gottesstaat!»), Internationalismus («kein Chauvinismus!») und universelle Menschenrechte, unabhängig von Herkunft und Glauben.

Die falschen Erben malen ein manichäisches Weltbild, das nur «Unterdrücker» und «Unterdrückte» kennt. Der globale Schinder ist der weisse Mann, seine Opfer sind alle People of Color (POC), als wenn Pigmentierung Schicksal sei. Das ist historischer Unsinn. Lange vor dem weissen Mann haben POC erobert: Ägypter, Babylonier, Assyrer, Perser. Im 13. Jahrhundert reichte das Mongolen-Imperium vom Pazifik bis zur Donau; unter Dschingis Khan sind geschätzt bis zu vierzig Millionen umgekommen. Kein weisser Imperialist hat diesen Rekord gebrochen. Nach Entkolonisierung und Zweiteilung des Subkontinents flohen zwölf Millionen Hindus nach Indien und Muslime nach Pakistan. Heute bringen Muslime hauptsächlich einander um – siehe den Irak-Iran-Krieg der 1980er Jahre, wo eine Million Soldaten und Zivilisten umkamen. Im postkolonialen Afrika tobt der Binnenkrieg Schwarz gegen Schwarz.

Auf der Anklagebank sitzen allein der Westen und Israel als sein jüdischer Erfüllungsgehilfe, das ein «kolonialer Siedlerstaat» sein soll, was ebenfalls Geschichtsklitterung ist. Diese Siedler sind nicht von Kaiser und König unter Flottenschutz entsandt worden. Sie sind die Nachfahren von Ausgestossenen. Die Hälfte ist arabischer Herkunft – so weiss wie die Nachbarn. Der renommierte britische Historiker Simon Sebag Montefiore zieht das dürre Fazit: «Die Israeli sind weder ‹Kolonialisten› noch ‹weisse› Europäer.» Man muss ihnen dennoch die Besiedlung des Westjordanlands ankreiden, ein Giftstachel im eigenen wie im Fleisch der Palästinenser. Den zu ziehen, machen die Brutalos auf beiden Seiten tagtäglich undenkbarer.

Selbstgemachte Misere
Historisch richtig ist, dass Palästinenser und Israeli beide Opfer sind. An die 600 000 Araber flohen im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948; an die 900 000 Juden verloren ihre arabische Heimat. Gemäss der neulinken Logik wären alle Amerikaner bis auf die Indigenen und die Ururenkel der schwarzen Sklaven «Siedlerkolonialisten».

Obszön ist das inflationäre «Genozid»-Motiv. Wenn aus den 200 000 Arabern, die im israelischen Verteidigungskrieg 1948 nach Gaza flohen, heute zwei Millionen geworden sind? Noch ein Klassiker ist der Kolonialismus als Ursünde des Westens. Der hat aber seit einem Menschenalter keine Kolonien mehr; dennoch trage er die Schuld am Ungemach der arabischen Welt. Weitaus bessere Sünder geben die muslimischen Osmanen her, die 400 Jahre über Nahost herrschten und eine grosse arabische Kultur plattmachten.

Seit ihrer Unabhängigkeit werden alle islamischen Länder autoritär regiert, die allermeisten schaffen den Anschluss an die Moderne nicht. Die Misere ist selbstgemacht, doch schiebt das postkoloniale Narrativ dem Westen die Täterschaft zu. Das ist so falsch wie schädlich. Wer wie die Entkolonisierten keine Verantwortung trägt, muss sich nicht reformieren. Denn das Böse kommt von aussen, und wir sind die hilflosen Opfer.

Im Westen ist inzwischen ein schiefer Begriff von Gerechtigkeit en vogue. Im westlichen Kanon bezieht sich diese auf den Einzelnen, und jeder ist gleich vor dem Gesetz, ob arm oder reich, braun oder weiss. Im linken Narrativ aber herrscht das Kollektiv, definiert durch Pigmentierung, Herkunft, Identität, vor allem Opferstatus. Die Moral ist selektiv. Da sind manche Gruppen «gleicher»: Schwarze, Muslime, LGBTQ+. . ., nicht aber die Opfer von gestern wie Juden oder, in Amerika, die Nachfahren der Chinesen, die beim Eisenbahnbau wie Sklaven gehalten wurden. Recht wird zugeteilt, nicht gewogen; es geht nicht um Wohl- oder Fehlverhalten, sondern favorisierte Minderheiten.

Mithin um einen neuen Ständestaat, den grotesken Rückschritt in eine Welt, wo König, Kirche und Kaste bestimmten – siehe zuletzt den Austro- und Mussolini-Faschismus. Das Kollektiv schlägt das Individuum, die Quote das freie Spiel der Talente und Ambitionen, das ausgerechnet die Aufsteiger der Leistungsgesellschaft als Privilegienherrschaft verleumden. Angesichts solcher dialektischer Zuckungen war Karl Marx ein kristallklarer Denker.

Auf dem Spiel stehen heute diesseits des Gaza-Gemetzels die verbürgten Freiheiten des Einzelnen, die der Westen mit Strömen von Blut erkämpft hat. Der wird nun in die Zange genommen von der illiberalen Linken und dem frömmelnden Todeskult der Hamas sowie ihrer Terrorgenossen in Nahost. Am Bühnenrand applaudieren schadenfroh die Xis und Putins.

«Untergang des Abendlandes», den Spengler vor hundert Jahren prophezeite? Die demokratische Welt hat im 20. Jahrhundert die schlimmsten Prüfungen bestanden – Bolschewismus, Faschismus, zwei Weltkriege. Dagegen verhalten sich Wokismus und Islamismus wie Corona zur Pest. Das Gegengift ist das kritische Denken, das Erbe der Aufklärung. Dem geht es allerdings nicht gut in Universität und Kulturbetrieb. Ein Vakzin gegen geistige Vernebelung muss noch erfunden werden.

Josef Joffe, Distinguished Fellow in Stanford, lehrt internationale Politik und Geistesgeschichte. Als Journalist bearbeitete er den Nahen Osten.

150 Blick »Der islamische Hitlergruss«

Die Hamas-Gründungscharta stammt aus dem Jahre 1988 und wird bei weitem nicht von allen Palästinensern geteilt. Schon gar nicht von jenen, die für die HMO, eine der grössten Spitalorganisationen Israels, arbeiten. Hier sind auf allen Hierarchiestufen etwa gleich viele Palästinenser/Araber und Juden angestellt. In den Wartesälen sitzen säkulare und orthodoxe Juden neben muslimischen Frauen. Wäre das im Gazastreifen möglich? 1,7 Millionen Muslime wohnen in Israel. Und wie viele Juden in der muslimischen Welt?

Im Artikel 7 der Hamas-Charta lesen wir: «Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!» Und in Artikel 13: «Die Palästina-Frage kann nur durch den Dschihad gelöst werden», das palästinensische Volk sei zu kostbar.

Wie kostbar die eigene Bevölkerung ist, zeigt sich daran, dass sich die Hamas unter Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern verschanzt, und von dort aus ihre vom westlichen Steuerzahler mitfinanzierten Raketen abschiesst. Während Israel vor Angriffen die Bevölkerung warnt, hält die Hamas ihre Zivilisten mit Gewalt davon ab, dem bevorstehenden Bombardement zu entkommen. Sie opfert Palästinenser für die Propaganda.

Mousa Abu Marzouk gehört dank westlicher «Palästinahilfe» zu den Milliardären der Hamas-Elite: Er sagt, die kilometerlangen Tunnelsysteme seien für Blitzangriffe gebaut und nicht zum Schutz der Bevölkerung.

Nachdem die Hamas 1400 Menschen massakriert hat, ruft der Westen zu einem Waffenstillstand auf. Soll man Terroristen, die weiterhin den «totalen Krieg» und die «totale Auslöschung» propagieren, eine Pause zur Nachrüstung gewähren?

«Es sind Psychopathen», sagt Ahmad Mansour, 49, ein einstiges Mitglied der Hamas-nahen «Islamischen Bewegung». Als Teenager suchte er Orientierung und Halt. Später studierte er jedoch in Israel und lernte Toleranz schätzen. Heute ist der Experte für Deradikalisierung selbst in Deutschland auf Personenschutz angewiesen, in einem Land, in dem verschleierte Frauen hinter einem Mob junger Araber laufen und dabei den Zeigefinger in den Himmel strecken. Die Geste steht für einen einzigen Gott, eine einzige Wahrheit. Die Extremisten haben daraus den islamistischen Hitlergruss gemacht. Unsere Feigheit ist ihre Stärke.

149 Blick »Wir schaffen das. Doch nicht.«

Im Herbst 2015 öffnete Angela Merkel eigenmächtig die Grenzen. Geheimdienste warnten, dass nun alle Konflikte dieser Welt importiert würden. Es kamen Menschen in Not, aber es kamen auch junge Männer, die Westeuropa in Not brachten. «Asyl» wurde zum Passepartout für alle. Das Unheil, das Merkel über Europa brachte, fasste der Soziologe Ruud Koopmans in Zahlen: «In Deutschland wurden zwischen 2017 und 2020 rund 300 Menschen von Flüchtlingen ermordet, über 3000 Frauen fielen im gleichen Zeitraum einer Vergewaltigung durch einen oder mehrere Flüchtlinge zum Opfer.» Die NZZ kommentierte: »Bei Sexualdelikten sind die Täter aus islamischen Ländern massiv übervertreten«.

In meinem Thriller «Godless Sun» hatte ich aufgrund der Geheimdienstberichte die Folgen beschrieben. Wer 2015 aussprach, was heute Realität ist, erhielt Saures. Wer eine kontrollierte Zuwanderung befürwortete, galt als ausländerfeindlich. Der Roman wurde auf dem Höhepunkt von «Refugees Welcome» aus dem Handel genommen. Man hat wie üblich nicht das Problem beseitigt, sondern die Berichterstattung.

Acht Jahre später sagt SPD-Bundeskanzler Scholz plötzlich: «Wir müssen im grossen Stil abschieben.» Doch was Merkel angerichtet hat, ist irreversibel. Es sind schon zu viele hier, Integration erübrigt sich. Gemäss dem panafrikanischen Forschungsnetzwerk «Afrobarometer» sind über eine halbe Milliarde Afrikaner ausreisewillig. Die Mehrkosten für die auszubauende Infrastruktur bezahlt die arbeitende Bevölkerung.

In Berliner Strassen randalieren junge Muslime: «Macht Deutschland zu Gaza, Allahu akbar.» Dieser lautstarke Gewalthaufen schadet seinen gut integrierten Landsleuten enorm. Letztes Jahr fielen rund 2000 junge Nordafrikaner über einen Badeort am Gardasee her, sie griffen die ausgedünnte Polizei an, begrapschten Frauen und schrien: «Das hier ist Afrika.» Morgen werden es 5000 sein. In Frankreich und England sind es bereits weit über zehntausend.

Schweden hielt tapfer an ihrer Realitätsverweigerung fest, jetzt ist das Land zum Wilden Westen verkommen. Das ist das Resultat einer Laissez-faire-Politik, die man als Toleranz verkaufte, Toleranz gegenüber jenen, die bei uns die Hasskultur ausleben, die ihre Heimatländer in den Abgrund gerissen hat. Wenn wir jetzt bei Abschiebungen von ausländischen Straftätern weiterhin keine Härte zeigen, werden wir selbst Härte erfahren.

148 Blick »Judenfeindlichkeit, die »wokeness« der 1970er-Jahre«

In den 1960er-Jahren fragte ich meine Mutter, was sie eigentlich gegen Juden habe. Wir kannten ja keine. Sie sagte, die Juden hätten Jesus ans Kreuz geschlagen. Schon eine Weile her, dachte ich. Mein Vater riet mir, Juden zu meiden, denn sie seien geldgierig und geizig. Als Teenager verliess ich später nicht nur dieses Elternhaus, sondern auch all die Vorurteile, die man mir wie eine Schluckimpfung verabreicht hatte.

 

In den 1970er-Jahren war es chic, mit dem Schal des damaligen PLO-Terrorchefs Jassir Arafat in die Schule zu gehen, man zitierte aus der roten Mao-Bibel und huldigte Che Guevara, dem Stalin-Verehrer und «Marlboro Man» der Linken. Man schwärmte für die DDR, die selbst nach dem Olympia-Massaker (1972) auf der Seite der Palästinenser blieb und ihnen weiter schwere Waffen lieferte. Die Liebe zum Totalitären war genauso verbreitet wie die Judenfeindlichkeit.

 

Das war der damalige Zeitgeist, die eingebildete «Wokeness» der Siebziger. Die Jungs wurden zwar älter und entsorgten ihre karierten Halstücher, aber nicht ihre Abneigung gegen Juden.

 

Vor Jahren unterhielt ich mich mit einem linken Verleger über eine Autorin. Er mochte sie nicht und sagte, sie sei halt eine Jüdin. Irritiert hat mich, dass er automatisch annahm, dass ich als Schriftsteller seine Meinung teile. Judenfeindlichkeit ist integraler Bestandteil der rot-grünen Agenda.

 

Während man bei Putin keine Sekunde zögerte, Boykotte zu verhängen, zögert man, die Zahlungen an Palästinenser einzufrieren. In den letzten 50 Jahren erhielten diese vom Westen zig Milliarden und sind dennoch nicht in der Lage, selber für Wasser und Elektrizität zu sorgen. Aber sehr wohl für Waffen.

 

Dass in Europa zugewanderte Palästinenser auf offener Strasse die barbarische Abschlachterei von israelischen Senioren, Frauen und Kindern feiern und dabei Hakenkreuze in die Kameras halten, ist widerlich.

 

Die Gräueltaten in Israel belegen einmal mehr, dass man bei uns nicht jede Kultur integrieren kann. Und schon gar nicht junge Männer, an denen die zivilisatorische Entwicklung der letzten 2000 Jahre scheinbar spurlos vorbeigegangen ist.

 

Stossend, dass ich mit meinen Steuern über Umwege eine Terrororganisation mitfinanziere.