#chronos (1932)

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chronos1932jpeg1932 imitierte der Opernsänger Lloyd Thomas Leech den Schrei eines brünstigen Gorillamännchens, mixte ihn mit dem Heulen einer Hyäne, dem Blöken eines Schafs und dem schnell abgespielten Gejodel von Johnny Weissmüller, einem fünffachen Olympiasieger. In «Tarzan The Ape Man« (1932) unterliegt der Herr des Dschungels dem Charme der attraktiven Maureen O’Sullivan, die in einem Dutzend weiterer Filme Tarzan Sprachunterricht erteilte:

Jane: «Jane.» Tarzan: «Jane.» Jane: «And you? You?» Tarzan: «Tarzan! Tarzan!»

Die Zensurbehörde befahl Jane, sich trotz der tropischen Hitze züchtiger zu kleiden. Als die Urwaldschönheit den Dschungel wieder verliess, erhielt sie nur noch ein einziges Angebot, eines zum Heiraten. Sie gebar sieben Kinder, eine Tochter war Mia Farrow. Ihr späterer Schwiegersohn Woody Allen gab ihr einen Auftritt in »Hannah und ihre Schwestern«. Für die Beziehung war es nicht wirklich hilfreich.

In europäischen Zoos waren Völkerschauen populär. Im Basler Zoo wurden den Besuchern «die aussterbenden Lippennegerinnen» wie exotische Tiere vorgeführt. Ein Journalist schrieb damals: «Vor ihren Hütten kauern halbnackte Gestalten, stark an das Affengeschlecht erinnernd.»

1932 erhielt der Sohn eines österreichischen Zollbeamten die deutsche Staatsbürgerschaft. Er hatte zuvor die Kampfschrift «Mein Kampf» veröffentlicht. Das Buch wurde zur Bibel der NSDAP, die bei den Reichstagswahlen gleich 37 Prozent der Stimmen erhielt und stärkste Fraktion wurde. In Deutschland waren mittlerweile über sechs Millionen Menschen arbeitslos. Der Weltwirtschaftskrise vorausgegangen waren der «Schwarze Freitag 1927», der die Berliner Börse um über 30 Prozent einbrechen liess, und der «Schwarze Donnerstag 1929», der als Auslöser der Krise gilt. Armut und Arbeitslosigkeit ebneten dem Faschismus den Weg.

Nervlich am Limit war auch der Schriftsteller Pawel Gorgulow, der anlässlich der Eröffnung der Pariser Buchmesse den Staatspräsidenten Paul Doumer erschoss und noch im gleichen Jahr unter der Guillotine starb. Der Auflage hat es nicht geholfen.

Blut floss auch in der Schweiz. Strassenschlachten zwischen Streikenden und Ordnungskräften gingen als «Blutnacht von Zürich und Genf» in die Geschichtsbücher ein.

Die Wirtschaftskrise diktierte Autoherstellern die Produktion kleinerer Autos zu erschwinglichen Preisen; vier Unternehmen fusionierten in der Not und wählten als Logo vier Kreise: Audi. Auch die Mode wurde von der Krise beeinflusst: Modejournale boten Hilfe zur Selbsthilfe, man schneiderte aus alten Kleidern neue Modelle.

In den USA sorgte die Entführung und Ermordung des Säuglings von Anne und Charles Lindbergh für monatelange Schlagzeilen. Mahatma Gandhi wurde festgenommen und begann in Gefangenschaft einen Hungerstreik, Ibn Saud gründete Saudi-Arabien, und Werner Heisenberg erhielt den Nobelpreis für Physik und war später Namensgeber für den biederen Chemielehrer Walter White (Bryan Cranston) in der erfolg­reichen US-TV-Serie «Breaking Bad».

James Charles «Jimmie» Rodgers landete mit «Roll Along, Kentucky Moon» den Hit des Jahres. Der Vater der Country-Musik baute als Erster Jodler in seine Songs ein. Mit seiner ersten Single verdiente er 27 Dollars, später avancierte er zum millionenschweren Superstar. Die Weltwirtschaftskrise beendete seinen Höhenflug: Die Menschen hatten kein Geld mehr, um seine Platten zu kaufen. Er starb 35-jährig im Tonstudio.

Blue Moon, you saw me standing alone, Without a dream in my heart.

© Basler Zeitung; 27.03.2015

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.

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