#chronos (1952)

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1952 standen Marlon Brando und Anthony Quinn am Rio Grande und urinierten in den Fluss. Sie urinierten um die Wette. Wer am weitesten konnte, sollte die Rolle eines mexikanischen ­Bauern spielen. Marlon Brando gewann und spielte unter der Regie von Elia Kazan den ­mexikanischen Volkshelden Zapata.

Ein Kräftemessen ganz anderer Art spielte sich zwischen den USA und der Sowjetunion ab. Nach dem Tod des Diktators und Massenmörders Josef Stalin übernahm Nikita Chruschtschow die ­Führung und lieferte sich mit dem neu gewählten amerikanischen Präsidenten Dwight David ­Eisenhower einen «kalten Krieg», der in ein ­ruinöses Wettrüsten ausuferte. Gleichzeitig ­führten Nord- und Südkorea einen ­Stellvertreterkrieg mit den USA und China als Verbündeten. Die Menschen in Europa befürchteten einen dritten Weltkrieg.

Eisenhower zündete zur Einschüchterung auf dem Eniwetok-Atoll im Westpazifik die erste ­Wasserstoffbombe. Die freigesetzte Energie wurde auf 10,4 Millionen Tonnen konventionellen Sprengstoffs geschätzt – was einer ­Zerstörungskraft von mehr als 500 Hiroshima-­Bomben entsprach. Bereits fünf Jahre später konterte die Sowjetunion mit der Atombombe Zar, die eine um das ­Fünffache höhere ­Sprengleistung hatte. Ein Jahr später gestand Eisenhower: «Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie ­verpulvert auch den Schweiss ihrer Arbeiter, den Geist ihrer ­Wissenschaftler und die ­Hoffnung ihrer Kinder.»

Die Welt kam nicht zur Ruhe. Um die Verstaatlichung britischer Ölfirmen in Iran abzuwenden, gab Eisenhower den Befehl für einen Putsch und für die Einsetzung von Schah Mohammad Reza ­Pahlavi auf dem Pfauenthron. Auf Kuba putschte sich ­Fulgencio Batista an die Macht und regierte als ­Diktator. In Bolivien gelang Víctor Paz Estenssoro ein erfolgreicher Militärcoup. Im Nahen Osten stürzte das ägyptische Militär seinen König Faruq, in Jordanien ereilte König Talal das ­gleiche Schicksal. In Afrika formierten sich Unabhängigkeitsbewegungen gegen die britischen und französischen Kolonialherren.

Während in London eine Smog-Katastrophe mehrere Todesopfer forderte, wurde erstmals im Londoner West End die «Mausefalle» von Agatha Christie aufgeführt. Mit einer Laufzeit von ­mittlerweile 63 Jahren ist die »Mausefalle« das am längsten ununterbrochen gespielte ­Theaterstück der Welt.

Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zog eine fünf Kilometer breite Sperrzone entlang der Demarkationslinie zur Bundesrepublik Deutschland (BRD). Damit sollte verhindert ­werden, dass die Bürger das sozialistische ­Paradies verlassen, 12 000 Anwohner wurden umgesiedelt und die Telefonleitungen nach ­Westberlin zerschnitten. Im freien Westen lebten mittlerweile 9,6 Millionen Flüchtlinge.

In Deutschland erschien erstmals eine Tageszeitung mit grossen Lettern für Menschen mit verminderter Sehschärfe. Die Bild startete mit einer Auflage von 455 000 Exemplaren. Bereits vier Jahre später erreichte sie eine Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren und kostete 10 Pfennig. Nach einer Steigerung auf ca. 4,5 Millionen im Jahr 1998, sank sie wieder auf 2 Millionen Exemplare.

In einer kleineren Schriftgrösse erschien Ernest Hemingways «Der alte Mann und das Meer». Er vertrat die Meinung, dass Glück eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis voraussetze. Und jungen Autoren gab er den ­Ratschlag, stehend an einem Pult zu schreiben. Dann würden ihnen von selbst nur noch kurze Sätze einfallen.

Und Doris Day sang «A guy is a guy»: He followed me down the street like I knew he would. Because a guy is a guy wherever he may be.

 

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.

© Basler Zeitung; 04.12.2015

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