01-24 Weltwoche: Erich von Däniken, »Karl May der Ausserirdischen«

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Erich von Däniken ist der Weltstar der Prä-Astronautik. Jetzt folgt sein neuster Streich. Das Timing könnte besser nicht sein.

Der Basler Bestseller-Autor Claude Cueni liefert die längst fällige Würdigung dieses grossen Schweizer Schriftstellers und Forschers.


Er hat mehr Bücher verkauft als alle lebenden Schweizer Autorinnen und Autoren zusammen. Über 67 Millionen Exemplare in 32 Sprachen. Für die einen ist Erich von Däniken (EvD) der «Prophet der Vergangenheit», für andere der Karl May der Ausserirdischen. Er selbst, der am 14. April seinen 89. ​Geburtstag feiern wird, bezeichnet sich als «Autor narrativer Sachbücher». Er sieht sich nicht als Wissenschaftler, sondern als Vertreter der Prä-Astronautik, einer Disziplin, die Altertumswissenschaften mit Astronautik verbindet und nach Spuren ausserirdischer Intelligenz sucht (auch Seti genannt).

Was schreibt einer, der bereits 46 Bücher zum Thema publiziert hat? Sein 47. Werk erscheint unter dem Titel «Und sie waren doch da!», ein «Best of Erich von Däniken», eine Zusammenfassung seines Lebenswerkes, das Bücher, Reisen, TV-Dokus und -Serien umfasst. Auf 240 Seiten präsentiert er «die ultimativen Belege für den Besuch von Ausserirdischen», die er seit seinem Erstlingswerk «Erinnerungen an die Zukunft» (1968) zusammengetragen hat.

Bibel wird zu Science-Fiction

Man fragt sich unwillkürlich: Wozu noch weitere Beweise? Hält er seine bisherigen für nicht stichhaltig genug? In der Tat sind in den letzten 56 Jahren viele seiner eigenwilligen Interpretationen von Archäologen, Historikern und Reenactment-Gruppen widerlegt worden. Doch nicht alles spricht gegen EvD, denn Wissenschaft bedeutet, dass man vermeintliches Wissen ständig hinterfragt und neusten Erkenntnissen anpasst. Dank neuen Technologien, die oft Nebenprodukte der Rüstungsindustrie sind, werden beinahe im Wochentakt neue archäologische Fundstätten aufgespürt, datiert und ausgewertet. Sie schreiben die Geschichte teilweise neu. Auch das Schmelzen der Gletscher legt mittlerweile so viele über tausend Jahre alte Fundstücke frei, dass Glazialarchäologen mit dem Einsammeln kaum nachkommen.

Als 1968 von Dänikens erstes Buch erschien, hielten ihn viele für einen liebenswerten Spinner, doch die Art und Weise, wie er historische Fakten deutete, faszinierte viele und machte seine Bücher und Filme zu Bestsellern. Der historische Teil war stets interessant, weil mit Quellen belegt. Die Kernthese blieb über all die Jahre gleich: Ausserirdische haben vor langer Zeit die Erde besucht und werden eines Tages wiederkommen. In zahlreichen Kulturen sind solche Geschichten überliefert, und wenn man «Engel» und «geflügelte Götterboten» durch «ausserirdische Briefträger» ersetzt, liest sich sogar die Bibel wie spannende Science-Fiction.

Von Aliens zurückgelassen

Etliche Autoren haben sich in den letzten 200 Jahren mit dem Thema beschäftigt, aber die meisten dümpelten zwischen Mystik und Esoterik. EvD hätte in den 1970er Jahren locker eine lukrative New-Age-Religion gründen können. Damals erfand der französische Sportjournalist Claude Vorilhon eine Ufo-Religion und reiste als Raël, Sohn der ausserirdischen Zivilisation Elohim, Uriella-mässig durch Europa, um Spenden für den Bau eines Ufo-Flughafens zu sammeln. Später nannte er sich «Bruder von Jesus».

Im Unterschied zu all diesen religiös angereicherten Ufo-Sekten beschränkte sich EvD auf historisches Material, das er im Stil eines Science-Fiction-Autors spannend verpackte. Er gründete die internationale Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und Seti (A. A. S.), tourte als nimmermüder Tausendsassa durch die Welt, besuchte archäologische Fundstellen, hielt zigtausend Vorträge, moderierte zahlreiche TV-Dokus und -Serien, betrieb erfolgreiches Marketing in eigener Sache und begeisterte mit seiner Leidenschaft Millionen von Lesern, Zuhörern und Zuschauern. Sie nehmen ihm nicht übel, dass er längst widerlegte Thesen, wie zum Beispiel die Interpretation der Moai Figuren auf der Osterinsel, weiterverbreitet. 

Mit bald 89 Jahren ist es Zeit, über einen Nachfolger nachzudenken. In der Person seines langjährigen Sekretärs Ramon Zürcher, 40, hat er ihn gefunden. Dieser betreibt die Plattform «Sagenhafte Zeiten» und kooperiert mit dem Online-Magazin Hangar 18b , das seinen Namen mit der Zeile «Ufos, Mysterien, Paranormales» unterlegt. Ein Fall von Rebranding? Das wird ihn kaum kümmern, denn er ist längst zur Marke geworden.

Stephen Hawkings Warnung

Das Timing für von Dänikens 47. Buch könnte besser nicht sein. Letzten Sommer behauptete David Grusch, ein ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter der Air Force, vor dem Kongress des Repräsentantenhauses: «Es gibt tote Ufo-Piloten.» Zusammen mit David Fravor, einem Ex-Kommandanten der US-Navy, und Ryan Graves, einem ehemaligen Navy-Piloten, beteuerte er unter Eid, dass die US-Regierung und das Pentagon ausserirdische Raumschiffe geborgen hätten und daran forschten. Grusch sagte, er habe diese Informationen von mehr als vierzig Insidern erhalten. Er deutete an, er habe auch Akten gesehen. Kürzlich bestätigte auch Tim Gallaudet, Navy-Konteradmiral a. D. und ehemaliger Direktor der US-Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA, dem TV-Sender News Nation: «Wir werden von nichtmenschlicher Intelligenz besucht, mit Technologien, die wir ebenso wenig verstehen wie deren Absichten.»

Im Gegensatz zu Europa ist das Thema «nichtmenschliche Intelligenz» in den USA omnipräsent. Selbst die New York Times interviewte Piloten der Marines, die behaupten, zwischen 2014 und 2015 fast täglich über der Ostküste der USA unbekannte Flugobjekte gesichtet zu haben. Und auch im Repräsentantenhaus wird heftig darüber debattiert, ob die Regierung ihre Ufo-Akten veröffentlichen soll, und wenn ja, in welchem Umfang. Der Widerstand lässt darauf schliessen, dass hier die Mutter aller Scoops gehütet wird.

Die einen glauben, dass insbesondere religiöse Menschen beim Lüften der Ufo-Akten in Panik geraten würden, andere glauben, dass der Rüstungskonzern Lockheed Martin sichergestellte Ufos nachbaut und dies aus naheliegenden Gründen geheim halten muss. Generell deuten die zunehmenden Meldungen darauf hin, dass man den Menschen schonend beibringen will, dass es da draussen noch etwas anderes gibt und dass diese Weltraumtouristen uns Tausende von Jahren voraus sind. Mittlerweile glauben gemäss einer Online-Umfrage des Magazins Focus bereits über 85 ​Prozent, dass wir von Ausserirdischen besucht werden. Für sie sind von Dänikens Theorien wahrscheinlich nicht mehr so interessant, Hollywoods Blockbuster haben sie längst überzeugt.

Nichtmenschliche Intelligenzen, die bei uns auf Safari sind, wären uns Jahrtausende voraus. Nicht nur Stephen Hawking hatte davor gewarnt, zu früh mit ihnen in Kontakt zu treten. Die einen fürchten, dass sie uns so behandeln werden, wie wir als Konquistadoren technologisch unterlegene Kulturen zerstört haben. Andere glauben an (oder hoffen auf) die in den meisten Kulturen thematisierte Rückkehr der göttlichen Lehrmeister, die uns von allem Übel erlösen.

Ist nun mit dem 47. Buch alles gesagt? Für einen Workaholic gibt es kein «letztes Buch». Wer ein Leben lang geschrieben hat, kann auch im fortgeschrittenen Alter die Tinte nicht halten. Gemäss seinem Sekretär Ramon Zürcher plant Erich von Däniken noch eine Publikation mit dem Arbeitstitel «Notizen», ein autobiografisches Buch über Begegnungen mit Menschen und über das, was ihn das Leben gelehrt hat. Ein weiteres Buch mit «ultimativen Beweisen» macht keinen Sinn mehr, die nächsten Kapitel werden US-Medien schreiben. Hatte EvD trotz einiger  Irrtümer mit seiner Kernthese doch recht? 

«Akademisches Blabla»

Dass ihn die Wissenschaft belächelt, scheint ihn immer noch zu kränken. Im letzten Kapitel seines neuen Buches zieht er über «die da oben» vom Leder, nennt einige ihrer Gegenargumente «akademisches Blabla», hält sie für «Unsinn», sie «stinken zum Himmel», «heiliger Bimbam!!». Er spart nicht mit Ausrufezeichen. Und «basta!».

Auch dafür lieben ihn seine Fans: David gegen Goliath, Autodidakt gegen Wissenschaft. Wer hätte gedacht, dass ein Schweizer Hotelier zum Weltstar der Prä-Astronautik wird?

Heiliger Bimbam, das muss man können.

EvD kann es.


Der Text erschien erstmals am 11. Januar 2024 in der Weltwoche.


 

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