29.08.2024
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Der Westschweizer Nahrungsmittelgigant Nestlé setzte auf Zeitgeist-Nischenprodukte statt auf den Massenmarkt. Es ergeht ihm wie Walt Disney, Budweiser und Adidas.
Gemäss einer repräsentativen Forsa-Umfrage ernährten sich im September 2023 3 Prozent der Deutschen vegan. Mark Schneider, der abrupt entlassene CEO von Nestlé, hatte viel Geld mit der Erforschung und Entwicklung von veganen Lebensmitteln verbraucht. Daran ist er natürlich nicht gescheitert, denn alle Nahrungsmittelhersteller im Premiumbereich litten infolge von Inflation und höheren Rohstoffpreisen an Umsatzeinbussen, weil sie die Preiserhöhungen den Endkunden aufbrummten und diese in der Folge zu Billiganbietern wechselten. Doch die veganen Shrimps und Eier des Deutschen Mark Schneider zeigen die Mentalität von CEOs, die woke Nischenprodukte höher gewichten als das Kerngeschäft mit umsatzstarken Massenprodukten. Für diese Philosophie bezahlt kein Verwaltungsrat seinem CEO ein Jahressalär von über 10 Millionen Franken.
Einfluss der Missionare
Doch Wokeness in Unternehmen ist nicht nur der Anbiederung an den Zeitgeist geschuldet. Die Rating-Agenturen bewerten heute Aktien nicht mehr ausschliesslich nach Ebit-Margen, Cashflow und Ausblick, sondern auch nach weichen Kriterien wie diversity, equity, inclusion, kurz DEI genannt. Diese Ratings sind wiederum verpflichtend für viele Fondsmanager. Ein Unternehmen mit lausiger Bilanz kann im Extremfall besser dastehen als eine solide Firma, die sich einen Deut um die Frauenquote im Verwaltungsrat schert.
Der Einfluss der zahlenmässig unbedeutenden Woke-Missionare auf die Mainstream-Medien ist erstaunlich und vielleicht so folgenreich wie seinerzeit der Hüftschwung von Elvis Presley. Dass sie mit ihrer Gebots- und Verbotskultur auch die Aktien-Ratings beeinflussen, können sie als grossen Erfolg verbuchen, denn gemäss den zahlreichen Online-Umfragen lehnen rund 85 Prozent der Befragten dieses penetrante wokewashing ab. Eine alte Regel besagt: Wer den Massenmarkt erreichen will, soll auf politische Botschaften verzichten. Sonst gilt: Get woke, go broke. Walt Disney crashte den Aktienkurs mit woken Neuverfilmungen um 40 Prozent, Budweiser verlor vorübergehend massiv an Börsenwert, und Adidas schrieb zum ersten Mal seit dreissig Jahren rote Zahlen.
Aktionäre glauben’s nicht
Der Zeitgeist hat ein Verfalldatum wie jedes Mandarinenjoghurt. Nach greenwashing ist nun auch wokewashing in den Grosskonzeren abgelaufen. Google und Meta haben laut CNBC 2023 ihre DEI-Programme gekürzt, Microsoft hat gleich sein ganzes DEI-Team entlassen, weil Diversität und Inklusion «nicht mehr geschäftsrelevant» sind. Das haben auch die Marketingabteilungen von Harley-Davidson, Jack Daniel’s, Johne Deere und Tractor Supply erkannt.
Der neue CEO Laurent Freixe war 2017 bei der Wahl von Mark Schneider zweite Wahl. Jetzt soll es der 62-Jährige richten. Nestlé-Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke bestreitet, dass Freixe bloss eine Übergangslösung ist. Sollen wir glauben, dass Laurent Freixe seinen 80. Geburtstag als Nestlé-Angestellter feiern wird? Die Aktionäre glauben das nicht und schicken die im Vergleich zu den Mitbewerbern sowieso überbewertete Aktie nochmals einen Stock tiefer.
Auch der weiter andauernde Abfluss von Geldern in die Big Seven der IT-Branche wird Freixe keine Lorbeeren einbringen, und jene Grossaktionäre, die den CEO-Wechsel gepusht haben, werden jetzt wohl nach 2021 auf den Verkauf der restlichen L’Oréal-Aktien drängen. Nestlés Beteiligung von 20,1 Prozent entspricht 10 Prozent von Nestlés Marktkapitalisierung und würde die Rückkehr zum Kerngeschäft «Ernährung» unterstreichen. Dass Freixe nach eigenen Angaben Kitkat isst, wird nicht ausreichen.
Der Zeitgeist hat ein Verfalldatum. Nach «greenwashing» ist nun auch «wokewashing» abgelaufen.