Blick »Mein Jahresrückblick 2022«

 

China. Wutbürger made in China. Das Freiheitsvirus ist ansteckender als Corona.

USA. Joe Biden streckt die Hand aus, wo niemand steht, vergisst mitten in der Rede, äh… und verirrt sich im eigenen Garten. Leslie Nielsen («Die nackte Kanone», 1988) hatte Text und Brille besser im Griff.

Alles wird geleakt. Ausser der Gästeliste von Jeffrey Epstein.

Laptop der Hölle. Mark Zuckerberg gesteht: Das FBI hat ihn genötigt, negative Posts über Joe Bidens Sohn zu löschen. War also doch keine Verschwörungstheorie.

Twitter. Elon Musk meint, seine Kritiker würden nicht mehr Hass-Tweets befürchten, sondern mehr Tweets, die sie selber hassen. Die «Twitter Files» geben ihm recht, Twitter war eine «Tochtergesellschaft» des FBI.

Schweiz. Der Frauenverhinderer, aber saisonal feministische Co-Präsident der SP mag keine Männer. Ausser sich selbst.

Gesundheitsminister Berset: «Mit dem Zertifikat kann man zeigen, dass man nicht ansteckend ist.» Kann man mit einem Kassenbon auch zeigen, dass man nicht schwanger ist?

«Guns save lives», der Slogan der US-Waffenlobby, ist jetzt der Slogan der einstigen Armeegegner.

Deutschland. American Dream: Vom Tellerwäscher zum Millionär. German Dream: Vom Tellerwäscher zur Teller waschenden Person.

Angela Merkel ist gegangen, ihre Fachkräfte sind geblieben. 2500 junge Nordafrikaner stürmen den italienischen Badeort Peschiera del Garda und skandieren: «Das ist Afrika!» Ist noch etwas verfrüht.

Über 10 000 gut ausgebildete Deutsche fliehen vor dem Bevormundungsstaat ins Ausland. Muss Rot-Grün eine Mauer bauen? Wer 14 Jahre für einen Flughafen braucht, schafft keine Mauer.

Wahlurnen für die Kita. Die grüne Abgeordnete Emilia Fester (24) fordert das Wahlrecht für Zweijährige. Einige meinen, man sollte es eher auf 25 erhöhen.

EU. «Säcke voller Geld» in der Wohnung der Vizepräsiden-tin des EU-Parlaments. Auch Schweizer EU-Turbos winken bei Erfolg lukrative Sessel im Korruptionsparadies der Spesenritter.

England. London Bridge is falling down.

Auch die Herzogin von Sussex und ihr Prinz Peinlich are falling down. Gleich in Serie auf Netflix.

Ukraine. Es ist alles gesagt. Auch das, was man nicht mehr sagen darf.

Gesellschaft. Winnetou klagt: Bleichgesichter sprechen mit gespaltenem Gehirn. Walking Woke wird Walking Dead.

Foodwaste. Um das Klima zu retten, werden Gemälde mit Tomatensauce, Milch und Kartoffelstock beworfen. Klima reagiert nicht.

Neue Trends: Um den Globus jetten, um den Leuten zu sagen, sie sollen aufs Fliegen verzichten.

Klimaproteste als Sprungbrett für Modelkarrieren.

Das Wort «Sünde erlebt ein Comeback». Früher galt das Fleischverbot nur am Freitag, demnächst das ganze Jahr über.

Auslaufmodell «demokratischer Rechtsstaat». Von links bis rechts wollen immer mehr Leute verbieten, was ihnen persönlich nicht gefällt.

Diversität. Alle fordern sie, ausser beim Meinungsaustausch.

Westliche Feministinnen pochen auf das Recht, den Hidschab zu tragen. Diejenigen, die sie verteidigen, verbrennen ihn.

Goodbye. Legenden der Rolling Sixties sterben, aber ihre Hits leben weiter: «Be my Baby» (Ronny Spector), «Great Balls of Fire» (Jerry Lee Lewis).

Wissenschaft. Forscher entdeckten im genetischen Code des Coronavirus die «Furin-Spalte». Bei natürlichen Coronaviren kommt sie nicht vor. Im Labor hingegen schon.

Studie entschlüsselt elektrische Kommunikation zwischen Pilzen. Beanspruchen Pilze demnächst Menschenrechte?

Erste erfolgreiche Xenotransplantation eines Herzens von einem genetisch modifizierten Schwein zu einem Menschen. Schwein gehabt. Leider nur zwei Monate.

Uno. Sie meldet acht Milliarden Menschen. Demonstrieren Klimakleber demnächst für Familienplanung?

Sport. Tennisgott Federer verlässt den Olymp. Jetzt kämpft er gegen einen irdischen Uferweg vor seiner Villa.

Der FC Basel wird zur Spieleragentur mit eigenem Rasen. Basel nur noch in der Kriminalitätsstatistik Nummer eins.

Katar. Es wurde auch Fussball gespielt. Alte Erkenntnis: Werden Fouls nicht regelkonform geahndet, nehmen diese zu. Gilt auch für den Rechtsstaat.

Generell. Die westliche Welt verliert weiter an Relevanz. Neue multipolare Weltordnung im Entstehen.

Weiterer Vertrauensverlust auf allen Kanälen.

Früher gabs für Leute, die alles aufschieben, einen Tritt in den Hintern. Heute nennt man es «pathologische Prokrastination». Soeben Selbsthilfegruppe gegründet. Jahrestreffen verschoben. Und alles Gute zum Neuen Jahr!


Da der Jahresrückblick auf 4500 Anschläge beschränkt ist, habe ich VOR der Ablieferung über die Hälfte gestrichen. Einige finden Sie nachstehend in blau.


China. »Ich denke, China ist ein Vorbild für viele Länder« und »dass das chinesische Modell sicherlich ein sehr attraktives Modell für eine ganze Reihe von Ländern ist.« Klaus Schwab im November 2022 zum chin. TV Sender CGTN.

SCHWEIZ. Zahlreiche Hochbetagte mit schweren Vorerkrankungen haben Alain Berset vertraut und sich und andere angesteckt. Einige sind gestorben. Ist ein lügender »Volksvertreter« für ein öffentliches Amt geeignet?

DEUTSCHLAND. Die Grünen lieben Prinzipien. Die Macht lieben sie noch mehr. Waffenexporte in Kriegsgebiete okay.

Aussenministerin Annalena Baerbock will acht bis zehn Millionen Migranten aufnehmen und sagt, die Meinung  der Wähler sei ihr egal.

Olaf Scholz träumt von einer EU mit 36 Mitgliedern (darunter null Nettozahler). Schafft sich Deutschland ab?

Peter Sloterdijk: «Deutschland ist die grösste Exportnation für Irrtümer»

EU. Sie bestraft das korrupte Ungarn und will gleichzeitig die noch korruptere Ukraine aufnehmen
 
WHO. Die Weltgesundheitsorganisation folgt Klaus Schwabs Drehbuch »The Great Reset« und ernennt sich zur globalen Pandemieregierung, der sich alle 194 Mitgliedstaaten zu unterwerfen haben. Soziale Medien sollen einer Zensur unterliegen, um »Fehlinformationen« entgegenzuwirken.  Fehlverhalten wird sanktioniert. 
 
UKRAINE »Bellen vor der Haustür«. Papst Franziskus glaubt, die USA und die Nato hätten Putin mit der Ausweitung des transatlantischen Militärbündnisss in die Enge getrieben. 
 

Pandora Papers. Die Bundeszentrale für politische Kultur schreibt, dass Wolodymyr Selenski und seine engsten Mitarbeiter ein Netzwerk aus Offshore Briefkasten-Firmen gegründet haben. Selenskyjs TV-Produktionsfirma habe so 41 Millionen Dollar steuerfrei vom Oligarchen Ihor Kolo¬mo¬js¬kyj erhalten. Mit den Tarnfirmen seien Luxuswohnungen für mehrere Millionen gekauft worden. Hat Kriegsverbrecher Putin Selenski zum Helden geadelt? Ist jeder, der aus den Pandora Papers zitiert, ein Putinversteher?

 
Gemäss New York Times sind die USA zunehmend besorgt, dass ihre Milliardenhilfen im zweitkorruptesten Land Europas nicht immer dort ankommen, wo sie sollten. Werden einige der westlichen Waffen demnächst im Darknet zum Kauf angeboten? Die ersten sind mittlerweile in Schweden aufgetaucht.
 

GESELLSCHAFT. Rektor, Rektorin, Rektum. Neusprech erobert die Comedy-Bühnen.

«Alte weisse Männer»: Diskriminierung der Hautfarbe, Diskriminierung des Geschlechts, Diskriminierung des Alters: der neue Prosecco-Rassismus wird salonfähig.

Zeitgeist: Meinung schlägt Fakten, Moral Pragmatismus, Lautstärke Argumente, Unwohlsein ersetzt Logik, und der gute Zweck Rechtsstaatlichkeit.

Selbstjustiz. Die Enkel und Enkelinnen der Woodstockgeneration übernehmen deren Slogans: »Illegal ist scheissegal« und »macht kaputt was euch kaputt macht«.

Gesucht werden zehntausende Ingenieure. Doch beliebter ist das Studium von Gendergaga.

Corona, Krieg, Affenvirus, Strommangellage, aber was die die Konzerne am meisten fürchten ist der Shitstorm, den eine anonyme Person mit Hilfe der Medien abfeuert.


 
 

127 Blick »Der Kleine Scheisser«

Die Spanier nennen ihn Caganer. Er ist lediglich zehn Zentimeter gross und trägt die traditionelle Kleidung eines katalanischen Bauern: weisses Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, schwarze Hose, roter Gürtel, Schärpe und rote Mütze. Caganer bedeutet in der katalanischen Sprache so viel wie «kleiner Scheisser» und ist nicht nur ein Kosewort für Babys. Man findet die aus Durexina hergestellten Figuren in vielen spanischen Shops. Nur wer eine von ihnen in die Hand nimmt und dreht, sieht, dass der kleine Scheisser die Hosen heruntergelassen hat und sein Geschäft verrichtet. Ein ordentlicher Haufen türmt sich unter seinem nackten Hintern. Wer zum Teufel kauft solche Figuren? Und wo stellt man sie zu Hause auf?

In Katalonien platziert man sie in Weihnachtskrippen. Wer glaubt, die katholische Kirche würde Protest einlegen, täuscht sich. Sie sieht die Anwesenheit des Caganers bei der Geburt Jesu als Glücksbringer, denn die Figur düngt nicht nur die Erde (und lässt auf eine gute Ernte hoffen), sondern symbolisiert auch den ewigen Kreislauf der Natur. Der Caganer steht bzw. hockt für einen gesunden Körper, «menja bé, caga fort i no tinguis por a la mort!» (Iss gut, scheisse kräftig und fürchte dich nicht vor dem Tod!).

Entstanden ist diese Krippenfigur wahrscheinlich im 16. Jahrhundert. Bei etlichen Kindern ist die Suche nach dem Caganer immer noch ähnlich beliebt wie die Suche nach den Ostereiern. Wo ist er in diesem Jahr versteckt? Zwischen Ochs und Esel oder unter einem Heuballen?

Den kleinen Scheisser gibts mittlerweile in Hunderten Variationen, mit den Köpfen von Prominenten aus Sport, Film, Geschichte und Politik. Wie alle christlichen Bräuche, von Halloween über Allerheiligen, Ostern, Santa Claus bis Weihnachten, liess sich auch der Caganer bestens kommerzialisieren. Da der Markt irgendwann gesättigt war, musste eine weitere Figur her. Sie kam in Form des Pixaners, ein urinierender Verwandter des Caganers. Und da «alle Menschen gleich geschaffen» sind, gibt es auch König Charles III. und den Papst als Caganer und selbst Maria, Josef, die Hirten und die drei Könige gehen mittlerweile in die Hocke und düngen in Katalonien den Boden weihnächtlicher Krippen.

Henry Kissinger, Friedensvorschlag im Original

The first world war was a kind of cultural suicide that destroyed Europe’s eminence. Europe’s leaders sleepwalked – in the phrase of historian Christopher Clark – into a conflict which none of them would have entered had they foreseen the world at war’s end in 1918. In the previous decades, they had expressed their rivalries by creating two sets of alliances whose strategies had become linked by their respective schedules for mobilisation. As a result, in 1914, the murder of the Austrian Crown Prince in Sarajevo, Bosnia by a Serb nationalist was allowed to escalate into a general war that began when Germany executed its all-purpose plan to defeat France by attacking neutral Belgium at the other end of Europe.

The nations of Europe, insufficiently familiar with how technology had enhanced their respective military forces, proceeded to inflict unprecedented devastation on one another. In August 1916, after two years of war and millions in casualties, the principal combatants in the West (Britain, France and Germany) began to explore prospects for ending the carnage. In the East, rivals Austria and Russia had extended comparable feelers. Because no conceivable compromise could justify the sacrifices already incurred and because no one wanted to convey an impression of weakness, the various leaders hesitated to initiate a formal peace process. Hence they sought American mediation. Explorations by Colonel Edward House, President Woodrow Wilson’s personal emissary, revealed that a peace based on the modified status quo ante was within reach. However, Wilson, while willing and eventually eager to undertake mediation, delayed until after the presidential election in November. By then the British Somme offensive and the German Verdun offensive had added another two million casualties.

In the words of the book on the subject by Philip Zelikow, diplomacy became the road less travelled. The Great War went on for two more years and claimed millions more victims, irretrievably damaging Europe’s established equilibrium. Germany and Russia were rent by revolution; the Austro-Hungarian state disappeared from the map. France had been bled white. Britain had sacrificed a significant share of its young generation and of its economic capacities to the requirements of victory. The punitive Treaty of Versailles that ended the war proved far more fragile than the structure it replaced.

Does the world today find itself at a comparable turning point in Ukraine as winter imposes a pause on large-scale military operations there? I have repeatedly expressed my support for the allied military effort to thwart Russia’s aggression in Ukraine. But the time is approaching to build on the strategic changes which have already been accomplished and to integrate them into a new structure towards achieving peace through negotiation.

Ukraine has become a major state in Central Europe for the first time in modern history. Aided by its allies and inspired by its President, Volodymyr Zelensky, Ukraine has stymied the Russian conventional forces which have been overhanging Europe since the second world war. And the international system – including China – is opposing Russia’s threat or use of its nuclear weapons.

This process has mooted the original issues regarding Ukraine’s membership in Nato. Ukraine has acquired one of the largest and most effective land armies in Europe, equipped by America and its allies. A peace process should link Ukraine to Nato, however expressed.

The alternative of neutrality is no longer meaningful, especially after Finland and Sweden joined Nato. This is why, last May, I recommended establishing a ceasefire line along the borders existing where the war started on 24 February. Russia would disgorge its conquests thence, but not the territory it occupied nearly a decade ago, including Crimea. That territory could be the subject of a negotiation after a ceasefire.

If the pre-war dividing line between Ukraine and Russia cannot be achieved by combat or by negotiation, recourse to the principle of self-determination could be explored. Internationally supervised referendums concerning self-determination could be applied to particularly divisive territories which have changed hands repeatedly over the centuries.

The goal of a peace process would be twofold: to confirm the freedom of Ukraine and to define a new international structure, especially for Central and Eastern Europe. Eventually Russia should find a place in such an order.

The preferred outcome for some is a Russia rendered impotent by the war. I disagree. For all its propensity to violence, Russia has made decisive contributions to the global equilibrium and to the balance of power for over half a millennium. Its historical role should not be degraded. Russia’s military setbacks have not eliminated its global nuclear reach, enabling it to threaten escalation in Ukraine. Even if this capability is diminished, the dissolution of Russia or destroying its ability for strategic policy could turn its territory encompassing 11 time zones into a contested vacuum. Its competing societies might decide to settle their disputes by violence. Other countries might seek to expand their claims by force. All these dangers would be compounded by the presence of thousands of nuclear weapons which make Russia one of the world’s two largest nuclear powers.

As the world’s leaders strive to end the war in which two nuclear powers contest a conventionally armed country, they should also reflect on the impact on this conflict and on long-term strategy of incipient high–technology and artificial intelligence. Auto-nomous weapons already exist, capable of defining, assessing and targeting their own perceived threats and thus in a position to start their own war.

Once the line into this realm is crossed and hi-tech becomes standard weaponry – and computers become the principal executors of strategy – the world will find itself in a condition for which as yet it has no established concept. How can leaders exercise control when computers prescribe strategic instructions on a scale and in a manner that inherently limits and threatens human input? How can civilisation be preserved amid such a maelstrom of conflicting information, perceptions and destructive capabilities?

Ukraine has become a major state in Central Europe for the first time in modern history

No theory for this encroaching world yet exists, and consultative efforts on this subject have yet to evolve – perhaps because meaningful negotiations might disclose new discoveries, and that disclosure itself constitutes a risk for the future. Overcoming the disjunction between advanced technology and the concept of strategies for controlling it, or even understanding its full implications, is as important an issue today as climate change, and it requires leaders with a command of both technology and history.

The quest for peace and order has two components that are sometimes treated as contradictory: the pursuit of elements of security and the requirement for acts of reconciliation. If we cannot achieve both, we will not be able to reach either. The road of diplomacy may appear complicated and frustrating. But progress to it requires both the vision and the courage to undertake the journey.

WRITTEN BY

Henry Kissinger

126 Blick »Haben Gartenzwerge Sex?«

Bereits vor 6000 Jahren waren Männer mit geringer Körpergrösse im Bergbau sehr gefragt. Auch Kinder wurden (und werden leider noch heute) eingesetzt, denn für sie gibt es im Berg auch dort noch ein Durchkommen, wo normalwüchsige Erwachsene stecken bleiben.

Zur Ausrüstung der Bergmänner gehörte nebst Laterne, Schaufel und Spitzhacke auch eine stark gepolsterte Kragenmütze mit Schulterschürze, eine Art Schutzhelm, der vor tropfendem Wasser und herunterfallenden kleinen Steinen schützte. Der Zipfel der Mütze war gekrümmt, weil die Stollen tief waren, und er war rot, damit man seine Kumpels im fahlen Licht erkennen konnte. Da viele Bergwerksleute aus dem sonnigen Süden stammten, machten sie auf die blassen Einheimischen einen exotischen Eindruck und traten bald als Kobolde und Zwerge in Märchen und Sagen in Erscheinung. Meist attestierte man ihnen Fleiss, positive Kraft und Hilfsbereitschaft.

An europäischen Königshöfen waren kleinwüchsige Komödianten sehr beliebt. Auch am Hofe der Medici in Florenz. Der Zeichner und Kupferstecher Jacques Callot (1592–1635) war derart begeistert von den abendlichen Darbietungen, dass er zahlreiche Karikaturen anfertigte. Sie verbreiteten sich rasch in Europa und inspirierten Maler und Bildhauer. Aus Callots Radierungen entwickelte sich der kitschige Gartenzwerg, der heute als Inbegriff des spiessigen Kleinbürgers gilt.

1958 entwarf der belgische Comiczeichner Peyo Pierre Culliford (1928–1992) blaue Zwerge und nannte sie «Les Schtroumpfs». Doch erst 23 Jahre später erreichten die Schlümpfe dank einer US-Filmproduktion Kultstatus und eine Milliarde Umsatz mit Merchandising-Artikeln.

Im deutschsprachigen Raum sorgte in den 1960er-Jahren ein liebenswerter Kobold für Aufsehen, der «Pumuckl» von Schreinermeister Eden. Er prophezeite: «Ich komm’ noch öfter auf die Welt.»

Zum Entsetzen von Frank Ullrich, Gründer der Internationalen Zwergenpartei (IZP), wurde der kleine Bergmann als geiler Lustzwerg wiedergeboren, der sich mit einer vollbusigen Gartenzwergin paart. Ullrich sah deutsches Kulturgut bedroht und verlangte von der Antidiskriminierungsbehörde ein Verbot, denn «ein Gartenzwerg hat keinen Sex. Er hat keine Gelüste. Er braucht keine Frau!».


Claude Cueni (66) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Soeben ist sein Thriller «Dirty Talking» erschienen.


 

Rezension: Dirty Talking im Schweizer Monat

schweizermonat.ch

– 01. Dezember 2022 06:03

Kultur

Kultur, Rezension Ausgabe 1102 – Dezember 2022 / Januar 2023

Dreck am Stecken

Claude Cueni: Dirty Talking. St. Gallenkappel: Edition Königstuhl, 2022.

Peter Kuster

Er ist witzig und schlagfertig. Er sorgt sich um die Nächsten, nicht nur um seinen alten jüdischen Nachbarn, sondern auch um seine wenig präsentablen Althippie-Eltern. Und er wurstelt sich recht anständig durch sein unspektakuläres Leben im Basler Mikrokosmos. Doch der mittelalte Stand-up-Comedian und Single Bobby Wilson muss, nicht ganz ohne eigenes Zutun, zunächst tief fallen. Erst als er sein Schicksal annimmt, kann er geläutert ein fast schon romantisches Happy End finden.

«Dirty Talking», der Titel von Claude Cuenis jüngstem Werk, ist aber alles andere als ein klassischer Bildungsroman. Vielmehr wird das Programm bereits im ersten Kapitel (das auch eine Triggerwarnung enthält) explizit definiert. Der Autor versteht unter Dirty Talking primär das Löcken gegen den Zeitgeist der Political Correctness, aber auch deftiges Fluchen und schlüpfrige Sprüche. Er geizt weder mit dem einen noch dem anderen und nimmt keinerlei Rücksichten. Das macht die Story flott und die Lektüre leicht, auch wenn manchmal etwas dick aufgetragen wird. So thront die wohl unsympathischste Figur des Romans als Bischof in Mariastein und ist ein übler Pädophiler. Aber was wäre Dirty Talking ohne Klischees? Und wie liesse sich einigermassen eine gedankliche Ordnung in die chaotische Welt bringen, wenn nicht mit der Hilfe von Klischees?

Das Buch ist auch ein Thriller, und dazu gehört eine rechte Portion Dreck und Gewalt. Es gibt Dreckskerle als Täter, und es gibt nicht ganz makellose Opfer, das prominenteste natürlich der Protagonist Wilson. Doch Leichen gibt es nur eine, und der Tod ist nicht mal Folge einer Ausseneinwirkung. Vielmehr handelt es sich um den hochbetagten Nachbarn, der im gelobten Land friedlich in Wilsons Armen entschläft. (Schweige-)Geld und (Kunst-)Geist sowie (Schuld-)Gefühle sind weitere Zutaten, die Cueni einsetzt, und das alles passt gut in eine Lebenswelt, die von einer langsam verblassenden christlich-jüdischen Kultur geprägt ist.

Apropos christlich: Wer ein anregendes Geschenk sucht, kann Cuenis Werk durchaus unter den Weihnachtsbaum legen – sofern der oder die Beschenkte Sinn für etwas deftigen Humor hat und nicht allzu katholisch ist.

125 Blick »Beruf: Asphaltkleber«

Am Anfang war der Pudding. Eine WG, die sich Kommune I nannte, wollte am 6. April 1967 US-Vizepräsident Hubert H. Humphrey bei seiner Ankunft in Deutschland mit Pudding begrüssen bzw. bewerfen, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Ein V-Mann verriet den Plan. Als wenig später der persische Schah Reza Pahlavi anreiste, wurde der Demonstrant Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. In Frankfurt brannten Kaufhäuser, und der radikale Kern der Kommune I flüchtete in den Untergrund, gründete die RAF, die Rote Armee Fraktion. In der Isolation verlor sie vollends den Bezug zur Realität. 32 Menschen fielen ihrem Bombenterror zum Opfer. Das Einzige, was sie erreichten, waren schärfere Gesetze.

Am 4. Februar 2019 hielt Roger Hallam, der Co-Gründer von Extinction Rebellion, eine Rede vor Amnesty International in London: «Wir werden die Regierungen zum Handeln zwingen. Und wenn sie nicht handeln, werden wir sie zur Strecke bringen und eine Demokratie nach unseren Bedürfnissen kreieren. Und ja, einige mögen bei diesem Prozess sterben.»

Den politischen Weg lehnen Klimaextremisten ab. Ob aus Faulheit, Ungeduld oder fehlenden Möglichkeiten zur Selbstdarstellung, sei dahingestellt. Da sie mit ihren Aktionen nicht das Klima retten, sondern die arbeitende Bevölkerung verärgern, wird die entstehende Frustration einige radikalisieren.

Im Gegensatz zur RAF werden sie aber keine Banken überfallen. Sie haben Geld. Die kalifornische Stiftung Climate Emergency Fund finanziert ein weltweites Netzwerk von Lemmingen und bezahlt Trainings, psychologische Betreuung, Windeln, Klebstoffe und Medienschulung. Das Geld der Stiftung stammt von Millionenerbinnen wie Aileen Getty, Enkelin des Erdöl-Tycoons J. Paul Getty. Ihre Beweggründe?

Der schwedische PR-Manager und Börsenprofi Ingmar Rentzhog war Vorreiter. Er entdeckte Greta Thunberg und gründete das Unternehmen We Don’t Have Time. Mit ihr akquirierte er für seinen Aktienfonds Investorengelder in Millionenhöhe. Klimarettung als lukratives Businessmodell? Wieso nicht. Leider bleiben einige dabei in ihren Weltuntergangsfantasien haften, denn der Beruf «Asphaltkleber» hat keine Zukunft. Die Zivilisation hingegen schon.


Ein umfassender Bericht über die »Letzte Generation« erschien am 8.1.2022 im österreichischen Magazin PROFIL. Autor: Clemens Neuhold.

https://www.profil.at/oesterreich/letzte-generation-kleben-fuers-klima/402210078

Auszug:

Plakate, Flyer, Banner und Superkleber finanzieren die Aktivisten über einen sogenannten Climate Emergency Fund. In diesen Fonds zahlen laut Aktivistin Thurner „reiche Leute ein, die ein schlechtes Gewissen haben“. Wer diese Gönner genau sind, wisse sie nicht. Thurner gibt an, demnächst über den Fonds ein freiberufliches, versteuertes Nebeneinkommen über 20 Wochenstunden Aktivismus zu beziehen-über eine Kontaktadresse in Deutschland. Mehr verrät sie nicht.

©© Wie mich Ben Hur vor 22 Jahren vom Rauchen befreite

 

Kaum hatte ich als Teenager mit Rauchen angefangen, wollte ich wieder damit aufhören. Aber es war kompliziert. Das Mädchen, das ich gerade kennengelernt hatte, rauchte. Sie bot mir eine Zigarette an. Ich wollte die Frau, aber nicht die Zigarette, und dachte, damit ich die Frau bekomme, muss ich wohl die Zigarette nehmen. Die erste Mary Long schmeckte scheusslich, aber es war der Beginn einer grossen Jugendliebe.

Jahre später wollten wir beide mit dem Rauchen aufhören. Wir warfen unsere Zigaretten in den Müll und schauten uns den Dokumentarfilm von Mario Cortesi an: «Der Duft der grossen weiten Welt» (1980). Er zeigte Cowboys, die durch die Prärie reiten, Marlboro-Männer. Doch als sie aus dem Sattel stiegen und zu reden begannen, verrutschte uns das Gesicht: Die harten Kerle hatten einen Luftröhrenschnitt, und ihre Stimmen waren kaum verständlich. Der Schock sass tief. Jetzt brauchten wir wirklich eine Zigarette.

Dann hörten wir wieder auf. Bis zum Geburtstag meiner mittlerweile verstorbenen Frau. Weder die Blumen noch die Uhr noch meine Kochkünste machten sie glücklich: «Könntest du uns wenigstens Zigaretten holen?»

So ging das ewig weiter. Wenn wir gemeinsam mit Rauchen aufhörten, entwickelte meine Frau Hyperaktivitäten, sie mutierte zu einer weiblichen Ausgabe von Meister Proper. Ich hingegen wurde zum schweigsamen Couchpotato, der sich Western und historische Monumentalfilme anschaute. Es blieb kompliziert.

Einmal bestellten wir uns vom Bundesamt für Gesundheit Hochglanzbroschüren mit Abbildungen von Raucherbeinen und kaputten Lungen. Wir klebten die Blätter an die Küchenschränke. Und rauchten eine Mary Long. Wir waren noch keine 30 und dachten, dass alte Menschen zu einer anderen Rasse gehören und alte Kranke sowieso. Und Churchill war immerhin 91 geworden. Wir dachten, wir würden ewig jung und gesund bleiben. Irgendwie.

In den Medien erschienen vermehrt Artikel, die auf die Gefährlichkeit des Rauchens hinwiesen, doch die Sitzungszimmer bei Fernsehanstalten waren immer noch so verqualmt wie Pennsylvania nach der Schlacht von Gettysburg. Mir erging es wie Clint Eastwood. Jedes Mal wenn er seinen Zigarillo wegspickte und einen Bad Guy vom Pferd schoss, zündete er sich den nächsten Glimmstängel an. Kein wirklich gutes Vorbild.

Als Lucky Luke nach 30 Millionen verkaufter Alben dem blauen Dunst abschwor, wurde der Wilde Westen zur Non-Smoking Area. Dieter Scholz hätte ein Vorbild sein können. Er trampte meilenweit für eine Camel durch die Serengeti und gab nach sechs Jahren das Laster auf. Doch Jahre später gestand er, er sei ein Fake-Raucher gewesen, er habe nie geraucht. Anders als der Marlboro-Mann Wayne McLaren. Er starb 1992 an Lungenkrebs.

Meinen 474. Versuch startete ich in der Nacht auf den 1. Januar 2000. Ich zündete mir einmal mehr «die letzte Zigarette» an und schaute mir einen Film auf DVD an: «Ben Hur» mit Charlton Heston. Ich dachte: Was waren das doch für arme Schweine auf diesen römischen Galeeren, und nach einem weiteren Glas Rotwein fühlte ich mit Charlton Heston und dachte: #MeToo-, ich sei eigentlich auch ein armes Schwein, das in den Galeeren der Zigarettenindustrie angekettet sei ohne Aussicht auf Befreiung.

Verzichtet man aufs Rauchen, fängt man früher oder später wieder an. Manchmal aus Frust, manchmal aus Freude, man ist da nicht so wählerisch, eine Ausrede findet sich immer. Niemand verzichtet gerne. Ich wollte dieses Mal nicht verzichten, sondern mich befreien. Wie Ben Hur. Das war neu. Obwohl in der römischen Kriegsmarine keine angeketteten Sklaven auf den Ruderbänken sassen, sondern durchtrainierte Legionäre, wurde Ben Hur Teil meiner Autosuggestion. Ich überlebte die Tortur der ersten Tage, und wie fast alles im Leben wird Neues nach einiger Zeit zur Gewohnheit. Das gilt für das Gute wie auch für das weniger Gute.

Sparen Sie sich also all die teuren Ratgeber. Der Sieg beginnt im Kopf, das ist nicht nur im Fussball so. Beim Rauchen lautet das Schlüsselwort:

Befreien, nicht verzichten.

Und ja, ich bin immer noch Nichtraucher.


Soeben erschien der Thriller DIRTY TALKING

Rezension »Dirty Talking«

Von Stefan Millius / 23.11.2022


Es sei der erste «anti-woke Roman der Schweiz», sagt der Autor Claude Cueni über seinen neuesten Thriller. Daran lässt er von Beginn an keinen Zweifel. Dort liefert ein unbekannter Erzähler eine Ode an das Fluchen, eine Absage an diplomatische Höflichkeit und beschönigende Beschreibungen. Eine perfekte Grundlage für das, was danach kommt.

«Dirty Talking» ist die Geschichte von Bobby Wilson aus Basel, gezeugt und aufgezogen von Alt-Hippies, die selbst im hohen Alter nicht aus ihrer Haut können. Er ist die Sorte ewiger Verlierer, die man gleich ins Herz schliesst. Der Halbtags-Journalist träumt von einer Karriere als Comedian. In dieser Rolle erleben wir ihn mehrfach, weil er seine Einkommensquellen verliert und sich ein Kleintheater seiner erbarmt.

Die Einschübe von der Bühne sind lustvolle Publikumsbeschimpfungen, prallgefüllt mit all dem, was man heute «nicht mehr sagen darf». Der Autor lässt seinen Helden über Blondinen herziehen, von «Indianern» sprechen oder einen Ausflug in die Religion wagen. «Okay, okay, was sagte der liebe Gott, als er Eva schuf: ‹Hirn ist alle, jetzt gibt’s Titten!›» Das Publikum schwankt zwischen Empörung und Faszination. Nach dem ersten Lachimpuls kommt die Frage: Darf ich denn?

Eher als ein klassischer Thriller ist der Roman ein abgedrehter Roadtrip, auch wenn sich die Story grösstenteils in der Stadt Basel abspielt. Der kleine Schauplatz ist Bobby Wilsons Welt, seine einzige Konstante. Er braucht Geld und konstruiert selbst aus dem flüchtigsten Zufall eine scheinbare Verdienstmöglichkeit. Weil er weder mit einem kriminellen noch wenigstens mit einem unternehmerischen Gen gesegnet ist, geht das meistens schief. Mehr noch, er ruft damit Leute auf den Plan, die nicht besonders viel Skrupel haben und ihm auf den Fersen sind. Mit jedem Schritt reitet sich Wilson noch tiefer ins Elend – oder in die Scheisse, um in der Sprache des Romans zu bleiben.

Wellness auf Papier

«Dirty Talking» lebt von den Figuren, die Wilsons Wege kreuzen. Da tummeln sich unter anderem der Bischof von Basel, dessen zwei gewaltbereite mexikanische Handlanger, ein Ex-Fussballprofi, der heute Occasionsfahrzeuge verkauft, eine vorbestrafte Tankstellenverkäuferin, ein betagter Nachbar mit einem wertvollen Gemälde und ein schmieriger Anwalt mit politischen Ambitionen. Es ist spürbar, wie viel Spass es dem Autor gemacht hat, immer haarscharf an der Überzeichnung vorbei Charaktere zu zeichnen, welche die Story in eine neue Richtung lenken.

Bobby Wilson ist der festen Überzeugung, bald aus eigener Kraft aus der Misere herauszufinden. Er passt seine Pläne laufend der Situation an, ohne wirklich einen Plan zu haben. Aber wir werden nicht mühsam durch seine inneren Zweifel gepeitscht oder mit bedeutungsschweren Monologen eines Versagers gequält. Es ist eine rasante Erzählung mit Dialogen, wie sie wirklich geführt werden und die nicht zuerst auf ihre politische Korrektheit geprüft wurden. «Dirty Talking» ist eine Art Wellness auf Papier. Eine Heilkur für alle, die es satthaben, bei jedem Gespräch wie auf Eiern zu laufen, weil heute so viel Fettnäpfchen warten.

124 Blick »Der Bulle von der Wallstreet«

Blick-Kolumne Geschichte vom 11. November 2022


Als der Spanier Hernán Cortés mit seinen 550 Begleitern im Jahr 1519 die mexikanische Ostküste erreichte, brachte er den Azteken nicht nur Krankheit, Tod und Verderben, sondern auch die Unsitte des Stierkampfs. Im Lauf der Jahrzehnte fand in den meisten spanischsprechenden Ländern eine kulturelle Aneignung statt.

Der Brauch entwickelte sich in jedem Land etwas anders. Die Mexikaner ersetzten den Stierkämpfer durch einen Bären. In Texas, das bis 1845 zu Mexiko gehörte, wählte man Bullen mit langen Hörnern (Longhorns) und hetzte sie in einer Arena gegen angekettete Grizzlybären. Besonders beliebt waren diese blutigen Kämpfe bei den Goldgräbern in Kalifornien während des Goldrauschs (1848–1854).

Bulle und Bär hatten unterschiedliche Kampftechniken. Während der Bulle mit gesenktem Kopf angriff und versuchte, den Gegner aufzuspiessen, von unten nach oben, wehrte sich der Bär in Bud-Spencer-Manier und versetzte dem Angreifer einen wuchtigen Prankenschlag von oben nach unten.

Es war schliesslich der spanische Autor Don Joseph de la Vega (1650– 1692), der mit seinem 1688 erschienenen Standardwerk über die Amsterdamer Börse Bulle und Bär auf das Börsenparkett hievte. In seiner moralisierenden Streitschrift «Verwirrung der Verwirrungen» steht der Bulle wegen seiner Kampftechnik für steigende Kurse, der Bär für fallende Kurse.

Die Bezeichnung «bullish» für Optimisten und «bearish» für Pessimisten hat sich bis heute gehalten. Der Bildhauer Arturo Di Modica (1941–2021) glaubte an die Macht der Wall Street und setzte 1989 mit seiner drei Tonnen schweren Bronzeskulptur dem «Charging Bull» ein Denkmal nahe der New Yorker Börse.

Es waren jedoch weder der Bär noch diverse Vandalenakte, die dem Goldenen Kalb der «Raubtierkapitalisten» die Stirn boten, sondern ein kleines, furchtloses Mädchen («Fearless Girl») aus Bronze, erschaffen von der Künstlerin Kristen Visbal (59). Sie protestierte 2017 gegen den Mangel an weiblichen Führungskräften in amerikanischen Chefetagen. Doch der Bulle war stärker und vertrieb das selbstbewusste Kind von der New Yorker Stock Exchange.

Und der Bär? Für Pessimismus gibt es an der Wall Street keinen Standplatz. Denn: «Only the sky is the limit», nur der Himmel ist die Grenze.


Claude Cueni (66) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Soeben ist sein Thriller «Dirty Talking» erschienen.

Die Bronze-Skulptur des furchtlosen Mädchens bot dem Börsen-Bullen die Stirn.

©© »Prosecco Moralismus«

Für Einfachgestrickte ist Putin Russland und Russland ist Putin. Folgerichtig nötigen sie Bäckereien ihren #Russenzopf umzubenennen. Die Basler Grossbäckerei Sutterbegg nennt das süsse Gebäck nun Nusszopf, bei der Confiserie Steinmann in Thun heisst es nun Hefestollen, in der Baser Edelconfiserie Gilgen: Hefesüssgebäck. Grossartig! Jetzt muss sich Putin vor Schreck gleich mit beiden Händen am Tisch festkrallen.

Die russische Geschichte ist jahrtausendealt, Putin etwas weniger. Mit Russland assoziere ich Gorbatschow, Kasparov, Marina Owsjannikowa, Dostojewski, Leo Tolstois »Krieg und Frieden«, Matrjoschka Puppen, Wodka, Mongolensturm, Peter der Grosse, Lenin, Stalingrad usw. usf. Was hat das mit Putin zu tun?

Putin hat den barbarischen Einmarsch in die Ukraine befohlen. Nicht der Russenzopf. #Putin ist Russe. Aber Russland ist nicht Putin. Man ist stets auf der sicheren Seite, wenn man jetzt pauschal die gesamte russische Kultur verteufelt und cancelt. Was für ein undifferenzierter, opportunistischer Prosecco Moralismus zur täglichen Imagepflege.

Ich habe in Sankt Petersburg einen jungen Kollegen. Er ist orthodoxer Jude, in der Ukraine geboren, hat einen russischen Pass, seine gesamte Verwandtschaft ist russisch-ukrainisch durchmischt, er entzog sich dem Kriegsdienst und verlegte sein Business nach Armenien. Als auch dort der Krieg ausbrach, floh er in die Türkei. Ist er für Putins Krieg mitverantwortlich?


Soeben erschien der Thriller »Dirty Talking«.