32 Blick »Täglich grüsst der Weltuntergang«

Bereits vor zweitausend Jahren zogen selbsternannte Propheten durch die Gegend und versetzten die Bevölkerung in Panik: «Der Weltuntergang ist nah! Tut Busse!» Da diese Warner offenbar eine Standleitung zu höheren Mächten hatten, sammelten sich die Ängstlichen und Humorlosen um sie herum und frassen ihnen aus der Hand.

Wer am meisten Angst verbreitete, hatte am meisten Anhänger. Mit der Figur des Teufels errang das Christentum die Pole-Position. Fortan schwebte das Damokles-Schwert über den Köpfen der Sünder und bestimmte ihr Handeln.

Die Zukunft nach Nostradamus

Der Meister der Panikmache ist Nostradamus, der die Zukunft bis ins Jahr 3797 voraussagte und klugerweise 1566 verstarb, damit ihm niemand seine Irrtümer vorwerfen konnte.

Als im Sommer 1999 «ein grosser König des Schreckens» vom Himmel runterfahren sollte, bestand kein Zweifel daran, dass Putin (oder eher Kim Jong Il?) die Welt zerstören würde. Da die beiden anderweitig beschäftigt waren, wurden die nebulösen Verse nachträglich als poetische Beschreibung einer Sonnenfinsternis interpretiert und fortan hiess es, Nostradamus habe die Sonnenfinsternis vorausgesagt.

Greta, das sprechende Flugblatt

Die heutigen Weltuntergangs-Propheten sind keine Religionsführer, sondern Wissenschaftler. Der Club of Rome publizierte 1972 «Die Grenzen des Wachstums», Ölvorräte würden bis 2010 versiegen. Wann haben Sie zuletzt getankt? Dann krabbelte der Borkenkäfer in die Redaktionsstuben, und wir nahmen Abschied von der Tanne in Nachbars Garten.

Die aktuelle Panik-Kampagne mit einem autistischen Mädchen als sprechendes Flugblatt war eine clevere Idee des PR-Profis Ingmar Rentzhog. Nur nützt sie weniger dem Klima als dem Aktienkurs seiner Firma und den beiden Aktiengesellschaften von Gretas Vater.

Klima retten, Pony reiten

Wenn «Klima retten» nicht zum neuen «Pony reiten» verkommen soll, braucht es technische Innovationen und Hilfen zur Geburtenkontrolle, denn die Mehrheit im Westen will sich nicht einschränken, und die Dritte Welt wird nicht auf die begonnene Industrialisierung verzichten.

Die Dreckschleudern in den Fabriken des 19. Jahrhunderts wurden nicht durch Verschrottung der Dampfmaschinen und einem folkloristischen Rückfall in die Pubertät beseitigt, sondern durch neue Erfindungen (und soziale Verbesserungen).

Claude Cueni (63) ist Schriftsteller und lebt in Basel. In seinem Roman «Godless Sun» beschrieb er die Entstehung einer neuen Naturreligion. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.


Die ersten 50 Blick-Kolumnen in Buchform.

eBook, Paperback, Hardcover

31 Blick »Mobile Neandertaler«

© Blick vom 8. März 2019, Kolumne 31

Mobile Neandertaler

Im alten Rom war es ähnlich wie heute mit dem Flugverkehr. Ein Beamter klagte: «Alle wollen Strassen, bloss nicht in ihrer Nachbarschaft.» Zuvor hatte sich schon Julius Cäsar mit dem Thema beschäftigt und sich Einbahnstrassen und Fahrverbote ausgedacht, aber die Umsetzung war schwieriger als die Eroberung Galliens.

Bridget Driscoll wäre hingegen lieber nicht berühmt geworden. Als sie am 17. August 1896 in London auf dem Weg zu einer Tanzveranstaltung war, traf sie auf Roger. Genauer gesagt: auf ein seltsames Ding, das mit einer Geschwindigkeit von sechs Stundenkilometern auf sie zuschlingerte. Der französische Ingenieur Emilie Benz hatte seinen Roger-Benz zusammengeschraubt und mit vier Rädern versehen. Bridget erlitt eine tödliche Kopfverletzung und ging als erstes Opfer eines Autounfalls in die Geschichte ein.

Das war neu. Denn bisher brachen sich die Londoner auf dem holprigen und von Pferden vollgepissten Pflaster eher die Knochen, wenn sie sich zwischen Tierkadavern und ineinander verkeilten Kutschen ihren Weg bahnten.

Mit der zunehmenden Motorisierung verschwanden zwar Tonnen von Pferdeäpfeln aus dem Strassenbild, aber tödliche Unfälle häuften sich und machten eine Strassenverkehrsordnung notwendig.

1868 wurde in London die erste gasbetriebene Verkehrsampel installiert, sie explodierte bereits nach wenigen Wochen. Erst mit der Elektrifizierung wagte man einen neuen Anlauf. 1920 leuchteten in New York dreifarbige Ampeln für Fahrzeuge und ab 1933 in Kopenhagen die ersten Ampeln für Fussgänger. Es folgten Schilder, Zebrastreifen, Tempolimits, Sicherheitsgurt und vor rund 50 Jahren der Airbag.

Städtebauliche Massnahmen, eine Verbesserung der Fahrzeugtechnik und verkehrspädagogische Pflichtschulungen wurden laufend verbessert.

Doch ausgerechnet die Politik gefährdet heute die Sicherheit auf den Strassen und setzt sich über die Warnungen der Experten hinweg. Neulenker, die auf Automaten gelernt haben, dürfen seit 1. Februar ohne Zusatzprüfung geschaltete Autos fahren. Rechtsvorbeifahren und Rechtsüberholen auf Autobahnen soll auch noch erlaubt werden. Freude herrscht unter den mobilen Neandertalern.

30 Blick »Lucky Luke & die echten Daltons«.

© Blick Folge 30, 22. Februar 2019

 

Lucky Luke & die echten Daltons

 

Im Wilden Westen Mitte des 19. Jahrhunderts sorgten Marshalls für Ruhe und Ordnung in den Städten. Frank Dalton war einer von ihnen. Aber nicht lange. Bereits im Alter von 28 Jahren wurde er von einem Outlaw erschossen. Seine Brüder Bob und Grat, auch sie Marshalls, waren darüber so erbost, dass sie die Branche wechselten und sich fortan mit ihren Brüdern Emmett und Bill in den Fachbereichen Pferdediebstahl, Eisenbahn- und Banküberfall weiterbildeten.

 

Der Erfolg stieg ihnen zu Kopf, und im Oktober 1892 wollten Bob, Grat und Emmett gleich zwei Banken aufs Mal ausrauben. Bill war verhindert, er sass gerade im Knast in Kansas. Er wurde von den Berufskollegen Dick Broadwell und Bill Power vertreten.

 

Doch vor der C. M. Condon & Company Bank in Texas wurden sie von einem bewaffneten Aufgebot gestellt und niedergeschossen. Ein berühmtes Foto vom 5. Oktober 1892 zeigt vier Leichen, zwei Daltons und die beiden Kumpels. Emmett Dalton war nicht auf dem Foto, denn er überlebte trotz 23 Schussverletzungen.

 

Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und nach 15 Jahren begnadigt. Erneut musste er die Branche wechseln. Den neuen Job fand er nicht als Rausschmeisser in einem Saloon, sondern inmitten von Western-Kulissen aus Pappkarton. Er wurde historischer Berater in Hollywood, schrieb das Drehbuch zum Film «Beyond the Law» und spielte den Bösewicht gleich selbst. Mit sechzig schrieb er seine Autobiografie «When the Daltons Rode» (Als die Daltons ritten) und starb.

 

Nicht wirklich. 1946 erweckte ihn der Comic-Zeichner Morris zu neuem Leben. Er hatte mit Lucky Luke eine Figur erschaffen, die schneller als ihr Schatten schiesst, aber es fehlten noch einige Bösewichte. Vier der Dalton-Brüder wurden seine ewigen Gegenspieler, der Kleinste war smart, der Grösste doof. Ab 1955 füllte René Goscinny (ab 1959 auch Texter von «Asterix») die Sprechblasen. Nach seinem Tod übernahmen jüngere Autoren.

 

Während Comic-Zeichner wie Hergé (24 Alben) ihre Figuren mit ins Grab nahmen und testamentarisch weitere Abenteuer verboten, gönnte Morris seinen Millionen Fans weitere Geschichten (bisher 78 Alben) und seinen Erben neue Lizenzeinnahmen.