#chronos (1992)

chronos_1992_marlboro1992 strich die Weltgesundheitsbehörde Homosexualität von der Liste der Krankheiten. Auch die spanischen Staatsrechler benutzten den Rotschift und löschten den 1492 erlassenen Alhambra-Edikt, der die Vertreibung aller Juden aus spanischen Territorien festschrieb.

Der frühere DDR-Staatschef Erich Honecker (»Den Sozialismus in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf«) wurde am Berliner Flughafen weder von Ochs noch Esel aufgehalten, sondern von der deutschen Polizei, die ihn gleich verhaftete und in Untersuchungshaft steckte. Vor Gericht übernahm er die politische Verantwortung für die Toten an der Mauer, wies aber jede moralische Schuld von sich. Ein bliebtes Motiv für Karikaturisten war sein inniger «Sozialistischer Bruderkuss» mit Breschnew.

 «I Will Always Love You» versprach auch Whitney Houston ihrem Filmpartner Kevin Costner im US-Thriller «Bodygard».

Nach dem Zerfall Jugoslawiens beherrschten kriegerische Auseinandersetzungen die Schlagzeilen und bestätigten die Aussage von Autor und Kriegsreporter Eugen Sorg: «Die Zivilisation ist eine ganz dünne Schicht.»

1992 starb der «Marlboro Man» Wayne McLaren an Lungenkrebs. Das in den 70er Jahren populäre Fotomodell sagte seinen Töchtern wenige Stunden vor seinem Tod: «Ich beende mein Leben unter dem Sauerstoffzelt. Ich sage euch, Rauchen ist das nicht wert.» Im späteren Spielfilm »Thank You For Smoking« (2005) spielte Sam Elliott den «Marlboro Man» McLaren.

Mit dem Maastrichter Vertrag rückten die Länder der Europäische Union enger aneinander. Mit dem neuen Stabilitätspakt sollte sichergestellt werden, dass die Netto-Neuverschuldung auf drei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts begrenzt wird. Die Schuldenbremse wurde gleich von Musterschüler Deutschland gebrochen. Die Vertragsbestimmung war umgehend Makulatur. Griechenland erlaubte sich gleich eine Verschuldung von neun Prozent, aber selbst dieser Finanzausweis war wie üblich frisiert.

Ueberraschend lehnte die Schweiz in einer Volksabstimmung den Beitritt zum EWR mit 50,3 Prozent ab. Ueberraschend deshalb, weil sich mit Ausnahme der Schweizerischen Volkspartei, sowohl Bundesrat, als auch Parlament für einen Beitritt ausgesprochen und deshalb bereits ein EU Beitrittsgesuch in Brüssel hinterlegt hatten. Der damals noch nicht so bekannte Zürcher SVP Nationalrat Christoph Blocher betrat die nationale Bühne.

Einen Oscar erhielt Anthony Hopkins für die Hauptrolle in «Das Schweigen der Lämmer»: „Die meisten Serienmörder behalten eine Art Trophäe von Ihren Opfern.“ Er hatte seine gegessen.

In Italien demonstrierte die Mafia erneut ihre Macht und erschoss den Strafverfolger Giovanni Falcone und den italienischen Richter Paolo Borsellino, mitsamt ihren Leibwächtern.

Nachdem sich George H.W. Busch bei einem Staatsbankett im Schoss des japanischen Ministerpräsidenten Kiichi Miyazawa erleichtert hatte, wurde am Jahresende der trinkfreudige Bill Clinton zum 42. Präsidenten der USA gewählt. In Erinnerung blieb, dass er während eines Telefonats mit dem selten nüchternen Cognac Liebhaber Boris Jelzin einen Blowjob genoss. Doch der grösste Einzelkunde des französischen Cognac Herstellers Hennessy blieb Kim Jong II, der jährlich für 750 000 Dollar bestellte, während sein Volk hungerte. Sein Sohn setzt heute die Tradition fort.

Paul Verhoeven inszenierte die damals unbekannte Sharon Stone in «Basic Instinct» als unwiderstehliche Femme fatale.

„Gibt’s hier auch Schnee?“

„Nein, aber ich könnte ein bisschen Sahne schlagen.“

#chronos (1932)

chronos1932jpeg1932 imitierte der Opernsänger Lloyd Thomas Leech den Schrei eines brünstigen Gorillamännchens, mixte ihn mit dem Heulen einer Hyäne, dem Blöken eines Schafs und dem schnell abgespielten Gejodel von Johnny Weissmüller, einem fünffachen Olympiasieger. In «Tarzan The Ape Man« (1932) unterliegt der Herr des Dschungels dem Charme der attraktiven Maureen O’Sullivan, die in einem Dutzend weiterer Filme Tarzan Sprachunterricht erteilte:

Jane: «Jane.» Tarzan: «Jane.» Jane: «And you? You?» Tarzan: «Tarzan! Tarzan!»

Die Zensurbehörde befahl Jane, sich trotz der tropischen Hitze züchtiger zu kleiden. Als die Urwaldschönheit den Dschungel wieder verliess, erhielt sie nur noch ein einziges Angebot, eines zum Heiraten. Sie gebar sieben Kinder, eine Tochter war Mia Farrow. Ihr späterer Schwiegersohn Woody Allen gab ihr einen Auftritt in »Hannah und ihre Schwestern«. Für die Beziehung war es nicht wirklich hilfreich.

In europäischen Zoos waren Völkerschauen populär. Im Basler Zoo wurden den Besuchern «die aussterbenden Lippennegerinnen» wie exotische Tiere vorgeführt. Ein Journalist schrieb damals: «Vor ihren Hütten kauern halbnackte Gestalten, stark an das Affengeschlecht erinnernd.»

1932 erhielt der Sohn eines österreichischen Zollbeamten die deutsche Staatsbürgerschaft. Er hatte zuvor die Kampfschrift «Mein Kampf» veröffentlicht. Das Buch wurde zur Bibel der NSDAP, die bei den Reichstagswahlen gleich 37 Prozent der Stimmen erhielt und stärkste Fraktion wurde. In Deutschland waren mittlerweile über sechs Millionen Menschen arbeitslos. Der Weltwirtschaftskrise vorausgegangen waren der «Schwarze Freitag 1927», der die Berliner Börse um über 30 Prozent einbrechen liess, und der «Schwarze Donnerstag 1929», der als Auslöser der Krise gilt. Armut und Arbeitslosigkeit ebneten dem Faschismus den Weg.

Nervlich am Limit war auch der Schriftsteller Pawel Gorgulow, der anlässlich der Eröffnung der Pariser Buchmesse den Staatspräsidenten Paul Doumer erschoss und noch im gleichen Jahr unter der Guillotine starb. Der Auflage hat es nicht geholfen.

Blut floss auch in der Schweiz. Strassenschlachten zwischen Streikenden und Ordnungskräften gingen als «Blutnacht von Zürich und Genf» in die Geschichtsbücher ein.

Die Wirtschaftskrise diktierte Autoherstellern die Produktion kleinerer Autos zu erschwinglichen Preisen; vier Unternehmen fusionierten in der Not und wählten als Logo vier Kreise: Audi. Auch die Mode wurde von der Krise beeinflusst: Modejournale boten Hilfe zur Selbsthilfe, man schneiderte aus alten Kleidern neue Modelle.

In den USA sorgte die Entführung und Ermordung des Säuglings von Anne und Charles Lindbergh für monatelange Schlagzeilen. Mahatma Gandhi wurde festgenommen und begann in Gefangenschaft einen Hungerstreik, Ibn Saud gründete Saudi-Arabien, und Werner Heisenberg erhielt den Nobelpreis für Physik und war später Namensgeber für den biederen Chemielehrer Walter White (Bryan Cranston) in der erfolg­reichen US-TV-Serie «Breaking Bad».

James Charles «Jimmie» Rodgers landete mit «Roll Along, Kentucky Moon» den Hit des Jahres. Der Vater der Country-Musik baute als Erster Jodler in seine Songs ein. Mit seiner ersten Single verdiente er 27 Dollars, später avancierte er zum millionenschweren Superstar. Die Weltwirtschaftskrise beendete seinen Höhenflug: Die Menschen hatten kein Geld mehr, um seine Platten zu kaufen. Er starb 35-jährig im Tonstudio.

Blue Moon, you saw me standing alone, Without a dream in my heart.

© Basler Zeitung; 27.03.2015

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.

#chronos (1963)

cueni_chronos_19631963 schluckte die State Mutual Insurance Company einen Konkurrenten und wollte die Übernahme mit einem freundlichen Gesicht visualisieren. Der Freelancer Harvey Ball entwarf in zehn Minuten einen gelben Kreis mit zwei fröhlichen Augen und einem lächelnden Mund. Für seinen «Smiley» erhielt er 45 Dollar und eine Menge Ärger. Jahrelang kämpfte er mit seinen Anwälten vor Gericht, damit seine Urheberschaft anerkannt wird. Nach 40 Jahren erfolglosem ­Prozessieren war selbst dem Schöpfer des Smiley das Lächeln vergangen. Seine Kreation ist heute die meistverbreitete Werbegrafik der Welt.

Weltweite Verbreitung fand auch der Song «We Shall Overcome». Auf dem Marsch der 300 000 nach Washington sangen die Menschen den 60 Jahre alten Gospelsong des Pfarrers Charles Tindley, der mittlerweile über 100 Coverversionen erlebt hat und heute die Hymne der Bürgerrechtsbewegungen in aller Welt ist. Auf ­diesem «March on Washington for Jobs and Freedom» hielt Martin Luther King seine berühmte Rede «I Have a Dream».

Ganz andere Träume hatten die Frauen, die sich die ersten Silikonimplantate einsetzen liessen. Nach unzähligen Versuchen mit Rinderknorpel, Wolle, Glaskugeln, Paraffin und Bienenwachs schien man nach 68 Jahren Forschung das geeignete Material gefunden zu haben. Doch 20 Jahre später verklagten Hunderte der 1963 operierten Frauen den Implantathersteller wegen Autoimmunerkrankungen.

1963 liess Alfred Hitchcock in den USA die Möwen fliegen. «The Birds» basierte auf der gleich­namigen Shortstory von Daphne du Maurier und machte das New Yorker Fotomodell Tippi Hedren berühmt. Über die tiefere Bedeutung des Films wurde lange debattiert. Die einen glaubten im Angriff der Vögel die Luftangriffe der Deutschen während des Krieges zu erkennen, andere hielten die Möwen für die kommunistische Bedrohung. Unbestritten ist, dass Hitchcock mit diesem Film einen Klassiker des Horrorfilms gedreht hat.

Wesentlich kontroverser war «Das Schweigen» von Ingmar Bergmann. Die Presse fragte sich «Ist das noch Kunst oder schon Pornografie?» Marcel Reich-Ranicki schrieb, nun könnten Spiesser und Heuchler beruhigt «einen feuchten weiblichen Busen» betrachten und «sich aufgeilen» lassen. Die Sexszenen in einer leer stehenden Kirche riefen die Zensurbehörden auf den Plan und bescherten dem Film einen grossen Erfolg und Einsparungen in Werbung und Marketing.

Problemlos verliefen hingegen in Hamburg die Dreharbeiten zum Sketch «Dinner for One». In der 18-minütige NDR-TV-Produktion spielte der Komiker Freddie Frinton den Butler James, der für Miss Sophie die Rolle der vier verstorbenen Gäste übernehmen muss. «The same procedure as every year?»

Eine Abweichung vom üblichen Prozedere schaffte Charles de Gaulle, als er den Beitritts­antrag Grossbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) überraschend ablehnte. Von den bisherigen Standards wich auch der Philips-Konzern ab: Er erfand einen neuen Datenträger: die Compact Cassette, und Bobby Vinton sang sich mit «Blue Velvet» auf Platz 1 der US Charts.

John F. Kennedy erlitt vor dem Berliner ­Rathaus Schöneburg eine Identitätskrise und behauptete, er sei ein Berliner. Noch im selben Jahr wurde er in Dallas von einem Attentäter erschossen. Die zahlreichen Verschwörungstheorien halten bis heute an.

Der Basset «Wurzel» startete in der Daily Mail seine Comic-Weltkarriere als ironisch reflektierender Vierbeiner. Wurzel überlebte sogar den Tod seines Schöpfers Alexander Graham (1991), denn seine Tochter lieferte später die Ideen für mittlerweile über 15 000 Comicstrips.

© Basler Zeitung; 12.12.2014

#chronos (1981)

 

Bildschirmfoto 2015-02-26 um 15.34.11«Ich will den War Room sehen», sagte der ­frisch gewählte amerikanische Präsident Ronald ­Reagan, als er zum ersten Mal das Weisse Haus betrat. Man musste ihm schonend beibringen, dass der War Room, den er im Kino gesehen hatte, eine Kreation des Bühnenbauers Ken Adams war. Er hatte für die meisten James-Bond-Filme die futuristischen Bunker gebaut. «Bigger than life» war sein Credo.

Der ehemalige Cowboy-Darsteller Reagan hatte sich zum Ziel gesetzt, den Warschauer Pakt zu Tode zu rüsten und in Europa Mittelstrecken­raketen zu stationieren. Allein in Amsterdam ­marschierten fast eine halbe Million Menschen für den Frieden auf die Strasse und begründeten zusammen mit Atomkraftgegnern, Umwelt­aktivisten und Hausbesetzern eine neue Alternativkultur.

Die Abrüstungsverhandlungen in Wien waren nur gerade für den Russen Nikolai Koroljuk ­erfolgreich. Dank seinen guten Deutschkennt­nissen flüchtete der Dolmetscher noch während der Gespräche in den Westen, wo gerade mit dem «European Currency Unit» (ECU) die Verrechnungseinheit der Europäischen Gemeinschaft ­eingeführt wurde.

Während in Stuttgart der letzte Mercedes-Benz vom Band rollte, definierte IBM mit dem ­ersten «persönlichen Computer» den weltweiten Computerstandard. Der IBM PC 5150 hatte noch keine Festplatte, dafür aber 5,25-Zoll-Disketten mit 160 KB Speicherplatz. Shakin’ Stevens sang «You Drive Me Crazy».

Im gleichen Jahr wurde das Computer Science ­Network (CSNET) gegründet, der Vorläufer des Internets. Der US-Seuchenschutz berichtete erstmals über eine neue Immunkrankheit: Aids.

Im Fernsehen erklärte uns Tilli das neue Palmolive: «Sie baden gerade Ihre Hände darin.» Gleich nach der Werbung wurde die ­Hochzeit von Lady Diana Spencer und Prinz Charles übertragen. Charles hatte noch kurz vor dem Jawort seiner heimlichen Geliebten gemailt, dass er gerne ihr Tampon wäre. Camilla, die Duchess of Cornwall, erbarmte sich seiner und heiratete ihn später.

Die ARD startete die US-Serie «Dallas». J. R.: «Wenn ich nächstes Mal das Kriegsbeil begrabe, begrabe ich es in deinem Schädel!» Robert De Niro kämpfte «Wie ein wilder Stier», während Elias Canetti den Literaturnobelpreis erhielt und noch einen Sohn zeugte.

Das Licht der Welt erblickten auch Beyoncé und Britney Spears, das Licht erlosch für Bill Haley, Bob Marley und Georges Brassens. Der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat wurde bei einer Militärparade erschossen, während sowohl Papst Johannes Paul II. als auch Ronald Reagan Opfer von Attentätern wurden und überlebten.

In Polen wurde der Kriegszustand verhängt, um die Solidarnosc in die Knie zu zwingen. Auf den Philippinen wurde das Kriegsrecht wieder auf­gehoben, nachdem Diktator Ferdinand Marcos über 30 000 Oppositionelle in Militärlagern ­inhaftiert und zahlreiche Gegner erschossen hatte. Das Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg die zweitstärkste Wirtschaftsmacht in Südostasien war, verkam zu einem Drittweltland. Imelda ­Marcos sagte einmal: «Ich bin der Star und der Sklave der kleinen Leute, und es kostet mich weit mehr Arbeit und Zeit, mich für einen Besuch in den Elendsvierteln zurecht­zumachen als für einen Staatsbesuch.» Ihr Clan hatte dem Volk 30 Milliarden geraubt.

Eine weitere «Klapperschlange» machte von sich reden, der Science-Fiction-Film von John ­Carpenter. In schwedischen Gewässern dümpelte wieder einmal ein sowjetisches U-Boot und ­Freddie Mercury sang die Titelmelodie des ­Flash-Gordon-Remakes: «Gordon’s alive, flash, ah, ah, he’ll save ev’ry one of us.»

One more thing: Bill Gates verkündete: «640 Kilobyte sind genug für jeden.»

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.

www.cueni.ch

© Basler Zeitung; 27.02.2015

 

#chronos (1893)

 

cueni_chronos_1893«Wir sind leider pleite», verkündete der ­griechische Premier Charilaos Trikoupis 1893, «Dystychos eptochefsame». Das Land war bereits seit 1826 hoffnungslos überschuldet und hatte die Auslandskredite nicht mehr zurückzahlen können. Ursache war wie üblich die griechische Tradition, den Staat vor allem als Versorgungs­anstalt zu ­nutzen. Kulturell verankert waren auch die ­fehlende Steuermoral und «Fakelaki», die Kunst der freundlichen Bestechung. Auch nach 100 ­Jahren besetzt Griechenland gemäss ­«Transparency International» Platz eins auf der europäischen Korruptionsliste.

Nach der Bankrotterklärung verlor Trikoupis haushoch gegen Theodoros Deligiannis, der seine Anhänger mit populistischen Versprechungen begeisterte und als «grösster Demagoge ­Neugriechenlands» in die Geschichtsbücher ­einging. Trotz leeren Staatskassen plante man in grotesker Selbstüberschätzung einen aussichts­losen Angriffskrieg (1897) gegen das ­übermächtige Osmanische Reich, der aber bereits nach einem Monat kläglich scheiterte.

In diesem Jahr gingen auch zahlreiche ­Investoren jenseits des Atlantiks pleite. In der «Panik von 1893» crashte die Börse, nachdem eine weitere Eisenbahngesellschaft Insolvenz angemeldet hatte. In Erwartung einer Dollar­abwertung (aufgrund der geschrumpften Gold­reserven) begann am «Industrial Black Friday» der plötzliche Ausverkauf an den Börsen. Fünfzehn­tausend Firmen gingen bis Ende Jahr bankrott, ­Hunderte von Banken und Eisenbahngesellschaften waren pleite.

Nach dem Eisenbahnhype folgte der Automobilhype: Rudolf Diesel erhielt das Patent für seinen Diesel­motor, Whitcomb Judson ein Patent auf seinen neuartigen Reissverschluss und Charles Cretors brachte Maiskörner maschinell zum Platzen und patentierte die Popcornmaschine, die heute zu jeder Kinoausstattung gehört.

Kino gabs jedoch erst in der «Black Maria», dem ersten kommerziellen Filmstudio der Welt. Inspiriert durch die Serienfotografien von ­Muybridge und Marey hatte Thomas Edison, gemeinsam mit dem Ingenieur und Hobby­fotografen Dickson, ein Gerät entwickelt, das während einer Minute bewegte Bilder ­aufzeichnen und wiedergeben konnte: den Kinetoskopen.

Durchaus filmreif war auch die Karriere von Grover Cleveland. Der frühere Sheriff wurde zum 24. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Der Naturbursche galt als integer und bekämpfte die Korruption. Er liebte gesellige Pokerrunden in den Saloons und das weibliche Geschlecht. Eines seiner Kinder wurde gleich im Weissen Haus geboren, und selbst ein uneheliches Kind konnte ihm im prüden 1893 nicht das Genick brechen. Aufgrund seiner Leibesfülle wurde der ­Genussmensch «Big Steve» genannt, nach Ablauf seiner Amtszeit hatte er bereits die ­Schwergewichtsklasse erreicht und hiess fortan «Uncle Jumbo».

Genussmenschen gehörten auch zur Klientel des Kellners Maxime Gaillard, der in Paris das Restaurant Maxim’s eröffnete. In der Schweiz wurde eine Volksinitiative zur Abschaffung des Schächtens angenommen, bewirkt hat es jedoch wenig. Und in Basel wurde der FC Basel gegründet.

1893 war auch die Zeit von Rosa Luxemburg, der Terroranschläge von Anarchisten in Paris und Barcelona, die Zeit der europäischen Kriege auf Kolonialgebiet. Deutsche töteten in Deutschland-­Südwestafrika, Spanier jagten Berberstämme im nördlichen Marokko, Franzosen unterwarfen Mali und gründeten die Kolonie Französisch-Sudan, und selbst in Asien führten sie Krieg und schufen die Kolonie Französisch-Indochina (Laos).

Und Edvard Munch malte die erste Version seines Gemäldes «Der Schrei».

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.

© Basler Zeitung; 13.02.2015

#chronos (1977)

 

cueni_chronos_19771977 sangen die Eagles «Welcome to the Hotel California, such a lovely place», während in ­Frankreich zum letzten Mal das abgeschrägte Beil der Guillotine heruntersauste.

Der bisher unbekannte John Travolta tanzte sich durch «Saturday Night Fever». Sein Aufstieg zum Hollywoodstar war nicht ganz einfach, da er sich keine fünf Sätze merken konnte und deshalb überall Teleprompter im Weg standen. Und ein paar Scientologen.

Jimmy Carter wurde zum 39. Präsidenten der USA gewählt. Sein Bruder Billy, ein Tankstellen­besitzer, brachte umgehend ein Billy Beer auf den Markt und verdiente damit mehr als sein grosser Bruder in Washington. Er war ein sehr gefragter Interviewpartner, da er laut eigenen Angaben, an guten Tagen 40 bis 50 Dosen Billy Beer trank.

1977 schickte die Nasa ihre Raumsonde ­Voyager 1 zu den Planeten Jupiter und Saturn. Sie war das erste von Menschen geschaffene Objekt, das (nach einer 35-jähriger Reise) den inter­stellaren Raum erreichte. Noch heute sendet Voyager 1 regelmässig Daten zur Erde.

Nicht minder erfolgreich war in diesem Jahr der Start von George Lucas’ «Star Wars». Eigentlich hatte er «Flash Gordon» verfilmen wollen, doch Dino De Laurentiis wollte die Rechte nicht ­hergeben. Nach zahlreichen Absagen wurde das erfolgreichste Filmprojekt aller Zeiten realisiert und erwirtschaftete seitdem, allein mit dem ­Merchandising, über 20 Milliarden Dollars. Die Science-Fiction-Sage prägte nicht nur die Popkultur, ­sondern auch die ­Jugenderinnerungen einer ganzen Generation.

Das Jahr 1977 bescherte Deutschland einen «heissen Herbst». Die kommunistische und antiimperialistische Stadtguerilla Rote Armee Fraktion (RAF) dominierte mit Morden, Entführungen und Sprengstoffattentaten die Schlagzeilen. Als der Kern der RAF inhaftiert wurde, versuchten die letzten Mitglieder, ihre Anführer mit der Entführung einer Boeing der Lufthansa freizupressen. Bundeskanzler Helmut Schmidt schickte die Antiterroreinheit GSG-9 nach Mogadischu. In einer siebenminütigen Aktion erschoss die Spezialeinheit drei der vier Terroristen und befreite die Geiseln. Darauf begingen die vier inhaftierten RAF-Terroristen Selbstmord.

Medienthema war aber auch das anonyme Pamphlet in den Göttinger Nachrichten. Ein anonymer Mescalero brachte seine «klamm­heimliche Freude» über die Ermordung von ­Generalbundesanwalt Siegfried Buback zum ­Ausdruck. 24 Jahre später bekannte sich der Deutschlehrer Klaus Hülbrock zu diesem Text.

Elvis, der «King of Rock ’n’ Roll», der mit über einer Milliarde verkauften Tonträgern der ­erfolgreichste Solokünstler aller Zeiten ist, starb nach drei Herzinfarkten, Leukämie, chronischer Darmentzündung und anderen Krankheiten, die erst viel später publik wurden. Vor seinem Tod gestand er einem Freund: «Jeder denkt, ich sei einfach nur fett. Sie kapieren nicht, dass es ­Flüssigkeit ist. Mein Dickdarm ist hinüber.»

Sterben musste auch die Stummfilm-Legende Charlie Chaplin, der gemäss seinem renommierten Biografen Peter Ackroyd ein Weltstar, aber auch ein ziemlicher Mistkerl ­gewesen sein soll. Er habe seine weit über 100 Sexpartnerinnen «wie den letzten Dreck» behandelt.

Verstorben ist auch René Goscinny, der ­erfolgreichste Comicautor des 20. Jahrhunderts, der Asterix & Obelix & Lucky Luke die Sprech­blasen füllte. Er erlitt während eines routine­mässigen ärztlichen Belastungstests einen Herzinfarkt.

And one more thing: Ken Olson, Präsident der Digital Equipment Corp., diktierte einem ­Journalisten: «Es gibt keinen Grund, warum irgendjemand einen Computer in seinem Haus wollen sollte.»

© Basler Zeitung; 30.01.2015

Claude Cueni

Die #chronos Kolumnen erscheinen alle zwei Wochen in der Basler Zeitung, jeweils am Freitag.

 

#chronos (1951)

cueni_chronos1951«Everybody likes my rocket 88», sangen «Bill Haley & His Saddlemen» in einer eigenwilligen Coverversion, die als erste Aufnahme eines ­Rock-’n’-Roll-Titels gilt. Das schweizerische ­Verteidigungsministerium beschaffte für die ­Fernmeldetruppen 30 000 «selbstreproduzierende Kleinflugkörper auf biologischer Basis mit festprogrammierter automatischer Rückkehr aus ­beliebigen Richtungen», die 1995, trotz Protest der Brieftaubenlobby, in die zivilen Lüfte ­entlassen und zu Ratten der Lüfte mutierten.

1951 wurde Hitler – wenig überraschend – für tot erklärt und die deutsche Justiz beschleunigte die Ahndung von Kriegsverbrechen, indem sie rund 800 000 Nazis amnestierte. Die rechts­gerichtete deutsche SRP (Sozialistische Reichspartei) erhielt – auch wenig überraschend – bei den niedersächsischen Landtagswahlen elf ­Prozent der Stimmen.

Mehr Stimmen erhielt der Skandalfilm «Die Sünderin», in dem Hildegard Knef eine ­Prostituierte spielt, die ihrem krebskranken Freund Sterbehilfe leistet. Der Erzbischof von Köln verlas gleich zur Premiere einen Hirtenbrief, um gegen die nackten Brüste der Hildegard Knef und gegen die Propagierung von wilder Ehe, ­Prostitution und Sterbehilfe zu protestieren. Im Namen Gottes stürmte der Pfarrer Carl ­Klinkhammer mit Sympathisanten die Kinos, warf Stinkbomben und weisse Mäuse in die ­voll besetzten Säle und war sehr hilfreich für das Marketing.

Wesentlich lustiger waren «Laurel & Hardy», die 1951 der Fremdenlegion beitraten, weil sie sich von ihren Ehefrauen ­vernachlässigt fühlten. Sie waren das erfolgreichste Komikerduo der damaligen Zeit (106 Filme), die Stars der gebeutelten Kriegsgeneration, die sich nach Frieden und Wohlstand sehnte und deshalb den neuen 51er-Buick-le-Sabre mit Begeisterung aufnahm, ein luxuriöser Strassenkreuzer mit riesen Kotflügeln und Stummelflossen.

Für kleinere Budgets gab es die Metallautos von Jack Odell im Massstab 1:64. Er hatte sich ­darüber geärgert, dass es seiner Tochter in der Schule verboten war, Spielsachen, die grösser waren als eine Streichholzschachtel, in den ­Unterricht zu nehmen. Er entwickelte aus Trotz eine kleine Dampfwalze, die so klein war, dass die Tochter sie in einer Matchbox verstecken konnte. Den Durchbruch erreichte die Firma mit ihren blaugelben Matchboxes jedoch erst im nächsten Jahr mit dem Miniaturmodell der ­Krönungskutsche von Her Majesty The Queen.

1951 erschien die deutsche Ausgabe von Simone de Beauvoirs «Das andere Geschlecht» («Man wird nicht als Frau geboren, man wird es») und C.G. Jung publizierte seine Untersuchungen zur Symbolgeschichte, während nordkoreanische und chinesische Truppen den USA einen ­Stellungskrieg lieferten. Aus Angst vor einem ­dritten Weltkrieg setzten weltweit Hamsterkäufe ein. Als Oberbefehlshaber Douglas MacArthur den Abwurf einer Atombombe über China forderte, wurde er von Harry S. Truman entlassen und der Basler Grafiker erfand für Suchard die Milka-Kuh, während Fats Domino seinen Nervenkitzel in Blueberry Hill fand.

I found my thrill on Blueberry Hill

On Blueberry Hill, when I found you

Der Korea-Krieg sorgte in den USA für heisse Köpfe und leitete die McCarthy-Aera ein, die den meisten linken Intellektuellen die Frage stellte: «Sind Sie oder waren Sie jemals Mitglied der kommunistischen Partei.» Etliche Drehbuch­autoren benutzten fortan Pseudonyme, doch John Wayne verpfiff einige von ihnen an das ­Tribunal. Von ihm ist das Zitat überliefert: «Ein Huhn muss tun, was es tun muss.»

Claude Cueni

© Basler Zeitung; 16.01.2015 / die #chronos Kolumnen erscheinen 14täglich, jeweils am Freitag, in der Basler Zeitung

#chronos (1904)

cueni_chronos_19041904 wurde erstmals auf dem New Yorker Times Square Silvester gefeiert. «Wie lieb und luftig perlt die Blase / Der Witwe Klicko in dem Glase!», schrieb Wilhelm Busch, bereits 32 Jahre bevor der Champagner der Veuve Clicquot an allen Herrschaftshöfen Europas zum Inbegriff von Luxus und Savoir-vivre geworden war.

US-Präsident Theodore Roosevelt wollte nicht mehr tatenlos zusehen, wie sich europäische Kolonialmächte die Welt untereinander auf­teilten, und kündigte mit der Roosevelt-Corollary das Ende des Isolationismus und den Beginn einer militaristischen Aussenpolitik an.

In Südwestafrika gab Generalleutnant Lothar von Trotha den deutschen Soldaten den Befehl zur «gnadenlosen Ausrottung» des Hirtenvolkes der Herero. Von 80 000 überlebten nur 12 000 und starben später in Konzentrationslagern.

In Deutschland gelangte ein ärztlich empfohlener «Geradehalterträger für eine militärstramme ­Haltung» in den Verkauf. Für «körperlich und geistig Erschöpfte» entwickelte Georg Wander einen löslichen Malzextrakt, Kakao, Molkepulver und Honig: Ovomaltine.

In St. Louis wurde während der Olympischen Sommerspiele erstmals (und dann nie wieder) das Sackhüpfen zur olympischen Disziplin. Ein deutscher Einwanderer verkaufte den Zuschauern Hackfleischbrötchen. Er nannte sie «Hamburg», die Kundschaft später «Hamburger».

Mit reichlich Champagner und Hamburger feierte auch Jack London sein erfolgreichstes Buch, «Der Seewolf». Jahre zuvor war er dem Goldrausch erlegen und hatte sein Glück am Klondike River versucht. Die Goldfunde waren anfangs so gigantisch, dass Amerika bereits vier Jahre zuvor ausreichend Gold hatte, um mit dem Gold Standard Act den Dollar an das Edelmetall zu binden. Jack London fand hingegen keinen einzigen Nugget und widmete sich wieder dem Schreiben. Er überlebte als Reporter eine Kriegsgefangenschaft während des Russisch-Japanischen Krieges und sogar das Jahrhunderterdbeben von San Francisco. Nicht überlebt hat er seine chronische Alkoholsucht, die er in seinem Roman «König Alkohol» thema­tisierte. Er starb bereits mit 40 Jahren, vermutlich an einer Harnvergiftung, ausgelöst durch eine alkoholbedingte Niereninsuffizienz.

Der jodelnde Country-Musiker Cliff Carlisle erblickte das Licht der Welt und der Drogist Max Riese mischte aus Wollfett und Zinkoxid Babycrème: Penaten.

In Paris wurde die Fifa gegründet und in der Frauenmode hielten allmählich männliche Accessoires wie Krawatte und Spazierstock Einzug, wobei das männliche Geschlecht (noch) nicht begriff, für wen dieser Stock ­eigentlich gedacht war …

© Basler Zeitung; 02.01.2015

#chronos (1974)

cueni_chronos4_1974Satirische Jahresrückblicke (1850 . 2015) in 100 Sekunden

«Sugar Baby Love» sangen die Rubettes und ­schufen mit diesem Bubblegum-Popsong den erfolgreichsten Oldie aller Zeiten. Terry Jacks «Season In The Sun» markierte die Endphase der Hippie-Ära: We had joy, we had fun, we had seasons in the sun. Schockfarben waren im Trend, US-Army-Jacken, Latzhosen, PLO-Schals, Mao-Bibeln, Che-Guevara-Posters; vom afrikanischen Kaftan bis zum zotteligen Schafspelz wurde alles ­getragen, was Individualität markieren könnte. Sogar Paul Breitner versenkte mit Afrolook den Elfmeter im WM-Finale gegen Holland.

Zentrales Thema war jedoch die durch das Ölembargo im Vorjahr ausgelöste Ölkrise, die nochmals akzentuiert wurde, als Ägypten und Syrien die Golanhöhen besetzten. Für einige Sonntage galt ein Autofahrverbot, das ­wirtschaftlich keinen Nutzen hatte, aber schöne Fotomotive hergab. Hintergrund der Ölkrise war nicht nur der Nahostkonflikt, sondern auch die mit der Aufhebung des ­Goldstandards herbeigeführte Schwächung des Dollars, der den Erdölexporteuren sinkende Einnahmen bescherte.

In den Kinos lehrte uns «Der Exorzist» das Fürchten. Da er nicht alle Dämonen vertreiben konnte, folgten weitere Fortsetzungen. Fortgesetzt wurde auch der Kultfilm «The Godfather», mit Robert De Niro als junger Don Vito Corleone. («There are people who’d pay a lot of money for that infor­mation.») Studio­kinos spielten Fassbinders Film «Angst essen Seele auf», die berührende Geschichte einer verwitweten Putzfrau, die sich in den jungen Ali verliebt und an den Reaktionen ihrer Umgebung zerbricht. Zerbrochen ist in diesem Jahr auch das Vertrauen der Amerikaner in Richard Nixon, der infolge der Watergate-Affäre prophylaktisch zurücktrat, nachdem das Repräsentantenhaus ein Amts­erhebungs­verfahren beschlossen hatte. Auch Willy Brandt musste überraschend zurücktreten, sein persön­licher Referent Günther Guillaume war ein DDR-Spion. Guillaumes Sohn publizierte später seine Memoiren unter dem Titel: «Der fremde Vater».

Auch im Sport spekulierte man über einen baldigen Rücktritt: Der chancenlose Muhammad Ali wollte in Kongo gegen den amtierenden Schwergewichtsweltmeister George Foreman antreten. Doch die Schlägerei im Dschungel («Rumble In The Jungle») endete in der achten Runde mit zwei Links-rechts-Kombinationen, und der bisher in 40 Kämpfen ungeschlagene Boxweltmeister ­Foreman lag auf den Brettern. Ali flüstete ihm zu: «Is that all you can, George?»

© Basler Zeitung; 12.12.2014

#chronos (1964)

Satirische Jahresrückblicke in 100 Sekunden

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1964 sang Cliff Richard «Rote Lippen muss man küssen», während Dr. Best die erste antibakterielle Zahnbürste auf den Markt brachte. Louis de Funès jagte als Gendarm von Saint-Tropez Nudisten, während Alfred Hitchcock Sean Connery anwies, sich um die Kleptomanin Marnie zu kümmern.

Die Jugendzeitschrift Bravo publizierte die Starschnitte von Winnetou und Old Shatterhand, jede Woche zwei Puzzleteile für ein lebensgrosses Wandposter. Ein Dollar kostete 4.31 Franken (heute etwa 95 Rappen), der Goldpreis lag bei 35 Dollar die Unze (heute etwa 1189 Franken). Während US-Präsident Lyndon B. Johnson mit seiner Unterschrift die Rassentrennung beendete, wurde Neslon Mandela in Südafrika zu lebenslanger Haft verurteilt. Fernsehanstalten forderten eine Erhöhung der Fernsehgebühren, um die Vielfalt der Einfalt voranzutreiben, aber Geldknappheit war nicht der Grund, wieso sie keine Bilder von der Mondsonde Ranger VI senden konnten. Die Bordkamera war beim Versuch, ein Selfie zu schiessen, kollabiert.

Unter Geldknappheit litten auch 15 Gentlemen aus London, die im Postzug zwischen Glasgow und London zur Kasse baten. Zwei Jahre später wurde der 50-Millionen-Raub mit Horst Tappert verfilmt, bevor er Jahre später seinen Kumpel Harry bat, schon mal den Wagen zu holen. Während Jean-Paul Sartre den Nobelpreis ablehnte, dominierten die Beatles weltweit die Top Ten gleich mit fünf Number-One-Hits. «Twist and Shout», Roy Orbison sang «Oh, Pretty Woman», ­während The Animals das Leid im «House Of The Rising Sun» beklagten.

Jugendliche provozierten die Erwachsenenwelt mit saloppen, blauen Arbeiter­hosen, die ursprünglich von Levi Strauss (1829–1902) für die Goldgräber in Kalifornien entwickelt und nun von US-Soldaten nach Europa gebracht worden waren. Jakob Davis verstärkte den Hosenlatz mit den Nieten von Pferdegeschirr und führte die neuen Waist Overalls zum weltweiten Erfolg. Weniger Erfolg hatte in Italien der Unternehmer Ferruccio Lamborghini, der seit Kriegsende versuchte, die bisherige Produktion von Militärfahrzeugen auf die Herstellung von Traktoren umzustellen. Eines Tages hatte der Sportwagenfreak die Schnauze voll von seinem pannenanfälligen Ferrari und rannte dem Autohersteller Enzo Ferrari die Bude ein. Seine Ferraris seien Merda! Ferrari war not amused und rächte sich mit der Bemerkung, ein Traktorbauer habe doch keinen blassen Schimmer von Sportwagen. Es gibt nichts Motivierenderes im Leben als eine richtig fiese Kränkung.

© Basler Zeitung; 28.11.2014