05 – 2024 Weltwoche: »Eine Jurassierin in Basel«

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Wunschwelten

Eine Jurassierin in Basel

Meine französischsprachige Mutter hat sich in der Deutschschweiz nie integriert.Warum sollten es junge Männer aus Afghanistan und Nordafrika tun?


Claude Cueni

Darf dieser Mann für Deutschland singen?», fragte die Bild -Zeitung 1998 besorgt, als sich der Sänger Guildo Horn («Guildo hat euch lieb!») in der deutschen Vorentscheidung mit 60 Prozent der Stimmen für die Eurovision qualifizierte. Dank der negativen Presse erlangte Guildo Horn grosse Medienaufmerksamkeit. Guildos Liebe stiess jedoch nicht auf Gegenliebe. Von den meisten Ländern erhielt er null Punkte. Er landete auf Platz sieben.

Auch bei den Themen Migration und Integration vertraten seit Herbst 2015 einige die Meinung, wir müssten alle Gäste Angela Merkels lieben, dann würden wir das schon schaffen. Doch als es die Gäste waren, die uns zunehmend schafften, hatten einige die Idee, man müsse kostenlose Sprachkurse anbieten. In diesem Punkt waren sich alle einig: Ohne Sprachkenntnisse ist Integration kaum möglich. Doch auch mit dieser Massnahme liess sich die Wunschwelt nicht realisieren. Die kostenlosen Kurse waren kein Renner. Viele haben sich gewundert: Wieso wollen sie unsere Sprache nicht erlernen? Haben wir sie zu wenig geliebt? Oder liebten sie uns gar nicht?

Buchhandlung und Tombola

Ich habe mich nicht gewundert. Meine Mutter wuchs in einem jurassischen Dorf auf. Ihr gesamtes Erwachsenenleben verbrachte sie in Basel. Mit ihr hätte man keine Wunschwelt realisieren können. Auch nicht mit Geld. Meine Mutter liess sich nicht integrieren, weil sie die deutsche Sprache hasste, weil sie die Deutschschweizer ( les boches ) nicht mochte und weil es in Basel schon so viele Jurassier gab, dass diese ihre eigene Kirche, ihre eigene Buchhandlung und ihre eigenen Tombolaabende hatten. Integration war gar nicht mehr notwendig.

Wenn man schon meine Schweizer Mutter nicht integrieren konnte, wie soll man dann einen jungen Mann aus Nordafrika oder Afghanistan integrieren? Die «Experten», die gerne für uns einordnen, haben meistens den gleichen Ratschlag: Wir müssen uns mehr bemühen. Es liegt an uns. Wer anmerkt, dass einige Zuwanderer nicht uns lieben, sondern unsere Sozialsysteme und unsere Beutegesellschaft, gerät umgehend in Verdacht, ein Rechter zu sein, wobei das heute gleichbedeutend ist mit Rechtsextremen oder Nazis.

Die deutsche Kabarettistin Monika Gruber brachte es kürzlich auf den Punkt: «‹Du bist rechts›, das ist das Schlimmste, was man über jemanden sagen kann, der gar nicht rechts ist und auch nicht rechts denkt. Mit einem solchen Satz stellst du den anderen in eine Ecke, aus der er nicht mehr herauskommt. [. . .] Es gibt aktuell in Deutschland eine aggressive politische und mediale Minderheit, die für sich in Anspruch nimmt, die einzig gültige Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Jeder, der auch nur im Geringsten von dieser Ideologie abweicht, wird sofort diskreditiert, diffamiert. [. . .] Dieses ewige Links-rechts-Einordnen finde ich ohnehin vollkommen veraltet. Es muss doch in einer Demokratie möglich sein, über kontroverse Themen [. . .] sachlich zu diskutieren.»

Auch bei der Migration sollten Realisten zu Wort kommen, die ihr ideologisches Weltbild nicht im Elfenbeinturm gebastelt haben. Der ehemalige Fallschirmjäger Denny Vinzing sagte 2021 nach seiner Rückkehr aus Afghanistan der NZZ : «Die meisten halte ich nicht für integrierbar. Sie leben nach ganz anderen Werten. Die Stellung der Frau ist radikal anders. Die kommen hier nicht zurecht.»

Hubachers Erkenntnis

Mittlerweile sind religiös motivierte Morde, Vergewaltigungen und Raubüberfälle im EU-Raum an der Tagesordnung. Selbst Medien, die bis vor kurzem noch jeden Skeptiker diffamiert haben, nehmen die Realität zur Kenntnis. Das tat bereits der Sozialdemokrat Helmut Hubacher (1926–2020) in einem Weltwoche -Interview von 2019: «Wir haben nie eine Lösung gefunden, wie man anständig mit den Ausländern umgehen und trotzdem kritisch sein konnte. Für viele Sozialdemokraten war jeder Ausländer ein armer Siech, den man wie einen Kranken hegen und pflegen musste. Dass auch Ausländer kriminell sein und nicht anständig arbeiten können, wurde ausgeblendet.»

Man löst das Problem nicht, indem Facebook und Co. dazu angehalten werden, kritische Beiträge zu löschen. Man löst das Problem auch nicht, wenn man die Nationalität der Straftäter verschweigt. Wer die Realität zugunsten seiner Wunschwelt unter den Teppich kehrt, gerät selber unter den Teppich. Deutschland ist ein warnendes Beispiel: Gut Ausgebildete wandern aus, nicht Integrierbare wandern ein. Peter Scholl-Latour warnte einst: «Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta.» Kalkutta liegt heute in Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten. Ein Blick in die Klassenzimmer genügt, um zu realisieren, dass nicht alle Guildo lieben.

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