098 Blick »Zum fressen gern«

Es gibt fast so viele Formen von Kannibalismus wie Sportarten. In einigen Kulturen verspeiste man die Feinde, um sicherzugehen, dass sie kein Comeback versuchen, in anderen Regionen ass man geliebte Verwandte, damit sie in einem weiterleben. Azteken opferten ihren Göttern menschliche Herzen, um sie milde zu stimmen. Katholiken nehmen noch heute symbolisch den «Leib Christi» zu sich.

 

Mythologien, Sagen und Literatur sind voll von Geschichten über Menschen und Wesen, die sich gegenseitig auffressen. Robinson rettet Freitag vor dem Suppentopf der Kannibalen, in Slawomir Mrozeks Theaterstück «Auf hoher See» stimmen drei Schiffbrüchige darüber ab, wer von ihnen zuerst gefressen wird.

 

Einige Geschichten basieren auf wahren Gegebenheiten. Als die uruguayische Rugby-Mannschaft 1972 in den Anden abstürzte und die Männer 72 Tage lang von der Zivilisation abgeschnitten waren, begannen sie sich gegenseitig aufzuessen. Ähnliches wird aus dem abgeriegelten Leningrad während des Zweiten Weltkrieges berichtet. Kannibalismus war fast immer die Folge von ausserordentlichen Notsituationen oder Ausdruck von religiösem Aberglauben.

 

Kannibalismus ist heute eher selten. 2017 berichtete das Beratungsgremium Emrip der Uno, dass im Kongobecken immer noch Menschenfleisch verspeist wird. Bei uns machen Psychopathen gelegentlich von sich reden wie zuletzt der Rotenburger Armin Meiwes (2001) oder «Der Kannibale von Pankow» (2021).

 

Im Reich der Tiere gibt es die «Selbstversorger», die den eigenen Nachwuchs fressen, «narzisstische» Schlangen», die sich gleich selbst verschlingen, und Bären und viele andere, die ihre Artgenossen verspeisen.

 

Überlebt hat der Kannibalismus in der Sprache. In der Wirtschaft spricht man von Kannibalisierung, wenn ein Unternehmen gleichartige Produkte zu verschiedenen Preisen anbietet. Privat kokettieren wir damit, dass wir unseren Partner «zum Fressen gern» haben, seinen Po knackig finden, seine Ohrläppchen süss, und nicht selten verwechseln wir beim Sex den Partner mit einem Big Mac, wenn wir ihm in Draculamanier in den Hals beissen.

 

Wer davon nicht satt wird, kann sich im Supermarkt Mönchsköpfe (Tête de Moine) kaufen und, auf eigene Gefahr, Frauenschenkel oder Mohrenköpfe.

097 Blick »Long Covid im Mittelalter«

Viele, die noch zu Mittag fröhlich gewesen, sah man des Abends nicht mehr unter den Lebenden.» So beschrieb im Jahre 1834 der Arzt Justus F. C. Hecker in seinem Buch «Der englische Schweiss» eine der merkwürdigsten Seuchen des Mittelalters.

Merkwürdig deshalb, weil sie 1485 zum ersten Mal aus dem Nichts auftauchte, innert Stunden tötete und ebenso plötzlich wieder verschwand. Merkwürdig auch deshalb, weil sie nicht Kranke und Alte dahinraffte, sondern vor allem Gesunde im besten Alter. Zur allgemeinen Verwirrung waren auch sehr viele Adlige und vermögende Kaufleute betroffen. Deshalb, und wohl nur deshalb, ist diese Seuche besonders gut dokumentiert. Den Namen verdankt sie einem von vielen Symptomen: kolossales Schwitzen.

Henry Tudor, der spätere König Heinrich VII., soll die Seuche eingeschleppt haben, als er mit fünftausend Mann in England einfiel und in der Schlacht von Bosworth Richard III. besiegte. Kaum war er ins massiv überbevölkerte London einmarschiert, erkrankten die Einwohner an einem grippeähnlichen Virus und sonderten übel riechenden Schweiss ab.

Mediziner standen vor einem Rätsel. Einige vermuteten eine besonders aggressive Erkältung, andere glaubten an ein unglückliches Zusammen treffen mit den damaligen Pocken- und Pest-Epidemien, Religiöse hielten es für eine Strafe Gottes. Es folgten vier weitere Wellen, jeweils im Abstand von circa zehn Jahren. Und jedes Mal berichteten Chronisten über Langzeitfolgen. Long Covid im Spätmittelalter.

Allen fünf Wellen ging Starkregen voraus, der gewöhnlich Ratten aus ihren Löchern treibt. Es folgten sehr heisse Sommer. Wer im Freien arbeitete, atmete zwangsläufig den Staub von getrocknetem Rattenkot ein und erkrankte nach kurzer Inkubationszeit an einem Hantavirus, das die Lunge angreift. Eine von vielen Theorien. Eine gängige Behandlung bestand darin, die Kranken warm einzupacken. Es bewirkte das Gegenteil.

Im Unterschied zu früher starten heute täglich über zweihunderttausend Flugzeuge und bringen Menschen und Viren von einem Ort zum andern. Was früher in eine Epidemie ausartete, wird heute gleich zur Pandemie. Doch heute haben wir Impfstoffe. Deshalb sollten wir «impfen statt schimpfen».

Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche «Genesis – Pandemie aus dem Eis» (2020) und «Hotel California» (2021).

©weltwoche »Faust Gottes will Präsident werden«

Manny Pacquiao, philippinischer Boxweltmeister in acht Gewichtsklassen, zieht es in die Politik. Es ist der Fight seines Lebens. Die erste Runde lief schlecht.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er ist mit einer Filipina verheiratet und Autor des Philippinen-Romans «Pacific Avenue». Zuletzt erschienen von ihm bei Nagel & Kimche «Genesis» (2020) und «Hotel California» (2021).


Ich habe mein Bestes gegeben, aber mein Bestes war nicht gut genug», gestand der 1,66 Meter kleine philippinische Boxer Manny Pacquiao, 42, nach seiner klaren Niederlage gegen das kubanische Kraftpaket Yordenis Ugás, 35. In jener Augustnacht in Las Vegas stand der Weltmeister in acht Gewichtsklassen wohl zum letzten Mal im Ring. Nach dem Kampf wurde er gefragt, ob er nun für das Amt des Staatspräsidenten kandidiere. Seine Antwort: «Ich weiss es nicht. Es ist sehr viel komplizierter als Boxen.»

Einen ersten Vorgeschmack hatte er bereits 2010 erhalten, nachdem er in den Kongress gewählt worden war. Abgeordnete kritisierten, er habe null Ahnung, interessiere sich nicht für die Dossiers, sondern nur für seine Karrieren als Boxer, Sänger, Model, Schauspieler, Prediger und Markenbotschafter. Als Pacquiao 2016 gar in den Senat gewählt wurde, spotteten einige, das sei weiter nicht schlimm, als Abgeordneter sei er lediglich an vier von 179 Sitzungen erschienen.

Tausend Häuser für die Ärmsten

2016 war auch das Jahr, in dem der bekennende Sozialist Rodrigo Duterte zum Staatspräsidenten gewählt wurde. «Dirty Harry» (Financial Times) überredete Pacquiao zu einem Parteiwechsel und machte ihn später zum Vorsitzenden seiner PDP-Laban-Partei. Die beiden wurden Freunde. Bis zu jenem 5. September, als Pacquiao in einem Live-Interview mit dem Nachrichtenportal Rappler seine Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten ankündigte und seinem einstigen Mentor vorwarf, er schütze die korrupten Politiker, die Milliarden von Pesos aus dem Corona-Fonds verschwinden liessen. Für viele Zuschauer war der Auftritt ihres Nationalhelden, der erneut die Partei gewechselt hatte, irritierend. Pacquiao konnte sich weder differenziert noch pointiert ausdrücken. Man hatte den Eindruck, er verstünde nur mit den Fäusten zu sprechen.

Wer ist dieser Jahrhundertboxer, der dem Staat 2,2 Milliarden Pesos (rund 40 Millionen Schweizer Franken) Nachsteuern schuldet und den Ärmsten in seiner Heimatstadt tausend Häuser schenkte? Die Doku «Manny» von 2014 zeichnet seinen Aufstieg aus den Slums von General Santos City nach und schildert, wie er als Teenager in den Ring stieg, um seine Familie zu ernähren. Für seinen ersten Fight erhielt er zwei Dollar. Mittlerweile hat er im Ring eine halbe Milliarde verdient.

Seinen kometenhaften Aufstieg feierte das Energiebündel früher mit Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll. Bis ihm eines Nachts zwei Engel erschienen, «weiss, mit grossen Flügeln». Pacquiao wurde ein strammer Evangelikaler, ein Fundamentalist, der die Bibel wörtlich nimmt. Als er in einem Interview behauptete, Homosexuelle seien «schlimmer als Tiere», verlor er in Umfragen (vorübergehend) nicht nur 12 Prozentpunkte, sondern auch seinen Hauptsponsor Nike. Pacquiao entschuldigte sich und legte gleich nach: Homosexuelle verdienten gemäss der Bibel den Tod. Punkt. Und ja, er ist auch für die Wiedereinführung der Todesstrafe. Kann er dennoch Präsident werden in einem Land, in dem selbst ein Rambo wie Duterte sich für die gleichgeschlechtliche Ehe und den Schutz der LGTB-Community aussprach?

Über ein Dutzend Celebrities, Senatoren und Bürgermeister haben ihre Kandidatur angemeldet. Darunter auch Ferdinand Marcos, 64, der Sohn des gleichnamigen Diktators (1917–1989), der rund 30 000 Kritiker in Militärlagern internieren liess. Die Frist für die Registrierung läuft am 8. Oktober aus. Bei der letzten Umfrage lag Dutertes Tochter, die Rechtsanwältin Sara Duterte-Carpio, 43, in Führung, doch vor ein paar Tagen hat sie sich überraschend um eine dritte Amtszeit als Bürgermeisterin von Davao City beworben. Taktik?

Duterte verzichtet

Last-Minute-Pirouetten sind im Inselstaat nicht ungewöhnlich. Wer für das Amt des Staatspräsidenten kandidiert, ernennt jeweils seinen Vize, obwohl beide nicht als Duo, sondern separat gewählt werden. So kann es sein, dass ein gewählter Präsident den Vize des Gegners kriegt.

Ein amtierender Präsident darf nicht zu einer zweiten Amtszeit antreten. Deshalb bewarb sich Duterte als Vize, doch Pacquiao wollte ihn auch nicht und ernannte Lito Atienza, den achtzigjährigen Sprecher des Abgeordnetenhauses, zu seinem Vize. Dieser war von 1998 bis 2007 Bürgermeister von Manila und ist wie Pacquiao ein radikaler Gegner von Familienplanung und Sexualaufklärung. Letzte Woche hat Duterte überraschend seinen Verzicht erklärt. Taktik?

Bis zum Wahltag am 9. Mai 2022 wird sich das Bewerberfeld nochmals lichten: Schmutzkampagnen, gefakte Lebensläufe und Bestechungsskandale werden einige ausknocken. Manny Pacquiao wird wie üblich sein Bestes geben, aber sein Bestes könnte ausserhalb des Rings nicht genug sein.


 

096 »Die Lust am Weltuntergang«

Hintergrund: Ab Montag, den 4. Oktober 2021 will Extinction Rebellion Zürich lahmlegen, um die Regierung zum Handeln zu zwingen.


«Wir werden die Regierung zum Handeln zwingen. Und falls sie nicht handeln, werden wir sie in die Knie zwingen und eine Demokratie kreieren, die fit ist für unser Ziel. Und ja, einige könnten sterben bei diesem Prozess.» Das sind die Worte von Antidemokrat Roger Hallam, Mitbegründer von Extinction Rebellion (XR), nachzusehen in einem Video vom 4. Februar 2019. Noch deutlicher äussert sich der andere Co-Gründer, Stuart Basden, der am 10. Januar 2019 einen Essay in den sozialen Medien veröffentlichte, wonach es bei XR gar «nicht um das Klima geht», sondern um einen «Great Reset».

Offiziell spendet die Organisation Climate Emergency Fund bis zu 500’000 Pfund für die öffentlichen Inszenierungen der «esoterischen Weltuntergangssekte» (Jutta Ditfurth), die bis vor kurzem ihre Homepage noch mit Totenköpfen schmückte. CEO ist Trevor Neilson, der zusammen mit einem Enkel von Warren Buffett die Investmentholding I(x) Investments gründete.

Aktienfonds, die auf einen «Great Reset» spekulieren, liegen im Trend. Der schwedische PR-Manager und Finanzunternehmer Ingmar Rentzhog gründete das Unternehmen «We don’t have time», bestehend aus einer Aktiengesellschaft und einer Stiftung. Rentzhog ist Mitglied des Climate Reality Project des früheren US-Vizepräsidenten Al Gore. Er gilt als Entdecker von Greta Thunberg. Sie sass vorübergehend im Vorstand seiner Stiftung. Dank Greta, die mittlerweile mit ihrer Familie in Antifa-Shirts posiert, konnte Rentzhogs Aktiengesellschaft Millionen an Frischgeldern generieren.

Financiers bezahlen Aktivisten, die Regierungen erpressen

Wenn jemand in grüne Technologien investiert, ist das eine sehr gute Sache. Problematisch wird es, wenn Financiers zur Förderung ihrer Investments kostümierte Aktivisten bezahlen, die demokratisch gewählte Regierungen mit der Androhung strafbarer Handlungen erpressen.

Heiligt der Zweck die Mittel? XR meint Ja. Ähnlich wie die Finanzsekte Scientology ködert XR Jugendliche, die aufgrund des altersbedingten Mangels an Lebenserfahrung anfällig sind für groteske Angstkampagnen. Dringend notwendige Innovationen zum Schutz der Umwelt werden jedoch von aktiven Forschern in den Labors entwickelt und nicht von passiven Street-Potatoes, die andere daran hindern, zur Arbeit zu gehen.

Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche «Genesis – Pandemie aus dem Eis» und «Hotel California».

095 »Geld arbeitet nicht? Na sowas«

 

«Es gibt tausend Möglichkeiten, sein Geld auszugeben, aber nur zwei, Geld zu verdienen. Entweder wir arbeiten für Geld, oder Geld arbeitet für uns.»

Wer hat das behauptet? Bernard Baruch (1870–1965). Der US-amerikanische Financier begann seine berufliche Laufbahn als Börsenbroker. Noch vor Erreichen des 30. Lebensjahrs war er ein vermögender Mann, mit 40 der ungekrönte «König der Wall Street», mit 50 ein bedeutender Philanthrop (dank dem Kapital, das er arbeiten liess).

Solche Geschichten erwecken den Eindruck, der Aktienmarkt sei Gambling für Reiche, und man verdiene das Geld im Schlaf. Es gibt zwar den computergesteuerten Hochfrequenzhandel, aber in der Regel braucht es interdisziplinäres Wissen, um an den Finanzmärkten erfolgreich zu sein. Das Aneignen von Wissen ist zeitintensiv und setzt Arbeit voraus. Dagobert Duck gibt es nur im Comic.

Heute fressen Negativzinsen (und morgen die zu erwartende Inflation) unser Erspartes auf. Zur Sicherung der Altersvorsorge muss man zwingend sein bereits als Einkommen und Vermögen versteuertes Geld arbeiten lassen. Der eine braucht viel, der andere wenig. Wer in den 1980er-Jahren für 3500 Dollar Apple-Aktien kaufte, ist heute Millionär, auch wenn er ein Leben lang als Briefträger unterwegs war.

Die Welt wird durch Umverteilung nicht dauerhaft besser oder gerechter. Wir kennen alle die Geschichten von Geschwistern, die zu gleichen Teilen geerbt haben. Die einen verprassten ihren Anteil, die anderen vermehrten ihn. Superreiche haben stets die Möglichkeit, umgehend ihre Koffer zu packen. Hat man sie einmal verscheucht, bezahlt der Mittelstand den Steuerausfall mit höheren Abgaben, und der Standort Schweiz bleibt auf Jahre hinaus ramponiert. Man nimmt die Superreichen ins Visier, trifft aber KMU und Normalverdiener, die um 6 Uhr morgens aufstehen.

Neid ist ein schlechter Ratgeber, gefragt ist Pragmatismus. Auch wer astronomisch anmutende Einkommen und Vermögen stossend findet, sollte nicht vergessen, dass die 1 Prozent Superreichen 43 Prozent der Bundessteuer bezahlen.

Geld arbeitet nicht, wir schon? Ein klar ausformulierter Initiativtext hätte tatsächlich Arbeit bedeutet. Die 99-Prozent-Initiative ist ein Überraschungsei, Populismus aus Entenhausen.

094 Blick »Lasst uns gendern«

Das neue Gender-Lexikon ist da. Würde ich die gendergerechten Wortalternativen übernehmen, sähe mein Text so aus: Als «autorierende Person» (bisher Autor) habe ich mich gefragt, wie man eine gendergerechte Version von «Der Spion, der aus der Kälte kam» betiteln könnte – «Die auskundschaftende Person, die aus der Kälte kam». In Erwägung zog ich auch einen Krimi um eine «Bank ausraubende Person» (Bankräuber) und entschied mich dann für einen «Mensch-in-Rüstung-Roman» (Ritterroman), eine Fortsetzungsgeschichte für «medienbeziehende Personen» (Abonnenten).

Ich borgte das «Fahrrad mit tiefem Einstieg» (Damenvelo) meiner «Eheherzperson» (Ehefrau). Leider rammte mich eine «qualifizierte, fahrzeugführende Person» (Berufskraftfahrer). Eine «approbierte pharmazeutische Fachkraft» (Apotheker) aus dem Geschäft gegenüber eilte mir zu Hilfe. «Beobachtende Personen» (Augenzeugen) filmten, wie ich über den Strassenpassierstreifen (Fussgängerstreifen) humpelte und bei einer «Lebensmittel verarbeitenden Person» (Koch), die einen Foodtruck betrieb, Cola mit Shrimps bestellte.

Der Betreiber war ein «Mensch mit internationaler Geschichte» (Einwanderer), spielte als «torhütende Fachkraft» beim FC Venceremos und war nebenbei eine «Produkt erzeugende Person» (Erzeuger), die bereits viermal erfolgreich produziert hatte. Wir unterhielten uns gerade darüber, ob es für das Wort «Bergführer» eine genderkorrekte Alternative gab, als sein Tesla-Reiskocher Feuer fing und wenig später eine «feuerbekämpfende Person» (Feuerwehrmann) seine Crevetten unter Wasser setzte.

Auch das deutsche Gleichstellungsbüro des Auswärtigen Amtes empfiehlt die Gendersprache zur Umerziehung der Männer. Denn diese penisbehangenen Säugetiere sind sexistisch, Unterdrücker, schlechte Väter und noch schlechtere Ehemänner, kurzum: Männer sind Schweine. Und obwohl die Gender-Onanisten angeblich alle Menschen gleich behandeln wollen, führen sie eine Apartheid der Geschlechter ein und erkoren den Rassismus gegen weisse Männer zum Lifestyle.

Wie reagieren «Autorierende» (Autoren)? Sie verhunzen ihre Texte bis zur Unlesbarkeit, denn jetzt zählt auch bei «Werkschaffenden der Sprache» nur noch die richtige Gesinnung.


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche »Genesis – Pandemie aus dem Eis« und »Hotel California«.


 

Happy Birthday, Robert Crump (78)!

Happy Birthday Robert Crump (78)!

Zwischen 1965 und 1972 erschien sein Comicstrip FRITZ THE CAT, der 1972 als Animationsfilm in die Kinos kam. Er erzählt die Geschichte des sex- und drogensüchtigen Katers Fritz. Der Kultfilm war damals erst ab 18 zugelassen, heute würde er wohl gar nicht mehr zugelassen. Auch daran erkennt man, wie prüde, intolerant und humorlos die westliche Öffentlichkeit geworden ist.


Die Woke-Bewegung ist der/die/das wieder aufgewachte Bünzli aus grauer Vorzeit.


COMIC, das Magazin für Comic-Kultur schrieb:

 

Ein versoffener, rüdiger Kater

Er säuft, er ist ein Mann ohne Moral und Ethik, er nimmt Drogen, er behandelt Frauen wie Dreck, er ist die Person gewordene Antithese zur Hippie-Bewegung der 1960er Jahre: Robert Crumbs Fritz the Cat ist all das und noch mehr, denn mit dem Establishment kann er auch nicht. Ein wütender junger Mann spricht hier, verklausuliert in den Underground-Comics einer Zeit, in der alles im Aufbruch war – auch das Medium selbst.

Aus heutiger Sicht sind die Eskapaden von Fritz mindestens kurios, manchmal auch abstoßend, durchaus aber immer noch faszinierend. (…)

Crumbs berühmteste Schöpfung war dabei so etwas wie die Speerspitze, was weniger an den Comics selbst, sondern an dem Umstand lag, dass Ralph Bakshi einen Zeichentrickfilm inszenierte, der 1972 weltweit für Furore sorgte und mehr als 100 Millionen Dollar einspielte. Das machte Fritz und seinen Schöpfer bekannter, als es noch so viele Comic-Geschichten jemals hätten tun können.

Damit wurde aber auch der Anfang vom Ende eingeläutet. 1964 ersonnen und 1965 erstmals publiziert, ließ Crumb seinen Antihelden 1972 mit der Geschichte „Fritz the Cat Superstar“ sterben, weil er das Gefühl hatte, dass der Film seiner Schöpfung nicht gerecht geworden war. Darum erlaubt er dem Kater eine letzte Sexkapade, bevor er zulässt, dass dessen Geliebte ihm einen Eispickel in den Hinterkopf rammt.

(…)


 

093 Blick »Es war doch nur eine Frau«

© Blick 20. August 2021


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche «Genesis – Pandemie aus dem Eis» (2020) und «Hotel California» (2021).


«Es war doch nur eine Frau», sagte der junge Afghane Hussein K. bei der Vernehmung. Der bereits in Griechenland verurteilte Sexualtäter hatte 2016 die 19-jährige Studentin Maria L. vergewaltigt und brutal ermordet. August 2021: Zwei Afghanen ermorden ihre 34-jährige Schwester, weil sie die westliche Lebensweise annahm. Dazwischen: immer wieder Vergewaltigungen und Ehrenmorde.

Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (1918–2015) hatte einst gefordert, dass man eine weitere Zuwanderung aus völlig fremden Kulturen unterbindet, das schaffe nur «ein zusätzliches dickes Problem».

Eine Minderheit, die dem Ruf ihrer Landsleute schadet

Es ist gut, wenn man ein grosses Herz hat, aber es sollte noch eine Spalte frei sein für den Verstand. Man kann afghanische Kinder, Frauen und Familien aufnehmen, aber wir sollten nicht leugnen, was seit Herbst 2015 in Europa geschieht, und keine weiteren allein reisende und gewaltgewohnte Jungs aus dem Hindukusch aufnehmen, die Frauen als nuttiges Freiwild, unsere Gesellschaft als Beutegesellschaft und unsere Toleranz als Schwäche betrachten. Sie sind nicht integrierbar und strapazieren mit ihrer niedrigen Frustrationstoleranz und eingebildeten Ehrverletzungen unsere Gastfreundschaft.

Sie sind eine Minderheit, das sei hier ausdrücklich betont, aber sie schaden dem Ruf ihrer integrierten Landsleute, denen teilweise bewundernswerte Karrieren gelingen. 

Privat würde man jeden Gast vor die Tür stellen, der sich an einem Familienmitglied sexuell vergreift. Sind nicht auch Frauen im eigenen Land schützenswert? Fehlt es an Empathie für unbekannte Opfer?

Man sollte aus den Fehlern lernen

Ex-Parteichef Helmut Hubacher (1926–2020) erklärte es so: «Für viele Sozialdemokraten war jeder Ausländer ein armer Siech, den man wie einen Kranken hegen und pflegen musste. Dass auch Ausländer kriminell sein und nicht anständig arbeiten können, wurde ausgeblendet.»

Nach 40 Jahren Mitgliedschaft trat Ursula Sarrazin (Ehefrau von Thilo Sarrazin) aus der Partei aus: «Die SPD ist zu einer Partei geworden, in der man die Wirklichkeit nicht mehr beschreiben darf.»

Die Realität ist nun mal so, wie sie ist. Ob es uns gefällt oder nicht. Man sollte aus den Fehlern lernen. Tun wir das nicht, «retten wir nicht Afghanistan, sondern werden selbst zu Afghanistan» (frei nach Peter-Scholl Latour).

Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche «Genesis – Pandemie aus dem Eis» und «Hotel California».

Weltwoche: Tagebuch

© Die Weltwoche – 12. August 2021


Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche «Genesis – Pandemie aus dem Eis» (2020) und «Hotel California» (2021).

Im Mai erhielt ich meine zweite Pfizer/Biontech-Impfung. Jeder hat sein eigenes Risikoprofil und wägt ab. Da ich seit einer leukämiebedingten Knochenmarktransplantation immunsupprimiert bin und sechs der neun gelisteten Vorerkrankungen habe, hielt ich in meinem Fall das Risiko einer Impfung für das kleinere Übel. Hatte ich Nebenwirkungen? Vor dreissig Jahren hätte ich gesagt: O ja, es war schrecklich. Heute sage ich: Nicht der Rede wert. Die chronische Fatigue von Krebskranken nach einer Transplantation ist Long Covid hoch zehn. In einer Studie klagten 40 Prozent der Placebogruppe über Nebenwirkungen . . . «Generation beleidigt» ist auch «Generation wehleidig». Man fragt sich manchmal, wie unsere Vorfahren den Zweiten Weltkrieg durchgestanden haben.

In meinem Bekanntenkreis werden viele gegensätzliche Standpunkte vertreten. Ich habe damit kein Problem. Die einen misstrauen einem Impfstoff, der im «beschleunigten Verfahren» zugelassen wurde, andere vertrauen dem Wohlwollen der Götter, Geschichtslose wähnen sich in einer Nazi-Diktatur und wieder andere lehnen die Eingriffe in unsere Grundrechte ab. Der Ton wird gehässiger. Ich halte es für eine zeitgeistbedingte Unreife, dass manche glauben, sie könnten nur mit Leuten befreundet sein, die zu 100 Prozent ihre Meinung teilen. Niemand ist das Mass aller Dinge. Selbst auf einem Dating-Portal wird man kaum jemanden mit hundert Matching-Punkten finden.

Es gibt jedoch eine Gemeinsamkeit: den enormen Vertrauensverlust in Politik, Medien und Wissenschaft. Alain Berset und seine Task-Force haben zu oft die Unwahrheit gesagt. Wissenschaftler widersprechen sich im Stundentakt. Einige deutsche Kliniken melden falsche Zahlen, weil sie für jedes belegte Intensivbett staatliche Zuschüsse erhalten. Medien richten sich nach der Dramaturgie erfolgreicher TV-Serien: Eine Staffel folgt der nächsten, eine Angstkampagne löst die nächste ab, Horrorvisionen im Konjunktiv, das nächste Virus könnte das Schlimmste sein.

Es ist auch für mich mittlerweile irrelevant, was Alain Berset und seine Task-Force verkünden. Ich halte mich an meine Vertrauensärzte. In meinem Bekanntenkreis arbeiten viele im Gesundheitswesen. Mit einer Ausnahme sind alle geimpft. Zwei Monate nach der zweiten Impfung hatte ich die maximale Anzahl Antikörper. Wie lange noch? Sechs Monate, zwölf Monate, lebenslänglich? Die Angaben wechseln wie die wöchentlichen Lottozahlen. Mittlerweile sind alle Risikogruppen und jene, die sich impfen lassen wollten, geimpft. Was nun?

Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Pandemie dreist missbraucht wird, um, wie es Wolfgang Schäuble in einem Interview formulierte, Dinge durchzusetzen, die ohne Pandemie nicht möglich gewesen wären (Hannoversche Allgemeine, 21. 8. 2020). Die Pandemie kann langfristig einen Vorwand liefern, um den von Klaus Schwab geforderten «Great Reset» durchzusetzen, eine grüne Variante des chinesischen Social-Credit-Systems ohne Bargeld. Ist das denkbar? Obwohl ich gegen die Abschaffung des Bargeldes bin (weil sie den gläsernen Bürger schafft), bezahle ich aus hygienischen Gründen nur noch mit der Karte . . .

Fazit: Slow down. Jeder hat sein eigenes Risikoprofil. Abhängig von Alter und Gesundheitszustand. Wer eine andere Meinung hat, ist kein Feind. Die Pandemie wird vorbeigehen. Kein Grund für Gehässigkeiten gegenüber Andersdenkenden. In einem demokratischen Rechtsstaat kann man an der Urne jene abstrafen, die sich an der plötzlichen Machtfülle berauscht haben.

Dienstag, 3. August:

Jetzt, wo ich geimpft bin und nach beinahe zwei Jahren freiwilliger Quarantäne wieder mit Dina im Freien spazieren kann, kaufen wir uns bei Orell Füssli einen Schweizer Hotelführer. Inmitten von Büchern stapeln sich die wunderbaren amerikanischen Peanut Butter Cups von Reese. Steht es so schlecht um den Buchhandel, dass man diversifizieren muss? Demnächst Zahnbürsten und Kartoffelschäler?

Montag, 9. August:

Auch Greta Thunberg, 18, muss diversifizieren. Ihr Eventmanager Svante Thunberg weiss Rat. Greta posiert als Cover-Girl der skandinavischen Vogue -Ausgabe. Der «alte, weisse Mann» Alexandrov Klum hat sie als esoterische Hohepriesterin im Märchenwald in Szene gesetzt. Das Porträt verfasste Tom Pattinson, ein Mann von «toxischer Männlichkeit». Greta trägt laut eigenen Angaben dem Klima zuliebe nur Secondhand-Klamotten, die irgendwelche «Klimasäue» einst neu gekauft haben. War auch die Hochsee-Rennjacht «Malizia II» vom Trödlermarkt? Pattinson zitiert Greta: «In der einen Sekunde werde ich von meinen Eltern kontrolliert, ich kann nicht selbständig denken; in der nächsten Sekunde bin ich ein böses, manipulatives kleines Kind.»


 

Meine Woche 30/2021

Das traditionelle Balikbayan-Shopping ist für mich heute genauso befriedigend wie früher eine Woche Sardinien. Wie jedes Jahr senden wir im August Balikbayan Boxen auf die Philippinen. Das Containerschiff erreicht im November Manila. Von dort geht es weiter auf die Insel Negros. Die Boxen erreichen den Zielort nach ca. 3 Monaten, also wenige Wochen vor Weihnachten.

Ca. zehn Prozent der philippinischen Gesamtbevölkerung (101’000 Mio.) leben im Ausland. Über 80 Prozent sind Frauen. Sie sind sehr familienorientiert, wobei der Begriff »Familie« wesentlich breiter gefasst ist.

Monatlich senden die Overseas-Filipinas eine halbe Million Balikbayan Boxen und jährlich rund 32 Milliarden Dollar auf die Insel, das sind über 10 Prozent des Bruttosozialproduktes.

In der Schweiz leben ca. 10.000 Filipinas, die meisten arbeiten im Gesundheitswesen und werden sehr geschätzt. 1975 lebten erst 188 Filipinas in der Schweiz.


© Transportbilder http://www.philswissexchange.ch die auch unsere Boxen verschifft.