Sun, fun and nothing to do

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Als Freischaffender müsste ich das bedingungslose Grundeinkommen grossartig finden. Jeden Monat ein kleiner Literaturpreis. Ich müsste dafür nicht einmal in die Tasten hauen. Man erhält eine Leistung ohne Gegenleistung. Geld aus dem Nichts. Nun ist es so, dass die Schweizer Bevölkerung nicht ausschliesslich aus Musikern, Dichtern, Malern und Philosophen besteht. Sonst gebe es ja kein Publikum…

Ein Blick auf die »sauglatten« Kampagnenfotos lässt erahnen, dass die Initianten die gewohnte Rundumversorgung von Hotel Mama nun mit Papa Staat fortsetzen wollen. Ein Bild zeigt einen lachenden jungen Mann auf einem Plastikauto, das für Dreijährige konzipiert ist, andere Bilder zeigen vergnügte Skifahrer auf einem Berg von Einräpplern. Sehen wir das Drama des verwöhnten Kindes? Oder ist es vielleicht ein Hinweis auf die »Weiterbildungen«, die dank dem bedingungslosen Grundeinkommen möglich sein werden? Wie wärs mit einem Weinkurs in den Rebbergen der Toskana?

Leider fehlt den Initianten die Erfahrung, dass zwei Wochen Toskana wesentlich mehr Spass machen, wenn man sich den Aufenthalt zuvor verdient hat. Bewegende Kunst entsteht nicht im Schlaraffenland. Es ist kein Zufall, dass Secondos die reifere Literatur schreiben.

Ich wage die Prognose, dass die »kreative Klasse« bei einer Annahme der Initiative langfristig nicht glücklich würde. Von der Gesellschaft nicht mehr gebraucht zu werden, kann auch deprimierend sein, ein Leben in Zuckerwatte ist nicht so sexy.  Wer sich von anderen aushalten lässt, verliert Würde und Selbstbewusstsein. Wenn Scheitern ausgeschlossen ist, verliert auch der Alltag seinen Reiz.

Wer Geld ohne Gegenleistung erhält, entwickelt mit der Zeit eine Frustration und eine Wut ausgerechnet gegen jene, die seine Utopie verwirklicht haben. Die nächste Forderung wäre eine Erhöhung des bedingungslosen Monatszahlungen, notfalls erhöht man die Mehrwertsteuer, wieso nicht gleich um 25 oder 50 Prozent? Kostet ja nichts, bezahlt der Staat. Wieso nicht gleich massive Steuererhöhungen für all jene, die weiterhin arbeiten? Ein Solidaritätsbeitrag für Coach Potatoes? Aber für Konzerte, Kinos und Sportveranstaltungen müssten die Pioniere für eine neue Wirtschaftsordnung Preisreduktionen erhalten. Schliesslich erhalten auch Rentner Rabatte. Und ist das bedingungslose Grundeinkommen nicht eine Form der Frühverrentnerung?

Ich halte die Initiative für eine Bankrotterklärung: Man will Geld, das man nicht verdient hat, man will das Geld der andern. Man will Geld von einer Gesellschaft, zu der man noch kaum etwas beigetragen hat. Wohlstandsverwahrlosung als Zukunftsmodell.

In Deutschland brechen 70 Prozent der jugendlichen Migranten ihre Berufsausbildung frühzeitig ab, weil die Tiefstlöhne bei Mc Donalds immer noch höher sind als die Lehrlingslöhne. In der Schweiz bleiben freie Stellen in der Landwirtschaft unbesetzt, obwohl 27.000 Migranten und Flüchtlinge im arbeitsfähigen Alter nicht arbeiten. Die Zahlungen der Sozialhilfe sind höher als die Löhne auf dem Bauernhof.

Werden 2500 Franken Jugendliche nicht dazu verführen, der Arbeitswelt fernzubleiben, bevor sie diese überhaupt betreten haben? Wieso soll ein Jugendlicher, der bisher 3000 verdiente, weiterarbeiten, wenn sein bisheriger Fulltimejob lediglich 500 mehr im Monat einbringt? Grundeinkommen plus Schwarzarbeit für 500 wären wohl naheliegend.

Der Slogan, dass alle gleichviel erhalten sollen, klingt nach ultimativer Gerechtigkeit. Das mag, falls überhaupt, für Gesunde gelten, aber ist es auch gerecht für weniger Gesunde?

Wahrscheinlich interessieren sich die vorwiegend jugendlichen Initianten nicht für Behinderte und Pflegebedürftige. Ist es mangelnde Empathie, Egoismus oder eine verminderte Wahrnehmung der Realität ausserhalb der »kreativen Klasse«?

Rudolf Strahm, ehemaliger Preisüberwacher und SP Nationalrat, schrieb vor einigen Wochen: »Nicht jeder hat den gleich hohen Sozialbedarf. Die 367’000 Ergänzungsleistungsbezüger der Schweiz benötigen das Zwei- und Dreifache des versprochenen Grundeinkommens von 2500 Franken pro Monat. Die über 100’000 Pflege- und Betreuungsbedürftigen in den Heimen kosten durchschnittlich 8700 Franken pro Monat. Da reicht das verheissene Grundeinkommen nirgends hin.«

Die Initianten interessieren sich nicht für Kollateralschäden, solange ihre Bedürfnisse befriedigt werden. Jeder, der in der Schweiz lebt, und jeder, der noch in die Schweiz kommt, soll Anrecht auf dieses bedingungslose Grundeinkommen haben. Die Schweiz wäre das einzige Land in der EU. Sie ist schon jetzt das attraktivste, sie wäre danach noch attraktiver. Wieviele Menschen leben in der EU? 508 Millionen?

Weltweit leben weit über eine Milliarde Menschen in Armut, verdienen weniger als einen Franken pro Tag. Mit dreihundert Franken im Monat kann man in der Dritten Welt ganze Grossfamilien in den unteren Mittelstand hieven. Millionen von jungen Männern würden aus sicheren Ländern aufbrechen, um ins Paradies zu gelangen. Man könnte es den Millionen Wirtschaftsmigranten nicht einmal verübeln, ich würde es auch versuchen. Aber wie viele Millionen würden es sein? Nicht einmal die Hälfte der 194 Länder bzw. Staaten, entsprechen unseren Vorstellungen von Freiheit und Demokratie. Also wäre theoretisch der halbe Erdball asylberechtigt, wenn er in seiner Heimat den Militärdienst verweigert. Schwer zu sagen, was sich die Initianten dabei gedacht haben. Mir fällt nichts ein.

Gut möglich, dass das bedingungslose Grundeinkommen eines Tages in einer vollroboterisierten Gesellschaft diskutiert werden muss. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist die Initiative eine Schnapsidee. »Sun, Fun and nothing to do« muss sich noch gedulden.

(c) 2016 Basler Zeitung

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