Der Mann, hinter den blaugelben Bibelversen
Wie so viele Innovationen ist auch der Rohrreiniger Supiro der Nachlässigkeit seines Erfinders geschuldet. Aus Versehen hatte der junge Drogist Heinrich Rohrer 1951 einen Pinsel in einer Ätznatronlauge stehen lassen. Am Morgen war der Stiel noch da, die Haare verschwunden. Und schon hatte der Mann aus Münslingen die Idee für einen Siphonreiniger.
Er nannte sein Putzmittel Sipuro, eine Wortschöpfung aus den zwei ersten Buchstaben der Worte Syphon, Putzen und Rohrer. Der vielseitig Talentierte entwarf auch gleich seinen Markenbotschafter, einen fröhlichen Zwerg mit roter Zipfelmütze und schickte ihn später mit dem Slogan »Sipuro Oho!« ins Fernsehen. Er war einer der ersten Werbekunden von SRF.
Schon bald erweiterte er sein Sortiment und entwickelte Reinigungsmittel für Toilette, Backofen und Tafelsilber. Der Erfolg machte ihn zum Multimillionär.
Und dann geschah etwas, das die Betroffenen ein Erweckungserlebnis nennen. Heinrich Rohrer wurde innert Stunden gottesfürchtig, ein Christ mit einer Mission. 1985 gründete er die »Agentur C«, das »Büro des Heilands« und liess Bibelverse in den blaugelben Farben von Ikea auf F12-Plakate drucken. Einige Passanten fanden Gefallen daran und spendeten Geld für weitere Plakate.
Nach dem Verkauf der Firma standen genügend flüssige Mittel zur Verfügung um nach Rohrers Tod im Jahre 1998 eine Merchandising Schiene aufzugleisen. Im Angebot sind heute Regenschirme, Verskarten, Bibel und Zuckerbeutel, von denen bereits über eine Million (sechs Tonnen) produziert wurden. Das Besondere: Alles ist gratis. Jährlich kommen in etwa achtzigtausend Franken an Spenden zusammen.
Die mittlerweile über hunderttausend Plakate sollen »die Menschen zum Nachdenken« anregen, doch Verse wie »Du Gott siehst mich«, sorgen eher für Schmunzeln, weil man unwillkürlich an »Big Brother is watching you« denkt. Obwohl die Plakate harmlos sind, gibt es immer wieder Leute, die nicht verstehen wollen, dass Diversität auch bei Meinungen gilt. Sie zerstören Plakate, die nicht ihrer engkarierten Welt entsprechen.
Müsste ich einen Spruch aussuchen, würde ich ein Zitat wählen, das ursprünglich wirtschaftspolitisch gemeint war: »Leben und leben lassen«.