#chronos (1930)

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Was hat Joe Cocker mit Ricola zu tun? Im Jahre 1930 gründete der Bäckermeister Emil ­Richterich in Laufen (BL) die Confiseriefabrik Richterich & Compagnie und entwickelte die ­ersten Bonbons, die er vorerst nur in der Region verkaufte. Heute verschickt die Ricola AG in der dritten Generation ihre Produkte in über 50 Länder. Ein besonderes Kompliment erhielten die Kräuterbonbons von Joe Cocker: «Meine Stimme ist nach fünf Minuten ruiniert, wie willst du anschliessend noch fünfunddreissig Konzerte geben?» Der Mann mit der Reibeisenstimme gestand, er würde seine Stimme mit Ricola- ­Kräuterbonbons kurieren, «With A Little Help From My Friends» erlangte damit eine ganz neue Bedeutung.

1930 erschien im Kino «Im Westen nichts Neues», eine Verfilmung des Antikriegsromans von Erich Maria Remarque. Das Buch schildert die Schrecken des Ersten Weltkrieges aus der Sicht eines jungen Soldaten. Da viele Kinos damals noch nicht für den Tonfilm eingerichtet waren, kam der Streifen sowohl als Stummfilm als auch als Tonfilm in die Filmtheater. Louis Wolheim («Seine Fresse ist sein Kapital») spielte den harten Kerl Katczinsky. Nach Abschluss der Dreharbeiten verstarb der 50-­jährige Wolheim infolge einer brachialen Abmagerungskur, die er für seinen nächsten Film begonnen hatte.

Während noch die Wunden des Ersten Weltkrieges aufgearbeitet wurden, zerbrach im September 1930 Deutschlands Grosse ­Koalition und die National­sozialistische Deutsche ­Arbeiterpartei (NSDAP) wurde zweitstärkste Partei. Sie hatte ihren Stimmenanteil von 810 000 (1928) schlag­artig auf 6,4 Millionen gesteigert. Nach der Hyperinflation und der Weltwirtschaftskrise der 20er-Jahre hatten ­verfassungsfeindliche Parteien wie die NSDAP und KPD die Wähler radikalisiert und den Weg für Adolf Hitler freigemacht.

Sigmund Freud schrieb in seinem 1930 erschienen Klassiker «Das Unbehagen in der ­Kultur»: «Die Menschen haben es jetzt in der Beherrschung der Naturkräfte so weit gebracht, dass sie es mit deren Hilfe jetzt leicht haben, einander bis auf den letzten Mann auszurotten».

1930 übernahm Haile Selassie («Macht der Dreifaltigkeit») die Herrschaft über Äthiopien. Er nannte sich ganz unbescheiden König der Könige und hielt sich für den 225. Nachfolger von König Salomon. Da ihm der Machterhalt wichtiger war als die Anliegen der Bevölkerung, kam es in den 70er-Jahren infolge einer Nahrungsmittel­knappheit zu gewaltsamen Protesten. Sie ­endeten mit einem Militärputsch. Der spätere Diktator Mengistu Haile Mariam, der «Schlächter von Addis», liess den Leichnam Selassies unter einer Toilette einmauern.

Die Entdeckung des Zwergplaneten Pluto ­inspirierte den Zeichner Norman Ferguson. Er nannte den tolpatschigen Hund, den er gerade für die Disney Studios entwickelte, «Pluto». Sein erster Auftritt hatte der virtuos animierte Pluto 1930 in der Micky-Maus-Episode «The Chain Gang», in der er als Spürhund die Fährte eines entflohenen Sträflings aufnehmen muss. Der ­einzige Dialog, den Pluto jemals sprach, war: «Kiss me.»

Mercedes-Benz brachte den luxuriösen ­«Grossen Mercedes» auf den Markt, den Typ 770, den sich kaum jemand leisten konnte. In acht Jahren wurden gerade mal 117 Fahrzeuge ­produziert. Gekauft wurde die repräsentative Staatskarosse von Reichspräsident Hindenburg, dem japanischen Kaiser Hirohito, Adolf Hitler und den Vertretern der «Kirche der Armen»: Papst Pius XI. und Papst Pius XII. Weniger Erfolg hatte der britische Automobilhersteller Bentley. Die Entwicklungskosten für seine Luxuskarosse trieben ihn in den Ruin.

© Basler Zeitung; 16.09.2016

Im siebten Jahr der Nachspielzeit

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Wie geht es dem Basler Autor Claude Cueni, dessen Leben von Krankheit und Tod geprägt ist? SRF-„Reporter“ sucht Antworten. © Tele; 14.09.2016; Nr. 38; Seiten 12 – 14

Text: Miriam Zollinger, Fotograf: Sebastian Magnani

Leider kann ich Sie nicht mit dem Auto abholen, da ich nicht mehr Auto fahre – den Fussgängern zuliebe …“ Die Begegnung mit einem, der so viel erlitten hat, ruft gemischte Gefühle hervor. Zum ersten, aber nicht letzten Mal nimmt ihnen Claude Cueni mit feinem Witz die Spitze.

Die Türe unten öffnet sich surrend, bevor die Klingel gedrückt ist, die obere steht bereits offen. Zuerst Hände desinfizieren, dann ins geräumige Wohnzimmer, das trotz dunklen Möbeln sehr hell ist, und am schweren Holztisch auf ebenso schweren Stühlen Platz nehmen. iPhone, iPad und Notebook liegen neben ihm, werden vom Schriftsteller aber konsequent ignoriert, als sie sich während des Gesprächs bemerkbar machen.

„Ich trinke mein Magnesium“, informiert Cueni über den Inhalt eines gelben Wässerchens, offeriert zum Glück aber andere Getränke, rührt die Amaretti und Biberli auf dem Teller in der Tischmitte selber nicht an. Sie wären mehr Zvieri als Znüni für ihn: Sein Tag beginnt in der Nacht, er ist seit 2.30 Uhr auf den Beinen. Nervenschmerzen. Immerhin, die Spasmen, die ihn heimzusuchen pflegten, sind Vergangenheit.

Wenn er früher, von Krämpfen geschüttelt – er fuchtelt zur Verdeutlichung mit verdrehten Armen in der Luft herum – an der Hand von Dina, seiner zweiten Frau, in der Stube umherging, habe er jeweils zu den antiken Götterfiguren, die auf der Vitrine beim Esstisch thronen, hochgeschaut und habe sie angerufen: „Ihr Arschlöcher, konntet ihr euch nichts Besseres einfallen lassen?“ Man entwickelt so eine Art Galgenhumor. „Hauptsache, es hilft.“ Er versucht die schmerzhafte Erinnerung wegzulachen.

Nun will er wissen, wie der „Reporter“-Dok gefällt, für den er nochmals in die Vergangenheit reiste: die harte Kindheit und Jugend, die Behinderung des Sohns, der Krebstod der ersten Frau, die eigene Erkrankung. Erinnerungen, die er sich im autobiographischen Roman „Script Avenue“ von der Seele schrieb. Die er aufschrieb, um darüber das Sterben zu vergessen. Muss schmerzhaft gewesen sein, nicht? „Für mich war es abgeschlossen mit dem Buch, vergleichbar mit einer 90-Grad-Wäsche und anschliessendem Tumblern.“ Nein, er habe keine Ressentiments, wenn er an jene denke, die ihm als Kind das Leben schwermachten. „Abgesehen vom Tod meiner Frau, der natürlich nicht, das wühlt mich immer noch auf.“ Er hält kurz inne.

„Nachspielzeit“, nennt er sportlich sein Leben nach der Leukämie, sie läuft bereits im siebten Jahr. Doch zweieinhalb Jahre nach der Knochenmarktransplantation trat eine chronische Abstossreaktion auf, 60 Prozent der Lunge starben ab. Die Behandlung hinterlässt Spuren. „Das Cortison bläst mich auf, der Bauch ist nicht vom Essen. Aber es sind nur noch 12 Pillen pro Tag.“ Was blieb: die grosse Müdigkeit. „Die Batterien füllen sich nicht mehr. Ich lebe immer noch unter dem Damoklesschwert, aber keiner weiss, ob’s runterfällt, deshalb fokussiere ich auf andere Sachen.“ Etwa was seine Frau zum Mittagessen koche. Langes Lächeln.

Ja, er hat Bekannte und auch Freunde verloren, sie mit seinem Leiden überfordert. „Man stirbt, bevor man tot ist“, beschreibt der 60-jährige Basler seine Isolation. „Heute fühle ich mich mehr angezogen von Menschen, die Ähnliches wie ich erlebt haben. Man weiss, wovon der andere spricht.“ Dass nicht alle mit Krankheit und Tod umgehen können, verstehe er natürlich, das sei bei uns nicht mehr so selbstverständlich wie früher, in der Welt seiner historischen Romane. „Dabei muss man ja nicht grosse philosophische Diskurse führen, sondern einfach da sein. Wie ein Hund.“

Drei Mal hat er in den letzten Jahren gedacht, es sei endgültig fertig. „Das ist etwas, das dich nicht mehr richtig ins Leben zurückfinden lässt. Man ist wie einer, der den Koffer gepackt hat und wartet.“ Aber, Cueni strahlt, es gehe ihm besser, er habe Freude, nun wieder ohne Mundschutz ins Kino sitzen zu können. „Und Drämmli faare oder in Coop goo – wunderbar.“

Gerade heute habe er in seiner Euphorie einen Flug gebucht, nach Edinburgh, wo einer seiner historischen Helden lebte. „Ich habe mir immer vorgenommen, wenn ich das überlebe und wieder fliegen darf, das Haus von John Law zu besuchen.“ Und Ende Jahr geht’s vielleicht endlich auf die Philippinen, sofern es die politische Situation erlaubt. Über die Heimat seiner Frau sinniert er länger, dann fällt ihm noch etwas ein. Ja, gern würde er auch Kuba bereisen, wegen der Musik. Er sei auch neugierig aufs Essen, auf die Menschen und natürlich fasziniert von der Kulisse. „Gibt es einen besseren Beweis für eine gescheiterte Nation?“

Dieser Tage erscheint nun „Godless Sun“, sein Roman über Aberglauben und Religion. Es sei sein bester, fand der chinesische Übersetzer. In kürzester Zeit ist der Trailer zum Buch über 16 553 Mal geteilt worden, schmunzelt Claude Cueni. „Sie sehen, ich habe auch Glück im Leben.“

Als der Roman fertig war, hat er Frau und Sohn zwar den ganzen Sommer hindurch erklärt, warum er jetzt keine Bücher mehr schreibt („ich möchte mehr reisen“), und trotzdem ist jetzt plötzlich wieder etwas entstanden, auf bislang 50 Seiten. „Ich wollte wirklich nicht.“ Ein Thema, das sich nicht aufdrängte, das noch keiner behandelt habe. Mehr verrät er nicht.

Aber auch ohne den Inhalt zu kennen, sind die 50 Seiten insofern bemerkenswert, als er den angefangenen Roman zur Seite gelegt hat und nun pausiert. Schreiben, um das Sterben zu vergessen, scheint im Moment nicht mehr an erster Stelle zu stehen.

„Schriftsteller neigen dazu, sich zu überschätzen, sind Egoisten und Narzissten.“ Das findet er grauenhaft, „denn ich bin in der Meinung aufgewachsen, dass ich nichts Besonderes bin und habe das stark verinnerlicht“. Prägten ihn Kindheit und Jugend also noch mehr als die Krankheit? Er überlegt. „Die Jugend hat mich gelehrt, dass das Leben nie gerecht ist.“ Und dass man etwas leisten muss, wenn man etwas erreichen will. Die Krankheit, die liess ihn gelassener werden. „Man kann sich nicht jahrelang ängstigen, das ist sinnlos, aber zum Teil ist diese Gelassenheit nahe an der Gleichgültigkeit.“ Er nehme die Realität so zur Kenntnis, wie sie ist.

Wenn man so eine Diagnose wie er erhält, kann man nicht sagen: „Das ist keine Leukämie, ich habe gestern wohl eine schlechte Pizza gegessen.“ Seither legt er den Fokus auf Fakten. „Meinungen interessieren mich nicht mehr. Wer überall beliebt sein will, muss am Morgen im Bett bleiben.“ Apropos: Bald komme seine Frau mit einer Kollegin von der Arbeit, ob man zum Essen bleiben wolle? Bei Tisch werde viel geredet, wie unter Filipinas üblich. Viel verstehe er zwar nicht, schwierige Sprache, dieses Tagalog, aber ein paar Sätze könne er schon, liefert sogleich eine Kostprobe und übersetzt: „Dina, ich liebe dich. Gibt es Frühlingsrollen heute?“

Wie gesagt: Claude Cueni legt im siebten Jahr seiner Nachspielzeit den Fokus auf andere Sachen.

„Man kann nicht einfach sagen, das ist keine Leukämie, ich habe gestern wohl eine schlechte Pizza gegessen.“

Cueni schrieb 14 Romane und über 50 Drehbücher. „Ich kann nichts anderes.“

Für „Script Avenue“ erhielt Claude Cueni den Golden Glory 2014 („meine erste Auszeichnung nach 40 Jahren Schreiben“). „Godless Sun“ ist sein neuster Roman.

„Reporter“

„Script Avenue – Selbstmitleid ist Zeitverschwendung“, SO, 18. 9., 21.40 Uhr, SRF 1.

Obama: Machtloser Moralist

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Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte reagiert heftig auf die Kritik von US-Präsident Obama. Er weiss, dass Amerika ihn nicht ignorieren kann.

Ich habe ein Drecksmaul», sagt der philippinische Präsident Rodrigo Duterte, «aber ich gebe euch eine saubere Regierung.» Seit seinem Amtsantritt am 1. Juli sind bereits über 2000 mutmassliche Drogendealer und -konsumenten aussergerichtlich erschossen worden. Mittlerweile erschiessen sich Mitglieder der rivalisierenden chinesischen und mexikanischen Drogensyndikate gegenseitig, Zivilisten begleichen offene Rechnungen und heften den Erschossenen Pappkartons mit der Aufschrift «Drogendealer» an die Brust, Menschenrechtsorganisationen protestieren.

Nulltoleranzstrategie

US-Präsident Obama wollte Duterte am Rande des Asean-Gipfels an die Menschenrechte erinnern. Duterte sagte einem Reporter, er sei Präsident eines souveränen Staates: «Wir sind schon lange keine Kolonie mehr. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig ausser dem philippinischem Volk.» Dann folgte ein zorniges «Putang ina», und Obama war nun in die Galerie der «Hurensöhne» aufgenommen und in bester Gesellschaft mit den katholischen Bischöfen, dem Papst, dem Uno-Generalsekretär und diversen Botschaftern. Dem Philippine Star diktierte «Dirty Harry» (Financial Times): «Ich schere mich nicht um Menschenrechte. Glaubt mir, es ist mir egal, was die sagen, dieser Krieg ist gegen Drogen. Schiessen und töten wird gelten bis zum letzten Tag meiner Präsidentschaft (2022).»

Obama, schwer beleidigt, verzichtet nun auf ein Treffen mit Duterte, obwohl er sich weder in China noch in Laos um die Einhaltung der Menschenrechte geschert hat. Doch Duterte weiss, dass die USA ihn nicht ignorieren können. Die Philippinen sind der wichtigste Standort für die Abhörstationen der National Security Agency (NSA) im pazifischen Raum. Die USA brauchen den Inselstaat, um Chinas Expansionsgelüste einzudämmen. Obwohl die Philippinen mit Peking wegen der Spratly-Inseln im Dauerclinch liegen, versucht Duterte eine Annäherung an China, ein Treffen mit Putin ist in Planung. Er wird sich nicht einschüchtern lassen. Unbeirrt verfolgt er eine blutrote Version von Rudolph Giulianis Nulltoleranzstrategie.

Die Menschen sind von der Gewalt in den Strassen traumatisiert und verehren ihren «Digong» wie einen von Gott gesandten Messias, selbst Nostradamus soll Dutertes Ankunft prophezeit haben. Die letzte Umfrage von Pulse Asia (August) ergab eine Zustimmung für Duterte von 91 Prozent («Big Trust»). Teddy Locsin, Starmoderator beim philippinischen Medienkonglomerat ABS-CBN, sagt: «Das Land ist in Anarchie versunken. Nur noch ein Cäsar kann das Problem lösen.» Er heisst Duterte, und sein Lieblingswort ist «son of a bitch».

© Die Weltwoche; 08.09.2016; Ausgaben-Nr. 36


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Alle meine Beiträge über die Philippinen 2016 auf https://www.cueni.ch/philippine-news-2016/

#chronos (1973)

intensivundgelassenElvis Presley brach am 14. Januar 1973 mit ­seinem legendären Konzert «Aloha from Hawaii» (Honolulu) sämtliche Rekorde: Erstmals in der Geschichte wurde der Auftritt eines Solokünstlers live via Satellit in über 40 Länder übertragen. In einigen Ländern lag die Einschaltquote bei über 70 Prozent, auf den Philippinen gar bei 90 Prozent. Mit gegen 1,5 Milliarden Zuschauer lockte der unangefochtene «King of Rock ’n’ Roll» mehr Zuschauer vor den Fernseher als seinerzeit Neil Armstrong auf dem Mond.

Vom Thron gestossen wurden in diesem Jahr zahlreiche Despoten und Diktatoren: In Ruanda putschte das Militär und übernahm die Macht, in Afghanistan putschte Mohammed Daoud Khan und rief die Republik aus, in Griechenland wurde Diktator Georgios Papadopoulos durch einen Militärputsch gestürzt, in Thailand wurde die Militärregierung nach Massenprotesten zum Rücktritt gezwungen und in Chile fiel der demokratisch gewählte sozialistische Präsident Salvador Allende einem Militärputsch zum Opfer. Mithilfe der USA gelangte Augusto Pinochet an die Spitze einer Militärjunta und versetzte fortan die Bevölkerung mit Folterungen, Verschleppungen und zahlreichen Morden in Angst und Schrecken.

Auch der Nahe Osten kam nicht zur Ruhe: Völlig überraschend griffen Ägypten und Syrien ausgerechnet am höchsten jüdischen Feiertag (Jom Kippur) Israel an und lösten damit den vierten arabisch-israelischen Krieg seit der Gründung des Staates Israel aus. Nach anfänglichen Erfolgen gegen das unvorbereitete Israel erlitt die arabische Allianz bereits nach 19 Tagen eine endgültige Niederlage. Eine Folge davon war der israelisch-ägyptische Friedensvertrag und die Anerkennung des jüdischen Staates durch Ägypten.

Um den Westen unter Druck zu setzen, erhöhte die Opec den Ölpreis von rund drei US-Dollar pro Barrel auf über fünf Dollar. Der Westen erlebte seine erste grosse Ölkrise. Sieben arabische Staaten verhängten zudem einen Lieferboykott gegen die USA und die Niederlande. In einigen Ländern wurde ein ­Sonntagsfahrverbot für Pkws angeordnet, die Autobahnen wurden am Wochenende zu Fussgängerzonen.

Kuba-Auto-Import-Verbot-Neuwagen-aufgehoben-Oldtimer-US-Cars-08Auch auf Kuba kam der Verkehr etwas zum Erliegen, obwohl Fidel Castro ein paar Truppen in den Nahen Osten geschickt hatte, um die arabischen Armeen zu unterstützen. Dass auf Kubas Strassen eher wenig Fahrzeuge verkehrten, lag nicht an einem Sonntagsfahrverbot, sondern daran, dass die USA das Embargo gegen Kuba weiterführten und der einst florierende Import amerikanischer Autos unterbunden war. So ­wurden die Oldies auf den Strassen Kubas nicht nur beliebte Kunstsujets, sondern auch Sinnbild für das Scheitern eines sozialistisch-autoritären Einparteiensystems. Fidel Castro prophezeite, dass die USA erst mit Kuba verhandeln würden, wenn ein Schwarzer Präsident und ein Südamerikaner Papst würde.

Dass man mit Kapitalismuskritik auch Multimillionär werden kann, bewies die britische Rockband Pink Floyd mit ihrer neuen LP «The Dark Side Of The Moon». Das legendäre Konzeptalbum verkaufte sich mittlerweile über 50 Millionen Mal, hielt sich 14 Jahre lang in den US Billboard-Charts und gilt heute als Jahrhundertwurf. «Money, it’s a crime. Share it fairly but don’t take a slice of my pie» (Geld ist ein Verbrechen, verteile es gerecht, aber Hände weg von meinem Anteil).

In der deutschen Fussball-Bundesliga ­missachtete Eintracht Braunschweig das bisher geltende Verbot von Leibchenwerbung und lief mit dem Jägermeister-Hirsch auf dem Trikot ins Stadion ein. «Ich trinke Jägermeister, weil mein Mami voll davon ist.»

© Basler Zeitung; 02.09.2016

#chronos (1956)

Unknown-11956 erschien im Magazin Fantastic Universe die Shortstory des schreibsüchtigen und drogenabhängigen Philip K. Dick. Sein «Minority Report» wurde 46 Jahre später von Steven Spielberg verfilmt. Manchmal sind die Erben tüchtiger als der Autor. Philip K. Dick war Atheist: «Die Realität ist das, was übrigbleibt, wenn man aufhört zu glauben.»

«Ich würde sogar die Sonne angreifen, wenn sie mir etwas zuleide täte!», sagte Kapitän Ahab als die Schiffsbesatzung seine Besessenheit kritisierte, den weissen Hai aufzuspüren und zu töten. John Huston verfilmte «Mobby Dick» nach dem gleichnamigen Roman von Herman Melville. Die Besetzung des Bösewichts mit dem liebenswürdigen Gregory Peck hielt die Kritik für eine krasse Fehlleistung, der Film floppte, heute wird er nur gerade für die aussergewöhnliche Licht- und Farbstimmung gelobt.

Erfolgreicher war der 21-jährige Elvis Presley, der nach seinem Wechsel vom regionalen SUN-Musiklabel zum nationalen RCA Label mit seinem Debütalbum gleich auf Platz 1 der Charts landete. Mit seinem erotischen Hüftschwung sorgte die «singende Tolle» für tumultartige Begeisterungsstürme und einen enormen Medienhype. Elternverbände, Religions­gemeinschaften und Lehrerorganisationen machten «Elvis the Pelvis» («Elvis, das Becken») für den Zerfall der Moral verantwortlich. Die TV Sender buchten ihn weiterhin, filmten seine Shows aber nur noch von der Hüfte aufwärts.

VictrolaZehn Jahre nach Kriegsende wurde Adolf Hitler auch noch vom Amtsgericht Berchtesgaden für tot erklärt, fand in Wien wieder der Opernball statt, warfen die USA ihre erste Wasserstoffbombe über den Marshall-Inseln ab, wurde in London Europas erstes Atomkraftwerk eingeweiht und in der wieder boomenden Bundesrepublik warb man Gastarbeiter aus Italien an, um den Mangel an Arbeitskräften zu kompensieren. Da die Arbeitsmigranten aus dem gleichen Kulturkreis kamen und die Regeln des demokratischen Rechtsstaates respektierten, war die Integration einfach und für beide Seiten ein Gewinn.

1956 plädierte Parteichef Nikita Chruschtschow am XX. Parteitag der KPdSU für eine friedliche Koexistenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus, er kritisierte auch seinen ­georgischstämmigen Vorgänger Josef Stalin und bezeichnete ihn als «brutalen Despoten». Er verlangte im Zuge der Entstalinisierung den Personenkult zu beenden. Die Georgier fühlten sich in ihrem Nationalstolz verletzt, waren sie doch ein Leben lang stolz darauf gewesen, dass ein Georgier Russland regierte und die Welt in Atem hielt. Zornig stürmten sie die Tifliser Radiostation und das Telegrafenamt. Wie üblich sandte die Sowjetunion Panzer, die den Aufstand blutig niederwalzten.

hrushchev_503109506Ein halbes Jahr später proklamierte Ungarns Ministerpräsident die Neutralität und kündigte die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt. Die Sowjetunion schickte erneut ihre Panzer. Über 2500 Ungarn verloren ihr Leben.

Beinahe vergessen: Am 29. Juni heiratete Marilyn Monroe den Schriftsteller Arthur Miller. Die Medien malten sich aus, wie grossartig die genetische Veranlagung des Babys sein würde angesichts seiner Eltern, dem Sexsymbol der 60er-Jahre und der Intelligenzbestie der Literatur. Doch Arthur Miller fragte: «Was ist, wenn das Baby den Verstand der Mutter und das Aussehen des Vaters hat?» Nachdem die meistfotografierte Frau ihrer Zeit heimlich die Tagebücher ihres Mannes gelesen hatte, trennten sie sich. Arthur Miller hatte sie als tablettensüchtige, unberechenbare und hilflose Kindfrau beschrieben, für die er nur noch Mitleid empfand.

#chronos (1943)

LittleprinceTrotz des unfassbaren Leids, das Millionen von Menschen während des Zweiten Weltkriegs (1939 – 1945) erfahren mussten, nahm das zivile Leben abseits der Kampfzonen ihren gewohnten Lauf. Während Millionen auf den Schlachtfeldern und im Bombenhagel starben, erblickten Janis Joplin, George Harrison, Mick Jagger, Robert De Niro, Catherine Deneuve und Jim Morrison das Licht der Welt, in New York erschien die Erstausgabe von Antoine de Saint-Exupérys »Der Kleine Prinz«.

Die Anti-Hitler-Koalition traf sich in der marokkanischen Stadt Casablanca zu einer geheimen Sitzung. US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill einigten sich nach zehn Tagen auf das primäre Kriegsziel: Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands, Italiens und Japans. Gemeinsam mit ihren Stabschefs entwickelten sie den Plan, den weltweit tobenden Krieg auf das europäische Festland zu verlagern. Gleichzeitig beschlossen sie die Verstärkung der Luftangriffe auf deutsche Städte. Amerikanische und britische Piloten warfen nun rund um die Uhr Bomben über Deutschland ab.

 

Hitlers Reichspropagandaminister Joseph Goebbels forderte im Berliner Sportpalast die Intensivierung des »Totalen Kriegs«. Zwei Mitglieder der Widerstandsgruppe »Weisse Rose« wurden hingerichtet, es waren die Geschwister Sophie und Hans Scholl.

Nachdem Hitlers SS im Vorjahr bereits eine halbe Million Juden aus Warschau ins Vernichtungslager Treblinka verschleppt hatte, versuchte sie die restlichen Bewohner zu deportieren. Nach wochenlangem Widerstand ging das Warschauer Ghetto in Flammen auf.

jan14-2-imgIn Stalingrad wurde Hitlers 6. Armee von Stalins Truppen vernichtet. Der Ausgang der Schlacht gilt als Wendepunkt des deutsch-sowjetischen Krieges. Im Pazifik standen sich Amerikaner und Japaner gegenüber. Im Juli landeten die Allierten auf Sizilien, Pius XII, der schweigende Stellvertreter, erhielt den Beinamen »Hitlers Pope«. Der Faschist und Diktator Mussolini (Duce del Fascismo), Ministerpräsident des Königreichs Italien, wurde von rivalisierenden Faschisten gestürzt und verschwand vorübergehend von der Bildfläche.

Durch einen Zufall entdeckt der Schweizer Chemiker Dr. Albert Hofman in den Labors des Schweizer Pharmaunternehmens Sandoz die Wirkung von Lysergsäurediäthylamid. Er hatte zufällig die Substanz durch die Haut aufgenommen und erlebte auf der Velofahrt nach Hause die halluzinogene Wirkung des LSD. In der Hippie Aera geriet das »saumässig gefährliche« (Hofmann) LSD als »bewusstseinserweiternde Droge« in Verruf. In seinem Werk »LSD – Mein Sorgenkind« schrieb er: „Dieser Bewußtseinszustand, der unter günstigen Bedingungen durch LSD, oder durch ein anderes Halluzinogen aus der Gruppe der mexikanischen sakralen Drogen, hervorgerufen werden kann, ist verwandt mit der spontanen religiösen Erleuchtung, mit der unio mystica.« Albert Hofman erlangte als Mister LSD Weltruhm und starb 102jährig im Baselbieter Leimental.

tintinactuel12_22012004»Ich möchte Herrn Tim sprechen!« Mit diesen Worten trat der zerstreute und fast taube Professor Tryphon Tournesol erstmals 1943 auf. Mit erstaunlicher Hartnäckigkeit versuchte er, Tim ein Tauchgerät in Form eines Haies zu verkaufen. Lesen konnten die Fans von »Tintin et Milou« diese Szenen im Vorabdruck von Hergés Album »Le Trésor de Rackham Le Rouge« (»Der Schatz Rackhams des Roten«) in der Brüsseler Tageszeitung »Le Soir«.

And one more thing: 1943 sagte Thomas Watson, Vorstandsvorsitzender von IBM: »ich denke, es gibt weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer.«

(c) 2016 Basler Zeitung

#chronos (1902)

1902GMCWer 1902 die Aufmerksamkeit des männlichen Geschlechts auf sich ziehen wollte, trug immer noch das Sans-Ventre-Korsett, das Ohne-Bauch-Korsett, das seitlich betrachtet, die berühmte S-Form zeigte. Die Feministin Anne de Rochechouart de Mortemart (1847–1933) hielt nichts von solchen Selbstkasteiungen. Sie war nicht nur die erste Französin, die den Führerschein machte, sondern auch gleich der erste Mensch, der einen Strafzettel wegen erhöhter Geschwindigkeit erhielt. Ob die Urnichte der Champagnerkönigin «Veuve Clicquot» ein Glas zu viel hatte, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall hatte sie mit 40 km/h eine krasse ­Übertretung begangen. Die laufend verbesserten Leistungen der Automobile machten es den ­Fahrern zu­- nehmend schwer, das Tempo der «pferdelosen Wagen», wie sie damals noch hiessen, richtig einzuschätzen. Auf der Rennbahn lag der Rekord bereits bei über 100 km/h.

In Erwartung einer Beschleunigung auch bei normalen Strassenfahrzeugen entwickelte der deutsche Ingenieur Schulze einen Wirbelstrom-­Tachometer und meldete diesen 1902 beim ­Kaiserlichen Patentamt in Berlin an. Erste Entwürfe für ein solches Instrument hatte bereits Leonardo da Vinci gezeichnet, die ersten Tachos wurden jedoch erst 1817 von Diedrich Uhlhorn für Textilmaschinen eingesetzt, ab 1844 für Eisenbahnen. Schulze war jedoch der Erste, der einen Tachometer für ­Strassenfahrzeuge erfand und patentieren liess. Wie so oft leiden geniale Erfinder unter einer gewissen ­Inselbegabung, die sich nicht auf andere Lebensbereiche erstreckt. Mangels Fähigkeiten im unternehmerischen Bereich sah sich Schulze gezwungen, die Kommerzialisierung (und die Früchte) seiner Erfindung einem andern zu überlassen.

Bei Arbeiterunruhen in Batumi, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer, wurde der 22-jähriger Russe Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili verhaftet. Zehn Jahre später sollte dieser Georgier den Kampfnamen «Der Stählerne» annehmen, es war der Diktator und Massenmörder Josef Stalin.

1902 hatte das Goldene Zeitalter der ­Antarktis-Forschung bereits begonnen, eine Expedition jagte die nächste, die Polarforscher entdeckten neue Inseln und gewannen ­geografische und naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Besonders dramatisch verlief die erste deutsche Antarktisexpedition unter der Führung des unerschrockenen Geologie­professor Erich von Drygalski. Das Forschungsschiff blieb ganze 14 Monate im Eis stecken. Erich von Drygalski überflog mit einem ­Fesselballon die Unglücksstelle und brachte eine der ersten Luftaufnahmen der Antarktis mit nach Hause. Sein Bericht über die zweijährige Expedition umfasste zwanzig Bände und zwei ­Atlanten.

Neuland beschritt 1902 auch der Filmpionier Georges Méliès mit der Pariser Uraufführung seines 16-minüten Science-Fiction-Films «Die Reise zum Mond». Basierend auf den Romanen von Jules Verne und H. G. Wells erschuf er einen Klassiker der Filmgeschichte.

Mit der Vergangenheit hatte sich hingegen der Pfarrerssohn Theodor Mommsen (1817–1903) ein Leben lang beschäftigt. Der bedeutendste Historiker der Altertumswissenschaften erhielt 1902 für sein Jahrhundertwerk «Römische Geschichte» den Nobelpreis für Literatur. Er hielt wenig von Cicero, den er «der Partei der materiellen Interessen» zuordnete und schrieb, was man auch über einige Politiker der ­Gegenwart schreiben könnte: «Als Staatsmann ohne Einsicht, Ansicht und Absicht hat er nacheinander als Demokrat, als Aristokrat und als Werkzeug der Monarchen figuriert und ist nie mehr gewesen als ein kurzsichtiger Egoist.»

© Basler Zeitung; 22.07.2016

Facebook, Amazon und Meinungsfreiheit

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Dr. Udo Ulfkotte arbeitete 17 Jahre lang für die FAZ (Aussenpolitik). Zwischen 1986 und 1998 lebte er überwiegend in islamischen Staaten (Irak, Iran, Afghanistan, Saudi-Arabien, Oman, Emirate, Ägypten, Jordanien), schrieb Länderanlysen, Investitionsführer und war Referent der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Zusammen mit Peter Scholl-Latour schrieb er »Propheten des Terrors«.

Nun hat er zusammen mit einem ehemaligen Polizeibeamten ein Buch mit dem Titel »Grenzenlos kriminell« geschrieben. Ich kenne weder dieses Buch noch seine anderen Sachbücher. Gemäss Inhaltsverzeichnis kritisiert er unter anderem die Unterdrückung von Straftaten von Migranten. Ironischerweise hat ihn Facebook zuerst für einen Tag gesperrt und nach der erneuten Präsentation seines neuen Buches vollständig gelöscht. Neuanmeldung nicht mehr möglich… Das hat meine Neugierde geweckt… Aber auch Amazon meldet nun »Titel nicht lieferbar« Egal wie gut oder schlecht dieses Buch sein mag: Falls es keinen Straftatbestand erfüllt, sollten Promotion und Verkauf nicht verhindert werden. 


Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland:


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

#chronos (1927)

MexicoCity16Dec1927«Wer zur Hölle will Schauspieler reden hören?», fragte H. M. Warner von den Warner Brothers, als man ihm 1927 die Vorteile des Tonfilmes erklärte. Im Januar startete Fritz Langs Stummfilm ­«Metropolis» und floppte trotz Starbesetzung. Das in Schwarz-Weiss gedrehte Science-Fiction-Movie gilt heute als Klassiker der Filmgeschichte. Neun Monate später läutete der kommerziell äusserst erfolgreiche Film «The Jazz Singer» das Zeitalter des Tonfilms ein. Sam Warner hatte die ­Produktion gegen den erbitterten Widerstand ­seines Bruders durchgesetzt. Bereits drei Jahre später hatte der Tonfilm den mit den typischen Zwischentiteln angereicherten Stummfilm ­abgelöst.

Abgelöst wurde auch die ungarische Währung Korona, die als Folge des Ersten Weltkrieges ­inflationsbedingt massiv an Wert verloren hatte. Die Neue Währung Pengo hielt gerade mal neunzehn Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die durch eine erneute Hyperinflation zerstörte Währung durch den Forint ersetzt. Für vierhundert Quadrilliarden Pengo, also 400.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Pengo, erhielt man einen einzigen Forint.

In Berlin crashte die Börse, als die Deutsche Reichsbank gegen die überhöhten Aktienkurse vorging. Der Aktienindex brach innerhalb von Stunden um 31,9 Prozent ein. Bereits zwei Jahre nach diesem schwarzen Börsenfreitag krachte auch die New Yorker Börse und löste die Weltwirtschaftskrise aus. Der amerikanische «Black Friday» war jedoch infolge der Zeitverschiebung in den USA ein «Black Thursday».

Für mehr Optimismus sorgte Charles Lindbergh, der alleine in seiner eigens für ihn konstruierten «Spirit of St. Louis» in einem Nonstopflug von New York nach Paris flog. Damit holte er sich den vom Hotelbesitzer Raymond ­Orteig ausgesetzten Preis von 25 000 Dollar für den ersten Alleinflug über den Atlantik. Seine ­einmotorige Maschine hatte der unbekannte ­Flugzeughersteller «Ryan Airlines» in nur gerade zwei Monaten entwickelt und zusammengebaut. Überschattet wurde Lindberghs Pioniertat durch die Entführung seines zweijährigen Sohnes Charles III., der trotz Bezahlung des Lösegeldes von 50 000 Dollar zweieinhalb Monate später ermordet aufgefunden wurde. Der Täter, ein ­vorbestrafter illegaler Immigrant, der bereits zweimal des Landes verwiesen worden war, wurde gefasst und neun Jahre später hingerichtet. Schuldig oder nicht schuldig, war das Thema diverser späteren Verfilmungen.

Grosses Aufsehen erregte auch die Hinrichtung zweier aus Italien eingewanderter Arbeiter, die sich in den USA der Anarchistischen Arbeiterbewegung angeschlossen hatten und wegen einem doppelten Raubmord angeklagt worden waren. Auch dieses Gerichtsverfahren war umstritten und fand eine dramaturgische ­Aufarbeitung in Giuliano Montaldos Film «Sacco und Vanzetti». Im Jahr 1977 wurden die beiden Italiener durch den Gouverneur von Massachusetts rehabilitiert.

Mehr Glück hatte der Immigrant und Elektro­ingenieur Edward Lasker, der als ­Schachmeister und Verfasser von Klassikern der Schachliteratur Berühmtheit erlangte. Weniger bekannt ist, dass der Tüftler 1927 die erste elektrische Muttermilchpumpe zum Patent anmeldete.

Wie alle gesellschaftlichen Entwicklungen fand auch die zunehmende Emanzipierung der Frau ihren Niederschlag in der Mode. Die ­unpraktischen grossen Hüte waren durch eng am «Bubikopf» anliegende Topf-Hüte ersetzt worden. Kleider, die den Körper einschnürten, waren nun verpönt, sportliche Lockerheit war angesagt, geradlinige Silhouetten, die nicht ­verhüllten, was man insgeheim zeigen wollte.

© Basler Zeitung; 08.07.2016

#chronos (1990)

1101900813_400Nachdem die Berliner Mauer am Abend des 9. Novembers 1989 am Freiheitsdrang der DDR-Bürger zerbrochen war, trat am 1. Juli 1990 die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ­zwischen den beiden ungleichen Staaten in Kraft. Mit der Unterzeichnung des Deutsch-Deutschen Staatsvertrags war die Deutsche Demokratische Republik nach 28 Jahren nur noch Geschichte. Zu einem historischen Augenblick gehören auch prägnante Quotes. Oft kolportiert wird ein ­angebliches Zitat von Willi Brandt: «Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.» Es gibt jedoch keine einzige Tonaufzeichnung, die die Urheberschaft des früheren Bundeskanzlers belegen könnte.

Trennen, was nicht zusammengehört, war ­hingegen das Motto der baltischen Staaten ­Estland, Lettland und Litauen, die 1940 von der Sowjetunion annektiert worden waren. Im ­Frühjahr 1990 erklärten sie nacheinander ihre Unabhängigkeit.

Zusammenführen, was nicht zusammen­gehört, war wiederum das Bestreben des ­Diktators Saddam Hussein, als er seine Truppen in Kuwait einmarschieren liess. Es war der Beginn des Zweiten Golfkrieges. Eine Koalition, angeführt von den USA und legitimiert durch die Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates, startete die Offensive zur Befreiung Kuwaits. Der Krieg, in dem auch neue Taktiken und Waffen zum Einsatz kamen, wurde auch an der Informationsfront geführt: Handverlesene Journalisten (embedded journalists) wurden kämpfenden Militäreinheiten zugewiesen, täglich gebrieft und kontrolliert. Mit dem Kriegsreporter und ­Pulitzerpreisträger Peter Arnett, der vom Dach des Hotels Raschid aus berichtete, inszenierte CNN den Krieg als 24-Stunden-Liveshow. Sein erster Satz war: «Der Himmel über Bagdad ist erleuchtet.»

Roger Waters (Pink Floyd) gab anlässlich des Mauerfalls auf dem Potsdamer Platz das bis anhin grösste Konzert in der Geschichte der Rockmusik. Eine Viertelmillion Zuschauer besuchten das Open-Air-Konzert und sangen «We dont need no thought control». «The Wall» wurde weltweit per Satellit übertragen.

In der Charta von Paris wurde der Kalte Krieg formell beigelegt. Die 34 KSZE-Staaten bekannten sich zur Demokratie als Regierungsform und zur Achtung der Menschenrechte. Das Zentralkomitee der KPdSU gab das Machtmonopol der Partei auf, Michail Gorbatschow wurde zum neuen Präsidenten gewählt, in Moskau wurde das erste ­russische McDonald’s-Restaurant eröffnet. ­Gorbatschows Satz: «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben», wurde seitdem oft zitiert, manchmal gilt auch: «Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben.»

«Es wird keine Fortsetzung des Paten geben», wiederholte Francis Ford Coppola gebetsmühlenartig, wenn ihn Fans und Journalisten mit der Frage nach einem «Der Pate III» löcherten. Doch ein Blick auf sein tiefrotes Bankkonto liess ihn erschauern. Es erging ihm wohl wie Don Michael Corleone: «Grade als ich dabei war auszusteigen, ziehen sie mich wieder rein!» Das Drehbuch basierte erneut auf dem Roman von Mario Puzo. Der Film war in den 80er-Jahren angesiedelt und thematisierte die Skandale des Vatikans und die Neuausrichtung des Mafiabusiness: «Ich brauche keine Schläger. Ich brauche Anwälte!» Der Film wurde für sieben Oscars nominiert, erhielt aber lediglich eine goldene Himbeere für die schlechteste Nebendarstellerin. Geschmäht wurde ­überraschend Sofia Coppola, die Tochter des Regisseurs. Sie liess sich davon nicht unterkriegen und wurde eine erfolgreiche Regisseurin und Drehbuchautorin («Lost in Translation»).

Bob: «Schon lange verheiratet?»

Charlotte: «Danke. Zwei Jahre.»

Bob: «Ich endlose 25.»

© Basler Zeitung; 24.06.2016

Die ersten 50 Chronos Folgen erscheinen im Februar 2016 im Münster Verlag