130 Blick »Klimamodel als Tischdekoration«

Greta Thunberg, das Original, Dramaqueen Luisa Neubauer, die deutsche Kopie, und Helena Gualinga, die Professorentochter aus Ecuador, haben eines gemeinsam: Sie gehören zu den Rich Kids, die bereits den halben Planeten bereist haben und in ihrer Jugend alles genossen haben, was die alten weissen Männer von heute erforscht und produziert haben.

Sie sind jung, attraktiv und weiblich, werden mit Auszeichnungen überhäuft, posieren als Models in Hochglanzmagazinen und jetten mit ihren Hausfotografen von einer Uno-Klimakonferenz zur nächsten, um den Menschen zu sagen, dass sie aufs Fliegen verzichten sollten. Sie posten in den sozialen Medien, dass sie «nur hier sind, um zu sagen, dass der Klimawandel real ist». Wahrscheinlich hat das mittlerweile bereits jeder Schneehase in der sibirischen Tundra mitbekommen.

Wem gilt also die Message? Oder müssen sie diese endlos wiederholen, bis die Gesellschaft, die nicht ihre Anliegen, sondern ihre zunehmend extremistischen Aktionen, ablehnt, reagiert?

Lautstarke Proteste, die in Hotel Mama zum Erfolg führten, verpuffen in der Öffentlichkeit, weil kaum jemand die selbstbewussten Prinzessinnen für Koryphäen hält. Sie selbst gestehen, sie würden nicht so viel vom Thema verstehen, sie würden deshalb lediglich die Wissenschaft zitieren, aber ausgerechnet sie sind es, die unter den zahlreichen Klimamodellen den Algorythmus auswählen, der «die schlimmste Prognose» macht. Wieso laden die Veranstalter von Umweltkonferenzen nicht ausschliesslich die Originale ein? Sind die Klima-Models etwa nur Tischdekoration?

Halb so schlimm. Um mehr Follower zu generieren und den Marktwert zu steigern, sind Selfies auf der internationalen Bühne immer hilfreich, Flirts mit der Antifa hingegen weniger.

Wieso die Klimabewegung von jungen Frauen dominiert wird, liegt nicht nur daran, dass Medien lieber attraktive Frauen porträtieren, sondern auch daran, dass sich die meisten Softies der Z-Generation kaum mehr getrauen, eine Führungsrolle zu beanspruchen, zu gross ist die Angst, mit dem Vorwurf der toxischen Männlichkeit konfrontiert zu werden. Auch innerhalb der Klimabewegung sind die Fettnäpfchen mittlerweile grösser als die Schlammfelder von Lützerath.

DIRTY TALKING. Die ersten 14 Seiten

1

Wie dumm, dass Sie dieses Buch gekauft haben. Es ist bestimmt nicht das, was Sie suchten. Eigentlich ist Dirty Talking eine Dienstleistung von Prostituierten. Einige Kunden mögen das, weil sie sich zu Hause nicht getrauen zu sagen: »Komm her, du geile Schlampe. Ich will dich ficken.« Unter dem Druck der Political Correctness wächst auch in der gehobenen Gesellschaft der Wunsch nach Dirty Talking abseits des Rotlichtmilieus. Gebildete Menschen, die sich eloquent und höflich ausdrücken, kriegen vor lauter Political Correctness einen dicken Hals, dann platzt ihnen der Kragen und ihr Wortschatz fällt vorübergehend in jene prähistorischen Zeiten zurück, als man sich noch mit Grunzen und Drohgebärden verständigte. Wie Tourette-Kranke posaunen sie nach Einbruch der Nacht das Repertoire von Dirty Talking heraus. Sie tun dies in den privaten Salons, wo man die guten Manieren an der Garderobe abgibt. Sie versammeln sich in Debattierclubs mit Gleich- gesinnten wie damals die Republikaner vor Ausbruch der Französischen Revolution. Sie flüstern sich Dinge ins Ohr und sagen, das dürfe man nicht mehr laut sagen. Sie unterhalten sich über Bücher wie dieses hier: Dirty Talking. Und falls Sie es nicht mögen: I give a shit!

PS: Beinahe hätte ich etwas vergessen. In diesem Buch werden oft Kraftausdrücke benutzt, die Sie irritieren oder gar verletzen könnten. Don’t worry. Fluchen setzt physische Kräfte frei, man wird schmerzresistenter. Steckt man Sie kopfvoran in eine Kloschüssel, halten Sie es etwas länger aus, wenn Sie dabei fluchen. Neurologen haben das mit Eiswasser getestet. Im Vergleich mit der Kontrollgruppe hielten es Fluchende fünf Minuten länger aus. Fünf Minuten können eine Ewigkeit sein. Seien Sie also nachsichtig, wenn einige Leute in diesem Buch fluchen, was das Zeug hält. Der Mensch ist nicht perfekt, ich bin es auch nicht. Manchmal erleben wir einen richtig beschissenen Tag und man wünscht sich, man wäre nie geboren. Wir alle kennen diese Anspannung, die wie ein Tsunami unseren Körper flutet. Es wäre in diesem Augenblick unmenschlich, keine vulgären Flüche auszustossen. Lassen Sie ihre Wut raus, bevor Sie implodieren. Das ist ein spontaner Reflex, ein uralter evolutionärer Reflex, der im ruchlosen Teil unseres Gehirns entsteht. Wir teilen ihn mit allen anderen Primaten, Säugetieren und Echsen, er löst Freude, Wut, Angst, trompetenhafte Fürze, Kampfbereitschaft oder Fluchtbewegungen aus. Die Herzfrequenz schiesst in den roten Bereich. Würden wir keine Socken tragen, könnten wir sehen, wie der Angstschweiss zwischen unseren Zehen trieft. Fluchen jagt Blut und Adrenalin durch unsere Venen, es schiesst in alle Extremitäten und so ertragen wir ihn besser, diesen ganzen Scheiss, den uns das Leben dauernd in die Fresse haut.

Fluchen Sie ungeniert! In diesem Buch wird gleich auf Deutsch, Englisch und Spanisch geflucht. Spanisch? Ja, denn die beiden Mexikaner sprechen spanisch. Was zum Teufel suchen Mexikaner in der Schweiz? Und ausgerechnet in Basel. Hatte sich Bobby Wilson auch gefragt. Dirty Talking ist seine Geschichte und ich werde sie erzählen, so, wie sie mir Bobby Wilson erzählt hat. An der jordanisch-israelischen Grenze. Es ist keine alltägliche Geschichte. Als Wilson mittendrin steckte, hatte er keine Ahnung, was die beiden Mexikaner im Schilde führten. Ich weiss es mittlerweile und werde es Ihnen nicht vorenthalten. »What the fuck!«, hatte Bobby Wilson Pote Valdez ins Gesicht geschrien, »ihr könnt mich doch nicht einfach entführen!«

»La boca« hatte Pote gebrummt und ihm eine Kopfnuss verpasst. »La boca« bedeutet so viel wie »Klappe halten«. Was mit Bobby Wilson geschah, ist auch deshalb eine ungewöhnliche Geschichte, weil er ursprünglich Gutes tun wollte. Doch bald darauf steckte er bis zum Hals in der Scheisse. Und das ist seine Geschichte:

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2

Bobby Wilson wurde am neunten Dezember 1972 im Zürcher Hallenstadion gezeugt. Der Saal war stockdunkel und proppenvoll. Aus den monströsen Lautsprecherboxen dröhnten dumpfe Schläge, Herzschläge, aber es waren nicht die von Bobby Wilson. Die Leute wurden unruhig, einige begannen zu schreien, sie hielten es kaum noch aus. Immer diese monotonen Herzschläge. Die meisten waren bereits so zugedröhnt, dass sie regelrecht ausflippten. Plötzlich wurde der Saal mit grellen Scheinwerferlichtern geflutet und auf der Bühne standen die vier späteren Legenden David, Nick, Roger und Rick an der Orgel. Die britische Rockband tourte durch Europa und die damals 30-jährigen Hippies Jamie und Jolene hatten eine Menge Joints eingepackt und waren ihnen gefolgt. Sie wollten dieses endlos lange Musikstück hören, das mit einem Herzschlag beginnt. Damals, im Winter 72 in Zürich, spielten Pink Floyd eine frühe Version ihres späteren Welthits »Dark Side of the Moon«. Sie sangen, dass der Mond keine dunkle Seite habe, dass er in Wirklichkeit ganz dunkel sei (»There is no dark side of the moon, really; as a matter of fact it’s all dark«) und Jamie und Jolene hatten Sex, mitten in der Menge, wie einst in Woodstock und niemand störte sich daran. Als das Konzert zu Ende war, lagen Jamie und Jolene ermattet von der Liebe inmitten von leeren Bierdosen, Zigarettenstummeln, Unterwäsche und ausgelatschten Espadrilles. Ihnen war etwas widerfahren, dass Normalsterbliche nur aus Komödien kennen. Während die Bühne abgeräumt wurde, stand Jamies’ Penis immer noch wie ein Laternenpfahl und schmerzte grauenhaft. Nach einer halben Stunde bat Jolene die Garderobiere, ihnen ein Taxi zu bestellen. Sie fuhren auf die Notfallstation des Zürcher Universitätsspitals. Die Ärzte diagnostizierten einen Fall von Priapismus, eine schmerzhafte Dauererektion. Mit einer Phenylephrin-Spritze brachten die Notärzte das Ding zum Erschlaffen. Jamie wurde einem Bluttest unterzogen und musste unzählige Fragen beantworten. Nachdem alle möglichen Ursachen ausgeschlossen worden waren, blieb nur noch eine Hypothese übrig: Priapismus in Verbindung mit einer Überdosis Cannabis. Der Fall war damals so aussergewöhnlich, dass er sogar im amerikanischen »Journal of Cannabis Research« aus- führlich dokumentiert wurde. Angeblich reisten einige Ärzte vom »Coliseum Medical Centers« aus dem US-Bundesstaat Georgia nach Zürich, um mehr zu erfahren. Die forschenden Spesenritter vermuteten damals, dass durch übermässigen Marihuanakonsum die Blutgefässe derart erweitert werden, dass die Mutter aller Erektionen entstehen könne. Ein Inhaltsstoff der Pflanze bewirke aber, dass jene Signale des Gehirns ausgeschaltet werden, die normalerweise Erektionen wieder be- enden. Die US-Delegation reiste vergebens an. Jamie und Jolene waren bereits weitergezogen und hatten sich zum ersten schweizerischen Love-in (nach kalifornischem Vorbild) in Birmenstorf, einem kleinen Dorf im Kanton Aargau, nieder- gelassen. Dort, an der Badenerstrasse, lebten ein Dutzend Hippies. Sie lasen Hermann Hesse, Jack Kerouac, Gandhi und das Magazin Konkret, die »Polit-Porno-Postille« und Onanievor- lage der 68er, der Playboy für Linke, verdeckt subventioniert von der DDR. Chefredakteurin war zeitweise eine Ulrike Meinhof, die spätere RAF-Terroristin, die mit Bomben- anschlägen einen Volksaufstand auslösen wollte, aber lediglich schärfere Gesetze bewirkte. Im Keller der Liegenschaft übte eine Band, im ersten Stock war ein Matratzenlager, das nach verwesten Fischen stank. Bobby Wilson kam während einer Jam-Session im verwilderten Vorgarten zur Welt. Fast alle halfen bei der Geburt mit, einige waren allerdings zu bekifft. Shorty übernahm den Lead, denn er hatte Medizin studiert, doch Bobby Wilson weigerte sich, diese beschissene Welt zu betreten. Er versuchte, sich mit der Nabelschnur zu erdrosseln. Shorty schrie verzweifelt, er hätte damals das Studium abgebrochen, das sei alles ganz neu für ihn. Die alte Nachbarin, die hinter ihren Gardinen alles beobachtet hatte, humpelte aus dem Haus, schubste Shorty beiseite und kniete vor Jolene nieder. Sie hiess Agathe Bruhin und es war ausschliesslich ihr zu verdanken, dass Bobby Wilson die Welt einigermassen unbeschadet erblickte und es ist ihr besonders hoch anzurechnen, weil ihr Ehemann, ein Stammgast im »Gasthof zum Bären«, die »Langhaardackel« an der Badenerstrasse als »faule Säcke«, und »Schmarotzer« beschimpfte. Das hatte Jamie und Jolene nicht weiter gestört, denn sie waren stolz, Teil einer jener Grossfamilien zu sein, die sich jenseits der bürgerlichen Kleinfamilie als politisches und künstlerisches Kollektiv verstanden, das ihrer Zeit weit voraus war. Die damalige Elterngeneration war genauso prüde und spiessig wie heutige Wokenesprediger. Im Laufe der Zeit realisierte Jolene, dass die Clique musizierender Kumpels sie nur für Spaghetti Bolognese, Sex und 90-Grad- Wäschen benutzte. Ihr Alltag unterschied sich kaum vom Leben der Agathe Bruhin, die in der Wohnstube eine ein- gerahmte Fotografie von General Guisan unter dem ge- kreuzigten Jesus aufgehängt hatte. Ab und zu schaute der nonkonformistische Volkskundler Sergius Golowin vorbei, eine helvetische Taschenbuchausgabe von Timothy Leary und pries die neuen Wohnformen als Oasen der Bewusstseinserweiterung. Mit Golowin kamen jeweils Gäste, die nur vorübergehend im Matratzenlager schliefen, ein bisschen Sex hatten und dann weiterzogen. Mittlerweile war die Zahl der »neuen Nomaden« im Westen auf über eine Million an- gewachsen. Sie liebten das Zigeunerleben (damals noch ein positiver Begriff) und verachteten einen festen Wohnsitz als verstocktes Spiessertum. Während in den umliegenden Dorfkinos immer noch »Easy Rider« lief, zogen Jolene und Jamie auf eine abgelegene Tessiner Alp, wo Gleichgesinnte sich im Gras paarten, während nackte Kinder von Geissen abgeleckt wurden. Weder den Geissen noch den Kleinkindern setzte man Grenzen. Erziehung galt als Folter, Sex mit einer festen Partnerin war reaktionär. Zur Abwechslung gab es auch Geissen und Kinder auf dem Berg. Das wurde erst 20 Jahre später publik, aber da einigen der pädophilen Grünalternativen der Marsch durch die Institutionen gelungen war, wehte in den Redaktionsstuben mittlerweile der Duft von Che Guevaras exklusiven Montecristo Zigarren.

Was den Tessiner Behörden nicht gelang, schaffte 1983 eine neuartige Krankheit: Aids. Der Tod raffte viele dahin. Bobby Wilson war damals zehn Jahre alt. Jolene und Jamie zogen nach Basel, weil sie dachten, dort würde man die beste medizinische Behandlung kriegen. Beide hatten sich mit HIV infiziert. Bobby Wilson besuchte die Schulen in Basel. Da er bisher mit seinen Eltern nur englisch gesprochen hatte, war die Integration schwierig. Er hatte später die eine oder andere Lieb- schaft, eine feste Partnerschaft hatte sich nie ergeben, sowas kannte er nur aus dem Kino. Er war durchaus auf der Suche nach etwas, aber er hatte keinen blassen Schimmer, was dieses Etwas hätte sein können. Dreissig Jahre später hatte er einen Plan. Jeder Mensch hat einen Plan, bis er eins in die Fresse kriegt. Zum Beispiel die Faust von Pote Valdez. Und das ist die Geschichte eines Mannes, der Gutes tun wollte:

weiterlesen mit eBook (ca. 10 Franken/Euro)

 

 

 

 

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Rezension »Dirty Talking« BZ Basel

River Suite im Grand Hotel Les Trois Rois

von Elodie Kolb, 25.1.2023

Bobby Wilson hat sich ganz schön etwas eingebrockt. Auf der Opel-Anlage wird er angeschossen und anschliessend aus dem Unispital Basel entführt. Doch der Reihe nach: Der Tausendsassa Bobby Wilson, Sohn zweier Hippies, befindet sich auf dem absteigenden Ast. Er verliert seinen Job bei einem Onlinemagazin – dem Nachfolgeprojekt einer Basler Wochenzeitung –, seine Dienste als Ghostwriter werden auch nicht mehr gebraucht und seine Karriere als Comedian kommt nicht in Fahrt.

Um in seiner Not an Geld zu kommen, hilft er einem Kumpel beim Autoverkauf auf dessen Opel-Anlage aus. Dort belauscht Wilson ein Paar bei einem Gespräch über einen Skandal eines Bischofs. In seiner Verzweiflung entscheidet er sich, die Information zu nutzen, diese treibt ihn aber zugleich in die Fänge zweier Mexikaner. In dem Thriller führt Claude Cueni den verzweifelten Bobby Wilson auf humorvolle und rasante Weise von Basel zum Bischof nach Mariastein bis hin zum Kunstfälscher Beltracchi nach Luzern.

 

129 Blick »Monopoly 1904: Landreform als Brettspiel

«Ich hoffe, dass Männer und Frauen schnell begreifen, dass ihre Armut daher kommt, dass Carnegie und Rockefeller mehr Geld haben, als sie ausgeben können.» Das schrieb 1904 die damals 38-jährige amerikanische Stenotypistin Elizabeth J. Magie, eine Quäkerin. Sie vertrat die Ideen des Ökonomen Henry George, wonach arbeitslose Einkünfte von Grundbesitzern verantwortlich für Armut und Verelendung der Nichtbesitzenden sei. Henry George forderte, dass man nur besitzen sollte, was man selbst kreiert hat und dass Land und Wasser allen Menschen gehören sollten. Elisabeth J. Magie entwarf, inspiriert von Georgismus, ein Multiplayer-Brettspiel, das sie 1904 unter dem Markennamen «The Landlord’s Game» zum Patent anmeldete. Da niemand das pädagogisch ausgerichtete Lernspiel lizenzieren wollte, brachte sie es 1906 im Selbstverlag auf den Markt. Das änderte nichts daran, dass die Leute beim Spielen nicht belehrt, sondern unterhalten werden wollen. Hätte Magie den Kids beim Murmelspiel zugeschaut, wäre ihr aufgefallen, dass ein Spiel nur funktioniert, wenn es Gewinner und Verlierer gibt. Das ist auch im Sport so.

Dem Verleger Charles Darrow (1889–1967) gefiel die Grundidee so gut, dass er sie stahl. Er änderte die Spielregeln radikal, liess das Game patentieren und produzierte 1934 das heute bekannte Monopoly. Sieger ist nun, wer alle Mitspieler plattgemacht hat.

Ein Jahr später kauften Parker Brothers dem Plagiator das Patent ab. Als die Firma erfuhr, dass alles nur geklaut war, kauften sie auch der mittellosen Erfinderin Elizabeth J. Magie ihr Patent für lumpige 500 US-Dollar ab.

Ridley Scott versuchte zwanzig Jahre lang einen Film über die «Gier der teuflischen Parker Brothers» zu realisieren. Die Financiers wollten jedoch eine «Aufsteigerstory». Mittlerweile ist eine Komödie «Monopoly» in Arbeit.

Heute gibt es zahlreiche Versionen mit Stadtplänen aus aller Welt oder fiktiven Orten aus Blockbustern wie «Jurassic Park» oder «Star Wars». Das Magazin «Mad» produzierte 1979 eine Version für Matheschwache: Sieger ist, wer zuerst pleite ist. Vielleicht folgt demnächst ein «Monopoly Woke» mit der Karte «Du hast eine Bratwurst gegessen und bezahlst zur Strafe jedem Spieler 100 Dollar.»

WEF Originaltext in deutsch

Willkommen im Jahr 2030. 

Ich besitze nichts, habe keine Privatsphäre, und das Leben war nie besser

Willkommen im Jahr 2030. Willkommen in meiner Stadt – oder sollte ich sagen: “unserer Stadt.” Ich besitze nichts. Ich besitze kein Auto. Ich besitze kein Haus. Ich besitze keine Geräte und keine Kleidung.

Es mag Ihnen vielleicht seltsam erscheinen, aber für uns in dieser Stadt macht das durchaus Sinn. Alles, was wir einmal als Produkt betrachteten, ist in unserer Welt zu einer Dienstleistung geworden. Wir haben Zugang zu Transport, zu Unterkunft, zu Nahrung und all den Dingen, die wir in unserem täglichen Leben benötigen. Nach und nach wurden all diese Dinge kostenlos, so dass es für uns am Ende keinen Sinn mehr machte, viel zu besitzen.

Zuerst wurde die gesamte Kommunikation digitalisiert und für alle kostenlos. Später, als saubere Energie kostenlos wurde, ging es schnell voran. Die Transportkosten sanken dramatisch. Es machte für uns keinen Sinn mehr, Autos zu besitzen, weil wir innerhalb von Minuten ein fahrerloses Fahrzeug oder ein fliegendes Auto für längere Fahrten rufen konnten. Als die öffentlichen Verkehrsmittel einfacher, schneller und bequemer als das Auto wurden, begannen wir, uns viel besser zu organisieren und zu koordinieren. Rückblickend kann ich kaum glauben, dass wir einmal verstopfte Straßen und Staus akzeptiert haben, ganz zu schweigen von der Luftverschmutzung durch Verbrennungsmotoren. Was haben wir uns dabei gedacht?

Manchmal benutze ich mein Fahrrad, wenn ich einige meiner Freunde besuche. Ich genieße die Bewegung und die Fahrt. Es bringt irgendwie die Seele mit auf die Reise. Komisch, dass manche Dinge nie ihre Spannung zu verlieren scheinen: Wandern, Radfahren, Kochen, Zeichnen und Pflanzenzucht. Das macht durchaus Sinn und erinnert uns daran, wie unsere Kultur aus einer engen Beziehung zur Natur entstanden ist.

Umweltprobleme scheinen weit weg

In unserer Stadt zahlen wir keine Miete, weil Andere unsere Räume nutzen, wenn wir sie nicht benötigen. Mein Wohnzimmer wird zum Beispiel für Geschäftstreffen genutzt, wenn ich nicht zu Hause bin.

Von Zeit zu Zeit, wenn ich für mich selbst kochen will, werden mir die notwendigen Küchengeräte innerhalb von Minuten an meine Tür geliefert. Seitdem der Transport von Waren kostenlos geworden ist, haben wir aufgehört, all diese Dinge in unser Haus zu stopfen. Warum sollten wir Kochtöpfe oder eine Kreppmaschine in unseren Schränken haben? Wir können sie einfach bestellen, wenn wir sie brauchen.

Das alles hat auch den Durchbruch der Kreislaufwirtschaft erleichtert. Wenn Produkte in Dienstleistungen umgewandelt werden, hat niemand ein Interesse an Dingen mit einer kurzen Lebensdauer. Alles ist auf Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit ausgelegt. Die Materialien fließen in unserer Wirtschaft schneller und lassen sich recht einfach in neue Produkte umwandeln.

Umweltprobleme scheinen weit weg zu sein, da wir nur saubere Energie und saubere Produktionsmethoden nutzen. Die Luft ist sauber, das Wasser ist sauber, und niemand würde es wagen, die geschützten Gebiete der Natur anzurühren, weil sie einen solchen Wert für unser Wohlbefinden darstellen. In den Städten haben wir reichlich Grünflächen und überall Pflanzen und Bäume. Ich verstehe immer noch nicht, warum wir in der Vergangenheit alle freien Plätze in der Stadt mit Beton ausgefüllt haben.

Der Tod des Einkaufens

Einkaufen? Ich kann mich nicht wirklich erinnern, was das ist. Für die meisten von uns hat es sich in die Auswahl von Dingen verwandelt, die sie benutzen wollen. Manchmal macht mir das Spaß, und manchmal möchte ich einfach, dass der Algorithmus das für mich erledigt. Er kennt meinen Geschmack inzwischen besser als ich.

Als die KI und die Roboter so viel von unserer Arbeit übernahmen, hatten wir plötzlich Zeit, gut zu essen, gut zu schlafen und Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. Das Konzept der Rush Hour machte keinen Sinn mehr, da die Arbeit, die wir tun, jederzeit erledigt werden kann. Ich weiß nicht wirklich, ob ich es noch Arbeit nennen würde. Es ist mehr wie Denkzeit, Schöpfungszeit und Entwicklungszeit.

Eine Zeit lang wurde alles in Unterhaltung verwandelt, und die Leute wollten sich nicht mit schwierigen Themen beschäftigen. Erst in letzter Minute fanden wir heraus, wie wir all diese neuen Technologien für bessere Zwecke nutzen konnten, als nur Zeit totzuschlagen.

Sie leben verschiedene Arten des Lebens außerhalb der Stadt

Meine größte Sorge sind all die Menschen, die nicht in unserer Stadt leben. Diejenigen, die wir auf dem Weg verloren haben. Diejenigen, die beschlossen haben, dass es zu viel wurde, all diese Technologie. Diejenigen, die sich rückständig und nutzlos fühlten, als Roboter und KI große Teile unserer Arbeit übernahmen. Diejenigen, die sich über das politische System ärgerten und sich gegen es wandten. Sie führen ein anderes Leben, außerhalb der Stadt. Einige haben kleine sich selbst versorgende Gemeinschaften gebildet. Andere blieben einfach in den leeren und verlassenen Häusern in kleinen Dörfern aus dem 19. Jahrhundert.

Ab und zu ärgere ich mich darüber, dass ich keine wirkliche Privatsphäre habe. Keinen Ort, wo ich hingehen kann, ohne registriert zu werden. Ich weiß, dass irgendwo alles was ich tue, denke und wovon ich träume, aufgezeichnet wird. Ich hoffe nur, dass es niemand gegen mich verwenden wird.

Alles in allem ist es ein gutes Leben. Viel besser als der Weg, auf dem wir uns befanden, wo es so klar wurde, dass wir nicht mit dem gleichen Wachstumsmodell weitermachen konnten. Es geschahen all diese schrecklichen Dinge: Lebensstil-Krankheiten, Klimawandel, die Flüchtlingskrise, Umweltzerstörung, völlig überfüllte Städte, Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung, soziale Unruhen und Arbeitslosigkeit. Wir haben viel zu viele Menschen verloren, bevor uns klar wurde, dass wir die Dinge anders machen können.


Dieser Artikel wurde in englischer Sprache unter dem Titel: „Welcome to 2030 – I own nothing, have no privacy and live has never been better“ auf der Webseite der Weltwirtschaftsforums (WEF) veröffentlicht (mittlerweile gelöscht) und unterliegt der Creative Commons Lizenz, Copyright des englischen Originalartikels: Ida Auken. 


https://www.cueni.ch/der-grosse-reset-muss-warten/


 

GODLESS SUN, Seiten 1 – 20

»Godless Sun« Thriller, 2016

Ein migrationskritischer Thriller, der bereits alles beschrieb, was wir seit Angela Merkels unkontrollierter Grenzöffnung 2015 bis heute erleben. Ich bin kein Prophet. Es war voraussehbar. Sicherheitsexperten hatten gewarnt. Auf dem Höhepunkt von »Refugées welcome« wurde das Buch aus dem Handel genommen. Jetzt ist es wird verfügbar als Paperback oder eBook.

Für meine FB Freundinnen und Freunde kostenlos jeden Sonntag die Fortsetzung in 20 bis 30 Seiten. 

1 Folge, Sonntag, den 8. Januar 2023 (Buchseiten 1-20) – Und jeden Sonntag ca. 30 weitere Seiten. Falls Interesse an einer Fortsetzung besteht. 


1

Ich habe das nicht gewollt

Ich habe das alles nicht gewollt, die Sache ist aus dem Ruder gelaufen. Sie schleichen nachts um das Haus, manchmal werfen sie Kieselsteine gegen das Fenster oder tote Fische auf die Veranda. Ich bin sicher, eines Tages wird jemand an der Haustür klingeln und mir ein rostiges Messer in den Bauch stechen. Ich habe das wirklich nicht gewollt. Ich bin auch kein Leader. Ich habe weder Charisma, noch bin ich eine stattliche Erscheinung. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die man gleich wieder vergisst, ich gehöre zu den Menschen, die man gar nicht wahrnimmt. Das war immer so, bis vor Kurzem.

Nachdem mich Natascha verlassen hatte, wollte ich ein ruhiges Leben führen, alle 14 Tage einen Geronimo-Heftroman abliefern und ansonsten meinen Frieden haben. Ja, ich schreibe Pulp, Pulp Fiction, Schundromane, Trash, Kioskromane, but don’t judge a book by his cover! Es braucht eine Menge Recherchen und Phantasie um alle vierzehn Tage aus dem Leben von Geronimo zu berichten. Geronimo ist der Kriegerhäuptling und Schamane der Bedonkohe-Apachen. Er starb 80jährig in Fort Sill, Oklahoma. Wenn ich schreibe, muss ich mich an die Serienbibel halten. Alle sieben Autoren müssen sich daran halten. Das gilt auch für die Mistery Serie »Insel des Grauens« und die neue Science-Fiction-Reihe »Orion, Herrscher der Galaxy«. Sie wird nächstes Jahr die Geronimo-Serie ablösen, dann findet der Wilde Westen im Weltall statt, endlose Galaxien statt zerklüfteter Canyons, Flüssignahrung statt Bohnen mit Speck, und Laserkanonen statt dem Peacemaker von Samuel Colt. Streng genommen war Samuel Colt 1836 nicht der Erfinder, sondern lediglich der Patentinhaber und Produzent. Aber Bärbel streicht mir jeweils alle historischen Details.

Ich hatte darum gekämpft, dass ich Geronimos ursprünglichen Namen, Bedonkohe, näher erläutern darf, denn er bedeutet »Der Gähnende«, aber Bärbel mailte, so genau wolle es unsere Leserschaft nicht wissen, deshalb würden die Pulp Fiction Leser am Bahnhofskiosk meine Heftromane kaufen und kein Sachbuch bei Amazon bestellen. Ich müsste mich an einem einfachen Publikum orientieren. Das gilt für alle Heftserien. Es gibt klare Regeln: einfache Sätze, am liebsten Hauptsätze, keine vielschichtigen Charaktere und vor allem: No Sex. Es ist in Ordnung, wenn ein Mann seine verdreckten Reitstiefel auszieht, die silberne Gurtschnalle löst, aber dann ist Schluss mit Erotik. Das wäre ein Plot für die pinkfarbene Heftreihe »Leonie«, ein Fortsetzungsroman über eine Prostiuierte, die tagsüber Musikunterricht erteilt und nachts wildfremden Männern einen bläst. »Dylan liebt die Gefahr, aber die Flammen die zwischen ihm und Leonie lodern, jagen sogar dem einsatzerprobten Feuerwehr- mann Angst ein«. Nichts für mich. Die Heftserien »Die Gräfin von Venedig« und die Adaption von Hansruedi Wäschers Comic »Sigurd, der richterliche Held« haben sie leider eingestellt. Dabei mag ich History über alles.

In Pulp Fiction Romanen ist History nur Kulisse, Dekoration, mehr nicht. Eigentlich erzählen wir immer die gleichen Geschichten von Liebe, Hass, Verrat, Rache, Macht, Reichtum, und inszenieren sie vor wechselnden Kulissen. Den Wilden Westen mochte ich am meisten. Wenigstens darf ich noch 18 Hefte schreiben bis die Serie von »Orion, Herrscher der Galaxy« abgelöst wird. Geronimo werde ich vermissen. Vor allem Cochise, den Häuptling der Chokonen- Apachen, der ihm die schöne Taz-ayz-Slath ausspannen will. Ich hätte noch reichlich Figurenmaterial, um bis an mein Lebensen- de neue Plots zu erfinden. Ulzana, Victorio und Nana, sie waren allesamt grosse Mitstreiter von Geronimo, aber sie verfügten  nicht über seine Diya, die göttliche Gabe, Visionen zu empfangen und die Ndaa K’ehgodih, die Kraft, das Gehirn der Feinde zu manipulieren und die Gesetze von Zeit und Raum aufzulösen.

Animistische Religionen, Aberglaube und die Manipulation von Menschen, das alles hat mich schon immer fasziniert, aber Bärbel meint, ich könne ja ein Sachbuch schreiben, in Zukunft sei Mistery gefragt. Die etablierten Kirchen verlören immer mehr Mitglieder, sie verlören den Glauben, aber nicht den Aberglauben. Das müsse bedient werden: Mistery sei die Religion des 21. Jahrhunderts.

So hat es mir Bärbel in ihrer Mail erklärt. Sie ist die Chefin des vir- tuellen Writer’s Room. Sie ist eine der zahlreichen Lektorinnen von Morton & Stanley, die jährlich 18 Millionen Heftromane verkaufen. Bärbel betreut meine Serien und ist somit auch die Lektorin der anderen sechs Autoren. Wir schreiben unter dem gleichen fiktiven Autorennamen, Jack Hogan. Wir sind die Ghostwriter eines Autors, den es gar nicht gibt.

Selbst wenn mich einer dieser Männer, die nachts um das Haus schleichen, erschiesst, werden die neuen Serien überleben. Ich habe einen Vorrat angelegt. Bärbel besteht darauf, dass wir eine Reserve für drei Monate haben, also 6 Heftromane von jeder Serie. Vielleicht würde mich Bärbel vermissen, wenn sie mich niederstechen, vielleicht, aber eher nicht. Sie würde zumindest bemerken, dass plötzlich keine neuen Folgen mehr kommen. Ich habe Bärbel noch nie live gesehen. Wir verkehren nur via Mail. Ich habe sie vor Jahren einmal gegoogelt und ein Foto von ihr gefunden. Sie wirkte etwas aufgedunsen, müde, vielleicht war sie früher mal eine schöne Frau, ich weiss es nicht. Jetzt hatte sie tiefhängende Hamsterbacken, halblanges Haar, nicht sehr gepflegt, ich bin sicher, sie ist mittlerweile Single und ist sich daran gewöhnt. Ich mochte sie. Sie war immer sehr nett. Sie hatte eine einfühlsame Art, manchmal bestimmt und dominant, aber doch warmherzig und mütterlich im guten und im schlechten Sinne. Ich hatte den Eindruck, sie habe das Pensionsalter schon überschritten, aber viel- leicht ergeht es ihr ähnlich wie uns Ghostwritern: Angesichts der bescheidenen Honorare muss Bärbel arbeiten, bis sie tot umfällt. Wie meine Helden in Dodge City, wenn der Fünfuhrzug einfährt. Aber jetzt fährt kein Zug mehr.

Wäre das alles nicht passiert, wäre ich bestimmt in der alten Villa von Onkel Calvin geblieben. Ich habe mich dort immer wohl ge- fühlt. Das ehemalige Herrschaftshaus wurde um 1850 von einem Eisenbahnmogul gebaut. Er soll ein visionärer Mann gewesen sein, der an die Zukunft der Eisenbahn glaubte und deshalb seine maison de plaisance direkt an die projektierte Eisenbahnlinie bau- te. Damals lag die Parzelle noch im Grünen inmitten von Feldern. Heute steht die Villa inmitten von Schrebergärten. Man nennt sie heute Familiengärten, weil Moritz Schreber, der Namensgeber, heute nicht mehr den besten Ruf geniesst. Er war ein Arzt aus Leipzig der zur Zeit der Industrialisierung die sozialen Folgen des Stadtlebens durch die Arbeit im Grünen, in sogenannten Ar- mengärten, abfedern wollte. Er erfand übrigens auch ein Gerät zur Verhinderung der Selbstbefriedigung. Auf jeden Fall nennt man diese Gärten heute Familiengärten, aber man sieht dort unter der Woche kaum junge Leute. Es sind meistens Senioren oder Senio- rinnen, die sich mit Akribie ihrem Gemüse widmen und den ganzen Tag über kaum ein Wort miteinander reden. Am Wochenende kommen auch Türken, Albaner, Kosovaren, Italiener und Portugiesen, sie kommen meistens mit der halben Familie, grillen und reden so laut, dass sich wiederum die einsamen Witwer aufregen, die frustriert ihre Erdbeeren pflücken, Weinbergschnecken mit der Gartenschwere vierteilen und darüber nachdenken, was sie später mit dieser vollen Erdbeerschüssel anfangen sollen. Wann waren die Kinder das letzte Mal mit den Enkeln zu Besuch?

Onkel Calvin wohnte im Erdgeschoss der Villa. Er hatte sich in den ehemaligen Salon zurückgezogen, ein pompöser Saal mit einem wuchtigen Kristallleuchter, der über einem langen Konferenztisch hing. An die Stuckaturdecke war ein blauer Himmel mit weissen Wölkchen gemalt, mit putzigen, bunten Vögeln, die sich in Rosen- ranken versteckten. Am Ende des langen Tisches thronte Onkel Calvin in seinem abgewetzten braunen Chesterfield Sessel. Die übrigen elf Sessel waren stets mit Zeitungen, Büchern und allerlei Nippes beladen. Links führte eine Schiebetür in die grosse Wohn- küche. Aber Onkel Calvin empfing keine Besucher. Nur mich. Das ist nicht immer so gewesen.

Onkel Calvin hatte mir die beiden oberen Stockwerke überlassen, nicht aus Nächstenliebe, denn Onkel Calvin hat ein Leben lang nur sich selbst geliebt. Vielleicht werde ich später noch darauf zurückkommen, auf jeden Fall war Onkel Calvin mit seinen 87 Jahren nicht mehr so gut auf den Beinen. Treppensteigen, das war ihm zu mühsam geworden, nicht ungewöhnlich diese motorische Einschränkung, das kommt ja nicht von heute auf Morgen, das ist der Trost bei diesen altersbedingten Redimensionierungen, man vollzieht sie in kleinen Schritten, schluckt sie in mundgerechten Portionen, und nachdem sich Onkel Calvin zum ersten Mal den Schenkelhals gebrochen hatte, mied er fortan die oberen Stockwerke. Ich hatte diese deshalb für mich alleine, fünf grosse Zimmer im ersten Stock und weitere Räume im Dachstock. Hier lagerte noch ein Teil des Mobiliars des früheren Besitzers, vollgestopfte Kommoden, Stühle mit gebrochenen Sitzflächen aus Bast, Tische mit gedrechselten Beinen, vollbeladen mit Bergen von verstaubten Kleidern, von Motten zerfressen, vergilbte Bücher mit spröden Ledereinbänden. Unter dem kleinen Dachfenster standen einige schwere Reisetruhen aus dem 19. Jahrhundert, in einer der Truhen war noch ein alter Katalog, »Malles et sacs de Louis Vuitton, Paris, 1 rue 

Scribe, Téléphone 239-68. Boîte pour chapeaux de dames, Malle cuir pour hommes«.

Ich weiss, ich verliere mich im Detail, das liegt einerseits daran, dass ich seit 9 Jahren ohne Natascha lebe, aber auch daran, dass es mir körperliche Schmerzen zufügt, dass ich in meinen Heftromanen nicht aus dem Vollen schöpfen darf, dass ich nicht ein bisschen belesener sein darf als das Zielpublikum.

Ich hatte mir im ersten Stock ein kleines Paradies eingerichtet. Jedes meiner Zimmer war im Stil einer Epoche eingerichtet. Das Wild West Zimmer hatte ich als Saloon eingerichtet, Arizona, 19. Jahr-hundert, die Wände mit groben Holzplanken verkleidet. Einen Tresen aus alter Eiche mit antiker Spiegelwand hatte ich in Brüssel ersteigert, und den ganzen Kitsch an den Wänden hatte ich von einem Westernstore übernommen, der konkurs gegangen war. Das alte Klavier war schon da, ich spiele nicht Klaiver, ich bin durch und durch unmusikalisch. Ich bewundere deshalb Sänger, Musiker und Komponisten, wie ich eigentlich alle Menschen bewundere, die Dinge können, die ich nicht beherrsche.

Onkel Calvin hat mich einmal darauf hingewiesen. Er hatte stets Zeit, über solche Dinge nachzudenken. Deshalb war er auch nachtragend, wie viele Menschen, die im Alter unsichtbar werden. Er beschwerte sich oft darüber, dass ich den Boden des Westernzimmers mit schweren Holzdielen verlegt hatte. Er meinte, irgend- wann würde der Boden einstürzen und ihn im Schlaf erschlagen. Sein Salon lag direkt unter meinem Saloon. Die Wortverwandtheit kommt übrigens nicht von ungefähr. Französische Trapper nannten während des Goldrausches in Alaska die Holzbaracken, in denen sie Karten spielten, soffen und sich anschliessend gegenseitig erschossen, Saloon, eine ironische Anspielung auf die gediegenen Pariser Salons Ende des 19. Jahrhunderts. Ich hatte dies letztes Jahr in der Folge »Smokey Smith« beiläufig erwähnt. Aber Bärbel hatte es gestrichen. Wie üblich. Ich muss mich offenbar an das Bildungsniveau von Primarschülern halten. Nur bei den Science-Fiction Serien darf ich einen höheren Schulabschluss voraussetzen, was wiederum für mich recherchenmässig einen dreifachen Aufwand bedeutet, weil ich nicht so viel von Raketenantrieben, schwarzen Löchern und der Relativitätstheorie verstehe.

Aber wir waren bei Onkel Calvin, der mich stets daran erinnerte, dass der Schreiner damals einen Mordslärm gemacht hatte. Aber wenn ich den Boden wieder heraus reisse, entgegne ich jeweils, wird das wieder Lärm machen und eine Menge Staub aufwirbeln. Er behauptete dann, dass er daran ersticken würde, und zürnte, ob es das sei, was ich wolle. Dass er sterbe, und ich das Herrschaftshaus für mich alleine habe. Dabei rauchte er wie ein Schornstein, kubanische Zigarren, und litt fürchterlich, wenn die Pollen im Früh- jahr ihren Flug antraten. Im Sommer ertrug er die Hitze schlecht, im Herbst war er oft erkältet und im Winter fror er unsäglich und bat mich die Heizung aufzudrehen und gleichzeitig Heizkosten zu sparen, ich solle bei mir oben weniger lüften. Ich sagte ihm einmal, er solle weniger rauchen, das beeinträchtige die Durchblutung in den Füssen, aber er nannte das dummes Zeug und zündete sich eine weitere Zigarre an. Wenn er es zu bunt trieb, erinnerte ich ihn daran, dass ich nie darum gebeten hatte, in seine Villa einzuziehen. Dann hielt er für eine Weile den Mund. Manchmal rächte ich mich an ihm, in dem ich unsere Dialoge in der »Insel des Grau- ens« einbaute. Dort gibt es auch sowas wie ein verwunschenes Haus, in dem ein alter, mürrischer Mann die Geister der Vergangenheit heraufbeschwört.

Wären all diese schrecklichen Dinge nicht passiert, wäre ich bestimmt in der Villa geblieben, ich hätte das Anwesen renoviert, ich wäre in diesem Land geblieben und hätte mir alles vom Mund abgespart, um das Orion Schlafzimmer noch etwas auzubauen. Ich hätte mir in London noch einen römischen Gladiator in Lebensgrösse bestellt, vielleicht hätte ich mir sogar den neuen Darth Vader aus Plexiglas gekauft. Das Versandhaus in Nevada hatte mir gemailt, dass sie mir die Transportkosten schenken würden. Wahrscheinlich hätte ich auch zwei Schaufensterpuppen gekauft

um John Law, das Finanzgenie des 17. Jahrhunderts, und einen Kardinal einzukleiden. Ich denke, Kirche, Naturwissenschaften und Militär lenken den Lauf der Menschheitsgeschichte. Und die Frauen natürlich, die Liebe, die Leidenschaft, die Besessenheit. Vielleicht auch der Aberglaube, der Boden auf dem Religionen und Sekten gedeihen.

Ja, Science-Fiction liegt tatsächlich im Trend, als hätten die Menschen allmählich die Nase voll von der Realität, der Gegenwart.

Ich werde nichts renovieren. In Zukunft werden Hotelzimmer mein Zuhause sein. Ich weiss nicht, wohin es mich verschlagen wird, wahrscheinlich wird man mich bis ans Ende der Welt jagen. Aber Science-Fiction könnte ich überall schreiben, in der Hacienda De Los Santos in Mexico oder im Hanoi La Siesta in Vietnam. Die ha- ben sogar ein Spa. Vielleicht gibt’s dort Happy Ending. Bestimmt. Und Highspeed Internet hat heute jedes bessere Hotel. Das ist das einzige was ich bräuchte, um Bärbel weiterhin alle 14 Tage einmal Mistery und einmal Science-Fiction zu mailen.

Ich habe Science-Fiction stets unterschätzt, aber gute Science- Fiction ist die Kombination aus History und Gegenwart. Bei Börsenprognosen benutzt man die Charttechnik. Man schaut, wie sich die Aktie in der Vergangenheit entwickelt hat, wie sie auf politische und psychologische Ereignisse reagiert hat, und wagt eine Prog- nose. Science-Fiction Autoren sind somit die Charttechniker der Gesellschaft.

Ja, Sie haben Recht, ich leide darunter, dass Autoren von Kioskromanen keine Anerkennung finden. Dabei sind sie für viele Menschen sehr hilfreich. Es gibt im deutschsprachigen Raum mittlerweile über 10 Millionen Honks. Das sind Hauptschüler ohne nennenswerte Kenntnisse. Die lesen Pulp Fiction Romane. Auch labile und frustrierte Menschen mögen Pulp Fiction. Auch Männer mit geistigen oder organischen erektilen Dysfunktionen. In Trashromanen ist ein Mann noch ein Mann. Heftromane bieten Struktur, Orientierung, Trost, Hoffnung. Sie helfen zu akzeptieren, dass das Leben trostlos ist. Albert Camus sagte: »Die Fantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.« Die Gewissheit, dass jeden Donnerstag das neue Heft am Kiosk aufliegt, gibt der Woche eine Struktur, genau wie die Abendnachrichten. Darauf ist Verlass. Fällt ein Feiertag auf den Donnerstag, stürzt der Leser in die Abgründe seiner zerrissenen Seele und säuft wie der Irokese Handsome Lake nach der Schlacht von Devil’s Hole.

Zu meinen Lesern gehören übrigens viele Alkoholiker, Suchtkranke, Menschen in Krisensituationen. Ich erfahre das meistens in den einschlägigen Foren. Ich poste manchmal etwas unter dem Namen »Crazy Horse« und frage scheinheilig: Wie hat euch eigentlich »Hängt ihn höher« gefallen? Pulp Fiction Leser sind treue Leser, sie werden nie richtig erwachsen und selbst wenn sie ihre Lebenskrise überwinden, besuchen sie weiterhin die geheimnisvolle Insel oder fliegen mit Commander Orion durch die Galaxy. Leser von Schundromanen sind leicht manipulierbar, sie träumen sich ihre Welt zusammen und sind dankbar für Illusionen aller Art. Ich glaube deshalb, dass die meisten religiös sind. Auf ihre Art natürlich.

Gefährlich wird es für uns Trashautoren, und natürlich auch für Bärbel, wenn die Leser ihre Einkommensverhältnisse signifikant verbessern, wenn sie plötzlich reisen. Die Tourismusindustrie ist der grösste Feind der Schundliteratur. Immer mehr Menschen können immer billiger reisen. Die fliegen jetzt selber an all die exotischen Orte, die ich mal beschrieben habe. Ich verliere meine Schauplätze, deshalb ist die neue Science-Fiction-Reihe so wichtig für mein wirtschaftliches Ueberleben. Die Galaxy hat noch keiner beflogen. Ich bin der Pilot, verdiene aber weniger als eine Stewardess.

Seit einigen Tagen erhalte ich die zahlreichen Morddrohungen so- gar per Mail, das ist deshalb erstaunlich, weil man den Absender zurückverfolgen kann. Alle Dämme sind gebrochen. Ich hatte die Polizei um Hilfe gebeten, aber ein Beamter riet mir, einen Bodyguard zu nehmen. Ich fragte, ob es nicht die oberste Pflicht eines Staates sei, die Unversehrtheit seiner Bürger zu schützen, doch er meinte, niemand könne mehr für meine Sicherheit garantieren, ich sei selber schuld. Aber ich schwöre, ich habe das nicht gewollt! Niemand konnte mit einer derartigen Eskalation rechnen. Ich ver- abscheue Gewalt, ich bin Pazifist, nicht aus Schwäche, sondern aus Überzeugung. Ich bin auch sonst, im privaten Umgang, ein sehr friedliebender Mensch, fast schon im asiatischen Sinne harmoniebedürftig. Selbst in meiner letzten Beziehung war ich derjenige, der nachgab. Ob das Klugheit oder die Feigheit des Pantoffelhelden war, sei mal dahingestellt. Ich weiss bis heute nicht, wieso mich Natascha vor 9 Jahren verlassen hat. Ich dachte, unsere Liebe würde ewig halten.

Vielleicht war ich zu stark mit Geronimo beschäftigt. Oder mit seiner Geliebten. Aber das ist heute kein Thema mehr, ich mag nicht darüber sprechen. Ich weiss, John Steinbeck schrieb in »Jenseits von Eden«, wenn ein Mensch unter keinen Umständen über etwas sprechen wolle, bedeute es, dass er Tag und Nacht darüber nachdenke. Vielleicht hätte mir Natascha einen Tipp geben können, hätte mir erklären können, was ich bis heute nicht verstehe: Wie konnte das alles nur geschehen?

Ich weiss nicht, wie offen ich über die Ereignisse sprechen kann. In unserer narzistischen Gesellschaft akzeptiert man kaum noch abweichende Meinungen. Political Correctness ist die Pflicht zur Realitätsverweigerung. Ich war stets ein entschiedener, ja kompromiss- loser Befürworter der freien Meinungsäusserung. Meinungsfreiheit bedeutet auch, dass man Dinge sagt, die niemand hören will. Ist von George Orwell, nicht von mir. Ich habe viele Dinge gesagt, die niemand hören wollte. Ich dachte, das kann man aushalten. Dar-über kann man reden. Aber wenn Menschen sich nicht artikulieren können, schlagen sie zu. Das macht mir Angst. Ich werde jetzt Dinge schreiben, die niemand hören will.

Ich bin erleichtert, dass alles geklappt hat mit meinem Ticket. Ich dachte, vielleicht kriege ich unter meinem bürgerlichen Namen gar kein Ticket mehr, vielleicht verweigert man mir die Ausreise. Aber wer kennt mich schon unter meinem bürgerlichen Namen? Ich ha- be viele Namen, selbst Gott hat viele Namen, Autoren sowieso. Verzeihen Sie mir bitte, dass ich nicht immer »Autorinnen und Autoren« schreibe, das ist mir einfach zu anstrengend, physisch, aber auch intellektuell. Ich schreibe schliesslich alle 14 Tage einen Heft- roman à 64 Seiten, Normseiten, das sind 30 Zeilen à 60 Zeichen. Dafür braucht ein erfahrener Autor eine Woche. Ich kriege 1250 Euro für einen Roman, also 5000 im Monat. Sie werden sich viel- leicht fragen, wieso ich mir das antue, wieso ich nicht was Anständiges erlernt habe? Ich bin schreibsüchtig, das ist alles, ich befriedige meine Sucht und verdiene damit meinen Lebensunterhalt. Andere Menschen brauchen Zigaretten, fressen sich voll, kaufen teure Uhren und schnelle Autos, verbringen ihre Freizeit in Casinos oder Bordellen, ich sitze vor meinem Computer, erfinde Geschichten, reise in Gedanken mit meinen Figuren um die Welt, pendle zwischen vergangenen Epochen und zukünftigen Zivilisationen. Es ist die schönste Welt, die ich mir vorstellen kann, die Phantasie. Ich bin zufrieden damit, ich war es jedenfalls lange.

In den letzten Monaten hatte ich oft das Bedürfnis, mich mit den anderen Autoren auszutauschen. Ich bin eigentlich ein Familienmensch, obwohl ich ein Dasein als Robinson friste. Ich denke, ein regelmässiger Austausch unter Berufskollegen, das wäre auch der Wunsch der anderen Autoren, aber Bärbel hat uns für die interne Kommunikation anonymisiert, wir kennen uns lediglich unter Namen wie »Cassidy John« oder »Lady Summerhill«. Ich heisse übrigens »Rebecca La Rue«, und niemand weiss, ob sich ein Amerikaner oder eine Spanierin hinter diesem fiktiven Autorennamen verbirgt. Diese Anonymität ist von »Morton & Stanley« gewollt. Keiner soll sein Honorar mit dem Einkommen der anderen vergleichen können. Für die Leserschaft sind wir alle Jack Hogan.

Viele junge Menschen träumen davon, Schriftsteller zu werden. Aber es ist kein einfacher Job, schon gar nicht, wenn sie in der Pulp Avenue stranden. Wenn Sie abends die »Insel des Grauens« verlassen oder mit Commander Orion aus der Galaxy zurückkehren und hinunterfallen in die reale Welt, in eine Bar, zu einem Date, und wenn sie dann sagen, dass sie Kioskromane schreiben, ist die Dame an der Bar bis ins nächste Jahrzehnt ausgebucht. Problematischer wäre es nur, wenn sie gestehen würden, dass sie ar- beitslos sind. Nun gut, das könnte man schönreden und behaup- ten, man sei Privatier. Aber das Mädchen würde sich fragen, wieso ich wie ein Dudeist rumlaufe. Das sind die Freaks, die sich in der »Church of the Latter-Day Dude« vereinigt haben und den Le- bensstil von »The Big Lebowski« verherrlichen. Aber auch das könnte man schönreden und behaupten, dass Multimillionäre heu- te nicht mehr in Edelklamotten rumlaufen, sondern eher in Jeans, Traineroberteil und Turnschuhen. Die können sich das leisten, die sind auf niemanden mehr angewiesen, die haben genügend Fuck- You-Money. Das bedeutet, sie haben genügend Geld, um in jeder Situation dem Gegenüber Fuck You ins Gesicht zu schleudern.

Aber das ist nicht mehr mein Thema. Wie alle Menschen, die die meiste Zeit mit ihrer eigenen Phantasie verbringen, neige ich zu Abschweifungen, vielleicht ist es auch Geschwätzigkeit oder gar eine Geringschätzung der Realität. Manchmal ist Geschwätzigkeit auch Arroganz, ein übertriebenes Ego, manchmal aber auch Aus- druck von Einsamkeit. Ich bin sicher, Robinson hat wie ein Was- serfall geplappert, nachdem ihn Daniel Defoe nach 28 Jahren von seinem tristen Inseldasein erlöst hat.

Aber worauf ich hinauswollte: Ich denke, ich brauche mit 43 Jahren keine neue Beziehung mehr, die länger als eine Nacht dauert. Nachdem mich Natascha verlassen hatte, wollte ich Single bleiben und niemanden im Haus haben, der mich daran erinnert, dass ich einen persönlichen Jahrestag vergessen habe. Freiheit bedeutet, um drei Uhr morgens zum Kühlschrank zu schlurfen und eine Currywurst fressen. Und niemand fragt wieso. Für Natascha war das sicher nicht einfach. Sie war eine jüdische Russin aus Paris, klingt vielleicht etwas exotisch, war es auch. Sie hatte blondes Haar, ei- nen aufrechten Gang und war eine markante Erscheinung, gross, dominant, raumfüllend, und doch sehr fragil, hungrig nach Aner- kennung und Fürsorge, als Figur hätte Bärbel Natascha zusammengestrichen, zu komplex, versteht keiner. Auch ich hatte Mühe damit. Aber so war Natascha. Manchmal denke ich darüber nach, wo sie im Augenblick sein könnte, ob sie glücklich in einer Bezie- hung lebt. Ich verliere mich in Varianten, ausufernden Geschichten und realisiere erst nach Stunden, dass ich mir das alles ausgedacht habe. Natascha ist keine Heftserie, Natascha war 9 Jahre lang meine Freundin. Wir hatten es gut miteinander, dachte ich je- denfalls.

Ich erwähnte schon, dass mir Lovestorys nicht liegen, ich meine als Autor. Ich hatte Bärbel auch schon Alternativvorschläge unterbreitet für eine neue History Serie, »Priscus, Held der Arena«. Mein Held kämpft in der Zeit von Kaiser Titus im Flavianischen Amphitheater. Damals gab es das Kolosseum noch nicht, er kämpfte gegen seinen besten Freund, den Gladiator Verus. Alles recherchiert. Der Dichter Martial hat diesen Jahrhundertkampf in einem Gedicht festgehalten. Wäre das kein Stoff für eine neue Römerserie gewesen? Aber Bärbel sagte, das Thema Gladiatoren sei ausgelutscht, es gebe schon zu viele davon. Ich mailte zurück, genau das könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Interesse besonders gross sei, deshalb gebe es so viele Gladiatorenromane. Ich insistierte und mailte, dass ich gerne den Mithraskult der römischen Legionäre dramatisieren würde, den Kult der göttlichen Sonne, aber Bärbel meinte, ich solle doch gescheiter ein Sachbuch zum Thema schreiben, das sei ein ganz anderes Publikum.

Vielleicht habe ich deshalb heimlich Godless Sun geschrieben und bei Crocodile Books publiziert.

Crocodile Books ist kein richtiger Verlag, eigentlich bloss eine Druckerei, die sich selber Durckaufträge beschafft, indem sie Bücher, die niemand publizieren will, gegen Vorschuss druckt und vertreibt. Marlon, mein Verleger, war ein grossgewachsener Mann um die 40, vom Alkohol ausgezehrt. Sein Vater war ein stadtbekannter Kunstmaler gewesen, der sein halbes Leben in Kneipen verbracht hatte. Jetzt ist er tot, an einer Alkoholvergiftung gestorben, aber in den Kneipen der Altstadt hängen seine depressiven Bilder, die er jeweils den Wirten abtreten musste, um seine Besäufnisse zu be- zahlen. Die Wirte dachten vielleicht, wenn der alte Oscar so wei- tersäuft, stirbt er bald und kleckert keine Leinwände mehr voll, dann steigen die Preise, das ist nun mal das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Marlon hat mir das einmal erzählt, als er Flyer für einen Pizza Service druckte. Marlon begleitete seinen Vater bereits im Kindsalter auf seinen Kneipentouren. Marlon sieht sich als Rebell. Tagsüber druckt er Visitenkarten und schmale Broschüren, nachts druckt er Dinge, die kein Feuilletonredaktor anfasst, das macht ihm Spass, deshalb hat er auch Godless Sun gedruckt. Er sagte damals, mein Buch sei ihm derart eingefahren, dass er eine ganze Woche nur noch gesoffen habe. Aber ich glaube, das tat er eh. Vielleicht ist es genetisch, schlechte Vorbilder, ich weiss es nicht. Ich war überglücklich, als Marlon Godless Sun druckte und auslieferte. Wir feierten zusammen mit seiner Freundin Aline drei Tage lang. In Aline war ich ein bisschen verliebt. Marlon hatte lediglich 500 Exemplare gedruckt. Einige Dutzend hatte ich selber bestellt, um zu prüfen, ob Bestellvorgang und Lieferung funktionie- ren. Ja, hat alles funktioniert, ich habe mittlerweile zweihundert Exemplare unter meinem Schreibtisch. Und alle bezahlt. Godless Sun war ein Flop. Ich habe etwa 30 Exemplare verkauft, aufgerundet. Ich traf Aline einmal an einer Bushaltestelle. Sie sagte mir, Marlon saufe immer noch, er schlage sie auch, sie habe eine Fehlgeburt erlitten, er habe sie regelrecht geprügelt. Sie habe sich in der Toilette eingeschlossen und dann sei es passiert, direkt in die Kloschüssel. Man hätte bereits Händchen und Füsschen erkennen können. »Wie kann Gott sowas zulassen?« hatte sie geschluchzt. Hinter ihr hing ein Plakat der christlichen Agentur für den Glauben. Auf blauem Hintergrund stand in grossen gelben Lettern geschrieben: »Gott liebt dich«.

Ich hatte Aline in den Arm genommen und ihr gesagt, sie könne bei mir wohnen. Sie wohnte zwei Tage bei mir. In der zweiten Nacht erschien Marlon im Treppenhaus und grölte, er würde sich eine Kugel durch den Schädel jagen, wenn sie nicht sofort zu ihm zurückkäme. Aline kramte eilig ihre sieben Sachen zusammen und eilte zur Wohnungstür. Er braucht mich, schrie sie verzweifelt als sie die Treppe hinuntereilte. Mir schien, sie platze schier vor Glück. Es ist mir ein Rätsel, wieso sich Frauen sowas antun. Aber die römische Antike ist leichter zu verstehen als die weibliche Psyche.

Ich habe später, wohl aus Trotz und Verzweiflung, Godless Sun noch ins Englische übersetzt. Ich dachte, der englische Markt ist viel grösser als der deutschsprachige Markt. Das ist schon richtig, aber auch die englische Variante hat sich nicht verkauft, ich habe die englische Ausgabe mit der Amazon Software Create Space als Selfpublisher publiziert, als E-Book und Print on Demand, ausser Spesen nix gewesen. Trotz allem Fleiss war alles Scheisse.

Ich sagte vorhin, ich sei froh gewesen, dass alles geklappt hat mit dem Flugticket und so. Nein, nicht alles hat geklappt. Ich habe damals den Abflug verpasst. Venedig war nie meine Destination, aber es war der nächstbeste Flug aus der Hölle. Ich dachte, flieg doch erst mal nach Venedig, von dort kannst du dann weiterreisen, Hongkong, Südamerika, Neuseeland, Miami, einfach so lange zwischen Ost und West hin- und herfliegen, bis alle meine Spuren verwischt oder meine Maschine abgestürzt ist.

Al Ponte Antico, Venedig

Die Maschine stürzte nicht ab, allerdings fiel ich beinahe ins Wasser, als ich das schaukelnde Wassertaxi bestieg. Wir bretterten über den Canale Della Giudecca bis wir schliesslich in gemächlichem Tempo in den Canal Grande einbogen. Das erste, was mir auffiel, war der Gestank, der Gestank von 1000 Jahren Zivilisation und verlotterterten Abwasserkanälen. Der Markusplatz war schon sehr belebt, Touristenschwärme, die sich wie eine bunte Lava in die schmalen Gassen verteilte. Das Hotel Al Ponte Antico hatte eine eigene Anlegestelle, die nachts von vier Laternen erleuchtet wurde. Der Portier, ein grossgewachsener, athletischer Italiener, begrüsste mich wie einen alten Verwandten und genoss mit sichtbarem Stolz meine Bewunderung, als wir von der Anlegestelle durch den Hintereingang in einen gruftähnlichen Hotelflur traten. Das Gewölbe war in Terrakotta Farbtönen bemalt, der Boden mit schwarzweissen Mosaiken ausgelegt, rechts der Eingang zu meiner Suite. Ich hatte mir ausdrücklich das Erdgeschoss gewünscht. Der Portier trug meinen Koffer in den loftähnlichen Salon und sagte, das Gebäude stamme aus dem 16. Jahrhundert und gehöre seit Generationen seiner Familie, Frühstück gebe es um 7.30 Uhr und sein Name sei Bruno. Die Wände waren mit kostbaren Stoffen tapeziert, die Inneneinrichtung bestand aus Möbeln im Stil Louis XV. Schwer beeindruckt schaute ich zu den handbemalten Stuckaturen an der Decke, spürte die steinharte Verspannung im Nacken, der übliche Tribut, den Vielschreiber zu bezahlen haben, und machte ein paar Schritte zum raumhohen Doppelfenster, das den Blick auf den Canal Grande freigab. Der Holzboden war mit dem Wasserspiegel bündig, man konnte die Gondeln und Schiffe vor- beischleichen sehen, und hätte ich mich aus dem Fenster gelehnt, ich hätte dem einen oder anderen Touristen übers Haar fahren können. Aber nicht wahr, wieso hätte ich das tun sollen?

»Mitch«, sagte Bruno freundlich und strahlte übers ganze Gesicht, als er auf die offene Arkade zeigte, früher habe man hier ein Laden betrieben und deshalb den Raum mit der Arkade in zwei Hälften unterteilt, im hinteren Teil hätten noch seine Urahnen geschlafen. Ich erwähne das zögernd, weil mir Bärbel so oft eingetrichtert hat, dass Leser es nicht so genau wissen wollen. Die einen mögen das, die anderen ziehen eine Reservation auf der Insel des Grauens vor, freie Sicht auf das geheimnisvolle Moor und bläulich aufgedunsene Leichen zum Frühstück.

Ich verbrachte den Abend mit einem Amarone di Valpolicella vor den offenen Fensterflügeln und schaute den Booten nach, die wie in Slow Motion an meinem Fenster vorbeizogen. Im Hintergrund leuchteten die Lichter der Rialtobrücke, das Wasser schimmerte in warmen Kup- fertönen, ich fühlte mich einsam, verlassen. Bruno hatte mir ein paar Restauranttipps gegeben, zwischen dem Palazzo dei Camerlenghi und dem Rialtomarkt würde ich viele Kneipen finden, die Livemusik spielten, Venedig sei in der Nacht am Schönsten, in jeder menschen- leeren Gasse können man dem mystischen Gesang der Vorfahren lauschen, man müsse nur genau hinhören, aber ich hatte ihm erklärt, dass mir eine Flasche Amarone genügen würde. Nein, ich wollte auch keine weibliche Gesellschaft.

In der Nacht träumte ich von der Insel des Grauens. Es gab dort ein Haus am See. Vielleicht ist es nur gerecht, dass Autoren Opfer ihrer eigenen Geschichten werden. Ich war nackt und stieg aus dem offenen Fenster. Wie in Trance schritt ich in der Dunkelheit auf das Moor zu. Ich wusste, dass ich das nicht durfte, dass es mein Ende bedeuten würde, aber ich konnte nichts dagegen tun.

Ich musste es tun. Das Moor nahm mich auf, liess mich langsam versinken, und während ich wild mit den Armen ruderte, beschleunigte ich meinen Untergang. Ich sank tief, bis auf den schlammigen Grund. Ich blieb dort eine ganze Weile, bis ich im Schlamm etwas ertastete. Es war ein Flaschenhals. Obwohl es hier unten stock- finster war, konnte ich die Etikette lesen. Es war ein Bordeauxwein. Ich öffnete ihn. Natürlich war mir klar, dass man nicht unter Wasser eine Flasche Wein öffnen kann. Ich tat es trotzdem und nahm einen Schluck dieser trüben Flüssigkeit. Ich bin kein grosser Wein- experte, ich bin eher der Weintrinker, trotzdem hätte ich dieser gräulichen Sauce ein Schwefel-Bukett attestiert mit einer dominanten Krabben-Salzwasser-Note und einem diskreten Benzin- und Essigaroma. Die Flasche stammte aus einem Schiffswrack, das 1864 zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs vor der Küste Bermudas gesunken war. Normalerweise braucht es für eine sol- che Analyse Historiker, Chemiker und Meeresbiologen, aber in diesem grässlichen Traum wusste ich alles. Bis auf eine Sache: Was hatte der abgetrennte Kopf im Schlamm zu suchen? Ich kann- te diesen Kopf, aber ich konnte mich nicht erinnern, zu welchem Ereignis dieser Kopf gehörte. Oder zu welchem Rumpf. Ich starrte diesen wachsfarbenen Kopf an, die Augen lagen wie verkohlte Ap- rikosenkerne in den Höhlen, ich blickte ins Antlitz des Todes.

Als ich schweissgebadet aufwachte und realisierte, dass ich hier in einem Hotelbett in Venedig lag, beschloss ich meine Geschichte niederzuschreiben. Vielleicht beginne ich jetzt ganz von vorne.

Fortsetzung 2, nächten Sonntag, den 8. Januar 2023

Mehr über GODLESS SUN

128 Blick »Deutschlands Nacht der Wahrheit«

Deutschlands Nacht der Wahrheit

Sieben Jahre nach der Kölner Silvesternacht registriert die Berliner Polizei am Jahresende brutale Angriffe auf Sanitäter, Feuerwehr und Polizei, Brandanschläge, 355 Strafund Ordnungswidrigkeitsverfahren, darunter 22 Sexualstraftaten. Die Täter: mehrheitlich junge Migranten aus Machokulturen. Redakteur Jürg Hasselmann mutmasst im »Tagesspiegel« (Berlin): »Die Temperaturen begünstigten vermutlich die Neigung zu Randale.« Die ARD löscht das Wort »Migrationshintergrund« aus dem Liveinterview mit einem Feuerwehrmann (auf anderen Sendern sehen wir den Feuerwehrmann ungekürzt), einige wollen ein Böllkerverbot für die Gesamtbevölkerung durchsetzen, also auch für den 70jährigen Opa. Nach 7 Jahren nix gelernt.

Nicht verwunderlich, dass junge Abenteuermigranten jeglichen Respekt vor unserem Rechtsstaat verlieren. In ihrer Heimat hätte ihr Verhalten harte Konsequenzen zur Folge. Fordert man solche, wird man mit dem Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit mundtot gemacht, auch wenn man explizit junge Straftäter kritisiert, also eine Minderheit, die ihre Landsleute in Geiselhaft nimmt.

«Silvester» ist mittlerweile auch im Sommer. Letztes Jahr stürmten 2000 junge Nordafrikaner den italienischen Badeort Peschiera del Garda und skandierten: «Das ist Afrika!» Während der WM verwüsteten marokkanische «Fans» in Belgien ganze Strassenzüge. Seit Angela Merkels unkontrollierter Grenzöffnung im Herbst 2015 (Betonung auf «unkontrolliert») ist Silvester das ganze Jahr über auch in den Pariser Banlieues, im belgischen Molenbeek, im schwedischen Malmö und in anderen Städten.

Kann man Probleme lösen, die man leugnet? Rot-Grün will nicht wahrhaben, dass man nicht jede Kultur integrieren kann. Die ARD schneidet das Wort «Migrationshintergrund» aus einem Augenzeugenbericht und sendet falsche Zahlen. Der ehemalige ARD-Programmdirektor Herres nennt es «politisch korrektes Geschwurbel».

Helmut Schmidt (SPD) warnte bereits 2010 in einem ARD-Interview vor einer Zuwanderung aus nicht kompatiblen Kulturen. Er nannte den Nahen Osten, Nordafrika und Ostanatolien. Kollegin Ursula Sarrazin begründete ihren Parteiaustritt: «Die SPD ist zu einer Partei geworden, in der man die Wirklichkeit nicht mehr beschreiben darf

Fallschirmjäger Denny Vinzing sagte nach seiner Rückkehr aus Afghanistan: «Die meisten halte ich nicht für integrierbar. Sie leben nach ganz anderen Werten. Die Stellung der Frau ist radikal anders. Die kommen hier nicht zurecht

Der heutigen Politikergeneration fehlt die Kraft des Handelns. Sie interessiert sich mehr für Fotound Talkshowtermine.


Peter Tuth (Die Welt):

»Wo der Staat als schwach gilt, wird er missbraucht (…) In Berlin, wo es einen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund von 36,6 Prozent gibt, gab es 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren und 56 teilweise schwer verletzte Einsatzkräfte. In München, wo fast jeder zweite Migrationshintergrund hat: keine besonderen Vorkommnisse.«

Kommen bayrische Einwanderer aus besonders friedfertigen und zivilisierten Regionen? Nein, nur ist denen bekannt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft nicht lange fackeln, wenn es darum geht, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Selbst die »letzte Generation« meidet mittlerweile bayrischen Asphalt.

Fazit: Wo es klare rote Linien wie in München gibt und Straftaten ohne Wenn und Aber geahndet werden, lässt keiner mehr die Sau raus. Wo hingegen Rotgreen regiert, schwächen die Regierungen den Reststaat, indem sie bei linken Straftaten wegschauen. Wenn dann auch noch die Polizei »an die Kette genommen wird«, ist das der Freipass für eine grosse Silvesterparty.


»Godless Sun« Thriller, 1906, mehr über das Buch

Ab Sonntag, den 8. Januar 2023, können Sie jeden Sonntag meinen migrationskritischen Thriller GODLESS SUN kostenlos als Fortsetzung lesen, jeweils ca 20 – 30 Buchseiten. 

Der Roman entstand nach der unkontrollierten Grenzöffnung von Angela Merkel und beschrieb bereits 2016 (gestützt auf Warnungen der Sicherheitsbehörden, was wir seitdem erleben und noch erleben werden. Das Buch wurde auf dem Höhepunkt der »Refugées welcome« Aktionen aus dem Handel genommen. Jetzt ist wieder als eBook und Paperpack verfügbar und für FB Freundinnen und Freunde ab Sonntag als kostenlose Fortsetzung auf: GODLESS SUN SEITEN 1 – 20



 

 

Blick »Mein Jahresrückblick 2022«

 

China. Wutbürger made in China. Das Freiheitsvirus ist ansteckender als Corona.

USA. Joe Biden streckt die Hand aus, wo niemand steht, vergisst mitten in der Rede, äh… und verirrt sich im eigenen Garten. Leslie Nielsen («Die nackte Kanone», 1988) hatte Text und Brille besser im Griff.

Alles wird geleakt. Ausser der Gästeliste von Jeffrey Epstein.

Laptop der Hölle. Mark Zuckerberg gesteht: Das FBI hat ihn genötigt, negative Posts über Joe Bidens Sohn zu löschen. War also doch keine Verschwörungstheorie.

Twitter. Elon Musk meint, seine Kritiker würden nicht mehr Hass-Tweets befürchten, sondern mehr Tweets, die sie selber hassen. Die «Twitter Files» geben ihm recht, Twitter war eine «Tochtergesellschaft» des FBI.

Schweiz. Der Frauenverhinderer, aber saisonal feministische Co-Präsident der SP mag keine Männer. Ausser sich selbst.

Gesundheitsminister Berset: «Mit dem Zertifikat kann man zeigen, dass man nicht ansteckend ist.» Kann man mit einem Kassenbon auch zeigen, dass man nicht schwanger ist?

«Guns save lives», der Slogan der US-Waffenlobby, ist jetzt der Slogan der einstigen Armeegegner.

Deutschland. American Dream: Vom Tellerwäscher zum Millionär. German Dream: Vom Tellerwäscher zur Teller waschenden Person.

Angela Merkel ist gegangen, ihre Fachkräfte sind geblieben. 2500 junge Nordafrikaner stürmen den italienischen Badeort Peschiera del Garda und skandieren: «Das ist Afrika!» Ist noch etwas verfrüht.

Über 10 000 gut ausgebildete Deutsche fliehen vor dem Bevormundungsstaat ins Ausland. Muss Rot-Grün eine Mauer bauen? Wer 14 Jahre für einen Flughafen braucht, schafft keine Mauer.

Wahlurnen für die Kita. Die grüne Abgeordnete Emilia Fester (24) fordert das Wahlrecht für Zweijährige. Einige meinen, man sollte es eher auf 25 erhöhen.

EU. «Säcke voller Geld» in der Wohnung der Vizepräsiden-tin des EU-Parlaments. Auch Schweizer EU-Turbos winken bei Erfolg lukrative Sessel im Korruptionsparadies der Spesenritter.

England. London Bridge is falling down.

Auch die Herzogin von Sussex und ihr Prinz Peinlich are falling down. Gleich in Serie auf Netflix.

Ukraine. Es ist alles gesagt. Auch das, was man nicht mehr sagen darf.

Gesellschaft. Winnetou klagt: Bleichgesichter sprechen mit gespaltenem Gehirn. Walking Woke wird Walking Dead.

Foodwaste. Um das Klima zu retten, werden Gemälde mit Tomatensauce, Milch und Kartoffelstock beworfen. Klima reagiert nicht.

Neue Trends: Um den Globus jetten, um den Leuten zu sagen, sie sollen aufs Fliegen verzichten.

Klimaproteste als Sprungbrett für Modelkarrieren.

Das Wort «Sünde erlebt ein Comeback». Früher galt das Fleischverbot nur am Freitag, demnächst das ganze Jahr über.

Auslaufmodell «demokratischer Rechtsstaat». Von links bis rechts wollen immer mehr Leute verbieten, was ihnen persönlich nicht gefällt.

Diversität. Alle fordern sie, ausser beim Meinungsaustausch.

Westliche Feministinnen pochen auf das Recht, den Hidschab zu tragen. Diejenigen, die sie verteidigen, verbrennen ihn.

Goodbye. Legenden der Rolling Sixties sterben, aber ihre Hits leben weiter: «Be my Baby» (Ronny Spector), «Great Balls of Fire» (Jerry Lee Lewis).

Wissenschaft. Forscher entdeckten im genetischen Code des Coronavirus die «Furin-Spalte». Bei natürlichen Coronaviren kommt sie nicht vor. Im Labor hingegen schon.

Studie entschlüsselt elektrische Kommunikation zwischen Pilzen. Beanspruchen Pilze demnächst Menschenrechte?

Erste erfolgreiche Xenotransplantation eines Herzens von einem genetisch modifizierten Schwein zu einem Menschen. Schwein gehabt. Leider nur zwei Monate.

Uno. Sie meldet acht Milliarden Menschen. Demonstrieren Klimakleber demnächst für Familienplanung?

Sport. Tennisgott Federer verlässt den Olymp. Jetzt kämpft er gegen einen irdischen Uferweg vor seiner Villa.

Der FC Basel wird zur Spieleragentur mit eigenem Rasen. Basel nur noch in der Kriminalitätsstatistik Nummer eins.

Katar. Es wurde auch Fussball gespielt. Alte Erkenntnis: Werden Fouls nicht regelkonform geahndet, nehmen diese zu. Gilt auch für den Rechtsstaat.

Generell. Die westliche Welt verliert weiter an Relevanz. Neue multipolare Weltordnung im Entstehen.

Weiterer Vertrauensverlust auf allen Kanälen.

Früher gabs für Leute, die alles aufschieben, einen Tritt in den Hintern. Heute nennt man es «pathologische Prokrastination». Soeben Selbsthilfegruppe gegründet. Jahrestreffen verschoben. Und alles Gute zum Neuen Jahr!


Da der Jahresrückblick auf 4500 Anschläge beschränkt ist, habe ich VOR der Ablieferung über die Hälfte gestrichen. Einige finden Sie nachstehend in blau.


China. »Ich denke, China ist ein Vorbild für viele Länder« und »dass das chinesische Modell sicherlich ein sehr attraktives Modell für eine ganze Reihe von Ländern ist.« Klaus Schwab im November 2022 zum chin. TV Sender CGTN.

SCHWEIZ. Zahlreiche Hochbetagte mit schweren Vorerkrankungen haben Alain Berset vertraut und sich und andere angesteckt. Einige sind gestorben. Ist ein lügender »Volksvertreter« für ein öffentliches Amt geeignet?

DEUTSCHLAND. Die Grünen lieben Prinzipien. Die Macht lieben sie noch mehr. Waffenexporte in Kriegsgebiete okay.

Aussenministerin Annalena Baerbock will acht bis zehn Millionen Migranten aufnehmen und sagt, die Meinung  der Wähler sei ihr egal.

Olaf Scholz träumt von einer EU mit 36 Mitgliedern (darunter null Nettozahler). Schafft sich Deutschland ab?

Peter Sloterdijk: «Deutschland ist die grösste Exportnation für Irrtümer»

EU. Sie bestraft das korrupte Ungarn und will gleichzeitig die noch korruptere Ukraine aufnehmen
 
WHO. Die Weltgesundheitsorganisation folgt Klaus Schwabs Drehbuch »The Great Reset« und ernennt sich zur globalen Pandemieregierung, der sich alle 194 Mitgliedstaaten zu unterwerfen haben. Soziale Medien sollen einer Zensur unterliegen, um »Fehlinformationen« entgegenzuwirken.  Fehlverhalten wird sanktioniert. 
 
UKRAINE »Bellen vor der Haustür«. Papst Franziskus glaubt, die USA und die Nato hätten Putin mit der Ausweitung des transatlantischen Militärbündnisss in die Enge getrieben. 
 

Pandora Papers. Die Bundeszentrale für politische Kultur schreibt, dass Wolodymyr Selenski und seine engsten Mitarbeiter ein Netzwerk aus Offshore Briefkasten-Firmen gegründet haben. Selenskyjs TV-Produktionsfirma habe so 41 Millionen Dollar steuerfrei vom Oligarchen Ihor Kolo¬mo¬js¬kyj erhalten. Mit den Tarnfirmen seien Luxuswohnungen für mehrere Millionen gekauft worden. Hat Kriegsverbrecher Putin Selenski zum Helden geadelt? Ist jeder, der aus den Pandora Papers zitiert, ein Putinversteher?

 
Gemäss New York Times sind die USA zunehmend besorgt, dass ihre Milliardenhilfen im zweitkorruptesten Land Europas nicht immer dort ankommen, wo sie sollten. Werden einige der westlichen Waffen demnächst im Darknet zum Kauf angeboten? Die ersten sind mittlerweile in Schweden aufgetaucht.
 

GESELLSCHAFT. Rektor, Rektorin, Rektum. Neusprech erobert die Comedy-Bühnen.

«Alte weisse Männer»: Diskriminierung der Hautfarbe, Diskriminierung des Geschlechts, Diskriminierung des Alters: der neue Prosecco-Rassismus wird salonfähig.

Zeitgeist: Meinung schlägt Fakten, Moral Pragmatismus, Lautstärke Argumente, Unwohlsein ersetzt Logik, und der gute Zweck Rechtsstaatlichkeit.

Selbstjustiz. Die Enkel und Enkelinnen der Woodstockgeneration übernehmen deren Slogans: »Illegal ist scheissegal« und »macht kaputt was euch kaputt macht«.

Gesucht werden zehntausende Ingenieure. Doch beliebter ist das Studium von Gendergaga.

Corona, Krieg, Affenvirus, Strommangellage, aber was die die Konzerne am meisten fürchten ist der Shitstorm, den eine anonyme Person mit Hilfe der Medien abfeuert.


 
 

127 Blick »Der Kleine Scheisser«

Die Spanier nennen ihn Caganer. Er ist lediglich zehn Zentimeter gross und trägt die traditionelle Kleidung eines katalanischen Bauern: weisses Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, schwarze Hose, roter Gürtel, Schärpe und rote Mütze. Caganer bedeutet in der katalanischen Sprache so viel wie «kleiner Scheisser» und ist nicht nur ein Kosewort für Babys. Man findet die aus Durexina hergestellten Figuren in vielen spanischen Shops. Nur wer eine von ihnen in die Hand nimmt und dreht, sieht, dass der kleine Scheisser die Hosen heruntergelassen hat und sein Geschäft verrichtet. Ein ordentlicher Haufen türmt sich unter seinem nackten Hintern. Wer zum Teufel kauft solche Figuren? Und wo stellt man sie zu Hause auf?

In Katalonien platziert man sie in Weihnachtskrippen. Wer glaubt, die katholische Kirche würde Protest einlegen, täuscht sich. Sie sieht die Anwesenheit des Caganers bei der Geburt Jesu als Glücksbringer, denn die Figur düngt nicht nur die Erde (und lässt auf eine gute Ernte hoffen), sondern symbolisiert auch den ewigen Kreislauf der Natur. Der Caganer steht bzw. hockt für einen gesunden Körper, «menja bé, caga fort i no tinguis por a la mort!» (Iss gut, scheisse kräftig und fürchte dich nicht vor dem Tod!).

Entstanden ist diese Krippenfigur wahrscheinlich im 16. Jahrhundert. Bei etlichen Kindern ist die Suche nach dem Caganer immer noch ähnlich beliebt wie die Suche nach den Ostereiern. Wo ist er in diesem Jahr versteckt? Zwischen Ochs und Esel oder unter einem Heuballen?

Den kleinen Scheisser gibts mittlerweile in Hunderten Variationen, mit den Köpfen von Prominenten aus Sport, Film, Geschichte und Politik. Wie alle christlichen Bräuche, von Halloween über Allerheiligen, Ostern, Santa Claus bis Weihnachten, liess sich auch der Caganer bestens kommerzialisieren. Da der Markt irgendwann gesättigt war, musste eine weitere Figur her. Sie kam in Form des Pixaners, ein urinierender Verwandter des Caganers. Und da «alle Menschen gleich geschaffen» sind, gibt es auch König Charles III. und den Papst als Caganer und selbst Maria, Josef, die Hirten und die drei Könige gehen mittlerweile in die Hocke und düngen in Katalonien den Boden weihnächtlicher Krippen.

Henry Kissinger, Friedensvorschlag im Original

The first world war was a kind of cultural suicide that destroyed Europe’s eminence. Europe’s leaders sleepwalked – in the phrase of historian Christopher Clark – into a conflict which none of them would have entered had they foreseen the world at war’s end in 1918. In the previous decades, they had expressed their rivalries by creating two sets of alliances whose strategies had become linked by their respective schedules for mobilisation. As a result, in 1914, the murder of the Austrian Crown Prince in Sarajevo, Bosnia by a Serb nationalist was allowed to escalate into a general war that began when Germany executed its all-purpose plan to defeat France by attacking neutral Belgium at the other end of Europe.

The nations of Europe, insufficiently familiar with how technology had enhanced their respective military forces, proceeded to inflict unprecedented devastation on one another. In August 1916, after two years of war and millions in casualties, the principal combatants in the West (Britain, France and Germany) began to explore prospects for ending the carnage. In the East, rivals Austria and Russia had extended comparable feelers. Because no conceivable compromise could justify the sacrifices already incurred and because no one wanted to convey an impression of weakness, the various leaders hesitated to initiate a formal peace process. Hence they sought American mediation. Explorations by Colonel Edward House, President Woodrow Wilson’s personal emissary, revealed that a peace based on the modified status quo ante was within reach. However, Wilson, while willing and eventually eager to undertake mediation, delayed until after the presidential election in November. By then the British Somme offensive and the German Verdun offensive had added another two million casualties.

In the words of the book on the subject by Philip Zelikow, diplomacy became the road less travelled. The Great War went on for two more years and claimed millions more victims, irretrievably damaging Europe’s established equilibrium. Germany and Russia were rent by revolution; the Austro-Hungarian state disappeared from the map. France had been bled white. Britain had sacrificed a significant share of its young generation and of its economic capacities to the requirements of victory. The punitive Treaty of Versailles that ended the war proved far more fragile than the structure it replaced.

Does the world today find itself at a comparable turning point in Ukraine as winter imposes a pause on large-scale military operations there? I have repeatedly expressed my support for the allied military effort to thwart Russia’s aggression in Ukraine. But the time is approaching to build on the strategic changes which have already been accomplished and to integrate them into a new structure towards achieving peace through negotiation.

Ukraine has become a major state in Central Europe for the first time in modern history. Aided by its allies and inspired by its President, Volodymyr Zelensky, Ukraine has stymied the Russian conventional forces which have been overhanging Europe since the second world war. And the international system – including China – is opposing Russia’s threat or use of its nuclear weapons.

This process has mooted the original issues regarding Ukraine’s membership in Nato. Ukraine has acquired one of the largest and most effective land armies in Europe, equipped by America and its allies. A peace process should link Ukraine to Nato, however expressed.

The alternative of neutrality is no longer meaningful, especially after Finland and Sweden joined Nato. This is why, last May, I recommended establishing a ceasefire line along the borders existing where the war started on 24 February. Russia would disgorge its conquests thence, but not the territory it occupied nearly a decade ago, including Crimea. That territory could be the subject of a negotiation after a ceasefire.

If the pre-war dividing line between Ukraine and Russia cannot be achieved by combat or by negotiation, recourse to the principle of self-determination could be explored. Internationally supervised referendums concerning self-determination could be applied to particularly divisive territories which have changed hands repeatedly over the centuries.

The goal of a peace process would be twofold: to confirm the freedom of Ukraine and to define a new international structure, especially for Central and Eastern Europe. Eventually Russia should find a place in such an order.

The preferred outcome for some is a Russia rendered impotent by the war. I disagree. For all its propensity to violence, Russia has made decisive contributions to the global equilibrium and to the balance of power for over half a millennium. Its historical role should not be degraded. Russia’s military setbacks have not eliminated its global nuclear reach, enabling it to threaten escalation in Ukraine. Even if this capability is diminished, the dissolution of Russia or destroying its ability for strategic policy could turn its territory encompassing 11 time zones into a contested vacuum. Its competing societies might decide to settle their disputes by violence. Other countries might seek to expand their claims by force. All these dangers would be compounded by the presence of thousands of nuclear weapons which make Russia one of the world’s two largest nuclear powers.

As the world’s leaders strive to end the war in which two nuclear powers contest a conventionally armed country, they should also reflect on the impact on this conflict and on long-term strategy of incipient high–technology and artificial intelligence. Auto-nomous weapons already exist, capable of defining, assessing and targeting their own perceived threats and thus in a position to start their own war.

Once the line into this realm is crossed and hi-tech becomes standard weaponry – and computers become the principal executors of strategy – the world will find itself in a condition for which as yet it has no established concept. How can leaders exercise control when computers prescribe strategic instructions on a scale and in a manner that inherently limits and threatens human input? How can civilisation be preserved amid such a maelstrom of conflicting information, perceptions and destructive capabilities?

Ukraine has become a major state in Central Europe for the first time in modern history

No theory for this encroaching world yet exists, and consultative efforts on this subject have yet to evolve – perhaps because meaningful negotiations might disclose new discoveries, and that disclosure itself constitutes a risk for the future. Overcoming the disjunction between advanced technology and the concept of strategies for controlling it, or even understanding its full implications, is as important an issue today as climate change, and it requires leaders with a command of both technology and history.

The quest for peace and order has two components that are sometimes treated as contradictory: the pursuit of elements of security and the requirement for acts of reconciliation. If we cannot achieve both, we will not be able to reach either. The road of diplomacy may appear complicated and frustrating. But progress to it requires both the vision and the courage to undertake the journey.

WRITTEN BY

Henry Kissinger