#chronos (1892)

jt2cg91892 gründete der Apothekengrosshändler Asa Griggs Candler The Coca-Cola Company ­ nachdem er John Stith Pemberton die Rechte für 2300 US-Dollar abgekauft hatte. 1917 zog er sich aus der Firma zurück und wurde Bürgermeister von Atlanta. Um sein Lebenswerk zu sichern, ­vermachte Candler die Firma seinem Sohn. Doch dieser veräusserte das Vorerbe heimlich für 25 Millionen an ein Konsortium.

Heute verkauft Coca-Cola täglich 1,76 Milliarden Getränke in 206 Ländern, weist eine ­Marktkapitalisierung von rund 170 Milliarden aus und einen Zuckergehalt von 106 Gramm pro Liter Standardcola. Offiziell nicht erhältlich ist ­Coca-Cola in Ländern, die immer noch mit der «Überwindung des Kapitalismus» beschäftigt sind: Auf Kuba trinkt Fidel Castro das von Nestlé vermarktete «Tukola», doch dank Obama ist das Original in Griffnähe.

Während in Hamburg die letzte grosse ­Cholera-Epidemie ausbrach, liess der ­amerikanische ­Ingenieur Jesse Wilford Reno den Vorläufer der heutigen Rolltreppen ­patentieren. In einer ­späteren Open-Air-­Ausstellung benützten ­Tausende von Neugierigen erstmals eine rollende Treppe.

Steil abwärts ging es hingegen mit dem ­Ingenieur Gustave Eiffel. Nachdem er mit dem ­Eiffelturm (1889) einen weltweiten Triumph gefeiert hatte, krachte seine Eisenbrücke in ­Münchenstein (1891) ­zusammen und riss 80 ­Menschen in den Tod. Bereits ein Jahr später zerstörte der Panamaskandal (1892) seine Reputation endgültig. Für Ferdinand de Lesseps, dem gefeierten Erbauer des ­Suezkanals, hatte Eiffel in Panama gigantische ­Schleusen für die bereits bankrotte Compagnie ­universelle du canal interocéanique de Panama entwickelt. Nachdem 510 französische Parlamentarier und die meisten ­Zeitungsredaktionen bestochen worden waren, ermunterten Regierung und Medien die ­Öffentlichkeit zu Aktienkäufen. Fast eine Million Franzosen verloren ihre Ersparnisse. Gustave ­Eiffel war durch sein Insiderwissen zu einem der reichsten Männer Europas geworden. Während Lesseps zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, erhielt Gustave Eiffel zwei Jahre. Strassen und Plätze, die bereits seinen Namen trugen, wurden wieder umbenannt. Eiffel zog sich in die Anonymität zurück.

Zurückgezogen hat sich auch Paul Gauguin, nachdem er als Arbeiter auf der Panamabaustelle geschuftet hatte. Auf Tahiti lebte er mit der 13-jährigen Teha’amana zusammen, die ihm auch als Modell diente. Im Jahre 1892 malte er zwei Frauen in einer Südseelandschaft, «Nafea faa ipoipo» (Wann heiratest du?). Das auf 300 Millionen Dollar geschätzte Gemälde wurde angeblich 2015 von der Herrscherfamilie von Katar ­erworben, einer arabischen Monarchie, die vor allem für Scharia, Fifa-Korruption, Menschenrechtsverletzungen und den permanenten ­sexuellen Missbrauch ausländischer Haushalt­angestellten bekannt ist.

Einen eher unfreiwilligen Rückzug aus dem Tagesgeschäft erlebten die fünf Dalton-Brüder. In Coffeyville, im US-Bundesstaat Kansas, wurden vier von ihnen nach mehreren Banküberfällen von einem Bürgeraufgebot gestellt und in einer Schiesserei erschossen. Emmett Dalton überlebte als Einziger und wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, aber 1907 begnadigt. Er arbeitete fortan als Berater für Westernfilme in Hollywood. Ein paar Jahre vor seinem Tod ­veröffentlichte er die Autobiografie «When the Datlons Rode» (deutsche Ausgabe: «Ich ritt mit den Daltons»). Die Memoiren waren Inspiration für den französisch-belgischen Zeichner Maurice de Bévère, der unter dem Künstlernamen Morris, die «Lucky Luke»-Abenteuer erfand.

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.

www.cueni.ch

© Basler Zeitung; 05.06.2015

Essentials »Scientology«, Talkshows, Movie, Books

 

 

Verfassungsschutz Bericht 2016 des deutschen Bundesamtes Baden-Württemberg, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration. Im Einzelnen werden staatsgefährdende extremistische Organisationen von links bis rechts thematisiert, darunter auch die milliardenschwere Geldsekte Scientology (Seiten 250 – 272) und wie diese mit ihrem »paramilitärischen Kader« gegen Kritiker vorgeht.

D O W N L O A D 

https://de.scribd.com/document/364119808/Verfassungsschutz-BW-2016

 

 

 

 

 


SC_Bayern_InnenministeriumNachstehend einige Quellenangaben. Ich empfehle vor allem das komplette Video mit der ARD Talkshow Hart aber Fair, 90 min. und die 60seitige Broschüre des Bayrischen Innenministeriums (siehe Abb.).  Cover anklicken. PDF auf scribd.com


ARD Talkshow »HART ABER FAIR« vom 21.3.2010 – Thema Sekten, Gurus, Gehirnwäsche

Moderation: Frank Plasberg

Gäste: Jürg Stettler, Pressesprecher SC Deutschland und Schweiz, Präsident SC Zürich

Günther Beckstein, Jurist und Politiker. 1993 bis 2007 bayerischer Innenminister, 2007 bis 2008 bayerischer Ministerpräsident.

Wilfried Handl, ehemaliger Scientologe, Leitung Wien

und Jürgen Fliege, Sabine Riede, Fredy Gareis, Brigitte Büscher

TEIL 1 / 5 (Bitte um Geduld, bis die Videos aus Youtube aufgeladen sind.)

TEIL 2 / 5

TEIL 3 / 5

TEIL 4 / 5

TEIL 5 / 5


SC_Bayern_Innenministerium  

60seitige Broschüre des Bayrischen Staatsministerium, liegt im Tourismusoffice in München auf. Kostenlos.


cuever_sc_4

Pflichtlektüre für jedes Parlamentsmitglied

Ursula Caberta, 19 Jahre lang Sektenbeauftragte im Hamburger Innenministerium

Scientology – Die ganze Wahrheit 

Sachlich, fundiert, mit zahlreichen Quellenangaben. Aktualisierte Fassung 2014.

http://www.amazon.de/Scientology-ganze-Wahrheit-Ursula-Caberta/dp/3579066307/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1432614686&sr=1-1&keywords=ursula+caberta

 


 

Schweizer Fernsehen Dok Film, 72 Min.:
Scientology: Enthüllungen aus dem Machtzentrum SF 2010
1:11:57


 

cover5Going Clear 2015

Die HBO-Dokumentation ist in Europa angekommen und lief bereits in Schweden (18. Mai 2015 – SVT) und den Niederlanden (19. Mai 2015 – VPRO). In England, wo eine Ausstrahlung aus rechtlichen Gründen noch nicht zur Diskussion steht, wird die Doku im Rahmen von Vorführungen in Kinos vorbereitet. In der Schweiz steht die HBO Doku ebenfalls auf dem Einkaufszettel von SRF.

 

 

 

 


Bis nichts mehr bleibt. Deutscher Spielfilm über Scientology, basierend auf wahren Begebenheiten unter Mitarbeit der Sektenbeauftragten des Hamburger Innenministeriums. In voller Länge: 90 Min. ARD 2010


 

UnknownIm Gefängnis des Glaubens von Lawrence Wright, dt. Uebersetzung, das engl. Original war die Basis für die HBO Doku  »Going Clear«

http://www.amazon.de/Gefängnis-Glaubens-Scientology-Hollywood-Innenansicht/dp/3421045356/ref=sr_1_5?s=books&ie=UTF8&qid=1432614558&sr=1-5&keywords=bare-faced+messiah

 

 

 

 


 

cover_hubbardBare-faced Messiah: The True Story of L. Ron Hubbard [Kindle Edition], Das Grosse Standard Werk über L. Ron Hubbard, 462 Seiten, unglaublich aufwändig und detailliert recherchiert, fundiert, mit unzähligen Quellenangaben. Neu als eBook (2014)

http://www.amazon.com/Bare-Faced-Messiah-True-Story-Hubbard-ebook/dp/B00IF9B4OO/ref=sr_1_1_twi_1_kin?ie=UTF8&qid=1432614839&sr=8-1&keywords=russell+miller

 

 

 


Bildschirmfoto 2015-05-26 um 08.25.31

Das wahre Gesicht von Scientology. Von Wilfried Handel, Ex-Scientologe in Führungspositon, häufiger Gast in dt.sprachigen Talkshows zum Thema Sekten, Scientology.

Er stellt sein aufwändig illustriertes Buch (mit Originaldokumenten) kostenlos als eBook zur Verfügung auf:

http://www.wilfriedhandl.com

 

 

 


cover3

Scientology von Jana Jacobi (Pseudonym), eine ehemalige OTIII Scientologin erzählt sachlich und emoitonslos.

http://www.amazon.de/Scientology-Ein-Blick-hinter-Kulissen/dp/3836706520

 

 

 

 

 


 

cover-sc2Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht. Ex Kinder Scientologin Jenna Miscavige Hill, die Nichte des obersten Scientologen berichtet.

http://www.amazon.de/geheimes-Leben-Scientology-dramatische-Flucht-ebook/dp/B00BOAFYO2/ref=asap_bc?ie=UTF8

 

 

 

 

 


 

#chronos (1988)

cueni_chronos_19881988 erweiterte Michail Gorbatschow, der ­Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), unseren Wortschatz um zwei historische Begriffe, Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umbau). Zum Entsetzen der DDR erklärte er, dass jeder sozialistische Staat sein gesellschaftliches System frei wählen könne. Die UdSSR begann ihren Rückzug aus Afghanistan.

In Deutschland startete der neue Leitindex DAX mit 1000 Indexpunkten. Er umfasste die 30 grössten und umsatzstärksten Unternehmen. Wer 1988 fünftausend Franken in den deutschen Index investierte, hat heute rund fünfzigtausend in seinem Depot.

Mehr im Depot hatte die tickende Zeitbombe «Iron Mike», der zwei Jahre zuvor im Alter von 20 Jahren der jüngste Weltmeister der Boxgeschichte geworden war. 1988 verteidigte er gleich dreimal seinen Gurt, gegen Larry Holmes, Tony Tubbs und Michael Spinks. Er wurde der erste Weltmeister, der gleichzeitig von allen drei Boxverbänden ­anerkannt wurde. Mindestens so turbulent verlief sein Privatleben. Seine Polizeiakte war länger als sein Palmarès. Am Ende hatte das Jahrhundert­talent, das einst 400 Millionen besass, 300 ­Millionen Schulden und kommentierte: «Ich mache aus Gold Scheisse.»

Um Geld ging es auch in Oliver Stones «Wall Street». Michael Douglas spielte den Milliardär und Börsenmakler Gordon Gekko («Das Gewissen hat man ihm bei der Geburt entfernt»). Die Story war an die Biografien der Wall-Street-­Legenden Ivan Boesky und Carl Icahn angelehnt. ­Douglas erhielt einen Oscar und war im selben Jahr in den Schweizer Kinos noch in eine ­«Verhängnisvolle Affäre» mit Glenn Glose verstrickt.

Den dritten Kassenschlager des Jahres bescherte uns «Stirb langsam» mit Bruce Willis. Die Leute mochten den New Yorker Polizisten John McClane, der im Alleingang im Bürohochhaus Nakatomi Plaza Terroristen erschiesst.

Jack: «Wer sind Sie?»

John McClane: «Ich bin nur die Fliege im Honig, Jack. Der Knüppel zwischen deinen ­Beinen. Der Tritt in deinen Arsch.»

Den hätte eigentlich auch Arno Martin Franz Funke verdient, der ab 1988 vier Jahre lang unter dem Pseudonym Dagobert das Berliner Kaufhaus KaDeWe um eine halbe Million erpresste. Er scheute sich nicht davor, Bomben in Kaufhäusern zu deponieren. Die ersten Bomben versteckte er nachts, später, während der Öffnungszeiten, in den Fahrstühlen. Nachdem der gescheiterte Künstler und Autolackierer ein erstes Lösegeld erpresst hatte, verprasste er es und setzte ­anschliessend seine Erpressermasche fort. Obwohl er Tote in Kauf nahm, um sich persönlich zu bereichern, wurde er aufgrund seines Pseudonyms und diverser polizeilicher Pannen zum Liebling der Medien- und Kulturszene. Sechs Jahre nach seiner Festnahme wurde er frühzeitig aus der Haft entlassen, trat in Talkshows und ­Realityshows auf («Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!») und sang «Lass uns das Ding drehen».

Dass sich Kriminalität leider zu oft lohnt, bewies auch der 23-jährige Robert H. Morris, der Sohn des Leiters der National Security Agency (NSA). Er programmierte den ersten wirklichen Computerwurm («Morris») und legte 6000 ­Rechner lahm; damals in etwa zehn Prozent des weltweiten Internetverkehrs. Morris erhielt eine dreijährige Bewährungsstrafe, 400 Stunden Sozial­arbeit und Gerichtskosten von 150 000 ­Dollar aufgebrummt. Er gründete ein Software­unternehmen, das er für 49 Millionen an Yahoo verkaufte, und wurde Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT).

In Australien wurde der erste Plastikgeldschein eingeführt, eine Banknote aus synthetischem Polymer. Sie war abwaschbar und sicher vor Fälschungen, aber nicht vor der Entwertung durch Quantitative Easing.

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.

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© Basler Zeitung; 22.05.2015

#chronos (1905)

cueni_chronos_1905Nach einer Belagerung von 157 Tagen kapitulierte die russische Festung Port Arthur vor der über­legenen Waffentechnik der japanisch-kaiserlichen Truppen. Zar Nikolaus II. versuchte einen ­Volksaufstand blutig niederzuschlagen, aber der Petersburger Blutsonntag markierte bereits den Anfang der Russischen Revolution.

Auf der anderen Seite der Erdkugel vergass der amerikanische Limonadenhersteller Frank Epperson seine Limo auf dem Balkon. Am ­anderen Morgen war die Limonade gefroren. Der Löffel steckte noch im Glas. Er zog ihn heraus und hielt den ersten Glacestängel der Geschichte in der Hand. Kaum hatte er ihn patentieren lassen, ­meldete sein Landsmann Harry Bust ein weiteres Eis-am-Stiel-Patent an: gefrorenes Vanilleeis mit Schokoladenüberzug.

Ganz andere Sorgen hatte der rumänische Gerichtsmediziner Nicolas Minovici, der im selben Jahr seine Studie über das Erhängen publizierte. Die Untersuchung von 172 Selbstmorden durch Erhängen beantwortete nicht die Frage, wie sich Erhängtwerden eigentlich anfühlt. Kurzerhand befahl Minovici seinen Mitarbeitern, ihn zu ­hängen. «Das Gesicht wurde rot, dann blau, die Sicht verschwommen, in den Ohren begann es zu pfeifen, die Frakturen von Kehlkopf und Zungenbein sind fast unvermeidlich.» Minovicis Studie gehört heute zum Basiswissen der forensischen Medizin. Er bewies, dass der Tod nicht durch Ersticken eintritt, sondern durch die unterbrochene Blutzufuhr zum Gehirn.

Heinrich Mann schickte seinen Professor Unrat in den «Blauen Engel» und schrieb einen Gesellschaftsroman, den zuerst alle totschwiegen. Nach der Verfilmung mit Marlene Dietrich (1930) erlangte er Weltruhm.

Weltruhm erlangte auch Mata Hari, der frivole und geheimnisvolle Star der Belle Epoque, die als indische ­Tempeltänzerin mit ihrer Kunst der «erotischen Entkleidung» Europas Eliten begeisterte. Zwölf Jahre später wurde sie von einem französischen ­Militärgericht wegen angeblicher Doppel­­spionage hingerichtet.

Sigmund Freud publizierte Abhandlungen zur Sexualtheorie, während zwei deutsche Forscher den Spirochaeta pallida, den Syphilis-Erreger, entdeckten. Man nannte die Krankheit im ­Volksmund «den Franzosen», denn Mitte des 19. Jahrhunderts war tout Paris in den Orient ­gepilgert. Zurück brachten sie nicht nur erste ­fotografische Erinnerungen, sondern auch den Spirochaeta pallida. Die Milzbrand- und Tuber­kuloseerreger hatte bereits Robert Koch Jahre zuvor beschrieben. Er erhielt dafür 1905 den Nobelpreis. Wenig ­Nobelpreiswürdiges geschah in der Wüste von Nevada. Spekulanten gründeten die spätere Mafiahochburg Las Vegas. Sie hatten die Parzelle für 265 000 Dollar einer Eisenbahn­gesellschaft abgekauft, die es wiederum zwei Jahre zuvor der Rancherwitwe Helen Stewart für 55 000 Dollar abgekauft hatte.

Nobelpreiswürdiger war hingegen der ­Bestseller «Die Waffen nieder!», geschrieben von der ­Pazifistin Bertha Sophia Felicita Freifrau von ­Suttner. Sie war die erste Frau, die den ­Friedensnobelpreis erhielt.

Einmaliges geschah auch in der Schweiz. Mit 19 770 Metern Länge wurde der damals längste Basistunnel der Welt durchstochen: der Simplontunnel.

Während Albert Einstein einen Aufsatz zur Relativitätstheorie publizierte, veröffentlichte Rainer Maria Rilke im Insel Verlag sein «Stundenbuch». Es verkaufte sich in wenigen Jahren über 60 000-mal. Der Poet behauptete, er würde die Worte wie Gebete empfangen und wie ein Medium niederschreiben:

Vor lauter Lauschen und Staunen sei still,

du mein tieftiefes Leben;

dass du weisst, was der Wind dir will,

eh noch die Birken beben.


 

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.

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© Basler Zeitung; 08.05.2015


 

Cicero. Magazin für politische Kultur.

Bildschirmfoto 2015-04-30 um 05.51.35

#Cicero. Magazin für politische Kultur.

Porträt von F.F.Weyh

»Unerschrocken lebensweise«

#scriptavenue

http://bit.ly/1bXcZ0b

 

»Cueni landete einen Bestseller. Wenn man das Buch liest, versteht man, warum. Es funkelt vor grimmigem Nicht-aufgeben-Humor, ist dort entlastend komisch, wo man am liebsten heulen möchte, und unerschrocken lebensweise, wo politische Korrektheit Autoren sonst die Hirnwindungen verkleistert«.

#chronos (1962)

chronos19621962 sangen die Marvelettes immer noch ihren Ohrwurm «Please Mr. Postman», der im Dezember 61 die US-Hitparade gestürmt hatte. Auch John F. Kennedy wartete auf den Postmann. Er wollte endlich, per Präsidentenerlass, das verschärfte Handelsembargo gegen Kuba unterzeichnen. Aber zuvor musste sein Pressesprecher noch die 1200 kubanischen Zigarren für seinen Privatkonsum bestellen. Kennedys legendärer Satz: «Fragen Sie nicht, was Ihr Land für Sie tun kann – fragen Sie, was Sie für Ihr Land tun können», ist oft missverstanden worden. Er bezieht sich nur auf die Steuerzahler. Für Staatschefs gilt Spinoza: «Der Nutzen ist das Mark und der Nerv aller menschlichen Handlungen.»

Während die Sowjetunion Mittelstrecken­raketen auf Kuba stationierte und die Presse wieder einmal debattierte, ob es angesichts des bevorstehenden Atomkrieges noch Sinn machte, das Zeitungsabo zu verlängern, frühstückte Audrey Hepburn nach den Anweisungen von Truman Capote bei Tiffany und Sean Connery observierte als Agent 007 eine junge Schweizerin aus Ostermundigen, die in einem weissen Bikini aus dem Wasser stieg: Ursula Andress, das erste Bondgirl.

Mehr Zuschauer hatte der Strassenfeger der 60er-Jahre, der sechsteilige TV-Krimi «Das Halstuch» von Francis Durbridge. Die Einschaltquote betrug 89 Prozent. Wer keinen Fernseher hatte, erhielt für eine Stunde Asyl beim Nachbarn. Ein ganzes Land fragte sich: Wer ist der Mörder? Die Mutter des TV-Schurken verriet es während der Maniküre der Mutter des Kabarettisten Neuss … «Vaterlandsverrat», konstatierte Bild.

Nachdem Kennedy Fidel Castro mit einem atomaren Gegenschlag gedroht hatte für den Fall, dass die Sowjetunion auch nur eine einzige Rakete von Kuba aus abfeuert, richteten die beiden Grossmächte eine Hotline ein und sandten den Satz: «The quick brown fox jumps over the lazy dog.» («Der schnelle braune Fuchs springt über den faulen Hund.»). Da dieser Satz alle Buchstaben des Alphabets beinhaltet, konnte die Zuverlässigkeit der ­Übermittlung geprüft werden.

Verständlicher war hingegen der Satz der Sexikone der 60er-Jahre: «Wenn ich immer alle Regeln befolgt hätte, hätte ich es nie zu etwas gebracht.» Marilyn Monroe starb 36-jährig an einer Überdosis Medikamente und beeinflusste anschliessend die Mode mehr als die Pariser Haute Couture. Sterben mussten in diesem Jahr auch Hermann Hesse und der weltberühmte Schweizer Tiefseeforscher Prof. August Piccard, der in Hergés Comics Pate stand für die Figur des zerstreuten Professors Tryphon Tournesol («Professor ­Bienlein»).

1962 erteilte Decca Recording den Beatles eine Abfuhr: «Wir mögen den Sound nicht und ausserdem ist Gitarrenmusik sowieso am Aussterben.» Vorläufig erfolgreicher war Bill Ramsey mit «Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett», bis ihn Dany Mann mit dem Song «Ich lese abends keinen Krimi» ablöste.

Auf Tahiti und in Französisch-Polynesien wurde mit der «Meuterei auf der Bounty» der vielleicht spektakulärste Film der 60er-Jahre an Originalschauplätzen abgedreht. Der erste ­Meuterer am Set war jedoch Carol Reed, den Marlon Brandos Starallüren zum Wahnsinn trieben. Entnervt übergab er die Regie (mitsamt der Liste an Sonderwünschen) an Lewis Milestone, der stillschweigend zusah, wie sich Marlon Brando am Set in seine exotische Filmpartnern Tarita Tumi Teriipaia verliebte und den Film erfolgreich zu einem finanziellen Desaster machte.

Captain Bligh zu Fletcher (Marlon Brando): «Suchen Sie sich die dreckigste Ecke der Welt, den verlassensten Winkel, den Sie finden können. Ich werde dort auf Sie warten, mit dem Strick in der Hand.»

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. www.cueni.ch

Erschienen in der Basler Zeitung vom 24. April 2015

Scientology und die Spaghetti-Monster

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(im Anhang: Videos von Talkshows, Sachbücher)

 

Eine Geldmaschine, die sich als Religionsgemeinschaft maskiert

Von Claude Cueni / erschienen in der Basler Zeitung v. 22.4.2015

Basel. Am Samstag, 25. April, eröffnet Scientology in Basel den ersten «Idealen Org» der Schweiz. Was ist das? Gemäss Sektengründer L. Ron Hubbard ist das der Ort, «an dem eine neue Zivilisation für diesen Planeten geschaffen wird». Nebst dem Humorfestival Arosa hat die Schweiz nun auch ein internationales Zentrum für Realsatire.

Ron Hubbard hat als Autor über 200 Science-Fiction- und Schund­romane geschrieben, ein Gerät er­­funden, das die Schmerzen einer Tomate beim Aufschneiden misst, und 1954 die Sekte Scientology gegründet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verzweifelte Menschen aus den Stromschnellen des Lebens zu retten und mit Kursen den «Weg zum Glücklichsein» aufzuzeigen.

Obwohl Ron Hubbard den Hilflosen «völlige spirituelle Freiheit und Wahrheit» versprach, wurde er 1974 in Frankreich wegen Betrugs zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Sohn gestand 1982 in einer eidesstattlichen Erklärung vor dem Distriktgericht von Massachusetts: Mein Vater ist ein Betrüger und war immer ein Betrüger. Der religiöse Aspekt der Sekte sei nur erfunden worden, um Steuervorteile zu erlangen und sich vor Betrugsklagen zu schützen.

cueni_sciencefictionKontrolle als Ziel

Aber worin besteht die Lehre von Ron Hubbard? Sie liest sich wie ein ­Episodenplot aus seiner Science-Fiction-Serie «Battlefield Earth. A Saga of the Year 3000». Das Ziel ist, ganz unbescheiden, «die Übernahme und Kontrolle aller Aktivitäten in der Welt»; das Ziel ist, den Planet zu säubern (clear).

Ron Hubbard, ein Liebhaber von schwarzer Magie und US-Navy-Uni­formen, kreierte ein Patchwork an totalitären Ideologien, zubereitet mit einer Prise Reinkarnationstheologie, mariniert mit ein bisschen Versandhauspsycho­logie, garniert mit ein paar Comic-Sprechblasen und aufgekocht nach den modernsten PR- und Marketingstrategien. Scientology hatte keinen Gott, Hubbard war der Gott seiner «Pulp ­Fiction»-Welt. Das von ihm überlieferte Credo war stets: «Make money, make more money.»

Wie kann man damit Geld ver­dienen? In der Welt der Mobile Games ist das Freemium-Geschäftsmodell ein Milliardengeschäft. Man kann kostenlos eine Aufbausimulation down­loaden, Dörfer und Werkstätten errichten und nach jedem zivilisatorischen Fortschritt schmeichelhaftes Lob ernten.

Bis die virtuellen Ressourcen versiegt sind. Dann ziehen dunkle Wolken über den Monitor. Vom Spielfieber getrieben, zückt man die Kreditkarte und kauft mit richtigem Geld virtuelle Rohstoffe, um in der virtuellen Welt die nächste Zivilisationsstufe zu erreichen. Dieses Freemium-Modell verfolgt auch Scientology.

Die bevorzugte Kundschaft sind Pubertierende, die vom hormonellen Tsunami, zwischen trüber Melancholie und todesmutigem Risiko, orientierungslos zwischen Jugend und Adoleszenz floaten; potenzielle Opfer sind generell Menschen in einer Krisen­situation. Scientology empfängt sie mit offenen Armen. Scientology verspricht «geheimes Wissen», «die Lösung aller Probleme, Unsterblichkeit».

Unknown16 Kurse zur Unsterblichkeit

Lohnt es sich dafür nicht, einen kleinen Kurs zu besuchen? Für die ­Unsterblichkeit braucht es anschliessend noch 16 weitere Kurse, um die ­spirituelle Auszeichnung «Clear» zu erreichen. «Clear» bezieht sich jedoch eher auf den Zustand des Bankkontos. Rund 200 000 Franken hat man mittlerweile aus­gegeben.

Aber als Unsterblicher hat man ja genug Zeit, dieses Geld zu verdienen und noch mehr zu spenden. Will man im Comic-Universum der gottlosen Sekte einen höheren Rang erreichen, sind bewusstseinserweiternde Kurse hilfreich. Den «O.T.3-4-Kurs» gibt es bereits für 17 000 Franken, «O.T.5-7» für 25 000 Franken etc., bis auch das Geld der mittlerweile aufgelösten ­Pensionskasse verbraucht ist.

Unsterblich ist man dann immer noch nicht, aber schwer abhängig von der Sekte, die einen mittlerweile genötigt hat, sämtliche Kontakte zu Familie und Freunden abzubrechen. «Man wird in eine Parallelwelt hineingezogen», erklärt der langjährige Sektenexperte Hugo Stamm, «von der übrigen Welt abgetrennt, vom bisherigen Bekanntenkreis abgeschnitten und einer sanften Gehirnwäsche unterzogen.»

Jetzt glaubt man erst recht, dass man mit weiteren Kursen auf das geniale Potenzial zurückgreifen kann, das Scientology während den zahlreichen Psycho-Verhören (Audits) erkannt hat. Egal, ob man auf der Pferderennbahn steht, vor dem Slotautomaten im Casino oder vor dem nächsten Scientology-Kurs – die Hoffnung stirbt zuletzt. Der Freemium-Effekt hat eingesetzt, man will die nächste spirituelle Stufe erklimmen, und dafür schenkt man gerne das mühsam Ersparte dem «Master», der ewiges Glück verspricht.

Schwierig wird es schliesslich, wenn man nach Jahren die Mitteilung erhält, dass nun sämtliche Kurse abgelaufen sind. Wie Mandarinenjoghurts haben offenbar auch Scientology-Kurse ein Verfalldatum. Jetzt muss alles ­wiederholt werden und erneut bezahlt werden. Aber wie soll das gehen?

Bildschirmfoto 2015-04-06 um 07.26.55Staat im Staat

Das war der Moment, als Josef Mrkos (67), ein Schweizer Scientologe der ersten Stunde und Gründer der Filiale Basel, nach 42 Jahren Mitgliedschaft das Handtuch warf und die Sekte verliess. Er hatte mittlerweile 1,5 Millionen Franken einbezahlt: «Scientology ist zur kommerziellen Geld­maschine verkommen.» In einem Fernsehinterview bezeichnet er die Sekte als «gefährliche Psycho-Terrorgruppe, ein Staat im Staat».

Natürlich bestreiten die Sekten­sprecher diese «rufschädigenden ­Äusserungen», obwohl mittlerweile Tausende von Ex-Scientologen identische Aus­sagen in Büchern, Dokumentarfilmen, Talkshows und Foren gemacht haben. Stets lächeln die ­Scientologen leicht entrückt in die Kamera, als hätten sie das in ihrer Comic-Bibel versprochene «brüderliche Verhältnis mit dem Universum» bereits erreicht.

Teure Plaketten und Lorbeerkranz

Scientology ist keine Religion. Sektenexperte Hugo Stamm: «Es geht nur um Geld. Es geht um Macht und um Geld. Es ist wirklich nichts anderes als eine Geldsekte, sie hat kein anderes Ziel, als den Leuten etwas vorzu­gaukeln, was sie erreichen können, und letztlich werden die Leute abgezockt bis auf die Unterhosen.»

Scientology ist auch keine Kirche. Kann man sich einen Pfarrer vorstellen, der auf der Strasse Passanten zu teuren Religionskursen oder Spenden über­reden will und sie beteiligt, falls sie ihm weitere Kunden bringen?

Bei Scientology erhalten Spender originelle Plaketten: Zum Schnäppchenpreis von 40 000 Franken erhält man den «Patron», 100 000 Franken kostet «Patron with Honors», es gibt zwei Dutzend Spenderstufen bis hin zum «Diamant Meritorious» für fünf Millionen Dollar, aber dafür gibts kostenlos noch den Lorbeerkranz.

Da können Serviceclubs wie Rotary oder Lions nur noch vor Neid erblassen. In der realen Welt erntet man mit solchen Auszeichnungen nur Gelächter, also bleibt man am besten unter sich. «Den Wahn erkennt natürlich niemals, wer ihn selbst noch teilt», schrieb ­Sigmund Freud über die «Umbildung der Wirklichkeit».

scientology-volcanoctopus_190pxHäufig vor Gericht

Das Time Magazine publizierte 1991 eine Scientology-Titelgeschichte, «Kult der Habgier», und bezeichnete darin Scientology als «eine riesige, gewinnbringende globale Gaunerei, die durch Einschüchterung ihrer Mitglieder und Kritiker in Mafia-Manier überlebt». Scientology verklagte das Magazin. Und verlor.

In Frankreich wurde Scientology wegen «organisierten Betrugs» zu insgesamt 600 000 Euro Geldstrafe ver­urteilt. In einigen Bundesländern wird Scientology als «verfassungsfeindliche Organisation» eingestuft und vom Verfassungsschutz observiert, weil sie «antidemokratische Ziele» verfolge und «eine gesellschaftlich-politische Ordnung» anstrebe, in der «elementare Grundrechte nicht garantiert» sind.

 

Bildschirmfoto 2015-04-08 um 18.15.06Auch im Universum des Milliardenkonzerns (die Hälfte in Immobilien) gibt es mittlerweile schwarze Löcher, in denen immer mehr Mitglieder verschwinden und Neukunden ausbleiben. Grund ist der Wissenstransfer über das Internet und die zunehmende Konkurrenz auf dem pseudoreligiösen Markt. Mittlerweile gibt es sogar die Religion der «Fliegenden Spaghetti-Monster», eine Gründung des US-amerikanischen Physikers und Parodisten Bobby Henderson. Er und seine atheistischen ­Brüder huldigen dem Spaghetti-Gott. Das Abendmahl gibts in jeder guten Pizzeria. Kostenpunkt circa 25 Franken.

Claude Cueni (59) ist Schriftsteller und lebt in Basel. www.cueni.ch

© National-Zeitung und Basler Nachrichten AG


17.11.2017

Verfassungsschutzbericht 2016, Seiten 250 – 272 über Scientogie, Zitat „Erwähnt wird die Begründung einer abgewiesenen SC Klage: »Zudem stellte das Gericht fest, dass die Expansionsaktivitäten von Scientology eine Gefahrenlage begründeten, die auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel rechtfertige (Az.: 5 A 130/05). Vollständiger Originalbericht zum Download:

https://de.scribd.com/document/364119808/Verfassungsschutz-BW-2016


 Youtube Videos von Talkshows mit Pro und Contra / DVDs


 ARD Talkshow »HART ABER FAIR« vom 21.3.2010 – Thema Sekten, Gurus, Gehirnwäsche

Moderation: Frank Plasberg

Gäste: Jürg Stettler, Pressesprecher SC Deutschland und Schweiz, Präsident SC Zürich

Günther Beckstein, Jurist und Politiker. 1993 bis 2007 bayerischer Staatsminister des Innern, 2007 bis 2008 bayerischer Ministerpräsident.

Wilfried Handl, ehemaliger Scientologe in führender Position

und Jürgen Fliege, Sabine Riede, Fredy Gareis, Brigitte Büscher

TEIL 1 / 5 (Bitte um Geduld, bis die Videos aus Youtube aufgeladen sind.)

TEIL 2 / 5

TEIL 3 / 5

TEIL 4 / 5

TEIL 5 / 5


 SC_Bayern_Innenministerium  

Autor: Bayerisches Staatsministerium, liegt kostenlos im Münchner Tourismusoffice auf


 

Going Clear 2015, (in Vorbereitung, bereits ausgestrahlt in USA und div. europ. Ländern)


 Bis nichts mehr bleibt. Deutscher Spielfilm über Scientology, basierend auf wahren Begebenheiten unter Mitarbeit der Sektenbeauftragten des Hamburger Innenministeriums. In voller Länge: 90 Min.


Standardwerke zum Thema


 

Scientology von Ursula Caberta, ihr aufschlussreiches Abschlussbuch nach 19 Dienstjahren als Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology der Hamburger Landesjugendbehörde. Sehr sachlich, fundiert, mit zahlreichen Quellenangaben.


 

Bare-faced Messiah: True Story of L. Ron Hubbard The True Story of L. Ron Hubbard [Kindle Edition], Das Grosse Standard Werk über L. Ron Hubbard, 462 Seiten, unglaublich aufwändig und detailliert recherchiert, fundiert, mit unzähligen Quellenangaben. Neu als eBook (2014),


 

Im Gefängnis des Glaubens von Lawrence Wright, dt. Uebersetzung, war die Basis für die aufsehenerregende Demo von HBO »Going Clear« 


 

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht. Ex Kinder Scientologin Jenna Miscavige Hill, die Nichte des obersten Scientologen berichtet.


Scientology von Jana Jacobi (Pseudonym), eine ehemalige OTIII Scientologin erzählt sachlich und emoitonslos.

http://www.amazon.de/Scientology-Ein-Blick-hinter-Kulissen/dp/3836706520


 Umfassender Blog gegen Scientology: http://www.blog-gegen-scientology.wilfriedhandl.com


 

 

#chronos (1992)

chronos_1992_marlboro1992 strich die Weltgesundheitsbehörde Homosexualität von der Liste der Krankheiten. Auch die spanischen Staatsrechler benutzten den Rotschift und löschten den 1492 erlassenen Alhambra-Edikt, der die Vertreibung aller Juden aus spanischen Territorien festschrieb.

Der frühere DDR-Staatschef Erich Honecker (»Den Sozialismus in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf«) wurde am Berliner Flughafen weder von Ochs noch Esel aufgehalten, sondern von der deutschen Polizei, die ihn gleich verhaftete und in Untersuchungshaft steckte. Vor Gericht übernahm er die politische Verantwortung für die Toten an der Mauer, wies aber jede moralische Schuld von sich. Ein bliebtes Motiv für Karikaturisten war sein inniger «Sozialistischer Bruderkuss» mit Breschnew.

 «I Will Always Love You» versprach auch Whitney Houston ihrem Filmpartner Kevin Costner im US-Thriller «Bodygard».

Nach dem Zerfall Jugoslawiens beherrschten kriegerische Auseinandersetzungen die Schlagzeilen und bestätigten die Aussage von Autor und Kriegsreporter Eugen Sorg: «Die Zivilisation ist eine ganz dünne Schicht.»

1992 starb der «Marlboro Man» Wayne McLaren an Lungenkrebs. Das in den 70er Jahren populäre Fotomodell sagte seinen Töchtern wenige Stunden vor seinem Tod: «Ich beende mein Leben unter dem Sauerstoffzelt. Ich sage euch, Rauchen ist das nicht wert.» Im späteren Spielfilm »Thank You For Smoking« (2005) spielte Sam Elliott den «Marlboro Man» McLaren.

Mit dem Maastrichter Vertrag rückten die Länder der Europäische Union enger aneinander. Mit dem neuen Stabilitätspakt sollte sichergestellt werden, dass die Netto-Neuverschuldung auf drei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts begrenzt wird. Die Schuldenbremse wurde gleich von Musterschüler Deutschland gebrochen. Die Vertragsbestimmung war umgehend Makulatur. Griechenland erlaubte sich gleich eine Verschuldung von neun Prozent, aber selbst dieser Finanzausweis war wie üblich frisiert.

Ueberraschend lehnte die Schweiz in einer Volksabstimmung den Beitritt zum EWR mit 50,3 Prozent ab. Ueberraschend deshalb, weil sich mit Ausnahme der Schweizerischen Volkspartei, sowohl Bundesrat, als auch Parlament für einen Beitritt ausgesprochen und deshalb bereits ein EU Beitrittsgesuch in Brüssel hinterlegt hatten. Der damals noch nicht so bekannte Zürcher SVP Nationalrat Christoph Blocher betrat die nationale Bühne.

Einen Oscar erhielt Anthony Hopkins für die Hauptrolle in «Das Schweigen der Lämmer»: „Die meisten Serienmörder behalten eine Art Trophäe von Ihren Opfern.“ Er hatte seine gegessen.

In Italien demonstrierte die Mafia erneut ihre Macht und erschoss den Strafverfolger Giovanni Falcone und den italienischen Richter Paolo Borsellino, mitsamt ihren Leibwächtern.

Nachdem sich George H.W. Busch bei einem Staatsbankett im Schoss des japanischen Ministerpräsidenten Kiichi Miyazawa erleichtert hatte, wurde am Jahresende der trinkfreudige Bill Clinton zum 42. Präsidenten der USA gewählt. In Erinnerung blieb, dass er während eines Telefonats mit dem selten nüchternen Cognac Liebhaber Boris Jelzin einen Blowjob genoss. Doch der grösste Einzelkunde des französischen Cognac Herstellers Hennessy blieb Kim Jong II, der jährlich für 750 000 Dollar bestellte, während sein Volk hungerte. Sein Sohn setzt heute die Tradition fort.

Paul Verhoeven inszenierte die damals unbekannte Sharon Stone in «Basic Instinct» als unwiderstehliche Femme fatale.

„Gibt’s hier auch Schnee?“

„Nein, aber ich könnte ein bisschen Sahne schlagen.“

#chronos (1932)

chronos1932jpeg1932 imitierte der Opernsänger Lloyd Thomas Leech den Schrei eines brünstigen Gorillamännchens, mixte ihn mit dem Heulen einer Hyäne, dem Blöken eines Schafs und dem schnell abgespielten Gejodel von Johnny Weissmüller, einem fünffachen Olympiasieger. In «Tarzan The Ape Man« (1932) unterliegt der Herr des Dschungels dem Charme der attraktiven Maureen O’Sullivan, die in einem Dutzend weiterer Filme Tarzan Sprachunterricht erteilte:

Jane: «Jane.» Tarzan: «Jane.» Jane: «And you? You?» Tarzan: «Tarzan! Tarzan!»

Die Zensurbehörde befahl Jane, sich trotz der tropischen Hitze züchtiger zu kleiden. Als die Urwaldschönheit den Dschungel wieder verliess, erhielt sie nur noch ein einziges Angebot, eines zum Heiraten. Sie gebar sieben Kinder, eine Tochter war Mia Farrow. Ihr späterer Schwiegersohn Woody Allen gab ihr einen Auftritt in »Hannah und ihre Schwestern«. Für die Beziehung war es nicht wirklich hilfreich.

In europäischen Zoos waren Völkerschauen populär. Im Basler Zoo wurden den Besuchern «die aussterbenden Lippennegerinnen» wie exotische Tiere vorgeführt. Ein Journalist schrieb damals: «Vor ihren Hütten kauern halbnackte Gestalten, stark an das Affengeschlecht erinnernd.»

1932 erhielt der Sohn eines österreichischen Zollbeamten die deutsche Staatsbürgerschaft. Er hatte zuvor die Kampfschrift «Mein Kampf» veröffentlicht. Das Buch wurde zur Bibel der NSDAP, die bei den Reichstagswahlen gleich 37 Prozent der Stimmen erhielt und stärkste Fraktion wurde. In Deutschland waren mittlerweile über sechs Millionen Menschen arbeitslos. Der Weltwirtschaftskrise vorausgegangen waren der «Schwarze Freitag 1927», der die Berliner Börse um über 30 Prozent einbrechen liess, und der «Schwarze Donnerstag 1929», der als Auslöser der Krise gilt. Armut und Arbeitslosigkeit ebneten dem Faschismus den Weg.

Nervlich am Limit war auch der Schriftsteller Pawel Gorgulow, der anlässlich der Eröffnung der Pariser Buchmesse den Staatspräsidenten Paul Doumer erschoss und noch im gleichen Jahr unter der Guillotine starb. Der Auflage hat es nicht geholfen.

Blut floss auch in der Schweiz. Strassenschlachten zwischen Streikenden und Ordnungskräften gingen als «Blutnacht von Zürich und Genf» in die Geschichtsbücher ein.

Die Wirtschaftskrise diktierte Autoherstellern die Produktion kleinerer Autos zu erschwinglichen Preisen; vier Unternehmen fusionierten in der Not und wählten als Logo vier Kreise: Audi. Auch die Mode wurde von der Krise beeinflusst: Modejournale boten Hilfe zur Selbsthilfe, man schneiderte aus alten Kleidern neue Modelle.

In den USA sorgte die Entführung und Ermordung des Säuglings von Anne und Charles Lindbergh für monatelange Schlagzeilen. Mahatma Gandhi wurde festgenommen und begann in Gefangenschaft einen Hungerstreik, Ibn Saud gründete Saudi-Arabien, und Werner Heisenberg erhielt den Nobelpreis für Physik und war später Namensgeber für den biederen Chemielehrer Walter White (Bryan Cranston) in der erfolg­reichen US-TV-Serie «Breaking Bad».

James Charles «Jimmie» Rodgers landete mit «Roll Along, Kentucky Moon» den Hit des Jahres. Der Vater der Country-Musik baute als Erster Jodler in seine Songs ein. Mit seiner ersten Single verdiente er 27 Dollars, später avancierte er zum millionenschweren Superstar. Die Weltwirtschaftskrise beendete seinen Höhenflug: Die Menschen hatten kein Geld mehr, um seine Platten zu kaufen. Er starb 35-jährig im Tonstudio.

Blue Moon, you saw me standing alone, Without a dream in my heart.

© Basler Zeitung; 27.03.2015

Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel.