© Die Weltwoche vom 23. Dezember 2020
Den einen hat das Leben einen Tritt verpasst, den andern Flügel verliehen: Gewinner und Verlierer 2020. Von Michael Bahnerth: Die Gewinner:
Claude Cueni Die Welt verdankt ihm ein paar verdammt gute Sätze, einer der besten ist: «Selbstmitleid ist Zeitverschwendung.» Claude Cueni ist 64 Jahre alt und der erfolgreichste Überlebenskünstler dieses Planeten in den Wüsten und Dschungeln seiner selbst.
Seit elf Jahren lebt er nach einer Blutkrebserkrankung mit einem Immunsystem, das kaum der Rede wert ist. Das sind elf Jahre Isolation, sind ein paar Dutzend Spaziergänge im Jahr, wenn wirklich alles zusammenpasst: seine Gesundheit, die Abwesenheit von Grippewellen, von Pollen. Ein Buch zu schreiben, ist für ihn einfacher, als in die Ferien zu gehen. Meist sitzt er zu Hause vor seinen Bildschirmen, tagsüber, nachts, und tippt und schreibt sich in die Welten des Lebens, kommentiert den Irrsinn des Weltenlaufs, die Irrläufe der Vernunft, schafft diese ganze und wundervolle #cuenification der grossen Dinge und des kleinen Zeugs. Sitzt da unter einem kleinen grossen Licht neben einem Hometrainer, umgeben von seinen Schaufensterpuppen, die Figuren aus seinen Romanen abbilden, und seiner Frau, die die Figur seines Lebens ist.
Im Januar sah es so aus, als ob er, der wie einer lebt, der den Koffer schon gepackt hat, es nicht packen und entschwinden würde dorthin, wo die Originale seiner Figuren schon längst sind. Alles war organisiert für das Entschweben; Ort, Datum, Zeitpunkt. Und dann packte er es doch noch, kam zurück nach diesem kleinen Sterben, fast so unzerstörbar wie eine seiner Figuren.